Staatsbürgerschaften im zerbrechenden osmanischen Reich

Einklappen
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge
  • DocLange
    Benutzer
    • 06.01.2021
    • 48

    Staatsbürgerschaften im zerbrechenden osmanischen Reich

    Ein Jude wandert 1884 aus Rumänien nach Jerusalem aus, bekommt dort zwischen 1890 und 1902 sechs Kinder, die nach damaligem Recht seine Staatsbürgerschaft übernehmen, und wandert mit ihnen 1911 nach Ägypten aus. Insgesamt lassen sich für Vater und Kinder nicht weniger als sechs verschiedene Angaben zu Staatsbürgerschaft finden (Übernahme fremder Staatsbürgerschaften durch Einbürgerung oder Heirat bereits ausgefiltert):

    1. Rumänisch, weil Rumänien bereits auf dem Berliner Kongress 1878 unabhängig vom osmanischen Reich wurde,
    2. Türkisch, weil Rumänien so gut wie nie seine Staatsbürgerschaft an Juden erteilte, die also die osmanische beibehielten,
    3. Staatenlos, weil sie die rumänische Staatsbürgerschaft zwar nicht erhielten, die türkische aber mit der Gründung Rumäniens verloren hatten,
    3. Zwischen 1948 und 1967 Jordanisch, weil das jüdische Viertel Jerusalems Teil Ost-Jerusalems war, das in dieser Zeit jordanisch besetzt war,
    4. Zwischen 1920/22 und 1948 Palästinensisch, weil in dieser Zeit Palästina und damit auch Jerusalem unter britischem Völkerbundsmandat stand (obwohl die Familie mittlerweile in Ägypten lebte),
    5. Nach 1922 ägyptisch, weil die nach 2. türkische Familie stets nur innerhalb des osmanischen Reiches umgezogen war und bei der Unabhängigkeitserklärung des zuvor osmanischen Ägyptens eben dort lebte -- wie die zuvor ebenfalls osmanischen Ägypter eben auch.

    Ich frage mich jetzt: Welche dieser Staatsangehörigkeitsangaben waren nach den damals geltenden Gesetzen zulässig und welche nicht?
  • Sbriglione
    Erfahrener Benutzer
    • 16.10.2004
    • 1296

    #2
    Hallo DocLange,

    meine Vermutung (mit einer möglichen Ausnahme bei der palästinensischen Staatsbürgerschaft, weil es ja damals nicht wirklich einen "Staat" Palästina gab, sondern nur ein "Mandatsgebiet" dieses Namens): alle!
    Und so weit ich es sehe, sollten die verschiedenen Staatsangehörigkeiten damals auch durch die jeweils anderen Länder anerkannt worden sein.

    Ich kann mich dabei aber nur auf meine allgemeinen Geschichtskenntnisse berufen und bin kein Fachmann speziell für diese Region...

    Beste Grüße!
    Suche und biete Vorfahren in folgenden Regionen:
    - rund um den Harz
    - im Thüringer Wald
    - im südlichen Sachsen-Anhalt
    - in Ostwestfalen
    - in der Main-Spessart-Region
    - im Württembergischen Amt Balingen
    - auf Sizilien
    - Vorfahren der Familie (v.) Zenge aus Thüringen (u.a. in Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und NRW)
    - Vorfahren der Familie v. Sandow aus dem Ruppinischen

    Kommentar

    • Carolien Grahf
      Erfahrener Benutzer
      • 26.03.2021
      • 872

      #3
      Zunächst einmal ist Jude keine Staatsbürgerschaft, sondern eine Nationalität. Wurde deine Person in Rumänien von rumänischen Eltern geboren, so galt das (und soweit ich weiss auch heute noch) Abstammungsprinzip.
      Soll heissen: Sind die Eltern Rumänen, ist es das im irgendwo geborene Kind auch, egal ob Jude oder nicht.

      Lediglich Israel stülpt einem Juden automatisch die Israelitische Staatsbürgerschaft über, wenn er in Israel einwandert.

      Um festzustellen welche Staatsbürgerschaft deine Person tatsächlich hat, würde ich schauen welche die Eltern hatten und ob dieses Land ebenfalls das Abstammungsrecht angewendet hat.

      Kommentar

      • DocLange
        Benutzer
        • 06.01.2021
        • 48

        #4
        Lieber Sbriglione, liebe Carolien,

        erstmal herzlichen Dank für Eure Antworten, auch wenn ich etwas spät darauf reagiere!

        Ich denke folgendes:
        Der Jude besaß als Bewohner des osmanischen Reiches ursprünglich die türkische Staatsbürgerschaft. Rumänien hat nach der Gründung zwar die in Rumänien sesshaften Menschen türkischer Staatsbürgerschaft in die rumänische Staatsbürgerschaft übernommen, aber mit Ausnahme der Juden. Also behielten die wohl die türkische Staatsbürgerschaft. Da der Mann 1884 auswanderte, blieb es dabei, denn Rumänien wird kaum einem ungeliebten ausgewanderten Juden Jahre nach der Auswanderung doch noch die rumänische Staatsbürgerschaft erteilt haben.

        Bei der Heirat übernimmt nach osmanischem Recht die Frau automatisch die Staatsbürgerschaft ihres Mannes, das war damals in den meisten Staaten so. Die Kinder werden im damals osmanisch/türkischen Jerusalem als Kinder eines Türken geboren, erhalten also im osmanischen Reich wie auch in den meisten anderen Staaten zu dieser Zeit die Staatsbürgerschaft ihres Vaters (die der Mutter spielte keine Rolle): die osmanische Staatsbürgerschaft. Bis sie 1911 aus Jerusalem nach Ägypten ziehen, ändert sich nichts daran, da Jerusalem noch osmanisch ist. Nachträglich, also nach der Auswanderung, werden sie weder die palästinensische noch die jordanische Staatsbürgerschaft erhalten haben, weil sie 1920/22/48 Jerusalem längst verlassen hatten.

        Also kommt die Familie mit osmanisch/türkischer Staatsbürgerschaft im damals formal noch osmanischen Ägypten an. Als Ägypten sich 1922 für unabhängig erklärt, erhalten alle Osmanen auf ägyptischem Boden die neue ägyptische Staatsbürgerschaft -- damit auch diese Familie, die ja immer noch osmanisch ist.

        Also besaß die Familie bis 1922 die osmanische, danach die ägyptische Staatsbürgerschaft.

        Oder mache ich irgendwo einen Fehler?
        Zuletzt geändert von DocLange; Heute, 00:05.

        Kommentar

        Lädt...
        X