Meister im 19. Jahrhundert

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  • ht999
    Benutzer
    • 19.09.2011
    • 9

    Meister im 19. Jahrhundert

    Ein Vorfahr verstarb ca. 1830 in Linum bei Berlin. Er wurde als Büdner und Schneidermeister bezeichnet. Büdner ist mir klar, aber wie wurde aus einem Schneider ein Schneidermeister? Gab es noch Zünfte?
  • Anna Sara Weingart
    Erfahrener Benutzer
    • 23.10.2012
    • 15113

    #2
    Ja, die gab es noch, siehe Anhang

    Der Zunftzwang wurde zwar 1811 aufgehoben:
    "Mit diesem Verfahren wurden die Zünfte obsolet – aber auch nicht verboten oder enteignet: Der Staat fürchtete Entschädigungsansprüche, wie bei den Begräbniskassen. Im Endeffekt erfüllten sich nicht die Erwartungen eines "automatischen" Aussterbens der Zünfte. Dagegen stand schon das Verbot zum Austritt aus einer Zunft, bevor die Zunftschulden reguliert waren. Zudem gab es in den Handwerken keine echte Alternative zur Lehrlingsausbildung. Erst mit der Gewerbeordnung von 1845 wurden Innungen als Organisatoren handwerklicher Ausbildung neu eingeführt." -- https://www.lwl.org/aufbruch-in-die-...dex2_html.html


    Quelle Anhang: Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1800-1866: Bürgerwelt und starker Staat, Band 1, 1983
    Angehängte Dateien
    Zuletzt geändert von Anna Sara Weingart; 04.04.2019, 14:39.
    Viele Grüße

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    • holsteinforscher
      Erfahrener Benutzer
      • 05.04.2013
      • 2491

      #3
      Moinsen zusammen,
      …*aber wie wurde aus einem Schneider ein Schneidermeister?*…,
      der Weg zum Meistertitel hat sich in vielen Gewerken in den letzten
      Jahrhunderten kaum geändert, abgesehen von den Wanderjahren,
      der s.g. *Walz*. Den Werdegang hab ich hier in Kürze dargestellt:

      Beginn einer Lehre, je nach Gewerk von unterschiedlicher Dauer
      Im Anschluss begannen die Wanderjahre, 3-5 Jahre, viele Gesellen
      waren aber wesentlich länger unterwegs, insbesondere Tischler,
      Glaser und Goldschmiede, die es nicht selten in Ausland zog. Viele
      Glaser hat es z.B. nach Böhmen verschlagen, Tischler gingen gerne nach
      Bayern und Tirol.

      Nach Rückkehr arbeitete man meist noch einige Jahre als Geselle,
      um sich das Geld für die Meistprüfung/Meisterstück anzusparen.
      Dann trat man vor die *Älterleute/Mitmeister* seiner Zunft und trug
      sein Anliegen vor, den Meistertitel zu erwerben.
      Nach Prüfung der Aspiranten (Leumund, Schulden, Familie usw.),
      erhielten diese den Auftrag, ihre Meisterstücke zu verfertigen.
      Dann erfolgt die Vorstellung der Meisterstücke…., schwupps
      war man Meister, sofern man die Meisterstücke für *würdig* befunden
      hat.
      Die besten Grüsse von der Kieler-Förde
      Roland...


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      • Xylander
        Erfahrener Benutzer
        • 30.10.2009
        • 6450

        #4
        Hallo
        aus dem Buch des Münzmeisters Gerhard Hüls, Köln, über seine Wanderjahre als Geselle (Original im Stadtarchiv Köln)


        Omnia ad maiorem Dei gloriam

        1708 den 28 Ja[nu]arij bin ich auff meine goldtschmidts profession von Cöllen
        auff Münster gereyset alwo den 3 Februarij arrivirt vndt in Condition
        bey Herren Christian Poppe auff der Bergstraßen vndt den 3 Martij bey
        Herren Johan Fischer an Vberwarten (Overwater/Überwasser) Cöllen von Münster 16 meilen

        1709 den 6 Februarij bin ich von Münster auff Paterborn gereyset
        alwo in Condition gegangen den 9 Februarij bey Herren Johan Henrich
        Sudeick in der Kisaw (Kisau) Münster von Paterborn 10 Meilen

        1709 den 27 Maij bin ich von Paterborn auff wirtzburg gereyset alwo in
        Condition gegangen den 3 Junij bey Herren Johan Kill auff dem
        newen fischmarck Paterborn von wirtzburg 34 meilen

        1709 den 17 Augusti bin ich von wirtzburg auff Augspurg gereiset
        alwo in Condition gegangen den 27 Augusti bey Herren Johan Jacob
        Kren in der frawen vorstatt wirtzburg von Augspurg 31 meilen
        den 13 9bris (Novembris) bin ich zum Herren Ludowich Schneider am Creutzer
        thor in Condition gegangen

        1710 den 26 Martij bin ich zum Herren Georg Artzwanger auffm dem
        Creutz in Condition gegangen
        den 31 Julij bin ich zum Herren Abraham Drentwett am schwoll (Am Schwall)
        bey Sanct Ursula Kirch in Condition gegangen

        1711 den 22 Augusti bin ich von Augspurg zu wasser auff wien gereyset
        alwo in Condition gegangen den 1 7bris (Septembris) bey Herren Matthias
        Asam Augspurg von Wien ---- 78 meilen
        den 28 8bris (Octobris) bin ich zum Herren Abraham Trempenaw (Trempenau) in der
        nagler gaßen in Condition gegangen

        Laus Deo

        1712 den 18 Maij bin ich von Wien auff Prag gereyset alwo den 26
        Maij in Condition gegangen bey Herren Johan Georg Brullus
        in der platter gaßen wien von Prag 36 meilen

        1713 den 8 Julij hat die pest angefangen zu grassieren in Prag
        und täglich mehrere menschen von dießer welt hingerissen in
        die ewigkeit
        den 14 Augusti ist die Judenstatt in prag allenthalben gesperrt
        worden vndt
        den 3 7bris (Septembris) ist die predig zu halten in allen kirchen verbotten worden
        den 23 7bris ist der seegen zu geben vndt das hohe ampt zu halten
        in allen Kirchen verbotten worden vndt seindt altär auff den straßen
        vnter dem freyen himmel vmb die meß zu hören auffgerichtet worden
        NB vom 8 Julij bis den 8 9bris seindt ohngefähr 34 tausend
        Menschen an der pest gestorben

        1713 den 2 9bris (Novembris) bin ich von Prag auff roßhaupt gereyset alwo arrivirt
        den 6 9bris |: Prag|: von von roßhaupt 18 meilen:| vndt hab müssen eine
        halbe stundt von roßhaupt in einem waldt vnter freyem himmel
        40 täg die contramace (Quarantäne) halten vndt bin von der contramace
        auff Nürrenberg, wirtzburg durch franckfort auff Cöllen gereiset
        alwo arriviret den 18 10bris (Decembris) Prag von Cöllen 83 meilen
        Viele Grüße
        Xylander
        PS: ich weiß, das ist 120 Jahre früher, aber die Wanderjahre gab und gibt es noch heute, allerdings freiwillig

        Zuletzt geändert von Xylander; 05.04.2019, 10:16. Grund: PS

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        • gki
          Erfahrener Benutzer
          • 18.01.2012
          • 4843

          #5
          Hatte der die berühmten 7-Meilen-Stiefel oder was für Meilen sind das?
          Gruß
          gki

          Kommentar

          • Xylander
            Erfahrener Benutzer
            • 30.10.2009
            • 6450

            #6
            Wenn man Wien - Prag grob mit 300 km ansetzt und das durch 36 teilt, kommt 8,3 km für die Meile heraus. Das lässt an die Landmeile mit 7,5 km denken
            Im deutschen Sprachraum waren die Landmeile und die geographische Meile üblich. Anders als die englische Meile, die mit ihren 1,6 km in etwa die römische Meile tradiert, entsprachen die deutsche Landmeile und die geographische Meile rund 7,5 km.

            Viele Grüße
            Xylander

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            • maria1883
              Erfahrener Benutzer
              • 20.08.2009
              • 898

              #7
              Hallo, Xylander,
              das war jetzt aber mal interessant.
              Danke für das Einstellen von diesem Bericht.
              Viele Grüße,
              Waltraud
              Orte und Namen meiner Ahnen:
              Neu Wuhrow: Pophal, Golz, Is(s)berner, Gehrke, Draheim, Zuther, Mittelste(ä)dt, Hensel, Bleck
              Gönne (später Westgönne): Hensel, Bleck, Maronde
              Steinklippe (Belgard/Schievelbein): wie Westgönne
              Neudorf: Märtens, Boeck, Schulz, Mallon, Harmel, Manz
              Pöhlen: Milbradt, Boeck, Dittberner, Kannenberg, Märtens
              bis auf Steinklippe alles Kreis Neustettin

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              • Anna Sara Weingart
                Erfahrener Benutzer
                • 23.10.2012
                • 15113

                #8
                Ich rechne mal das Beispiel "Paterborn von wirtzburg 34 meilen", mit der österreichischen Postmeile (7.585,9 m), ergibt Summe 258 km.
                Zum Vergleich die Entfernungsangabe laut Routenplaner auf heutigen Straßen: 266 km
                Viele Grüße

                Kommentar

                • Xylander
                  Erfahrener Benutzer
                  • 30.10.2009
                  • 6450

                  #9
                  Danke ASW. Hier ganz ähnlich: 1 Meile = 7,532 km (rheinländisches Maß 1773-1816) https://de.wikipedia.org/wiki/Alte_M...4ngenma%C3%9Fe
                  Woher Gerhard Hüls die Angaben nahm, weiß ich nicht. Ich nehme aber an, dass er sorgfältig vorging. In seinem späteren Leben als Goldschmied und Münzmeister in Köln fertigte er unzählige Tabellen an (Währungsumrechnungen, Metall-Legierungen, Feingehalte usw)

                  Viele Grüße
                  Xylander

                  Kommentar

                  • Xylander
                    Erfahrener Benutzer
                    • 30.10.2009
                    • 6450

                    #10
                    Zitat von maria1883 Beitrag anzeigen
                    Hallo, Xylander,
                    das war jetzt aber mal interessant.
                    Danke für das Einstellen von diesem Bericht.
                    Viele Grüße,
                    Waltraud
                    Hallo Waltraud,
                    danke, freut mich, dass es Dir gefällt.
                    Viele Grüße
                    Xylander

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