"Nihil dedit" (Trauung 1660er Jahre)
Im KB von Schöningen/Elm habe ich in den 1660er Jahren hinter einer Eheschließung eines Bauern mit einer adeligen Witwe ("auf dem Pulverhofe copuliert") die Notiz "nihil dedit" gelesen. Bedeutet das, daß die Eheschließung letztendlich doch nicht vollzogen wurde und der Pfarrer vorab eingetragen haben dürfte?
Jettchen
ich weiß zwar auch nichts Genaues, aber etwas wohl doch Ähnliches ist mir vor Kurzem aufgefallen:
"nihil dedit" heißt doch, zumindest so denke ich, "Er/sie hat nichts gegeben".
Könnte dies dem entsprechen, was ich unter der Rubrik "Gebühren" auch etwa in dieser Zeit gefunden habe: "gratis" - umsonst.
Dies war gerade bei Wohlhabenden verzeichnet!
Vielleicht spendeten sie sowieso genügend - oder wie es die Alten aus Erfahrung formulierten: Wer da hat, dem wird gegeben!!!
Vogelsberger
denke eher, daß hier keine Aussteuer entrichtet wurde.
gki
Die "Eheschließung eines Bauern mit einer adeligen Witwe" würde mich mal interessieren, so was hab ich noch nie gesehen.
Kann ich den Eintrag bitte mal sehen?
"nihil dedit" heißt auf jedenfall, daß nichts gegeben wurde. Da es sich um ein Kirchenbuch handelt, würd ich annehmen, daß der Kirche nichts gegeben wurde. Finden sich evtl. in dem Buch weitere Hinweise dieser Art? Oder finden sich Hinweise darauf, _daß_ sonst was gegeben wurde? Ich kenne das gelegentlich aus Totenbüchern wo angegeben wurde, wieviel für Messen etc. ausgegeben wurde.
Bei den Kirchenbüchern, wo ich Gebühren-Einträge gefunden hab, eigentlich nur Totenbücher, läßt sich aus der Höhe des Beitrags eigentlich immer auf den sozialen Status rückschließen. Mehr == höher.
Schlupp
Meine erste Interpretation "Es hat/ist nicht gegeben." war wohl der Tatsache verschuldet, daß ich besagten Traueintrag zu meiner großen Überraschung fand, da ich zu gleichem Namen eine andere Eheschließung gefunden hatte und dieses Ehepaar so nicht kannte.
Das mit einer (nicht geleisteten) Zahlung und einem solchen Vermerk zur Eheschließung war mir nicht bewußt, ergibt aber pauschal gesehen durchaus Sinn.
@ gki: Die Bezeichnung Bauer hat mich im Nachinein schon geärgert, bezieht sich aber auf Aussagen Dritter (Umgangssprache) zu der Familie. Der Traueintrag ist äußerst kurz gehalten, zum Gatten ist keine Standesbezeichnung geführt. Nachweislich aber waren die Tretrops zumindest das, was man heute als "Bauern" bezeichnen würde - wenn wohl auch eher gutsituierte. Ämter hatten sie meinen Forschungen nach nicht inne; Ehepartner im 17. Jh. waren nach meinem Wissensstand Kotsaßen, Müller etc.
Besagte Gattin war eine geborene von Everstein, eine zumindest früher wohl durchaus angesehene Familie. Verwitwet war sie an einem Herrn von Ha(a)gen. (Eine Kopie des Eintrags liegt mir nicht vor.)
gki
"Bauer" scheint mir da eine doch recht passende Bezeichnung. Bei den von mir studierten KB steht im 17ten Jahrhundert bei Bauern auch fast nie dabei, daß sie welche waren. Nur bei anderen, Zimmerleuten, Schustern, etc., steht das dabei.
Ich würde mich mal darum (Anm. Mod den Eintrag) bemühen, wenn der Eintrag für Deine eigene Forschung von Relevanz ist.
Wenn in einem Eintrag in meinem Forschungsgebiet mal ein Adliger referenziert wird, nie allerdings als Ehepartner eines Bauern, dann merkt man das schon rein optisch: der Eintrag ist durch die ganzen Ehrenbezeugungen und die zusätzlichen Namen mindestens dreimal so lang wie andere.
Dunkelgraf
so ganz stimme ich Euch nicht zu.
Nihil dedit = nichts gegeben stimmt!
Aber es bezieht sich nicht auf die Trauungsgebühren, sondern auf das Brauchtum, den örtlichen Usus, was teilweise auch in Kirchenordnungen festgelegt war.
Beispiel: Bei einer Trauungen standen dem Pfarrer laut Kirchenordnung von 1708 in Thüringen zu: Eine 1/4 Eimer von der Hochzeitsuppen, eine Portion Fleisch vom Hochzeitsbraten, 1/4 Kuchen und ein neues Schnupftuch. Ich habe öfters Einträge, wo der Pfarrer sich beklagt, dass er nicht alles bekommen hat. "Haben mir nur eine Wassersuppen geschickt"
Außerdem war es noch üblich die Almosenbüchse aufzustellen. Bei Ehepartnern aus zwei verschiedenen Pfarreien gibt es öfters Briefwechsel welche Almosenbüchse aufgestellt werden durfte. Wenn z.B. die Büchse von der andern Pfarrei aufgestellt wurde, wo die Trauung nicht stattfand, steht auch oft dabei: nihil dedit.
Schlupp
@ gki: Vielleicht haben wir uns ein Stück weit missverstanden: Ich habe den Eintrag eingenäugig gesehn und die wenigen Worte abgeschrieben. Die Traueinträge wurden im Schöningen der Zeit (trotz Adel) äußerst knapp gehalten. Ja, sie wurden nicht einmal über die gesamte Breite der Seite, sondern in kleine Kästchenfelder notiert.
@ Hallo Dunkelgraf, danke für den Beitrag! Mit den Kirchenordnungen (der jeweiligen Gebiete) habe ich mich noch gar nicht so recht beschäftigt. Es gibt immer was zu tun ...
gki
Mir war in der Tat nicht klar, daß Du den Eintrag selber gesehen hast.
Offenbar war der Adel in Schöningen anders gestrickt als in Niederbayern. Da wär die Witwe wohl eher mit nem Mühlstein um den Hals in den Weiher gesprungen als einen Bauern zu ehelichen...
Generell gab es aber auch recht wenige ortsansässige Adelige.
Alter Mansfelder
mein Eindruck ist seit langem, dass die soziale Mobilität im Harz und seinem näheren und weiteren Umland höher ist als andernorts. Ein Bauer hier ist auch nicht dasselbe wie ein Bauer anderswo. Um einmal Carsteds Atzendorfer Chronik zu zitieren (um 1760, hier im Detail nachzulesen: http://www.ernstfherbst.de/):
"Unter einem Bauern versteht man hier einen Ackermann, und der muß fünf bis sechs Hufen bei seinem Hofe haben. ... Kurz, der Bauer lebt hier wie ein Edelmann, der Knecht wie ein Bauer, und der Enke wie ein Knecht."
gki
Ich hatte ehrlichgesagt keine Ahnung wo Schöningen liegt.
Ich find es arg merkwürdig, daß die Leute irgendeinen Ort nennen und erwarten, daß man entweder weiß wo das ist, oder sich selber informiert.
So ganz klar wird mir der Sinn der Aussage nicht. Wie groß ist eine Hube in Schöningen im Vergleich zu einer Hube in Bayern? Einfach so verglichen wären 5-6 Huben schon sehr viel.
Anna Sara Weingart
wie definierst Du denn die Größe einer "Hube" in "Bayern"?
zu Hufenmaßen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Hufe#Hu...erhalb_des_HRR
Alter Mansfelder
wir weichen gerade ziemlich vom Thema ab. Mir ging es allein um die zeitlich etwas spätere Einschätzung der Sozialstruktur im Großraum des Texteintrages durch den aus Brandenburg stammenden Ortspfarrer Carsted und die Ursachen, aus denen eine verwitwete Adlige hier an einen Bauern "geraten" konnte. Wahrscheinlich sind eher unsere Vorstellungen von einem Bauern und einer Adligen etwas schief. Jedenfalls bildet die Hufenanzahl dabei nur ein Kriterium, ich hätte diesen Einleitungssatz im Zitat auch weglassen können. Das Fazit Carsteds ist auch nur verständlich, wenn man den Textabschnitt (insb. §§ 51-54) im Ganzen liest: http://www.ernstfherbst.de/atz/sbc/sbc_ac_absch_2.htm
gki
Ich muß da nicht definieren: Eine "Hube" war in der Zeit der Kirchenbücher ein sog. "halber Hof".
Nach Christopher Rhea Seddon "Landadel am unteren Inn" war die Größe leider nicht festgelegt und schon gar nicht überall gleich. Er gibt Größen zwischen 18 und 50 Hektar an.
Mein Forschungsgebiet zeichnet sich eh durch eine gewisse Abwesenheit von ortsansässigem Adel aus.
Zusammengefaßt würdest Du diese Hochzeit also wie beschrieben als möglich betrachten?
Da zeigt sich doch wieder mal wie verschieden die Forschungsgebiete sind.
Johannes v.W.
Die Ehe der adeligen Witwe "mit einem Bauern" ist allerdings schon bemerkenswert. Die Kleinstadt Schöningen liegt jedoch etwas entfernter vom Harz und war auch personell mehr im Einzugsbereich der Handelsstadt Braunschweig zum einen und der Universitätsstadt Helmstedt zum anderen.
Bei "v. Everstein" könnte es sich um die Familie v. Eberstein, später Freiherrn, handeln, die im Mansfeldischen angesessen war und nicht mit dem alten Dynastengechlecht zu verwechseln ist. Familien v. Hagen gab es im Gebiet Sachsen, Anhalt, Magdeburg bis Braunschweig eine ganze Reihe.
Bei der "unstandesgemäßen Heirat" mag die Zeit eine Rolle spielen: nach dem 30jährigen Krieg war die Armut allerorten teils noch sehr groß. Ob der Bräutigam tastächlich ein Bauer war, ist ja auch nicht klar. Er könnte sich auch hochgearbeitet haben, z.B. als tüchtiger Gutsverwalter, die oftmals aus bäuerlichem Umfeld stammten. Dann wäre der "soziale Sprung" wiederum nicht so riesig gewesen.
Alter Mansfelder
natürlich sind Ehen zwischen Adligen und dem Bauernstand selten, aber sie kommen vor und -richtig- die (oft nicht bekannten) sozialen Begleitumstände spielen sicher immer auch eine nicht unwesentliche Rolle. Mir sind schon folgende Fälle begegnet (keine Vorfahren):
- 1618 heiratet in Arnstedt (Gft. Mansfeld) ein Bruder meines Vorfahren (Drechslergeselle und Sohn des Dorfrichters) eine Adlige (Junker v. Belleben zu Drohndorf/Anhalt) - ohne böse Anmerkung des Pfarrers.
- 1653 tauscht in Pansfelde (Amt Falkenstein/Harz) ein Kossat mit seiner adligen Schwiegermutter (v. Hackeborn) den Hackebornschen Hof gegen ein Kossatengut. Eheschließung auch ohne pastorale Anmerkung.
- Nach dem Dreißigjährigen Krieg heiratet in Klein Schierstedt/ Anhalt der Dorfrichter eine Adlige (v. Lampe). Ebenfalls ohne Kommentar des Pfarrers.
- Und 1695 heiratet in Groß Schierstedt (Ratsdorf von Aschersleben) der Bruder einer Vorfahrin (Wassermüller und Sohn eines Wassermüllers) auch eine Adlige (Junker v. Schwartzbach), Tochter eines ehem. Regimentsquartiermeisters und späteren Gastwirts (!) im Dorf.
Neben diesen Fällen unmittelbarer Adelsheiraten gibt es eine ganze Reihe weiterer, in denen gerade die dörfliche Handwerkerschaft und das Kleinbauerntum des Harzvorlandes ganz bemerkenswerte Vorfahren haben und auf "stattlichere" Ahnenreihen kommen als die dörfliche und selbst die umgebende städtische Oberschicht.
Johannes v.W.
Solche Heiraten hat es natürlich gegeben. Der Tenor des "bemerkenswerten" liegt vielleicht noch mehr auf dem Umstand der adeligen Witwe.
Zitat:
Zitat von Alter Mansfelder
des Harzvorlandes ganz bemerkenswerte Vorfahren haben
Ganz ohne Zweifel. Da ich auch Vorfahren aus dem Harz habe, kann ich das nur bestätigen.
gki
Ich habe jetzt auch eine Anmerkung "mihi nihil dedere" gefunden.
Kirchham, Trauungen, Bd. 5-01, f. 50
19.6.1697
Kein Adliger, allerdings ein Gerichtsamtmann.
Im KB von Schöningen/Elm habe ich in den 1660er Jahren hinter einer Eheschließung eines Bauern mit einer adeligen Witwe ("auf dem Pulverhofe copuliert") die Notiz "nihil dedit" gelesen. Bedeutet das, daß die Eheschließung letztendlich doch nicht vollzogen wurde und der Pfarrer vorab eingetragen haben dürfte?
Jettchen
ich weiß zwar auch nichts Genaues, aber etwas wohl doch Ähnliches ist mir vor Kurzem aufgefallen:
"nihil dedit" heißt doch, zumindest so denke ich, "Er/sie hat nichts gegeben".
Könnte dies dem entsprechen, was ich unter der Rubrik "Gebühren" auch etwa in dieser Zeit gefunden habe: "gratis" - umsonst.
Dies war gerade bei Wohlhabenden verzeichnet!
Vielleicht spendeten sie sowieso genügend - oder wie es die Alten aus Erfahrung formulierten: Wer da hat, dem wird gegeben!!!
Vogelsberger
denke eher, daß hier keine Aussteuer entrichtet wurde.
gki
Die "Eheschließung eines Bauern mit einer adeligen Witwe" würde mich mal interessieren, so was hab ich noch nie gesehen.
Kann ich den Eintrag bitte mal sehen?
"nihil dedit" heißt auf jedenfall, daß nichts gegeben wurde. Da es sich um ein Kirchenbuch handelt, würd ich annehmen, daß der Kirche nichts gegeben wurde. Finden sich evtl. in dem Buch weitere Hinweise dieser Art? Oder finden sich Hinweise darauf, _daß_ sonst was gegeben wurde? Ich kenne das gelegentlich aus Totenbüchern wo angegeben wurde, wieviel für Messen etc. ausgegeben wurde.
Bei den Kirchenbüchern, wo ich Gebühren-Einträge gefunden hab, eigentlich nur Totenbücher, läßt sich aus der Höhe des Beitrags eigentlich immer auf den sozialen Status rückschließen. Mehr == höher.
Schlupp
Meine erste Interpretation "Es hat/ist nicht gegeben." war wohl der Tatsache verschuldet, daß ich besagten Traueintrag zu meiner großen Überraschung fand, da ich zu gleichem Namen eine andere Eheschließung gefunden hatte und dieses Ehepaar so nicht kannte.
Das mit einer (nicht geleisteten) Zahlung und einem solchen Vermerk zur Eheschließung war mir nicht bewußt, ergibt aber pauschal gesehen durchaus Sinn.
@ gki: Die Bezeichnung Bauer hat mich im Nachinein schon geärgert, bezieht sich aber auf Aussagen Dritter (Umgangssprache) zu der Familie. Der Traueintrag ist äußerst kurz gehalten, zum Gatten ist keine Standesbezeichnung geführt. Nachweislich aber waren die Tretrops zumindest das, was man heute als "Bauern" bezeichnen würde - wenn wohl auch eher gutsituierte. Ämter hatten sie meinen Forschungen nach nicht inne; Ehepartner im 17. Jh. waren nach meinem Wissensstand Kotsaßen, Müller etc.
Besagte Gattin war eine geborene von Everstein, eine zumindest früher wohl durchaus angesehene Familie. Verwitwet war sie an einem Herrn von Ha(a)gen. (Eine Kopie des Eintrags liegt mir nicht vor.)
gki
"Bauer" scheint mir da eine doch recht passende Bezeichnung. Bei den von mir studierten KB steht im 17ten Jahrhundert bei Bauern auch fast nie dabei, daß sie welche waren. Nur bei anderen, Zimmerleuten, Schustern, etc., steht das dabei.
Ich würde mich mal darum (Anm. Mod den Eintrag) bemühen, wenn der Eintrag für Deine eigene Forschung von Relevanz ist.
Wenn in einem Eintrag in meinem Forschungsgebiet mal ein Adliger referenziert wird, nie allerdings als Ehepartner eines Bauern, dann merkt man das schon rein optisch: der Eintrag ist durch die ganzen Ehrenbezeugungen und die zusätzlichen Namen mindestens dreimal so lang wie andere.
Dunkelgraf
so ganz stimme ich Euch nicht zu.
Nihil dedit = nichts gegeben stimmt!
Aber es bezieht sich nicht auf die Trauungsgebühren, sondern auf das Brauchtum, den örtlichen Usus, was teilweise auch in Kirchenordnungen festgelegt war.
Beispiel: Bei einer Trauungen standen dem Pfarrer laut Kirchenordnung von 1708 in Thüringen zu: Eine 1/4 Eimer von der Hochzeitsuppen, eine Portion Fleisch vom Hochzeitsbraten, 1/4 Kuchen und ein neues Schnupftuch. Ich habe öfters Einträge, wo der Pfarrer sich beklagt, dass er nicht alles bekommen hat. "Haben mir nur eine Wassersuppen geschickt"
Außerdem war es noch üblich die Almosenbüchse aufzustellen. Bei Ehepartnern aus zwei verschiedenen Pfarreien gibt es öfters Briefwechsel welche Almosenbüchse aufgestellt werden durfte. Wenn z.B. die Büchse von der andern Pfarrei aufgestellt wurde, wo die Trauung nicht stattfand, steht auch oft dabei: nihil dedit.
Schlupp
@ gki: Vielleicht haben wir uns ein Stück weit missverstanden: Ich habe den Eintrag eingenäugig gesehn und die wenigen Worte abgeschrieben. Die Traueinträge wurden im Schöningen der Zeit (trotz Adel) äußerst knapp gehalten. Ja, sie wurden nicht einmal über die gesamte Breite der Seite, sondern in kleine Kästchenfelder notiert.
@ Hallo Dunkelgraf, danke für den Beitrag! Mit den Kirchenordnungen (der jeweiligen Gebiete) habe ich mich noch gar nicht so recht beschäftigt. Es gibt immer was zu tun ...
gki
Mir war in der Tat nicht klar, daß Du den Eintrag selber gesehen hast.
Offenbar war der Adel in Schöningen anders gestrickt als in Niederbayern. Da wär die Witwe wohl eher mit nem Mühlstein um den Hals in den Weiher gesprungen als einen Bauern zu ehelichen...
Generell gab es aber auch recht wenige ortsansässige Adelige.
Alter Mansfelder
mein Eindruck ist seit langem, dass die soziale Mobilität im Harz und seinem näheren und weiteren Umland höher ist als andernorts. Ein Bauer hier ist auch nicht dasselbe wie ein Bauer anderswo. Um einmal Carsteds Atzendorfer Chronik zu zitieren (um 1760, hier im Detail nachzulesen: http://www.ernstfherbst.de/):
"Unter einem Bauern versteht man hier einen Ackermann, und der muß fünf bis sechs Hufen bei seinem Hofe haben. ... Kurz, der Bauer lebt hier wie ein Edelmann, der Knecht wie ein Bauer, und der Enke wie ein Knecht."
gki
Ich hatte ehrlichgesagt keine Ahnung wo Schöningen liegt.
Ich find es arg merkwürdig, daß die Leute irgendeinen Ort nennen und erwarten, daß man entweder weiß wo das ist, oder sich selber informiert.
So ganz klar wird mir der Sinn der Aussage nicht. Wie groß ist eine Hube in Schöningen im Vergleich zu einer Hube in Bayern? Einfach so verglichen wären 5-6 Huben schon sehr viel.
Anna Sara Weingart
wie definierst Du denn die Größe einer "Hube" in "Bayern"?
zu Hufenmaßen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Hufe#Hu...erhalb_des_HRR
Alter Mansfelder
wir weichen gerade ziemlich vom Thema ab. Mir ging es allein um die zeitlich etwas spätere Einschätzung der Sozialstruktur im Großraum des Texteintrages durch den aus Brandenburg stammenden Ortspfarrer Carsted und die Ursachen, aus denen eine verwitwete Adlige hier an einen Bauern "geraten" konnte. Wahrscheinlich sind eher unsere Vorstellungen von einem Bauern und einer Adligen etwas schief. Jedenfalls bildet die Hufenanzahl dabei nur ein Kriterium, ich hätte diesen Einleitungssatz im Zitat auch weglassen können. Das Fazit Carsteds ist auch nur verständlich, wenn man den Textabschnitt (insb. §§ 51-54) im Ganzen liest: http://www.ernstfherbst.de/atz/sbc/sbc_ac_absch_2.htm
gki
Ich muß da nicht definieren: Eine "Hube" war in der Zeit der Kirchenbücher ein sog. "halber Hof".
Nach Christopher Rhea Seddon "Landadel am unteren Inn" war die Größe leider nicht festgelegt und schon gar nicht überall gleich. Er gibt Größen zwischen 18 und 50 Hektar an.
Mein Forschungsgebiet zeichnet sich eh durch eine gewisse Abwesenheit von ortsansässigem Adel aus.
Zusammengefaßt würdest Du diese Hochzeit also wie beschrieben als möglich betrachten?
Da zeigt sich doch wieder mal wie verschieden die Forschungsgebiete sind.
Johannes v.W.
Die Ehe der adeligen Witwe "mit einem Bauern" ist allerdings schon bemerkenswert. Die Kleinstadt Schöningen liegt jedoch etwas entfernter vom Harz und war auch personell mehr im Einzugsbereich der Handelsstadt Braunschweig zum einen und der Universitätsstadt Helmstedt zum anderen.
Bei "v. Everstein" könnte es sich um die Familie v. Eberstein, später Freiherrn, handeln, die im Mansfeldischen angesessen war und nicht mit dem alten Dynastengechlecht zu verwechseln ist. Familien v. Hagen gab es im Gebiet Sachsen, Anhalt, Magdeburg bis Braunschweig eine ganze Reihe.
Bei der "unstandesgemäßen Heirat" mag die Zeit eine Rolle spielen: nach dem 30jährigen Krieg war die Armut allerorten teils noch sehr groß. Ob der Bräutigam tastächlich ein Bauer war, ist ja auch nicht klar. Er könnte sich auch hochgearbeitet haben, z.B. als tüchtiger Gutsverwalter, die oftmals aus bäuerlichem Umfeld stammten. Dann wäre der "soziale Sprung" wiederum nicht so riesig gewesen.
Alter Mansfelder
natürlich sind Ehen zwischen Adligen und dem Bauernstand selten, aber sie kommen vor und -richtig- die (oft nicht bekannten) sozialen Begleitumstände spielen sicher immer auch eine nicht unwesentliche Rolle. Mir sind schon folgende Fälle begegnet (keine Vorfahren):
- 1618 heiratet in Arnstedt (Gft. Mansfeld) ein Bruder meines Vorfahren (Drechslergeselle und Sohn des Dorfrichters) eine Adlige (Junker v. Belleben zu Drohndorf/Anhalt) - ohne böse Anmerkung des Pfarrers.
- 1653 tauscht in Pansfelde (Amt Falkenstein/Harz) ein Kossat mit seiner adligen Schwiegermutter (v. Hackeborn) den Hackebornschen Hof gegen ein Kossatengut. Eheschließung auch ohne pastorale Anmerkung.
- Nach dem Dreißigjährigen Krieg heiratet in Klein Schierstedt/ Anhalt der Dorfrichter eine Adlige (v. Lampe). Ebenfalls ohne Kommentar des Pfarrers.
- Und 1695 heiratet in Groß Schierstedt (Ratsdorf von Aschersleben) der Bruder einer Vorfahrin (Wassermüller und Sohn eines Wassermüllers) auch eine Adlige (Junker v. Schwartzbach), Tochter eines ehem. Regimentsquartiermeisters und späteren Gastwirts (!) im Dorf.
Neben diesen Fällen unmittelbarer Adelsheiraten gibt es eine ganze Reihe weiterer, in denen gerade die dörfliche Handwerkerschaft und das Kleinbauerntum des Harzvorlandes ganz bemerkenswerte Vorfahren haben und auf "stattlichere" Ahnenreihen kommen als die dörfliche und selbst die umgebende städtische Oberschicht.
Johannes v.W.
Solche Heiraten hat es natürlich gegeben. Der Tenor des "bemerkenswerten" liegt vielleicht noch mehr auf dem Umstand der adeligen Witwe.
Zitat:
Zitat von Alter Mansfelder
des Harzvorlandes ganz bemerkenswerte Vorfahren haben
Ganz ohne Zweifel. Da ich auch Vorfahren aus dem Harz habe, kann ich das nur bestätigen.
gki
Ich habe jetzt auch eine Anmerkung "mihi nihil dedere" gefunden.
Kirchham, Trauungen, Bd. 5-01, f. 50
19.6.1697
Kein Adliger, allerdings ein Gerichtsamtmann.
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