Kirchenbuchsprech

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  • Sebastian_N
    Erfahrener Benutzer
    • 25.09.2015
    • 1287

    Kirchenbuchsprech

    Hallo Leute,


    wenn es das nicht schon im Forum gibt, dann würde ich gern mal einen Thread aufmachen mit den ganzen „Kirchenbuchsprech“, den hier da draußen findet und die sich nicht gleich erschließen.

    Ich habe hier eine Kirchenbuchseite von Schönefeld bei Leipzig von 1810, wo ihr sehen könnt, dass es offensichtlich mehrere Zeremoniell gab: „in der Stille“, „als Fußgänger“ und „mit den übl. Ceremonium“.

    In der Stille: wurde schon des Öfteren im Forum diskutiert, offenbar zeitlich nahe an Sterbefällen, an Ostern oder - wie in diesem Fall meines Vorfahren - bei hochschwangerer Braut.

    Übliches Ceremonium: wohl das für uns heute am einfachsten Verständliche. Jedoch: was heißt das konkret? Ich meine den Sommernachtstraum von Mendelsohn Bartholdy werden die nicht gespielt haben…

    Als Fußgänger: darunter kann ich mir gar nichts vorstellen! Heißt das, dass die dicke Bertha, die von ihrem schlanken Güntherich am Altar stehen gelassen wurde, weil er endlich den Mut fasste, statt sie, die passiv Aggressive, zu ehelichen und lebenslänglich bei den Tiraden ihres vermögenden, cholerischen Vaters zu schmoren, lieber auszuwandern sich durchrung, und sie dann ad hoc mit einem unbeteiligten, nichts ahnenden Fußgänger, der in die Fänge jener apologetischen Hochzeitsgesellschaft geriet in eine unvermutete Ehe eingelullt, sogleich mit ihr verheiratet wurde?

    Anders Beispiel: sonst kennt man es ja, die Aufgebote, die in den Herkunftsorten oder in Städten der Stammkirche aufgeführt wurden, um vorherige Heiratsversprechen u. ä. aufzudecken. Was aber bedeutet 1774 und 1780 in Leipzig eine Heirat „auf gnädigsten Befehl“ explizit ohne Aufgebot, s. Anhang bei Neumann?

    Ich habe aus Merseburg eine Anfrage aus dem Jahr 1738, wo deren Vater um Haust beim Landesherrn fragte. Ist es das? Dass Staatsbedienstete oder jene, die es werden wollen, beim Landesherren um Erlaubnis bitten mussten (wenn deren Eltern außerdem noch verstorben waren)?

    Was wisst ihr dazu?

    Bitte schreibt gern auch euren Kirchenbuchsprech, damit wir lernen können die KBs noch besser zu lesen.


    Vielen, herzlichen Dank für jedwede Beteiligung!

    Mit den besten Grüßen

    Sebastian
    Angehängte Dateien
    Dauersuche:
    Neumann/Naumann in Altstedt/Mittelhausen vor 1672
    Franke in Oschatz vor 1785
    Wolf/Schmiedel in Crottendorf vor 1790
    Wachsmuth in Rittersgrün vor 1790
    Nestler/Wolf/Martin/Schönherr in Marienberg vor 1780
    Greim/Hoffmann in Eilenburg vor 1750
    Müller/Kistner/Trautmann/Kuhn (kath.) in Rastatt vor 1750
    Hacklbauer in Linz vor 1760
    Schimpke/Geppert (kath.) in Ritterswalde vor 1790
    Mett in Quedlinburg (St. Nicolai) zw. 1725-1794
    Helmert/Liebing in Volkmarsdorf vor 1840
  • gki
    Erfahrener Benutzer
    • 18.01.2012
    • 5048

    #2
    Hallo,

    nur eine kurze Anmerkung: Kirchenbücher sind sehr stark regional und konfessionell geprägt. Ich kann mit den von Dir genannten Begriffen gar nichts anfangen und habe sie noch nie in einem KB gesehen. Dabei habe ich Duzende KB durchaus intensiv studiert. Warum? Die von mir gelesenen KB kamen aus Niederbayern, Oberösterreich, Münsterland (und waren durchgängig katholisch).
    Gruß
    gki

    Kommentar

    • Sbriglione
      Erfahrener Benutzer
      • 16.10.2004
      • 1471

      #3
      Hallo Sebastian,

      hier mal kurze Erklärungen zu zwei der von Dir genannten Begriffe:
      "in der Stille" hieß ohne Geläut und Kirchenchor, womöglich sogar ohne Predigt (in letzterem bin ich mir nicht sicher). Das waren in der Regel Beerdigungen von Leuten, die sich ein "besseres" Begräbnis nicht leisten konnten und deren Bestattung im Zweifel vielleicht sogar aus der Armenkasse bezahlt werden musste - oder auch junge Kinder.

      Die Hochzeit "auf gnädigsten Befehl" war eine von Seiten der Obrigkeit angeordnete Heirat, meines Wissens teils mit dem Ziel, durch die Verheiratung einer schwangeren Frau mit dem vielleicht eher unwilligen Kindsvater der jeweiligen Gemeinde Versorgungskosten zu ersparen, teils aber wohl auch die Verheiratung von Militärangehörigen.

      Der Zwang, eine obrigkeitliche Heiratserlaubnis einzuholen bestand mindestens im 19. Jahrhundert bei solchen Leuten, die entweder dem Militär angehörten oder die ein geringes Einkommen hatten. Im letzteren Fall ging es darum, der Gemeinde nach Möglichkeit zu ersparen, dass sie eine Familie von Ortsarmen durchfüttern musste.

      Grüße!
      Suche und biete Vorfahren in folgenden Regionen:
      - rund um den Harz
      - im Thüringer Wald
      - im südlichen Sachsen-Anhalt
      - in Ostwestfalen
      - in der Main-Spessart-Region
      - im Württembergischen Amt Balingen
      - auf Sizilien
      - Vorfahren der Familie (v.) Zenge aus Thüringen (u.a. in Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und NRW)
      - Vorfahren der Familie v. Sandow aus dem Ruppinischen

      Kommentar

      • Ed Gonzalez
        Erfahrener Benutzer
        • 18.12.2021
        • 389

        #4
        Moin,

        Kleiner Beitrag eines LateinLaien:
        Die lateinische Berufsbezeichnung Pedes kann als Fußgänger oder auch als Fußsoldat gedeutet werden.

        Ed
        Johannes SCHMITZ oo Anna WETTLÖPER im Großraum Ahaus; mglw. Niederlande, um 1750 (kath.)
        Jacob LAUPENMÜHLEN oo Anna Catharina WILDENHAUS im Kreis Mettmann, um 1813 (ev.)

        Kommentar

        • Anna Sara Weingart
          Erfahrener Benutzer
          • 23.10.2012
          • 16645

          #5
          Zitat von Sebastian_N Beitrag anzeigen
          ... „als Fußgänger“ ...
          Hallo, wo steht das bitte genau?
          Viele Grüße

          Kommentar

          • biba
            Erfahrener Benutzer
            • 23.07.2019
            • 138

            #6
            Zitat von Anna Sara Weingart Beitrag anzeigen
            Hallo, wo steht das bitte genau?
            Im 2. Bild ziemlich mittig. Oder heißt das was anderes? Ich lese aber auch als Fußgänger.
            ___________________________
            Viele Grüße Birgit

            Kommentar

            • Upidor
              Erfahrener Benutzer
              • 10.02.2021
              • 2788

              #7
              Erläuterungen zum Thema „in aller Stille“

              Jeder, der sich mit der Erforschung seiner Vorfahren beschäftigt, bemerkt im Laufe der Zeit, dass es unterschiedliche Formen der Bestattung gab und dass in den Kirchenbüchern dementsprechend ganz u…

              Kommentar

              • gki
                Erfahrener Benutzer
                • 18.01.2012
                • 5048

                #8
                Hallo Sbriglione!

                Zitat von Sbriglione Beitrag anzeigen

                Der Zwang, eine obrigkeitliche Heiratserlaubnis einzuholen bestand mindestens im 19. Jahrhundert bei solchen Leuten, die entweder dem Militär angehörten oder die ein geringes Einkommen hatten. Im letzteren Fall ging es darum, der Gemeinde nach Möglichkeit zu ersparen, dass sie eine Familie von Ortsarmen durchfüttern musste.
                Für (Nieder)Bayern galt das sicher auch schon vor 1800, insbesondere auf dem Land (also fast überall). Deswegen ja auch die Gesetze gegen außerehelichen Geschlechtsverkehr.
                Gruß
                gki

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                • Gastonian
                  Moderator
                  • 20.09.2021
                  • 5124

                  #9
                  Hallo allerseits:

                  Im lutherischen Frankenberg (Eder) im 18. Jahrhundert wurden verstorbene Kleinkinder (auch getaufte) manchmal nicht begraben, sondern "in der Stille weggetragen" - hört sich ja fast nach Entsorgung an.

                  VG

                  --Carl-Henry
                  Wohnort USA

                  Kommentar

                  • Anna Sara Weingart
                    Erfahrener Benutzer
                    • 23.10.2012
                    • 16645

                    #10
                    Dort wo Fußgänger steht, fand die Trauung in Leipzig statt, im Gegensatz zu den anderen Hochzeiten.

                    Könnte also gemeint sein, dass sie nach Leipzig gelaufen sind, als Fußgänger?

                    Gibt es noch weitere Fälle in dem Kirchebuch?
                    Viele Grüße

                    Kommentar

                    • GiselaR
                      Erfahrener Benutzer
                      • 13.09.2006
                      • 2251

                      #11
                      Zitat von Gastonian Beitrag anzeigen
                      Hallo allerseits:

                      Im lutherischen Frankenberg (Eder) im 18. Jahrhundert wurden verstorbene Kleinkinder (auch getaufte) manchmal nicht begraben, sondern "in der Stille weggetragen" - hört sich ja fast nach Entsorgung an.

                      VG

                      --Carl-Henry
                      ja, das hört sich wirklich nicht liebevoll an. Früher - wann auch immer das war, Unterschiede bez. Stadt und Land - wurden die Särge von den Trägern(!) aus dem Haus geholt und mit oder ohne Geläut und Leichenzug zum Friedhof getragen(!) in wörtlicher Bedeutung. Ich denke, das ist hier gemeint, auch da wurde das Kind im Sarg oder Leichentuch aus dem Haus getragen(!) mit Sicherheit zum Friedhof. Ob ungetaufte Kinder wie uneheliche abseits begraben wurden, ist eine andere Frage. Die Formulierung 'weggetragen' ist natürlich mehr als herb.)
                      Grüße Gisela

                      Kommentar

                      • Sebastian_N
                        Erfahrener Benutzer
                        • 25.09.2015
                        • 1287

                        #12

                        Die in Rede stehenden Personen, die auf „gnädigsten Befehl“ geheiratet haben, gehörten eher zur Bildungselite: sie heirateten etwa im Jahr ihrer Promotionen und haben sich teils im öffentlichen Dienst hochgearbeitet, einer bis zum Stadtrichter der Stadt Leipzig, zum Beispiel:

                        Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht

Name: GM000530.jpg
Ansichten: 59
Größe: 170,9 KB
ID: 2904410

                        Daher nenne ich an, dass dieser Befehl eher eine Art Erlaubnis, den ein Befehl war.

                        Anna Sara Weingart, das weiß ich leider nicht. Ich habe aber immer mehr den Verdacht, dass diese Angaben etwas mit den Kosten zu tun haben. Kann schon sein, dass sie nach Leipzig gelaufen sind oder keinen Wagen bezahlt haben oder bei stillen Hochzeit kein Geläutgeld etc.
                        Zuletzt geändert von Sebastian_N; 22.03.2025, 18:07.
                        Dauersuche:
                        Neumann/Naumann in Altstedt/Mittelhausen vor 1672
                        Franke in Oschatz vor 1785
                        Wolf/Schmiedel in Crottendorf vor 1790
                        Wachsmuth in Rittersgrün vor 1790
                        Nestler/Wolf/Martin/Schönherr in Marienberg vor 1780
                        Greim/Hoffmann in Eilenburg vor 1750
                        Müller/Kistner/Trautmann/Kuhn (kath.) in Rastatt vor 1750
                        Hacklbauer in Linz vor 1760
                        Schimpke/Geppert (kath.) in Ritterswalde vor 1790
                        Mett in Quedlinburg (St. Nicolai) zw. 1725-1794
                        Helmert/Liebing in Volkmarsdorf vor 1840

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