Statistische Auswertung von Kirchenbüchern

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  • Malte55
    Erfahrener Benutzer
    • 02.08.2017
    • 1625

    #16
    Eine Statistik aus meinen verschiedenen OFB verdeutlicht den Anteil unehelicher Kinder.
    1700---1800
    Geborene---davon unehelich
    2708 --- 156=5,76%
    1045 --- 54=5,16
    1033 --- 79=7,65
    1037 --- 61=5,88
    2926 --- 139=4,75(>Ausland<)
    1992 --- 163=8,18(verschiedene Vorwerke mit wechselnden Knechten und Mägden)
    354 --- 14=3,95
    281 --- 11=3,91
    230 --- 13=5,65
    1128 --- 71=6,29
    559 --- 44=7,87(Stadtnah)
    160 --- 87=54,38(kleiner Ort mit vielen Fremden und geschäftiger Hebamme, besonders Mädels aus dem nahen >Ausland<, Stichproben ergaben 7-40 km Luftlinie zum Heimatort)
    LG Malte

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    • Garfield
      Erfahrener Benutzer
      • 18.12.2006
      • 2142

      #17
      Zitat von Malte55 Beitrag anzeigen
      Moin,
      Eine statistische Auswertung von Kirchenbüchern ist in der Regel doch nur möglich, wenn es zuvor gewissenhaft abgeschrieben und ausgewertet wurde. Uneheliche Kinder zu zählen ist dabei noch einfach, beim Heiratsverhalten wären Alters-, Herkunfts- und Standesangaben aber zwingend nötig. Wenn diese Angaben dann vertrauenswürdig und so vorhanden sind geht das sicherlich. Wenn die Lücken größer werden, braucht es mehr Aufwand.
      Genau!

      Und in "Deutschland" spielt eben nicht nur die Religion eine Rolle, sondern auch die Region und die Zeit.

      In manchen Regionen gab es sehr viele uneheliche Kinder, weil die finanziellen Hürden zur Heirat zu gross waren, aber Kinder gab es dann natürlich trotzdem, teilweise viele vom selben Paar.

      Ich hatte in "meinem" Dorf in Süditalien auch mal uneheliche Kinder gezählt:

      Uneheliche Kinder oä gefunden:
      1810: 4x auf Strasse gefunden
      1811: 1x vor Türe gefunden, 2x "Eltern unbekannt"
      1812: 3x auf Strasse gefunden
      1813: 1x vor Türe gefunden
      1814: 1x vor Kloster gefunden, 2x vor sonstiger Türe gefunden, 3x von unbekannter Person übergeben)
      1815: 3x vor Kloster gefunden, 2x sonst vor Türe gefunden
      1816: 3x "Eltern unbekannt"
      1817: 2x "Eltern unbekannt" (1x auf Strasse, 1x vor Kloster gefunden)
      1818: 3x "Eltern unbekannt"
      1819: 5x "Eltern unbekannt"
      1820: 3x "Eltern unbekannt"
      1822: 2x "Eltern unbekannt" (2x vor Haustüre gefunden)
      1823: 1x "Elternteil unbekannt" (Vater unklar, Mutter 33 Jahre alt)
      1827: 5x "Eltern unbekannt", 1x "Vater unbekannt" (Mutter 18 Jahre alt), 2x Vater nicht ausgefüllt (24 bzw 40 Jahre alt)
      1834: 1x Vater nicht erwähnt (Mutter 20 Jahre alt)
      1838: 1x Vater nicht erwähnt (Mutter 32 Jahre alt)
      1839: 1x Vater nicht erwähnt (Mutter 32 Jahre alt), weitere Fälle nicht gesucht
      1839: 1x "Elternteil unbekannt" (Mutter 30 Jahre alt), weitere Fälle nicht gesucht
      1841: 1x "Vater unbekannt" (Mutter 23 Jahre alt)
      1855: 1x "Vater unbekannt"

      Keine unehelichen Kinder oä gefunden im Standesamt Larino:
      1809, 1825, 1841, 1843, 1846, 1847, 1848, 1849, 1850, 1851, 1852, 1853, 1854, 1855, 1856
      Meine Schlussfolgerung: während es bis 1822 regelmässig ausgesetzte Neugeborene gab, muss danach etwas geschehen sein, das dazu führte, dass die Kinder nicht mehr ausgesetzt wurden, sondern der Vater als nicht bekannt angegeben wurde (die Mutter war jeweils bekannt). Ich vermute, dass vorher uneheliche Kinder so verpönt waren, dass Aussetzen das weniger grosse Leid war. Speziell wirkt es für mich schon, denn es waren so viele ausgesetzte Kinder, dass ich nicht glaube, dass so viele Schwangerschaften im Dorf verheimlicht werden konnten. Die Bevölkerungszahl war vor 1837 noch ziemlich überschaubar, erst nach der Cholera-Epidemie von 1837 zogen viele Leute aus den umliegenden Dörfern dazu.
      Ab den 1840ern, aber auch schon vorher fiel mir das tiefe Alter bei der Heirat auf, viele Brautleute waren gerade mal 17 Jahre alt, oft waren auch die Männer sehr jung (vielleicht mal 21 Jahre bei der ersten Heirat, aber auch oft 17-21 Jahre alt). Ich vermute mal, da wurde dann vorgesorgt, dass möglichst wenige Kinder unehelich zur Welt kamen, aber natürlich spielten sicher auch wirtschaftliche Gründe eine Rolle - oft waren die Eltern teilweise schon verstorben bei der Heirat. Ich fand letztens gerade das erste 8-Monats-Kind in diesem Dorf im 19. Jahrhundert, und das nach 18 Jahren Forschung. Da wurde wirklich gründlich vorgebeugt .
      Da mir aber die soziokulturellen Begebenheiten zu wenig bekannt sind, sind das nur so meine Annahmen, da bräuchte es nun Interpretationen von jemandem mit mehr Geschichtswissen.

      Die Heiraten habe ich nicht ausgewertet, kann aber sagen, dass Heiraten von Witwern (männlich und weiblich) durchaus normal waren. Und zwar in allen Kombinationen: zwei unverheiratete, einmal unverheiratet mit einmal verwitwet und zwei verwitwete.
      Diese Woche hatte ich an einem Fall gearbeitet, bei dem eine Frau Anfang/Mitte 19. Jhd. ganze 4 Male heiratete, ebenfalls mit allen drei oben genannten Kombinationen. Ihr letzter Ehemann heiratete danach ebenfalls nochmal.
      Manchmal wird in den standesamtlichen Heiratseinträgen auf den letzten verstorbenen Partner verwiesen und manchmal steht dann da etwas von wegen der Tod des letzten Partners sei mehr als 10 Monate her. Ich nehme mal an, das ist auch sowas wie das Trauerjahr, allerdings hatte ich auch schon Ausnahmen gesehen.
      Viele Grüsse von Garfield

      Suche nach:
      Caruso in Larino/Molise/Italien
      D'Alessandro in Larino und Fossalto/Molise/Italien und Montréal/Kanada
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      • TükkersMitÜ
        Erfahrener Benutzer
        • 11.11.2015
        • 357

        #18
        Guten Abend,
        meine Literaturbasis:
        Ingendahl, Gesa: Elend und Wollust. Witwenschaft in kulturellen Bildern der Frühen Neuzeit, in: Martina Schattkowsky (Hg.): Witwenschaft in der Frühen Neuzeit. Fürstliche und adlige Witwen zwischen Fremd- und Selbstbestimmung, Leipzig 2003.
        Ingendahl, Gesa: Witwen in der Frühen Neuzeit. Eine kulturhistorische Studie, Frankfurt am Main 2006.
        Koch, Elisabeth: Die Frau im Recht der Frühen Neuzeit. Juristische Lehren und Begründungen, in: Ute Gerhard (Hg.): Frauen in der Geschichte des Rechts. Von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, München 1997.
        Westphal, Siegrid: Die Auflösung ehelicher Beziehungen in der Frühen Neuzeit, in: Anette Baumann u.a. (Hg.): Venus und Vulcanus. Ehen und ihre Konflikte in der frühen Neuzeit, München 2011.
        Wunder, Heide: „Er ist die Sonn‘, sie ist der Mond“. Frauen in der Frühen Neuzeit, München 1992.

        Viel Literatur gibt es tatsächlich nicht. Allerdings stimmen eigentlich alle darin überein, dass theoretisch das Ideal eine frommen, keuschen Witwe galt - für die, die es sich leisten konnten.
        Viele Grüße
        Annika
        Eheschließung Philipp Frommel und Maria Catharina Storr um 1800 im Raum Niederwörresbach/Herrstein und Umgebung
        Familie Kunde in Pollnow Krs. Schlawe
        Schäfer(?) Gottfried Wesenig o.ä. aus Bukow (Groß Jehser) und Umgebung
        Pächter Johann George Schimkönig, angeblich aus Lübben, + zwischen 1760 und 1767, zuletzt in Pritzen nachgewiesen

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        • hessischesteirerin
          Erfahrener Benutzer
          • 08.06.2019
          • 1333

          #19
          Zitat von FelixBr Beitrag anzeigen

          Schulkindel, solche Beispiele habe ich auch zuhauf in meiner Ahnenliste. Ich wüsste auch zu gern, ob Witwen und Witwer sich selbst "Ersatz" ausgucken mussten. Eine entfernte Verwandte berichtete mir allerdings davon, dass in ihrem Heimatdorf (in Westpreußen) noch in den 1930er-Jahren tatsächlich "Vermittler" am Werk waren. Kann ich mir auch gar nicht anders vorstellen, die Verwitweten waren ja sicherlich mit zig anderen Dingen beschäftigt als mit Brautschau.
          die romantische Vorstellung der Liebesheirat ist damals doch eher nicht der Fall gewesen.

          Arrangierte Ehen waren an der Tagesordnung, da hat der Vater gesagt, den heiratest du, meist die Cousine und Cousin, zweiten oder dritten Grades, damit die Sach zusammengehalten wurde und bei Todesfällen ging es darum, dass die Kinder versorgt waren

          wenn jemand starb, dann wurde innerhalb der Familie geheiratet, damit die Kinder versorgt waren. Vernunftsehen waren früher an der Tagesordnung, Liebesehen dann doch eher selten

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