"Mitnachbarlicher Einwohner" - ein Beleg für das Einheiraten in eine "Nachbarschaft"?

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  • Sbriglione
    Erfahrener Benutzer
    • 16.10.2004
    • 1510

    "Mitnachbarlicher Einwohner" - ein Beleg für das Einheiraten in eine "Nachbarschaft"?

    Hallo allerseits,

    ich habe mal eine Frage (die in meinem Fall insbesondere die Region zwischen Harz und Elm betrifft):

    Der Begriff "Nachbar" wurde ja in früheren Zeiten bekanntermaßen auf Einwohner eines Dorfes bezogen, die Anteil an den "nachbarschaftlichen Rechten", wie z.B. der Weide- und Hudenutzung und der übrigen Nutzung dörflicher Gemeinschaftseinrichtungen hatten.

    Nun gibt es aber auch die Bezeichnung "mitnachbarlicher Einwohner" - und da habe ich mal irgendwo (leider weiß ich, da es zeitlich zu lange zurück liegt) mal gelesen, dass DIESE Bezeichnung sich auf Leute beziehe, die in die "Nachbarschaft" eingeheiratet oder sich in diese eingekauft hätten (die sie also nicht zusammen mit dem familiären Hof ererbt hatten).

    Stimmt das?
    Gibt es dazu irgendwelche Belege?

    Grüße!
    Suche und biete Vorfahren in folgenden Regionen:
    - rund um den Harz
    - im Thüringer Wald
    - im südlichen Sachsen-Anhalt
    - in Ostwestfalen
    - in der Main-Spessart-Region
    - im Württembergischen Amt Balingen
    - auf Sizilien
    - Vorfahren der Familie (v.) Zenge aus Thüringen (u.a. in Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und NRW)
    - Vorfahren der Familie v. Sandow aus dem Ruppinischen
  • consanguineus
    Erfahrener Benutzer
    • 15.05.2018
    • 7443

    #2
    Guten Morgen, Sbriglione!

    Als Bewohner der Region zwischen Harz und Elm stelle ich fest: die Begriffe des "Nachbarn" und des "Einwohners" (welche, nebenbei bemerkt, im Halberstädtischen deutlich häufiger verwendet wurden als im Wolfenbüttelschen) dürften exakt dasselbe bedeuten. So zumindest mein Eindruck. Der Begriff des "mitnachbarlichen Einwohners" ist mir bewußt noch nicht begegnet. Er kommt mir eher doppeltgemoppelt vor, als daß eine besondere inhaltliche Raffinesse dahinterzustecken scheint.

    Wo hast Du den Begriff gefunden?

    Viele Grüße
    consanguineus
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    • Sbriglione
      Erfahrener Benutzer
      • 16.10.2004
      • 1510

      #3
      Zitat von consanguineus Beitrag anzeigen
      Wo hast Du den Begriff gefunden?
      Ich habe ihn mehrfach in Kirchenbüchern der Region gefunden, Zeitraum, so weit ich mich erinnere (auch das ist schon etwas her) etwa erste Hälfte bis Mitte 18. Jahrhundert.

      Und als "doppelt gemoppelt" empfinde ich den Ausdruck nur bedingt: nicht jeder "Mitnachbar" muss auch gleichzeitig ein "Einwohner" gewesen sein (er könnte zumindest theoretisch umgezogen sein und seinen Hof beispielsweise verpachtet oder verpfändet haben, ohne seine "nachbarlichen" Rechte aufzugeben), nicht jeder "Einwohner" war deshalb gleichzeitig auch schon "Nachbar" - und nicht jeder Mensch, der im Ort gelebt hat, galt automatisch auch als "Einwohner" (weil auch mit diesem Begriff schon gewisse Rechte innerhalb der Dorfgemeinschaft verbunden waren).

      Grüße!
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      • consanguineus
        Erfahrener Benutzer
        • 15.05.2018
        • 7443

        #4
        Hallo Sbriglione,

        ich bin, wie Du weißt, kein Historiker und kann daher keine Aussagen treffen, die unumstößlich wie ein Fels im Raum stehen.

        Du siehst also eine Hierarchie (von oben nach unten): "Nachbar" - "Einwohner" - "sonstige Dorfbewohner ohne oder mit eingeschränkten Rechten"? Wie würdest Du den im Halberstädtischen nicht selten auftretenden "Ackermann und Einwohner" einsortieren? Ein Ackermann gehörte von Ansehen und Wirtschaftskraft her zur kleinen dörflichen "Elite". Ohne Zweifel gehörte der Ackermann, wie auch der Halbspänner und der Kothsaß (auf Halberstädtisch mitunter "Cossath" genannt) rechtlich gesehen zu den "Nachbarn". Warum wird die Eigenschaft des "Einwohners" mitunter zusätzlich betont? Es dürfte sich doch von selbst verstehen, daß ein Ackermann im Ort wohnte. Hätte er seinen Hof verpachtet, was überhaupt nur äußerst selten vorkam, und zudem noch fortgezogen, dann wäre er ja kein Ackermann mehr.

        Oder mache ich einen Denkfehler?

        Viele Grüße
        consanguineus
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        • Sbriglione
          Erfahrener Benutzer
          • 16.10.2004
          • 1510

          #5
          Zitat von consanguineus Beitrag anzeigen
          Es dürfte sich doch von selbst verstehen, daß ein Ackermann im Ort wohnte. Hätte er seinen Hof verpachtet, was überhaupt nur äußerst selten vorkam, und zudem noch fortgezogen, dann wäre er ja kein Ackermann mehr.

          Oder mache ich einen Denkfehler?
          Ja.
          Man konnte auch als Ackermann in einen anderen Ort ziehen (beispielsweise, weil man dort einen anderen Hof geerbt hatte) und trotzdem noch gleichzeitig Äcker in der Dorfmark seines Herkunftsortes besitzen und wahlweise selbst bewirtschaften oder verpachten.
          In dem Fall konnte er auch die "nachbarlichen" Rechte behalten, ohne dort noch zu wohnen.

          Grüße!
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          • Sbriglione
            Erfahrener Benutzer
            • 16.10.2004
            • 1510

            #6
            Um noch etwas "draufzulegen":
            ich habe erst jüngst in einem Buch (ich weiß leider nicht mehr, ob es das über die Geschichte der Dörfer des Braunschweigischen Holzlandkreises oder ein anderes war) gelesen, dass Kothsassen zwar mit Sicherheit zu den "Einwohnern" gezählt wurden, aber deswegen noch lange nicht unbedingt zu den "Nachbarn"...
            Es stimmt zwar, dass in vielen Dörfern die Kothsassen irgendwann durchgängig zu den "Nachbarn" gezählt wurden, aber das soll häufig erst nach und nach passiert sein und war keineswegs überall so (es gab wohl auch Dörfer, bei denen einige der Kothsassen "Nachbarn" waren und andere nicht).

            Grüße!
            Suche und biete Vorfahren in folgenden Regionen:
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            • sternap
              Erfahrener Benutzer
              • 25.04.2011
              • 4070

              #7
              bei einer seite meiner vorfahren könnte es sich mit den herdstellen decken.
              zwar hatten alle söhne ein häuschen geerbt, im gegensatz zum vater, dem bürger, sah ich sie unverheiratet nur als inwohner bezeichnet.


              nachvollziehbar ist es, hätten alle selbst öfen betrieben, wäre die luft zum atmen knapp geworden.
              mit dem erringen eines größeren hauses und damit einer herdstelle, sind die ehemaligen inwohner plötzlich bürger.
              freundliche grüße
              sternap
              ich schreibe weder aus missachtung noch aus mutwillen klein, sondern aus triftigem mangel.
              wer weitere rechtfertigung fordert, kann mich anschreiben. auf der duellwiese erscheine ich jedoch nicht.




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              • consanguineus
                Erfahrener Benutzer
                • 15.05.2018
                • 7443

                #8
                Okay, im Wolfenbüttelschen war so etwas so einfach nicht möglich. Da durfte man grundsätzlich nur einen Hof besitzen. Bewirtschaftete man seinen Hof nicht selbst, war man natürlich auch den "Status" los, der mit dem Hof verbunden war. Ohne Hof kein Ackermann. Als Ackermann galt dann der, der den Hof gepachtet hatte. Wobei Verpachtung extrem selten vorkamen. Mir fällt tatsächlich nur ein einziger konkreter Fall ein. Man darf ja nicht vergessen, daß die Höfe zuallermeist kein freies Eigen waren, über das der Besitzer nach Belieben verfügen konnte.

                Ich erkenne aber an, daß im Halberstädtischen vieles ganz anders gehandhabt worden sein mag. Es fängt ja schon mit der im Wolfenbüttelschen völlig unbekannten Institution des "Amtsrichters" an. Oder des "Schöffen". Begriffe, die einem im Halberstädtischen laufend begegnen, auf der anderen Seite des Grabens aber nie.

                Viele Grüße
                consanguineus
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                • consanguineus
                  Erfahrener Benutzer
                  • 15.05.2018
                  • 7443

                  #9
                  Zitat von sternap Beitrag anzeigen
                  im gegensatz zum vater, dem bürger, sah ich sie unverheiratet nur als inwohner bezeichnet.
                  Der Begriff des "Bürgers" deutet auf städtisches Umfeld. Ich habe Sbriglione aber so verstanden, daß er die Verhältnisse auf dem Dorf meint.
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                  • consanguineus
                    Erfahrener Benutzer
                    • 15.05.2018
                    • 7443

                    #10
                    Zitat von Sbriglione Beitrag anzeigen
                    (es gab wohl auch Dörfer, bei denen einige der Kothsassen "Nachbarn" waren und andere nicht).
                    Ja, das wird seinen Grund in der Entstehungsgeschichte des jeweiligen Kothhofes haben. Einige zählten zu den "historischen" Kothhöfen, andere wiederum entstanden später durch Abtrennung von einem Ackerhof.
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                    • sternap
                      Erfahrener Benutzer
                      • 25.04.2011
                      • 4070

                      #11
                      vor wenigen tagen suchte jemand den unterschied zwischen paten und gevatter. im versuch, bei grimm eine schnittige antwort zu erhalten, wurde ich dort in urlange gehirnverrenkende texte mit belegen verwickelt.


                      vielleicht kann etwas davon in der heutigen frage helfen.
                      als gevatter habe man in bestimmten regionen und zeiten die den frischen eltern beigegebenen taufzeugen gemeint, den taufpaten dagegen solle man die einweisung der kleinen täuflinge in ein christliches leben übertragen.
                      gevatter gingen somit eine erwachsene und enge helfende beziehung ein, sie sollten bevorzugt unter den nachbarn, nicht jedoch unter den verwandten, gesucht werden.

                      luther habe diesen gevatterbegriff unterstützt.
                      ehepartner wären unter den gevatter- und taufpatenfamilien vozugsweise zu suchen.
                      ein mitnachbar wäre so ein dem engen kreis zugehöriger mensch, mehr noch, ein möglicher wahlverwandter.
                      freundliche grüße
                      sternap
                      ich schreibe weder aus missachtung noch aus mutwillen klein, sondern aus triftigem mangel.
                      wer weitere rechtfertigung fordert, kann mich anschreiben. auf der duellwiese erscheine ich jedoch nicht.




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