Die Entbindungsanstalt in Mainz von 1808 bis 1903

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  • elwetritsche
    Erfahrener Benutzer
    • 23.03.2013
    • 920

    Die Entbindungsanstalt in Mainz von 1808 bis 1903

    Die Entbindungsanstalt in Mainz von 1808 bis 1903

    In einem anderen Forum suchte eine Userin nach dem Entbindungsort ihrer Vorfahren. Als Anhaltspunkt hatte sie nur Kloster und Mainz.
    Als gebürtige Mainzerin hatte ich eine dunkle Ahnung, wusste dass einer meiner Ahnen dort geboren wurde, setzte mich mit meinem Vater in Verbindung und bekam das Stichwort Rheinstraße.
    Und das sind die interessanten Ergebnisse, die ich dazu gefunden habe.

    Ich habe dann noch mal ein bisschen gegoogelt und bin auf die Antoniter gestoßen:

    Eine Hebammenschule mit einer später integrierten Entbindungsanstalt setzte die wohltätige Arbeit der Klarissen von 1806 bis 1903 fort. Hier befand sich auch ein so genannter Triller, ein Vorläufer der Babyklappe, für Kinder die ausgesetzt werden sollten.

    http://www.mainz.citysam.de/antoniterkapelle-mainz.htm

    http://www.klosterlexikon-rlp.de/rheinhessen/mainz-antoniterkloster.html

    Und in Folge dessen auf die Klarissen der Armklara.

    Nach der Säkularisation des Ordens diente das Kloster zunächst der bisher im nun als Priesterseminar genutzten Augustinerkloster untergebrachten Ecole Secondaire. Als sie mangels Schülern ihre Pforten schließen musste, wurden die Gebäude ab 1806 (1808?) von der 1784 entstandenen Hebammenlehranstalt genutzt, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein neues Domizil bezog.

    http://www.klosterlexikon-rlp.de/rheinhessen/mainz-kloster-armklara/bau-und-kunstgeschichte.html

    Ergänzend dazu konnte ich dann noch folgendes finden:

    Außerdem wurde eine Entbindungsstation, das Accouchement gegründet. Diese Einrichtung diente als Hebammenschule, sowohl für die Studenten der medizinischen Fakultät, als auch für alle Hebammen im Umkreis der Stadt. Nach Gründung der Entbindungsanstalt wurde ein Erlass verkündet, dass sich alle Schwangeren innerhalb der Stadt und im nächsten Umkreis bei der Anstalt zu melden hatten, um dort versorgt zu werden. Auch ging eine Aufforderung an alle im Umkreis lebenden Hebammen, sich hier ausbilden zu lassen, selbst wenn sie bereits praktizierten. Damit sollte eine bessere Versorgung der Bevölkerung mit zuverlässig ausgebildeten und kompetenten Hebammen gewährleistet werden. Auch vom Land wurden Hebammen einberufen, aber nur in dem Maße, in dem es nötig erachtet wurde, um auch die Landbevölkerung mit Hebammen zu versorgen. Eintrittsbedingungen waren allein die Fähigkeit zu lesen und zu schreiben. Die Anstalt erfreute sich auch in der Bevölkerung große Beliebtheit, da sie als sicherer Ort für die Entbindung mit kompetentem medizinischem Personal galt.

    http://www.alte-uni-mainz.de/die-medizinische-fakultaet.html

    Die großen Erfolge des Accouchements endeten während der Belagerung von Mainz 1793. In dieser Zeit brach die Organisation der Anstalt vollständig zusammen. In der Zeit der Mainzer Republik. In dieser Zeit stiegen die Zahlen der Totgeburten und der Todesfälle direkt nach der Geburt wieder deutlich an. Besonders betroffen waren ledige Mütter. Erst im Jahre 1806 konnte das Accouchement im Erbacher Hof wieder eröffnet werden. Da die Nachfrage sehr schnell die Zahl der vorhandenen Betten überstieg, erhielt die Entbindungsanstalt 1807 ein neues Zuhause in dem umgebauten Armklarenkloster. Im Jahre 1903 nahm das neue Accouchement unter Jakob Krug seine Arbeit auf. In diesem großzügigen Neubau in der Hafenstraße wurden Maßstäbe in der gynäkologischen Forschung und Heilung gelegt. Die Einrichtung wurde zur Hebammenanstalt für das gesamte Großherzogtum Hessen. Zwei Jahre später wurde die neue Dienstanweisung für die Hebammen des Großherzogtums Hessen veröffentlicht. "Die Hebammen sollen einen nüchternen und ehrbaren Lebenswandel führen und sich durch Treue und Gewissenhaftigkeit in Erfüllung ihres für Menschenleben und Familienglück so bedeutungsvollen Berufes die Liebe und das Zutrauen ihrer Mitbürgerinnen zu erwerben und zu erhalten suchen."

    http://www.landeshauptarchiv.de/index.php?id=332&printView=1

    Hochschulreform ist nicht nur ein Begriff aus unseren Tagen. Bereits Ende des 18. Jahrhunderts wurde die Mainzer Universität umfassend reformiert. Ein praktisches Ergebnis der Reform im Fach Medizin war die Gründung der ersten Entbindungsanstalt, Accouchement genannt. Die Initiative dazu ging vom ersten Leiter der Einrichtung, dem Mediziner Johann Peter Weidmann aus. Am 7. Juni 1784 wurde das Accouchement Im Altmünsterkloster eingerichtet – als Entbindungsanstalt für ledige und arme Schwangere und als Schule für Hebammen. Ein Jahr zuvor hatte Kurfürst Friedrich Karl Joseph v. Erthal die Verordnung erlassen, wonach alle „unehelich geschwächten Personen“ ihre Schwangerschaft beim Leiter des Accouchements anzuzeigen hätten. Wer die Schwangerschaft verheimlichte, sollte schwer bestraft werden. Angedroht wurden sechs Wochen Zuchthaus bei Wasser und Brot; fand dann die Entbindung ohne Hebamme statt, drohte Züchtigung. Nur die ledigen Mütter, die Ihre Schwangerschaft rechtzeitig meldeten, blieben straffrei und auch von der Zahlung der sogenannten Bastardgebühr verschont.
    Im ersten Jahr des Bestehens kamen 25 Jungen und 14 Mädchen im Accouchement zur Welt und es wurden 97 Landhebammen und fünf Stadthebammen ausgebildet.
    Die Organisation der Anstalt geriet bereits während der Mainzer Republik 1792/93 durcheinander; nach deren Niederschlagung aber musste das Accouchement aus dem Altmünsterkloster ausziehen. Erst 1806 konnte Weidmann wieder Hebammen ausbilden und Entbindungen durchführen – diesmal im provisorisch dafür hergerichteten Erbacher Hof. Die Miete zahlte er sogar aus eigener Tasche. 1808 konnte das Accouchement in das Armklarakloster umziehen, dort befand es sich bis 1903.

    http://www.mainz.de/C1256D6E003D3E93/files/19muensterstrasse.pdf/$FILE/19muensterstrasse.pdf

    Interessant finde ich daran, dass durchaus auf eine gute Ausbildung der Hebammen - und damit auch auf ein wirtschaftliches Auskommen - Wert gelegt wurde. Und das nur „unehelich geschwächten Personen“ dazu verpflichtet waren eine Hebamme hinzuzuziehen.

    PS. Sollte dieser Beitrag für dieses Unterforum zu allgemein sein, bitte ich die Moderatoren diesen zu verschieben. Danke.
    Zuletzt geändert von elwetritsche; 11.06.2013, 06:22.
    Liebe Grüße
    Elwe

    Mit ihren Feld- (Rheinhessen), Wald- (Westerwald) und Wiesen- (Kreis Groß-Gerau) Ahnen.
  • brougier
    Erfahrener Benutzer
    • 07.11.2007
    • 119

    #2
    Danke!

    Hallo!
    Da es hier keinen "gefällt mir"- Button gibt, wollte ich dir auf diesem Weg sagen, dass ich deinen Artikel sehr spannend fand !
    Grüße ganz aus der Nähe!
    Brougier

    Kommentar

    • Odette
      Erfahrener Benutzer
      • 19.05.2009
      • 518

      #3
      Hallo Elwe,

      ein wirklich interessanter Beitrag.
      Das es so etwas schon gab ist doch erstaunlich, wenn man bedenkt wie es an manchen anderen Orten zuging.
      Viele verdankten dieser Einrichtung bestimmt ihr Leben.

      Danke und LG von odette

      Kommentar

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