Ich bin immer wieder erschüttert

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  • Ursula
    Erfahrener Benutzer
    • 18.01.2007
    • 1344

    Ich bin immer wieder erschüttert

    Hallo,

    obwohl mir das in den vielen Forschungsjahren schon öfter begegnet ist, bin ich immer wieder ergriffen von solchen Schicksalen:

    Crescenz heiratet Moritz, da war Crescenz 23 Jahre alt. Das erste Kind kam, als Crescenz 27 Jahre alt war. Bis sie 45 war, bekam sie 15 Kinder, die letzten beiden waren Zwillinge.

    9 Kinder verliert sie unmittelbar, oder ein paar Tage nach der Geburt.
    1 Tochter wird 1 1/2 Jahre alt und stirbt an Gichter
    1 Sohn wird 7 und stirbt am Starrkrampf
    1 Tochter wird 16 und stirbt an Hirnentzündung.

    1 Tochter wird nachweislich erwachsen, sie hat ein uneheliches Kind. Von der anderen Tochter vermute ich, dass sie die Patin dieses unehelichen Kindes ist, das muss ich noch recherchieren. Von 1 Sohn weiß ich noch gar nichts, zumindest habe ich aber keinen Eintrag im Totenbuch von ihm gefunden (an seinem Heimatort).

    Dieses Paar hat 12 seiner 15 Kinder verloren. Wie hält man das aus? Wie kann man da weiterleben? Wird man nicht sehr verzweifelt und auch verbittert?


    Traurige Grüße
    Uschi
  • lisetta
    Erfahrener Benutzer
    • 03.09.2012
    • 282

    #2
    Ich hatte es auch furchtbar vorgefunden bei einem Vorfahren: da sind alle Kinder (ungefähr 6, ich weiss es nicht mehr aus dem Kopf ) innerhalb von 4 Wochen an der Pest verstorben. Die ganze Familie ausgelöscht.

    Nur die Eltern haben überlebt - und das Ungeborene mit dem die Mutter schwanger war (mein Vorfahr).
    Aber ob 1 Baby über den Verlust so vieler Kinder hinwegtrösten konnte?

    Mir wurde im Archiv jedenfalls anders als ich das Kirchenbuch las.
    Zuletzt geändert von lisetta; 07.02.2020, 15:47.

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    • Lerchlein
      Erfahrener Benutzer
      • 08.10.2018
      • 2452

      #3
      Da kann ich nur zustimmen!

      Wenn man solche Schicksale liest, wird einem ganz anderes und man bewundert diese Ahnen. - Wie sie das alles verkraften konnten?- Mal ganz ehrlich, ich bezweifle das ich so etwas verkraften könnte.
      Zuletzt geändert von Lerchlein; 08.02.2020, 06:31.
      Vorsicht : >Ich habe keine Ausbildung. Ich habe Inspiration.< von Bob Marley -**







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      • Mathem
        Erfahrener Benutzer
        • 01.12.2013
        • 539

        #4
        Hallo,

        ich habe ebenfalls sehr viele Familien mit solchen Schicksalen in meinem Forschungsgebiet, wenn auch nicht mit 15 geborenen Kindern. Aber es reicht schon, wenn man von 4 geborenen Kindern liest, die als Baby sterben, bald darauf der Vater und wenige Jahre später die Mutter. Oder wenn von 7 Kindern nur eines überlebt.
        Da schnürt es einem die Kehle zu...
        Und die Sterbedaten dann zu notieren, kommt mir fast unangemessen vor.

        Zitat von fajo Beitrag anzeigen
        Wie sie das alles verkraften konnten?- Man ganz ehrlich, ich bezweifle das ich so etwas verkraften könnte.
        Ja, das frage ich mich dann auch. Vielleicht kann man das nicht mit unserem heutigen Verständnis von Sterben und Tod und den Umgang damit versuchen zu erklären. Tod und Sterben wird aus unserem Alltag möglichst verdrängt und verbannt und jedem fällt es schwer, sich damit auseinanderzusetzen.

        Die Menschen damals haben ihr Schicksal vielleicht eher angenommen, weil diese Situationen allgegenwärtig waren? Da ging es nicht darum "Zieh ich heute die blauen oder die schwarzen Socken an?", sondern "Wovon kriege ich morgen meine Kinder satt?", "Wird die Ernte gut ausfallen, damit wir hoffentlich den nächsten Winter überleben?".
        Und die Menschen waren "gläubiger" als heute. D. h. sie haben alles aus Gottes Hand genommen, nach dem Motto (eigentlich ist das ein Vers aus der Bibel):
        "Gott hat's gegeben, Gott hat's genommen..."

        So erkläre ich mir das jedenfalls.

        Dass sie nicht auch traurig, ja erschüttert und verzweifelt waren, will ich ihnen aber nicht absprechen.

        Gruß von
        Mathem

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        • lisetta
          Erfahrener Benutzer
          • 03.09.2012
          • 282

          #5
          Wahrscheinlich hat das harte Leben einfach verlangt, dass man weiter funktionierte. So erkläre ich mir auch, warum sehr häufig (jedenfalls bei meinen Vorfahren) ein Witwer lange vor Ablauf des Trauerjahres neu heiratete - es können ja nicht alles schlechte Ehen gewesen sein. Die Kinder mussten halt versorgt sein, der Alltag weitergehen.

          Aber dass auch Erschütterung da war, dafür las ich vor einigen Jahren ein rührendes Zeugnis. Das eigene Kind des evangelischen Pfarrers, der die Bücher führte, war früh verstorben. Der Pfarrer trug nicht nur die Todesdaten ins Sterbebuch ein, sondern setzte noch einen sehr persönlichen Absatz darunter, in dem er seiner Trauer freien Lauf lässt und betont, wie sehr er sein Kind liebte und nun vermisst.

          Das gehört zwar eigentlich nicht in ein offizielles Kirchenbuch, ist aber ein schöner Beweis dafür, dass der Tod von Kleinkindern auch vor 200 Jahren nicht kalt ließ.
          Zuletzt geändert von lisetta; 07.02.2020, 15:14.

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          • lisetta
            Erfahrener Benutzer
            • 03.09.2012
            • 282

            #6
            Aber anders herum verstarben ja auch viel öfter als heute die Eltern und die Kinder haben dadurch erschütternde Schicksale.
            Zum Beispiel meine Ahnin im frühen 19. Jhdt (Gebiet Mecklenburger Seenplatte):

            Vater ist laut Kirchenbuch Invalide, einmal wird er Tagelöhner genannt, Geld war vermutlich kaum da.

            Er heiratet eine Frau, sie bekommen Kind 1 und 2.

            Als Kind 3 (meine Ahnin) unterwegs ist, stirbt wenige Wochen vor der Geburt Kind 2. Nicht sehr lange nach der Geburt von Kind 3 stirbt die Ehefrau.

            Der Vater heiratet sehr bald Ehefrau 2; sie bekommen Kind 4 und 5.
            Als meine Ahnin im Grundschulalter ist, sterben Ehefrau 2 und Kinder 4 und 5.

            Vater heiratet Ehefrau 3, eine schon ältere Frau (deklariert als Deflorata, aber nicht Witwe).

            Wenige Jahre später stirbt er selbst, meine Ahnin ist gerade 10 Jahre alt. Es lebt nur noch der älteste Bruder (der aber vielleicht schon irgendwo weg in der Lehre ist) und die 3. Ehefrau (und wer weiß, welche Probleme diese hatte, sie stirbt später nachgewiesenermaßen in einer Irrenanstalt).

            Wundert es da, dass meine Ahnin später in Berlin wieder auftaucht - alleinstehend mit mindestens 2 unehelichen Kindern (evtl. - das ist nicht ganz eindeutig - sogar 3 Kindern), Väter unbekannt. Welche eine Chance hatte meine Ahnin denn als Kind gehabt?

            Im Grunde muss man sich wundern, dass ihr einziger überlebender Sohn wieder ins bürgerliche Leben zurückfand.
            Zuletzt geändert von lisetta; 07.02.2020, 15:52.

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            • Ursula
              Erfahrener Benutzer
              • 18.01.2007
              • 1344

              #7
              Hallo lisetta,

              was Du beschreibst, ist ein hartes Schicksal für ein kleines Mädchen. Ihr Leben hatte nichts, was ihr Vertrauen geben konnte.

              Auch bei meinen Vorfahren heirateten die hinterlassenen Ehepartner schnell wieder. Die Familie brauchte einen Ernährer, oder die Kinder eine "Mutter", die sie und den Vater versorgte.

              Ja, Mathem, man kann eigentlich nur hoffen, dass sie alles durch ihren Glauben besser ertragen konnten, was ihnen widerfuhr.

              Schwer ums Herz wird mir immer wieder, wenn ich solche Geschichten in den Kirchenbüchern finde.

              Liebe Grüße
              Uschi

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              • Asphaltblume
                Erfahrener Benutzer
                • 04.09.2012
                • 1500

                #8
                In manchen (!) Fällen war der frühe Tod von Kindern vielleicht sogar "erwünscht", weil man so viele Kinder gar nicht ernähren konnte. Oder er war aus eben diesem Grund unvermeidlich.

                Aber auch dann wird der Verlust der Kinder eine schmerzliche Erfahrung gewesen sein, über die man sich vermutlich nur mit Vorstellungen von einem gütigen Gott, der die unschuldigen Kleinen zu sich ins ewige Leben geholt hat, trösten konnte.
                Gruß Asphaltblume

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                • Araminta
                  Erfahrener Benutzer
                  • 12.11.2016
                  • 602

                  #9
                  Ich stimme Uschi auch voll und ganz zu.
                  Auch wenn das Schicksal hart zugeschlagen hatte, brauchte die Familie einen Ernährer oder Mutter und damals gab es sonst niemandem, der geholfen hätte.
                  Einen besonderen Fall habe ich aber doch in meiner Familie gefunden. Da ist der Vater im April 1763 verstorben und die Frau hat schon im Juli darauf ihr Verlöbnis angezeigt. Die beiden waren sogar verwandt und brauchten eine Dispenz. Man kann also definitiv nicht von Liebe sprechen, sondern, so denke ich, ein einziges Zweckbündnis.
                  In der heutigen Zeit und unserer Kultur könnten wir uns das kaum vorstellen.

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                  • Ursula
                    Erfahrener Benutzer
                    • 18.01.2007
                    • 1344

                    #10
                    Hallo,

                    bei diesen Zweckehen frage ich mich oft, wo die Kinder blieben. Ein Beispiel aus meiner Familie im 18. Jh. Georg heiratet Maria. Sie bekommen 2 Kinder. Georg stirbt. Maria heiratet Johann. Die beiden bekommen 1 Kind. Maria stirbt. Johann heiratet Barbara.

                    Was geschieht mit den Kindern von Georg und Maria? Sie sind der aktuellen Familie doch völlig fremd. Sie waren sicher noch dabei, als Maria Johann heiratet, aber nachdem die Mutter gestorben ist, bleiben die Kinder beim Stiefvater und der neuen Frau? Werden sie bei Bauern untergebracht, um ihr Brot selbst zu verdienen?

                    Ich sehe oft, das erste Söhne, die nicht vom Mann waren, der später der Ehemann wurde, sehr früh das Haus verließen, manche bis nach Amerika, weil sie vom Ehemann wohl nicht "gelitten" waren.

                    Auch in meiner Großelternfamilie war das noch so.

                    LG
                    Uschi

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                    • Araminta
                      Erfahrener Benutzer
                      • 12.11.2016
                      • 602

                      #11
                      Bei meiner Urgroßfamilie war es so, dass die Mutter im März 1920 starb, der Vater heiratete ein Jahr später erneut. Und meine Urgroßmutter erlebte durch die Stiefmutter die Hölle! Das muss man wirklich so sagen! Sie wäre auch fast gestorben, weil die Stiefmutter sie nicht ins Krankenhaus lies.....naja ich vermute auch die Spätfolgen waren ihre vielen, vielen Fehlgeburten. Sie führte wirklich ein Aschenputteldasein und ich möchte nicht wissen, wie es den vielen anderen Halbweisen ging, von denen heute leider wenig oder gar nichts mehr überliefert ist.
                      Der ein oder andere Stiefvater und Mutter war mit Sicherheit nicht besser und da war die Kindheit sehr viel früher vorbei als es sogar nach damaliger Zeit hätte sein sollen.
                      Diese Vorstellung erschüttert mich wirklich!

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                      • Ursula
                        Erfahrener Benutzer
                        • 18.01.2007
                        • 1344

                        #12
                        Die Kindheit war auch noch bei meinem Vater mit 8 Jahren vorbei. Er wurde zum Bauern ein paar Orte weiter geschickt zum Kühe hüten und im Stall helfen (von seinen leiblichen Eltern wurde er fortgeschickt). Ein paar Stunden Schule täglich waren auch noch drin.
                        In den Schulferien durfte er heim. Obwohl die Arbeit sehr hart war für so einen kleinen Buben, sagte mein Vater immer, dass er es bei diesem Bauern gut gehabt hätte. Auch zwei seiner Brüder waren vor ihm bei diesem Bauern.
                        Nur die beiden jüngsten Brüder mussten nicht fort und durften zuhause aufwachsen.

                        Das ist alles noch gar nicht so arg lange her. Und wenn ich daran denke, habe ich eine paradiesische Kindheit gehabt.

                        LG
                        Uschi

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