Studiendauer im 17. Jahrhundert

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  • Sbriglione
    Erfahrener Benutzer
    • 16.10.2004
    • 1517

    Studiendauer im 17. Jahrhundert

    Hallo allerseits,

    ich habe bei einem meiner Vorfahren, der später Pfarrer geworden ist, zu meiner nicht geringen Überraschung feststellen müssen, dass er als Student zwei Mal immatrikuliert war - und nicht nur an zwei unterschiedlichen Universitäten (Helmstedt und Jena), sondern auch noch im zeitlichen Abstand von stolzen 16 Jahren!
    In Helmstedt hat er sich gemeinsam mit einem Bruder im Jahre 1618 immatrikuliert und in Jena (ohne seinen Bruder) im Jahre 1634 (zwei Jahre, bevor er seine erste Pastorenstelle angetreten hat).

    Ich frage mich, ob eine derartige zeitliche Streckung bei einem Universitätsstudium "normal" war, ob da möglicherweise eine biographische Lücke zwischen steckt (oder noch weiter Universitäten) und ob in meinem konkreten Fall womöglich der 30jährige Krieg und/oder Geldmangel eine entscheidende Rolle gespielt haben könnte.
    Der Vater der beiden Brüder war evangelischer Pastor und dürfte schon aus diesem Grund nicht gerade in Geld geschwommen haben und soll schon vor 1618 gestorben sein - und beide Söhne von ihm sind beruflich in seine Fußsstapfen getreten.

    Kennt ihr vergleichbare Fälle?
    Wie würdet IHR unter den gegebenen Umständen die Studiendauer einschätzen (dass es sich in beiden Fällen um die gleiche Person handelt, ist gesichert)?
    Suche und biete Vorfahren in folgenden Regionen:
    - rund um den Harz
    - im Thüringer Wald
    - im südlichen Sachsen-Anhalt
    - in Ostwestfalen
    - in der Main-Spessart-Region
    - im Württembergischen Amt Balingen
    - auf Sizilien
    - Vorfahren der Familie (v.) Zenge aus Thüringen (u.a. in Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und NRW)
    - Vorfahren der Familie v. Sandow aus dem Ruppinischen
  • Anna Sara Weingart
    Erfahrener Benutzer
    • 23.10.2012
    • 17270

    #2
    Hallo
    ein Studium beinhaltete verschiedene Stufen und Abschlüsse.
    Als erstes musste man das Baccalaureus erreichen https://de.wikipedia.org/wiki/Bachelor

    Dann ging es weiter, ich zitiere
    Der Scholar der mittelalterlichen Universität erwarb diesen Titel ursprünglich nach Abschluss des Triviums (Grammatik, Dialektik, Rhetorik) der Artistenfakultät (baccalarius artium). Danach war der Absolvent mit dem Wechsel ins Quadrivium befähigt, Hilfslehrer für Scholaren des Triviums zu werden. Nach weiterem Studium des Quadriviums schloss der Baccalarius die Fakultät der Artisten – nachdem er also sämtliche artes liberales gemeistert hatte – mit dem Grad des magister artium ab und konnte in eine höhere Fakultät als magister non regens eintreten oder als magister regens an der Artistenfakultät (für die baccaularii des Quadriviums) selbst lehren.

    Desweiteren konnte man auch eine neue Studienrichtung einschlagen.
    Zum Beispiel statt Pfarrer zu werden, konnte man sich irgendwann entschließen ein weiteres Studium, z.B. Arztstudium dranzuhängen.
    Da die Grundlage für beide Studien gleich war, v.a. Latein, aber auch Philosophie, Griechisch.
    Zuletzt geändert von Anna Sara Weingart; 24.04.2022, 01:10.
    Viele Grüße

    Kommentar

    • Anna Sara Weingart
      Erfahrener Benutzer
      • 23.10.2012
      • 17270

      #3
      Ich könnte mir vorstelle, dass in Deinem Fall der 30-jährige Krieg, und mit einhergehende Pestepidemien, einer der Gründe für Studienunterbrechungen gewesen sein kann.
      Viele Grüße

      Kommentar

      • Gastonian
        Moderator

        • 20.09.2021
        • 5794

        #4
        Hallo:


        Kinderimmatrikulationen im 17. Jahrhundert habe ich schon mehrfach gesehen - eine Immatrikulation bedeutete nicht unbedingt Studienanfang, sondern lediglich Aufnahme in die universitäre Körperschaft mit ihren Rechten und Privilegien (z.B. Befreiung von der Gerichtsbarkeit der Stadt). Falls man also dazu berechtigt war (z.B. durch die Mitgliedschaft des Vaters in der Körperschaft), konnte man sich schon als Kind immatrikulieren lassen, um im Genuss dieser Vorrechte zu gelangen. Siehe z.B. die Diskussion der Verhältnisse in Leipzig hier: https://digital.ub.uni-duesseldorf.d...geview/8781081


        VG


        --Carl-Henry
        Wohnort USA

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        • Sbriglione
          Erfahrener Benutzer
          • 16.10.2004
          • 1517

          #5
          Zitat von Gastonian Beitrag anzeigen
          Hallo:


          Kinderimmatrikulationen im 17. Jahrhundert habe ich schon mehrfach gesehen - eine Immatrikulation bedeutete nicht unbedingt Studienanfang, sondern lediglich Aufnahme in die universitäre Körperschaft mit ihren Rechten und Privilegien (z.B. Befreiung von der Gerichtsbarkeit der Stadt). Falls man also dazu berechtigt war (z.B. durch die Mitgliedschaft des Vaters in der Körperschaft), konnte man sich schon als Kind immatrikulieren lassen, um im Genuss dieser Vorrechte zu gelangen. Siehe z.B. die Diskussion der Verhältnisse in Leipzig hier: https://digital.ub.uni-duesseldorf.d...geview/8781081
          Danke!

          Das dürfte dann wohl auch bei meinem Vorfahren und seinem Bruder der Fall gewesen sein: der Vater der beiden hat im Jahre 1591 gesichert in Helmstedt studiert.

          Herzliche Grüße!
          Zuletzt geändert von Sbriglione; 24.04.2022, 09:39.
          Suche und biete Vorfahren in folgenden Regionen:
          - rund um den Harz
          - im Thüringer Wald
          - im südlichen Sachsen-Anhalt
          - in Ostwestfalen
          - in der Main-Spessart-Region
          - im Württembergischen Amt Balingen
          - auf Sizilien
          - Vorfahren der Familie (v.) Zenge aus Thüringen (u.a. in Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und NRW)
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          • rigrü
            Erfahrener Benutzer
            • 02.01.2010
            • 2594

            #6
            Zitat von Anna Sara Weingart Beitrag anzeigen
            Hallo
            ein Studium beinhaltete verschiedene Stufen und Abschlüsse.
            Als erstes musste man das Baccalaureus erreichen https://de.wikipedia.org/wiki/Bachelor

            Dann ging es weiter, ich zitiere

            Die Theorie traf häufig auf pragmatische Lebensentscheidungen und ein Abschluss mit einem akademischen Grad (etwa als Bakkalaureus oder Magister) war nach meiner Erfahrung in der angefragten Zeit nicht die Regel. Es war nicht selten, dass ein Student die Universität für eine einigermaßen einträgliche Stelle als Schulmeister oder Lehrer an einer Stadtschule nach relativ kurzer Dauer verließ - dafür haben oft schon die Kenntnisse aus der voruniversitären Ausbildung etwa an einer Lateinschule ausgereicht - und diese als Sprungbrett für ein noch besser dotiertes Pfarramt übernahm. Für das kursächsische Gebiet empfehle ich die Lektüre der Akten zu den Kirchenvisitationen im 16. und 17. Jahrhundert, in denen teilweise sehr ausführliche Lebensläufe der Pfarrer zu finden sind.


            2 Beispiele aus den Visitationsakten von 1598/99 (liegen im HStA Dresden):


            Rückerswalde bei Marienberg - Pfarrer Christoph Körner aus Freiberg, 66 Jahre alt
            - Schulbildung in Freiberg, Marienberg und Meißen
            - Universität "Lipsiae 3 Viertel Jhar" und "Witebergae ein halbes Jhar"
            - im Dienst als Schulmeister "Aufn Basselsberg", danach 1,5 Jahre in Geising und im Anschluss als Pfarrer in Rückerswalde 36 Jahre


            Marienberg - Pfarrer Jodocus Rau aus Saalfeld, 56 Jahre alt
            - Schul- und Universitätsbildung in Saalfeld, Querfurt und Erfurt (mit den Lehrern Silberschlag und Gall)
            - im Dienst als Collaborator der Annaberger Lateinschule 2 Jahre, Kantor in Geyer 1 Jahr, Schulmeister in Buchholz 1 Jahr, Prediger in Klösterlein ein halbes Jahr, Pfarrer in Königswalde 5,5 Jahre, Diakon in Marienberg 20 Jahre, Pfarrer in Marienberg 6 Jahre
            rigrü

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            • sternap
              Erfahrener Benutzer
              • 25.04.2011
              • 4070

              #7
              wenn die universität wahrscheinlich einen größeren schutz bot, war es vielleicht lebensrettend, jungs dorthin z.b. zur lateinschule zu bringen.
              freundliche grüße
              sternap
              ich schreibe weder aus missachtung noch aus mutwillen klein, sondern aus triftigem mangel.
              wer weitere rechtfertigung fordert, kann mich anschreiben. auf der duellwiese erscheine ich jedoch nicht.




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              • Octavian Busch
                Erfahrener Benutzer
                • 16.03.2021
                • 1043

                #8
                Noch als Ergänzung für Sachsen:
                Im Pfarrerbuch sind meist auch Eintragungen zum Bildungsgang verzeichnet
                Ave

                :vorfahren: gesucht in:
                Mutzscheroda: Hermsdorf; Neuschönefeld: Seidel; Seegel: Dietrich, Dieze; Grossbothen: Lange, Dietze; Mügeln: Vogtländer; Droßkau: Kretzschmar, Bergner; Noßwitz: Gleisberg; Sörnzig: Liebers; Wickershain: Steinert; Oelzschau: Lehmann; Hohnbach: Frentzel; Leupahn: Augustin; Erlln: Schöne; Schkortitz: Stein; Eschefeld: Spawborth; Schneeberg: Friede; Grossgörschen: Fickler; Söhesten: Zocher; Greitschütz: Staacke; Stadtroda: Kittel; Gelenau/Erzgeb.: Nestler

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                • Bachstelze1160
                  Erfahrener Benutzer
                  • 08.02.2017
                  • 833

                  #9
                  Danke

                  Hallo allerseits,


                  danke, das war jetzt für mich auch ganz interessant zu lesen.

                  Grüßle
                  Dank und herzliche Grüße <3

                  Die Bachstelze


                  Ich sende einen Dank in den Himmel, wenn ein Pfarrer sich Mühe gab zu schreiben, das freut ihn dann!
                  Was die Ahnen wohl so alles mitbekommen, was wir wegen Ihnen uns für eine Arbeit machen!!!

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