18. Jh. - Vom Knecht zum Meister. War so etwas möglich?

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  • Posamentierer
    Erfahrener Benutzer
    • 07.03.2015
    • 1028

    18. Jh. - Vom Knecht zum Meister. War so etwas möglich?

    Guten Tag,

    ich habe hier ein Problem, bei dem der Anschluss eines Vorfahren an eine weitere Generation nur mit sehr viel Toleranz und Phantasie - oder eben gar nicht möglich ist. Wie seht Ihr das?

    Hier zunächst die Fakten:

    Im Raum Bernau, nördlich von Berlin, lebten Vorfahren von mir in einer Reihe von Orten.

    In Schönwalde (Wandlitz) wurden dem Stellmachermeister Christian Hoffmann von seiner ersten Frau Maria Elisabeth Kratz mindestens drei Kinder geboren (zwischen 1755 und 1760). Die Trauung muss also vor 1756 erfolgt sein, sie ist aber nicht aufzufinden. Er selbst stirbt 1790 in Schönwalde im „76. Jahr“, seine Geburt sollte also etwa zwischen 1713 und 1716 gewesen sein.

    Nun ist das Problem, dass die Kirchenbücher von Schönwalde erst 1754 beginnen - der Ort wurde als Kolonistendorf 1753 gegründet. Von weiteren Orten in der Umgebung gibt es leider zu der Zeit noch keine Kirchenbücher oder auch sie sind Neugründungen. So gibt es keine Daten zum Namen Hoffmann aus Basdorf, Biesenthal, Birkenwerder, Feldheim, Mühlenbeck, Schönerlinde, Schönfließ, Schönow, Summt, Zühlsdorf.

    Die Stadt Bernau hatte allerdings bereits seit dem 16. Jahrhundert Kirchenbücher und dort finden sich wenige Hoffmanns. Mehrere sind Soldaten von irgendwo.

    Aber 1715 heiratet Meister Christian Hoffmann, Stellmacher, die Jungfer Dorothea Elisabeth Putlitz. Von beiden finden sich in der Folge 5 Kinder, darunter 1716 ein Christian Friedrich Hoffmann. Sein Geburtsjahr würde also zu dem von mir Gesuchten passen, ebenso der Vorname des Vaters und vor allem dessen Stand Stellmachermeister.

    Dieser 1716 geborene Sohn heiratet 1741 als Christian Hoffmann Ackerknecht und Tagelöhner, Meister Christian Hoffmanns, des Stell und Radmachers Sohn eine Erdmuthe Pech. Kinder der beiden sind zwischen 1741-1747 aufzufinden. Bei den Kindstaufen steht zu den Eltern:
    *1741 V: Christian Hoffmann, Knecht M: Erdmuth Pech
    *1744 V: Christian Hoffmann, Tagelöhner M: Erdmuth Pech
    *1747 V: Christian Hoffmann, Tagelöhner M: Erdmuth Pech
    Das mittlere Kind stirbt 1746 V: Christian Hoffmann Böttcher

    1748 stirbt Christian Hoffmann, Stellmacher. Hier gehe ich vom Vater meines Gesuchten aus. Den Tod von Erdmuthe Pech habe ich nicht gefunden.

    Und hier meine Frage:

    Ist es denkbar, dass der 1716 getaufte Christian Friedrich Hoffmann, Sohn des Stellmachermeisters Christian Hoffmann, der 1741 Erdmuthe Pech heiratet und zwischen 1741 und 1747 als Knecht, Tagelöhner und Böttcher bezeichnet wird, es bis 1755 zum Stellmachermeister gebracht haben kann?

    Ist es überhaupt denkbar, dass zu dieser Zeit jemand mit über 30 Jahren noch eine Lehre macht und sogar Meister wird? Konnte er diesen Titel von seinem Vater „erben“ sofern er die Fähigkeiten nachwies?

    Oder würdet Ihr von drei verschiedenen Christian Hoffmanns ausgehen: 1.) Christian Hoffmann senior Stellmachermeister 2. dessen Sohn Christian Friedrich Knecht, Tagelöhner 3. Christian Hoffmann junior, Stellmachermeister - wo auch immer herstammend.

    Ich bin gespannt, was Euch dazu einfällt und danke für Eure Mühe!
    Zuletzt ge?ndert von Posamentierer; 04.05.2020, 15:58. Grund: Falsches Jahrhundert angegeben...
    Lieben Gruß
    Posamentierer
  • Horst von Linie 1
    Erfahrener Benutzer
    • 12.09.2017
    • 19711

    #2
    Guten Tag,
    Knecht und Taglöhner passen zu einem späteren Stellmachermeister, der Böttcher aber nicht.
    Allerdings passt er auch nicht zur Berufsangabe 1747.

    Da er ja offenbar das Anwesen seines Vaters nicht übernommen hat, könnte er in der kurzen Zeit zwischen 1747 und 1755 verzogen, dort Witwer geworden und dann erneut geheiratet haben.
    Vielleicht ermöglichte ihm als weichenden Erben das väterliche Erbteil, sich neu zu orientieren.

    Ich würde aber auch unbedingt nachsehen, ob die Erdmute als Witwe heiratete. Falls ja, dann gäbe es keine Kette vom Schönwalder zum 1741 Heiratenden mehr.
    Falls im Eifer des Gefechts die Anrede mal wieder vergessen gegangen sein sollte, wird sie hiermit mit dem Ausdruck allergrößten Bedauerns in folgender Art und Weise nachgeholt:
    Guten Morgen/Mittag/Tag/Abend. Grüß Gott! Servus.
    Gude. Tach. Juten Tach. Hi. Hallo.

    Und zum Schluss:
    Freundliche Grüße.

    Kommentar

    • consanguineus
      Erfahrener Benutzer
      • 15.05.2018
      • 5525

      #3
      Hallo Posamentierer,

      ich würde die Berufsbezeichnungen Böttcher und Stellmacher nicht so dogmatisch voneinander trennen. Mehr dazu gibt es in dem Artikel zu lesen, zu dem ich einen Link versucht habe einzubauen.

      Nicht nur Wagenräder und Fuhrwerke wurden vom Stellmacher hergestellt, auch Transport- und Kinderschlitten, sowie


      Viele Grüße
      consanguineus
      Suche:

      Joh. Christian KROHNFUSS, Jäger, * um 1790
      Carl KRÜGER, Amtmann in Bredenfelde, * um 1700
      Georg Melchior SUDHOFF, Pächter in Calvörde, * um 1680
      Ludolph ZUR MÜHLEN, Kaufmann in Bielefeld, * um 1650
      Dorothea v. NETTELHORST a. d. H. Kapsehden, * um 1600
      Thomas SCHÜTZE, Bürgermeister in Wernigerode 1561

      Kommentar

      • Posamentierer
        Erfahrener Benutzer
        • 07.03.2015
        • 1028

        #4
        Hallo und vielen Dank!

        @Horst_von_Linie_1:
        Ich würde aber auch unbedingt nachsehen, ob die Erdmute als Witwe heiratete. Falls ja, dann gäbe es keine Kette vom Schönwalder zum 1741 Heiratenden mehr.
        Richtig, das muss ich noch prüfen, dann hätten wir eine Widerlegung.

        Da er ja offenbar das Anwesen seines Vaters nicht übernommen hat, könnte er in der kurzen Zeit zwischen 1747 und 1755 verzogen, dort Witwer geworden und dann erneut geheiratet haben. Vielleicht ermöglichte ihm als weichenden Erben das väterliche Erbteil, sich neu zu orientieren.
        Das war und ist auch meine Vermutung - nur bislang eben nicht zu beweisen. Es könnte tatsächlich sein, dass sein Vater ihn noch anlernte - damit wäre vielleicht auch der Böttcher erklärlich.

        @consangineus:
        Danke für den nützlichen Link! Ja, inhaltlich könnte ich mir schon vorstellen, dass jemand beide Handwerke erledigt. Die Frage war eher, ob er für den Titel nicht eine offizielle Lehre samt Meisterprüfung bräuchte.

        @xxx[persönliche Nachricht] Der 1716 Geborene Christian war der erste Sohn des alten Stellmachermeisters. Aber mit der Gründung eines Kolonistendorfes war sicherlich jemand, der sich um Räder, Deichseln und andere Sachen kümmerte essentiell für das neue Dorf. Sein Vater starb 1748, das letzte Kind mit Erdmuthe Pech wird 1747 geboren - vielleicht wurde er Witwer und Waise, zog um, ergriff einen anderen Beruf, heiratete erneut.
        Erdmuthe Pechs Vater war Cossäthe - er hat also nicht eine Meistertochter geheiratet.

        Habt zunächst vielen Dank für die klugen Hinweise!

        Da der Name und der Beruf nicht allzu häufig sind, halte ich - gerade auch nach Euren Kommentaren - eine Identität des Tagelöhners und jüngeren Stellmachers für denkbarer als bisher.
        Lieben Gruß
        Posamentierer

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        • consanguineus
          Erfahrener Benutzer
          • 15.05.2018
          • 5525

          #5
          Hallo Posamentierer,

          ich könnte mir vorstellen, daß die Sache mit der Meisterprüfung eher im städtischen Umfeld eine Rolle gespielt hat, wo sie ja auch einen Schutz der alteingesessenen Handwerkerschaft darstellte. Mit jedem zusätzlichen Goldschmiedemeister wurde das Stück vom Kuchen kleiner.

          Dort auf dem Lande, zumal in einer Kolonie, wurde sicherlich jeder fähige Mann dringend gebraucht. Möglicherweise waren die formalen Anforderungen nicht so hoch. Ich habe Leinewebermeister unter meinen Vorfahren, kann mir aber kaum vorstellen, daß einer von denen eine richtige Lehre, geschweige denn eine Meisterprüfung absolviert hat. So etwas lernte man beim Vater. Es gab ja auf dem Dorf auch nicht dieses restriktive Zunftwesen wie in der Stadt.

          Viele Grüße
          consanguineus
          Suche:

          Joh. Christian KROHNFUSS, Jäger, * um 1790
          Carl KRÜGER, Amtmann in Bredenfelde, * um 1700
          Georg Melchior SUDHOFF, Pächter in Calvörde, * um 1680
          Ludolph ZUR MÜHLEN, Kaufmann in Bielefeld, * um 1650
          Dorothea v. NETTELHORST a. d. H. Kapsehden, * um 1600
          Thomas SCHÜTZE, Bürgermeister in Wernigerode 1561

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          • Posamentierer
            Erfahrener Benutzer
            • 07.03.2015
            • 1028

            #6
            Hallo consanguineus,

            Danke für Deinen Hinweis:
            Dort auf dem Lande, zumal in einer Kolonie, wurde sicherlich jeder fähige Mann dringend gebraucht. Möglicherweise waren die formalen Anforderungen nicht so hoch.
            Ja, etwa so wie im Wilden Westen, wo es wohl eher darauf ankam, ob man ein Pferd beschlagen konnte und nicht darauf, ob man einen hübschen Meisterbrief hatte. Die Kolonisten wären aufgeschmissen, ohne jemanden, der ein Rad reparieren kann.

            Dann wäre allerdings der "Meister" ein Ehrentitel - kein tatsächlich verdienter gewesen. Das war mein größter Vorbehalt.

            xxx[wieder persönlich] schreibt ganz ähnlich, dass die Zunftregeln in dieser Zeit weniger streng gehandhabt worden sind. Und vielleicht wurden in Kolonistendörfern die Sachen pragmatischer gehandhabt als in der Stadt - die Konkurrenz fehlte ja noch vollkommen.

            Danke Euch für Eure Argumente!
            Lieben Gruß
            Posamentierer

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            • TükkersMitÜ
              Erfahrener Benutzer
              • 11.11.2015
              • 357

              #7
              Guten Abend,
              in solchen ländlichen Gegenden brauchte man Stellmacher zwar zwingend, aber in kleinen Dörfern auch nicht mehr als einen. Vielleicht wurde Christian von seinem Vater angelernt, der Betrieb warf aber nicht genug ab, um die Familien von Senior und Junior zu ernähren. Vielleicht übte Junior deshalb einen anderen Beruf aus, konnte seine erlernten Fähigkeiten aber in einem neuen Kolonistendorf nochmal anbringen. Das wäre so meine Theorie.
              Einen schönen Abend wünscht
              Annika
              Eheschließung Philipp Frommel und Maria Catharina Storr um 1800 im Raum Niederwörresbach/Herrstein und Umgebung
              Familie Kunde in Pollnow Krs. Schlawe
              Schäfer(?) Gottfried Wesenig o.ä. aus Bukow (Groß Jehser) und Umgebung
              Pächter Johann George Schimkönig, angeblich aus Lübben, + zwischen 1760 und 1767, zuletzt in Pritzen nachgewiesen

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              • AKocur
                Erfahrener Benutzer
                • 28.05.2017
                • 1371

                #8
                Hallo,

                ich würde auch davon ausgehen, dass im nichtstädtischen Bereich der Titel "Meister" nicht mit einem Meisterbrief validiert werden musste.
                Im Wörterbuch der Gebrüder Grimm gibt es unter "Meister" eine ganze Reihe an Verwendungsmöglichkeiten für das Wort; nur eine davon ist die zünftische Definition. Und auch in meinen eigenen Forschungen (fast ausschließlich dörflich) habe ich eher das Gefühl, dass es mehr damit verbunden wird, ob man der "Meister im Betrieb" ist, also der, der wiederum andere beschäftigt und vermutl. auch ausbildet/anlernt.

                Der Beruf das Tagelöhner heißt ja nur, dass man wechselnde Jobs ausübte, immer da, wo es gerade Arbeit gab, die bezahlt wurde. Es schließt nicht aus, dass man ein vom Vater erlerntes Gewerk auch weiterhin ausübte, vielleicht sogar auch im väterlichen Betrieb, wenn da ein weiterer Arbeiter gebraucht wurde. Nur halt nicht so beständig, dass man das zu der Zeit auch als Beruf angegeben hätte. Bestehende Qualifikationen (z.B. ist gewohnt, Holz zu bearbeiten) wird man bei der Arbeitssuche als Tagelöhner aber sicherlich auch mit berücksichticht haben, wenn nicht gerade eine nichtverwandte aber leicht erlernbare Arbeit angeboten wurde, die mehr Geld abwarf.

                LG,
                Antje

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                • Alter Mansfelder
                  Super-Moderator
                  • 21.12.2013
                  • 4660

                  #9
                  Hallo zusammen,

                  wirklich gute Nachschlagewerke zu solchen Themen sind leider nicht frei verfügbar. Deshalb sollte man sich auch mit Vermutungen eher zurückhalten.

                  Ich habe mal in der 2. Auflage des Handwörterbuchs zur deutschen Rechtsgeschichte nachgelesen, das ich selber in Buchform besitze. Im Band 3, 2016, Spalte 1434-1439, gibt es einen ausführlichen Artikel zum Stichwort „Meister“, Verfasser: Patrick Schmidt. Darin heißt es verkürzt:

                  Es geht hier um den Handwerksmeister, also eine Person, die einen kleingewerblichen Betrieb selbständig führt und hierfür eine vom Staat, einer Kommune oder einer Zunft verliehene Berechtigung besitzt. In der Regel setzt die Berechtigung die Mitgliedschaft in einer Zunft bzw. Innung und den Nachweis beruflicher und sozialer Qualifikationen voraus. Der juristisch abgesicherte und an eine Zunftzugehörigkeit gekoppelte Meister-Titel war jedoch nie deckungsgleich mit der Realität des Handwerks. Frühneuzeitliche Obrigkeiten erteilten auch Personen das Recht zur selbständigen Handwerksausübung, die weder einer Zunft angehörten noch ein Meisterstück vorgelegt hatten („Freimeister“). Zünfte gestatteten auch den Meisterwitwen die Werkstattfortführung. Zudem gab es auch immer Personen, die ein Handwerk illegal ausübten, und denen man versuchte, „das Handwerk zu legen“.

                  I. Berechtigung zur gewerblichen Selbständigkeit
                  - im Mittelalter: mehrjährige Ausbildung, Bewerbung um das Meisterrecht
                  - im Spätmittelalter Dreistufigkeit: Ausbildung (ohne festgelegte Inhalte), Gesellenzeit, Meisterrecht (= Regelablauf)
                  - bis zum 19. Jh. in der Regel keine Gesellenprüfung, Freisprechung nur nach formalen Kriterien, vorgegeben dagegen: Lehrdauer und oft Ob und Dauer der Wanderjahre
                  - Erwerb des Meisterrechts ist seit Spätmittelalter von Qualifikationsnachweis abhängig (Meisterstück), erst seit dem 19. Jh. mündliche und schriftliche Prüfungen
                  - „Vom Mittelalter bis zur Aufhebung der Zünfte im 19. Jh. war die Erlangung des Meisterrechts zudem mit dem verpflichtenden Beitritt zu der für das jeweilige Handwerk zuständigen Zunft gekoppelt. Diese Koppelung war eine Konsequenz des sog. >Zunftzwanges< (demzufolge nur Angehörige der jeweils zuständigen Zunft in einer Stadt bzw. einem Territorium ein Handwerk selbständig ausüben durften) und konstitutiv für diesen.“
                  - seit dem 18. Jh. verstärkt Ausnahmen für Freimeister, Hofhandwerker, ausgediente Soldaten, Immigranten, Fabrikanten und Manufakturgründer
                  - im 19. Jh. Zunftaufhebung und Gewerbefreiheit


                  II. Soziale Voraussetzungen des Meisterrechts
                  - eheliche Geburt
                  - ehrliches Gewerbe der Eltern
                  - ggf. „deutsche“ Herkunft, christliche Konfession
                  - Beschränkung auf Männer
                  - in der Regel Koppelung an Bürgerrechtserwerb (hier hat der Kollege consanguineus ein schönes Beispiel eines Dorfeinwohners, der zugleich Bürger und Handwerksmeister in der benachbarten Stadt gewesen ist)
                  - Erwartung, dass eine Ehe eingegangen wird


                  Also: Nix mit "wildem Westen". Allerdings mag die Position in einem Kolonistendorf durchaus mit (modern gesprochen) Ausnahmegenehmigung erlangt worden sein.

                  Hoffentlich helfen die Erläuterungen!

                  Es grüßt der Alte Mansfelder
                  Zuletzt ge?ndert von Alter Mansfelder; 04.05.2020, 12:00.
                  Gesucht:
                  - Tote Punkte im Mansfelder Land, Harz und Umland
                  - Tote Punkte in Ostwestfalen
                  - Tote Punkte am Deister und Umland
                  - Tote Punkte im Altenburger Land und Umland
                  - Tote Punkte im Erzgebirge, Vogtland und Böhmen
                  - Tote Punkte in Oberlausitz und Senftenberg

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                  • Posamentierer
                    Erfahrener Benutzer
                    • 07.03.2015
                    • 1028

                    #10
                    Hallo,

                    ich finde es herrlich, wie viele Ideen Ihr zusammengetragen habt, Danke!

                    @Annika
                    Der Vater war ja Stellmacher in Bernau, einer Stadt, die mehrere Stellmacher aufwies. Gelernt oder angelernt worden, ist er sicherlich. Auch aus den Gründen, die

                    @ Antje
                    nennt. Dass man im väterlichen Handwerk aushelfen musste, wenn viel zu tun war, würde ich auch so erwarten. Zu dem Aspekt des Landhandwerkers gleich mehr...

                    Danke Euch beiden!
                    Lieben Gruß
                    Posamentierer

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                    • Malte55
                      Erfahrener Benutzer
                      • 02.08.2017
                      • 1625

                      #11
                      Moin,
                      ich weiß nicht wie groß dieses Kolonistendorf war, aber je kleiner um so eher wird die Stellmacherei nur der Nebenerwerb gewesen sein. Mit viel befahrener Handelstraße, Gasthaus und Schmiede könnte es auch zum Haupterwerb gelangt haben.
                      LG Malte

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                      • Posamentierer
                        Erfahrener Benutzer
                        • 07.03.2015
                        • 1028

                        #12
                        Hallo, Alter Mansfelder,

                        vielen Dank für die nützlichen und berechtigten Anti-Wild-West Argumente, deren zentralen Teil ich hier sehe:

                        „Vom Mittelalter bis zur Aufhebung der Zünfte im 19. Jh. war die Erlangung des Meisterrechts zudem mit dem verpflichtenden Beitritt zu der für das jeweilige Handwerk zuständigen Zunft gekoppelt. Diese Koppelung war eine Konsequenz des sog. >Zunftzwanges< (demzufolge nur Angehörige der jeweils zuständigen Zunft in einer Stadt bzw. einem Territorium ein Handwerk selbständig ausüben durften) und konstitutiv für diesen.“
                        Ich habe, durch Dich angeregt, jetzt selbst folgendes gefunden und aus mehreren Spalten gesammelt. Quelle ist die sehr informative "Oeconomische Encyclopädie von Johann Georg Krünitz" http://www.kruenitz1.uni-trier.de

                        Im Wesentlichen geht es darum, dass der Dorfmeister, ein Handwerksmeister auf einem Dorfe, zum Unterschiede von einem Stadtmeister, anderen Bestimmungen unterworfen war.
                        ----
                        Fast bey allen Innungen haben die Meisterssöhne, wenn sie bey ihres Vaters Handwerk bleiben, sehr große Vorrechte. Sie bestehen gemeiniglich darin: 1) daß sie für das Ein= und Ausschreiben auch für das Meisterrecht entweder gar nichts, oder doch nicht so viel als andere bezahlen; 2) entweder gar nicht, oder nicht so lange, wie ein anderer wandern; 3) eine kürzere Zeit in der Lehre bleiben; und 4) die Sitz= oder Muthjahre nicht aushalten dürfen. Hierzu wird aber erfordert, daß man eines inländischen Meisters leiblicher Sohn sey.

                        Nicht alle Handwerksmeister erlangen das Meisterrecht auf die bisher angeführte Weise. Unter diese gehören hauptsächlich die Freymeimeister und Gnadenmeister. Solche Handwerksverständige, welche das Meisterrecht nicht auf die gewöhnliche Weise erlangen, sondern vom Landesregenten wegen einer zum Meisterrecht erforderlichen Verbindlichkeit, oder wegen Mangel nothwendigen Eigenschaft Dispensation erlangen, werden Gnadenmeister genannt.
                        Z. B. es hat einer das Handwerk nicht ordentlich gelernt, oder ist nicht die erforderlichen Jahre gewandert, so kann ihn der Landesregent dispensiren. Sie werden eingekaufte Meister genannt, wenn sie, der landesherrlichen Dispensation ungeachtet, für die Aufnahme in die Zunft das Meistergeld in die Lade bezahlen müssen. Solche Gnadenmeister gehören mit zur Zunft, sie müssen die Handwerksordnung und Gebräuche beobachten, und dürfen, wie andere Meister, alle Handwerksarbeiten verrichten. Bisweilen wird jedoch bey ihrer Aufnahme, in Ansehung der Rechte, die sie haben sollen, eine Ausnahme gemacht, und man verstattet ihnen nur gewisse Rechte anderer Zunftgenossen.

                        Freymeister sind solche Handwerker, welche das Recht, an einem Orte zu arbeiten, haben, ohne in die Zunft aufgenommen zu seyn.
                        Gnadenmeister und Freymeister sind darin unterschieden, daß jene in der Zunft stehen, diese aber nicht, und beyde sind darin einander gleich, daß sie die Handwerksgerechtigkeit nicht auf die gewöhnliche Weise erlangt haben.

                        Da die Freymeister außer der Zunft arbeiten: so sind sie vom Meisterstück, von den Verbindlichkeiten der Innungsartikel, und von den collegialischen Zunftschlüssen befreyet. Die übrigen besondern Rechte, ob sie Gesellen halten dürfen, und von allen oder nur einigen persönlichen bürgerlichen Auflagen frey sind, hangen vom Freyheitsbriefe ab.

                        Mithin sind auch nur solche Handwerker auf dem Lande zu dulden, welche entweder die Geräthschaften bey der Land=Wirthschaft verfertigen, oder die zur Nothdurft und Nahrung des Lebens unumgänglich nöthig sind, oder höchstens solche, die auf Gedinge oder per contractum locati conducti arbeiten, als welche letztern keine Waaren zum Kauf bearbeiten, und also den Städten keinen Schaden thun.
                        Wenn man nun fraget, welche Handwerker denn auf dem Lande zu dulden seyn? so findet man die Meynungen hierüber sehr verschieden. Einige nennen nur sehr wenige; da hingegen andere, welche für die Land=Handwerker eingenommen sind, eine große Menge derselben verlangen. Es specificirt z. E. der Verfasser der Untersuchung der Cameralfrage: Ob die Handwerker auf dem platten Lande abzuschaffen, und nur in den Städten zu dulden sind? (im I B. der Schlesischen Oecon. Samml. Bresl. 1755, 8. S. 328--340) nach alphabetischer Ordnung, folgende unentbehrliche Handwerker und Professionisten, als: Bader, Bäcker, Böttcher, Brandweinbrenner, Brauer, Fischer, Fleischer, Baum=Küchen= und Ziergärtner, Garn=Spinner, Glaser, Graupner, Maurer, Müller, Rademacher, Riemer, Sattler, Schlösser, Eisenschmiede, Schneider, Schuster, Seiler, Stellmacher, Zimmer=Leute.

                        In der Mark Brandenburg werden die Leinweber, Schneider, (so gemeiniglich die Dorfküster und Schulmeister sind,) Zimmerleute, Schmiede und Rademacher gestattet.

                        Da diese Handwerker bloß zum Besten und zur Bequemlichkeit der Landleute geduldet werden: so ist selbigen durchaus nicht zu gestatten, daß sie für die Einwohner in den Städten die geringste Arbeit verfertigen, es müßte denn ein Meister in der Stadt ihrer Hülfe benöthigt seyn…
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                        Wir haben also das Kolonistendorf, den unentbehrlichen Handwerker, den Meistersohn, und vielleicht die Bestimmung, dass er nur für das Dorf produzierte oder reparierte und dass er keine Lehrlinge annehmen konnte. Damit hätte ihm die Stellmacherei erlaubt werden können. Die Frage, ob sein Meistertitel dann auch mit Aufnahme in die Zunft der Stadt verbunden war, oder ein bloßer Ehrentitel gewesen ist, interessiert mich jetzt weniger.

                        Ich bin also jetzt geneigt anzunehmen, dass der Bernauer Stellmachermeister tatsächlich mein Vorfahr war.

                        Ich muss sagen, ich habe Dank Euch sehr viel gelernt!
                        Lieben Gruß
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                        • Posamentierer
                          Erfahrener Benutzer
                          • 07.03.2015
                          • 1028

                          #13
                          Hallo Malte,

                          eine Straße nach Berlin, 18 Kilometer bis zum Berliner Schloss, mit Schmiede und Krug. Und der König wollte sicherlich einen Erfolg sehen...

                          Ich denke schon, dass der Stellmacher zu tun gehabt hat.
                          Lieben Gruß
                          Posamentierer

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