Wie würde man das in modernem Deutsch ausdrücken? Und welcher Sachverhalt mag dahinterstecken?

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  • consanguineus
    Erfahrener Benutzer
    • 15.05.2018
    • 5616

    Wie würde man das in modernem Deutsch ausdrücken? Und welcher Sachverhalt mag dahinterstecken?

    Hallo zusammen!

    Ich hatte diesen Text in der Lesehilfe, wo er dank Eurer Unterstützung nun dem Wortlaut nach enträtselt ist. Jetzt geht es aber um die Bedeutung vor allem des ersten Satzes. Wie würde man das schreiben, um es heute lebenden Menschen verständlich zu machen? Und was könnte sachlich dahinterstecken? Den zweiten Teil habe ich des besseren Verständnisses wegen stehenlassen. Sein Sinn ist soweit unzweifelhaft.


    Noch sollen alte restierende Mit=
    gafft Gelder naher Grüningen aufge=
    geben werden ----------- 300 Mariengulden.

    Der ehste Possessor des Hoffes, Baltzer
    Bötel see(liger). hat von Haus u(nd) Hoff u(nd). zue
    Abtrit(t) seinen hinterbliebenen noch lebenden beyden
    Brüdern u(nd). einz(iger) Schwester herauszugeben
    vermacht --------- 150 Mariengulden an Gelde
    ein Pferd, eine Kuh, ein Rind, zwey
    Schweine, 2 Speckseit(en), an allerley Korn
    8 Morgen, einen halb beschmiedeten Wagen oder
    dafür -- 20 Mariengulden. Kisten Kasten etc: 4 Vaß
    Bier zur Hochzeit, u(nd). dazu so viel Speise als nötig


    In der Lesehilfe wurden bereits einige Ideen zusammengetragen. Vielleicht ist ein Moderator so nett und verschiebt die letzten Beiträge hierher. Es handelt sich um den Thread "aus dem Jahr" 1670.

    Mit "Grüningen" könnte der Ort Gröningen, zwischen Halberstadt und Magdeburg gelegen, oder das nicht weit davon entfernte Kloster Gröningen gemeint sein. Auf der Straße sind diese Orte etwas über 50 km vom damaligen Wohnort Baltzer Bötels entfernt.

    Mir erschließt sich nicht ganz, was Baltzer oder seine Familie mit (dem Kloster) Gröningen zu tun gehabt haben soll. Der Hinweis auf eine "Mitgafft" (Mitgabe) in der nicht unbedeutenden Höhe von 300 Mariengulden (nach heutiger Kaufkraft etwa 270.000 €) weist möglicherweise auf die Aufnahme eines Familienmitglieds in das Kloster Gröningen hin. Allerdings wurde dieses Kloster um 1550 im Zuge der Reformation aufgelöst. Die Person, die eventuell in dieses Kloster aufgenommen wurde, müßte mindestens der Generation von Baltzers Urgroßvater angehören, welcher 1527 geboren wurde.

    Was ist wohl damit gemeint, daß "restierende Mitgafft Gelder aufgegeben" werden sollen? Die Zahlung dieser Mitgabe steht offenbar noch aus. Steht sie Baltzer bzw. seinen Erben zu, oder sind diese die Schuldner? Darf man den Begriff "aufgeben" wörtlich nehmen, also im Sinne von "die Forderung abschreiben"?

    Oder könnte es um etwas ganz anderes gehen?

    Über Eure Ideen und Anregungen würde ich mich sehr freuen!

    Vielen Dank und viele Grüße
    consanguineus
    Zuletzt geändert von consanguineus; 07.03.2023, 16:07.
    Suche:

    Joh. Christian KROHNFUSS, Jäger, * um 1790
    Carl KRÜGER, Amtmann in Bredenfelde, * um 1700
    Georg Melchior SUDHOFF, Pächter in Calvörde, * um 1680
    Ludolph ZUR MÜHLEN, Kaufmann in Bielefeld, * um 1650
    Dorothea v. NETTELHORST a. d. H. Kapsehden, * um 1600
    Thomas SCHÜTZE, Bürgermeister in Wernigerode 1561
  • Gastonian
    Moderator
    • 20.09.2021
    • 3452

    #2
    Hallo consanguineus:

    Zur besseren Deutung dieses Textes wäre es schön, mehr zum Kontext zu wissen. Wie Du schon im anderen Thema erwähnt hast, ist dies nur ein Entwurf - die endgültige Fassung ließ sich nicht finden? In was für eine Akte wurde der Entwurf gefunden (Testamentvollstreckungen oder allgemeine Gerichtsprotokolle, oder Grundbuch/Landregisterakten, oder eine Akte spezifisch zu dieser Familie)? Wer hat ihn geschrieben? Gibt es andere Texte in dieser Akte, die eine vollständigere Übersicht über den Tatvorgang geben - ist dies tatsächlich ein Nachlaß, oder handelt es sich um einen Hofverkauf?

    Wie Du schon angedeutet hast, gibt es hier zwei Möglichkeiten - die 300 Mariengulden sind (in der Sprache des Buchhalters, in der ich meine Ausbildung hatte) entweder Aktiva (d.h., Teil der Vermögensmenge) oder Passiva (d.h., Teil der Schuldenlast).

    Zu dem Entwurf im ganzen scheint es mir auch zwei Möglichkeiten zu geben - entweder ist dies eine Liste der Passiva (z.B. bei Verkauf eines Hofes) oder eine Verfügung zur Verteilung der Aktiva (z.B. bei einer Testamentsvollstreckung).

    Im ersteren Fall wären es also in so etwa: "bei (oder vor?) Übergabe dieses Hofes/Vermögens/was-auch-immer sind diese Schulden zu begleichen: (1) 300 Mariengulden an "Gröningen", die aber abgeschrieben werden können (wieso - weil das Kloster Gröningen nicht mehr ein handlungsfähiger Gläubiger ist?); (2) 150 Mariengulden in Geld an die genannten Geschwister, laut der Verfügung des ehemaligen Besitzers, sowie 20 Mariengulden in Vieh und Zeug und eine Hochzeitsverzehrung."

    Im zweiten Fall wäre es so etwa: "in dieser Vermögensmenge eingeschloßen ist auch eine noch ausstehende ("restierende") Forderung an "Gröningen" für 300 Mariengulden, die aber nicht einzutreiben ist und daher abgeschrieben werden muß. Aus der Restmenge sind, laut der Verfügung des ehemaligen Besitzers (Testators?), als erstes 150 Mariengulden in Geld sowie 20 Mariengulden in Vieh und Zeug und auch eine Hochzeitsverzehrung an die genannten Geschwister auszugeben."


    VG


    --Carl-Henry
    Zuletzt geändert von Gastonian; 07.03.2023, 14:10.
    Meine Ahnentafel: https://gw.geneanet.org/schwind1_w?iz=2&n=schwind1&oc=0&p=privat

    Kommentar

    • consanguineus
      Erfahrener Benutzer
      • 15.05.2018
      • 5616

      #3
      Hallo Carl-Henry,

      hab vielen Dank für Deine Anregungen!

      Zum Kontext wäre zu sagen, daß der Text Teil einer Aufstellung mit folgender Überschrift ist:

      "Verzeichnis, was der Bötelhoff zu Hedeber denen von der Asseburg zu Lehen gehend für gemeine onera ertragen muß; auch was u(nd). wieviel Schulden darauf haften, u(nd). wieviel Land davon versetzet."

      Diese Aufstellung wurde vor folgendem Hintergrund erstellt (Kurzfassung): besagter Hof war Teil eines aus mehreren Höfen bestehenden größeren Lehnsbesitzes der Familie Bötel. Es handelte sich um das Zentrum und den Haupthof des Lehens. Der Besitzer des Haupthofes, Baltzer Bötel, einer der Lehnsvettern, war recht früh verstorben und hinterließ einen Sohn und zwei oder drei Töchter im Kindesalter. Wenige Jahre danach (1669) starb der Senior der Bötels, also der Lehnsträger. In demselben Jahr wie dieser starb auch der Senior der Asseburgs als Lehnsherr. Der neue Senior der Bötels hatte 1670 vor, eine Lehnsversammlung einzuberufen, auf der er den neuen Senior der Asseburgs bitten wollte, die bei einer Belehnung anfallende Gebühr nur einmal zu erheben, da die beiden Senioren ja in ein und demselben Jahr gestorben waren und zudem der Haupthof vor allem durch die Versorgung der unmündigen Kinder, aber auch durch andere Umstände, zu sehr belastet sei.

      Das Dokument befindet sich in der Lehnsakte. Es geht nicht um einen Hofverkauf. Der Umfang des Nachlasses wird meiner Auffassung nach nur dargestellt, um zu zeigen, wie hoch der Hof belastet war, also was noch an barer und unbarer Abfindung zu leisten ist, welche Abgaben ("onera") zu leisten sind, welche Schulden valutieren, Lohnkosten u.s.w. Es geht, um ungefähr in der Sprache des Buchhalters zu bleiben, einerseits um Aktiva, nämlich durchaus vorhandenes Vermögen, welches aber eigentlich eine Verbindlichkeit darstellt, da es durch einen Vertrag den weichenden Erben zusteht. Oder wurde es bereits bezahlt als Baltzer selbst den Hof übernommen hatte?

      Diese Sache mit dem Kloster Gröningen liegt eigentlich zu lange zurück, als daß es da noch irgendwelche Forderungen geben könnte. Das ist zumindest meine derzeitige Meinung. Man darf nicht vergessen, daß das Kloster 120 Jahre zuvor aufgelöst wurde. Wer war der Rechtsnachfolger? Weshalb hat sich der Gläubiger, wer auch immer das war, nicht um seine Forderungen gekümmert? Warum kommt das gerade jetzt auf den Tisch? Vielleicht um zu zeigen, wie schlecht der Hof dasteht?

      Mir ist noch etwas anderes in den Sinn gekommen. Es gab in der Gegend einen Johann Pasche Gröning(en) oder Grüning(en), der ungefähr so alt war wie Baltzer Bötel. Dieser Mann war zunächst Wachtmeister-Leutnant in der Festung Wolfenbüttel, später aber Vogt wenige Orte weiter. Schon dessen Vater war mit einer Ackermannstochter verheiratet. Ob Johann Pasche Gröning die Schwester von Baltzer geheiratet hat? Sind die 300 Mariengulden die Mitgift? Die Kirchenbücher beginnen leider einige Jahrzehnte später. Ich könnte höchstens versuchen, in dem Ort, in dem Gröning als Vogt wirkte, Taufen seiner Kinder zu finden, deren Paten vielleicht Licht ins Dunkel bringen.

      Viele Grüße
      consanguineus
      Zuletzt geändert von consanguineus; 07.03.2023, 16:49.
      Suche:

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      Thomas SCHÜTZE, Bürgermeister in Wernigerode 1561

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      • Gastonian
        Moderator
        • 20.09.2021
        • 3452

        #4
        Hallo consanguineus:


        Ah, sehr hilfreich!


        Da dies eine Auflistung der onera ist, würde ich nun wissen wollen, ob zu dieser Zeit "aufgegeben werden" den gleichen Sinn wie "herauszugeben" hat - also diese 300 Mariengulden Mitgift eine noch auszuzahlende Schuld ist (an den Herrn Grüning, z.B.). Dann würde dieser ganze Entwurf eine einheitliche Litanei der drückenden Schuldenlast sein.


        VG


        --Carl-Henry
        Meine Ahnentafel: https://gw.geneanet.org/schwind1_w?iz=2&n=schwind1&oc=0&p=privat

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        • consanguineus
          Erfahrener Benutzer
          • 15.05.2018
          • 5616

          #5
          Hallo Carl-Henry,

          Du hast den Kern des Problems getroffen: was genau ist mit "aufgeben" gemeint? Wenn die Intention der Aufstellung die war, den Hof "schlechtzurechnen", dann hätte man wohl eher davon abgesehen, eine stattliche Forderung an eine dritte Person oder Institution aufzuführen. Es dürfte also im Sinne von "herausgeben" aufzufassen sein.

          In diesem Licht könnte es sich tatsächlich um eine Mitgift in Richtung des Pasche Gröning handeln, wobei der Begriff der "Mitgift" ja normalerweise impliziert, daß einer wegheiratenden Tochter oder Schwester ihr Erbteil mitgegeben wurde. Dann hätte die Schwester Baltzers den Pasche Grüning geheiratet, wofür leider (noch) der Beleg fehlt. Auf die Generation davor kann sich die ausstehende Mitgift nicht beziehen, denn Vater Grönings Frau kam nicht von diesem Hof.

          Aber falls Baltzers Schwester den Pasche Grüning geheiratet hat, dann wäre sie ja bereits mit den 300 Mariengulden abgefunden, auch wenn diese noch nicht ausgezahlt wurden. Aus welchem Grunde wird die (einzige!) Schwester später bei der Verteilung der anderen Nachlaß- bzw. Aussteuergegenstände noch einmal erwähnt? Dort liest es sich so, als seien die beiden Brüder Baltzers und die einzige Schwester noch nicht verheiratet. Was die Brüder betrifft, so stimmt das auch. Der eine heiratete nach derzeitigem Kenntnisstand nie und der andere erst 1672. Von der Schwester weiß ich gar nichts.

          Welche Bedeutung hat eigentlich das Wörtchen "naher" im ersten Satz?

          Viele Grüße
          consanguineus
          Suche:

          Joh. Christian KROHNFUSS, Jäger, * um 1790
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          • Gastonian
            Moderator
            • 20.09.2021
            • 3452

            #6
            Hallo consanguineus:


            1) Jetzt, da ich mir den Text noch einmal ansehe, könnte da "ausgegeben" (mit langem s) anstelle "aufgegeben" stehen? Zu dem "naher" habe ich leider keine Idee.


            2) Ja, das mit der "einzigen Schwester" ist ein Problem. Da der Baltzer Teil einer Lehensgemeinschaft war - ist es möglich, daß sich jemand anders in der Familie mit dem Herrn Gröning verheiratete und die ganze Lehensgemeinschaft dann die Haftung für die Bezahlung der Mitgift übernahm (oder übernehmen mußte), so daß die Schuld jetzt auf dem Hauptlehnshof zu ruhen kam?


            3) Da dies eine "alte restierende" onera ist - gibt es vielleicht eine ältere Lehensakte, in der schon von dieser Schuld die Rede ist?


            VG


            --Carl-Henry
            Meine Ahnentafel: https://gw.geneanet.org/schwind1_w?iz=2&n=schwind1&oc=0&p=privat

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            • Scriptoria
              Erfahrener Benutzer
              • 16.11.2017
              • 2777

              #7
              Zitat von consanguineus Beitrag anzeigen
              Welche Bedeutung hat eigentlich das Wörtchen "naher" im ersten Satz?

              Hallo,

              wohl "nach". Einige Beispiele im Link, wie etwas "nahe Magdeburg liefern".




              Grüße
              Scriptoria
              Zuletzt geändert von Scriptoria; 07.03.2023, 21:36.

              Kommentar

              • consanguineus
                Erfahrener Benutzer
                • 15.05.2018
                • 5616

                #8
                Vielen Dank, Carl-Henry und Scriptoria! Und auch an einen anderen Forenkollegen, der gestern ebenfalls geschrieben hatte, dessen Beitrag aber verschwunden ist.

                "Naher" wäre nun entschlüsselt. So wird es sich bei "Grüningen" wohl doch eher um den Ort handeln, nicht um eine Person. Oder denke ich falsch, weil?

                Der Grüning läßt tatsächlich 1670 ein Kind taufen. Ich habe einige Seiten aus dem entsprechenden Kirchenbuch, weil etliche meiner Vorfahren dort lebten. Unter den Paten aber niemand aus Baltzers Umkreis. Eine Trauung habe ich erwartungsgemäß nicht gefunden.

                Die Lehnsakte reicht weiter in die Vergangenheit zurück. Einen passenden Hinweis auf eine alte Schuld fand ich nicht. Auch das habe ich erwartet. Besagte Schulden und onera haben ja nichts mit dem Lehen zu tun, sondern mit den persönlichen Verhältnissen der Bewohner des Hofes. Auch die Versorgung der unmündigen Kinder oblag nicht den Lehnsvettern, sondern es kümmerten sich Verwandte darum, die zwar auch dem Lehnsverband angehörten, aber das war nicht die Ursache für deren Engagement.

                Viele Grüße
                consanguineus
                Suche:

                Joh. Christian KROHNFUSS, Jäger, * um 1790
                Carl KRÜGER, Amtmann in Bredenfelde, * um 1700
                Georg Melchior SUDHOFF, Pächter in Calvörde, * um 1680
                Ludolph ZUR MÜHLEN, Kaufmann in Bielefeld, * um 1650
                Dorothea v. NETTELHORST a. d. H. Kapsehden, * um 1600
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                • Scriptoria
                  Erfahrener Benutzer
                  • 16.11.2017
                  • 2777

                  #9
                  Um es noch komplizierter zu machen: im Rechtswörterbuch kann Mitgift vereinzelt auch Männer betreffen, oder ein "Wertausgleich bei einem Gütertausch" sein.


                  II Wertausgleich bei einem Gütertausch
                  • an dem gelde, das wir sinen gnaden mit vnserm vorwercke G. zcu eynir mittegyfft addir zcugabe gebin sollen
                    1455 HMeißenUB. III 120




                  Vielleicht ging es um Land, deshalb der hohe Geldwert?
                  Zuletzt geändert von Scriptoria; 08.03.2023, 20:55.

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