Kleine Geschichte aus meiner Vaterlinie

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  • Tenger
    Benutzer
    • 04.02.2020
    • 49

    #16
    Zitat von consanguineus
    In Bezug auf die Überlieferungen aus napoleonischer Zeit geht es leider tatsächlich nur um leidvolle Dinge.
    Dass ist sehr schade. Ich kenne von der Mutterseite meiner Mutter auch nur leidvolle Dinge, die im Osmanischen Reich von Konya nach Bulgarien ausgewandert sind und nach dem Abfall und der Unabhängigkeit Bulgariens nur Leid ertragen mussten, bis mein Ururopa schlussendlich in den 1950er Jahren die Nase voll hatte und in die Türkei nach Konya in die alte Heimat samt Familie eingewandert ist.


    Zitat von Schischka
    ja, wie Du schreibst, daß die Alten noch über die der anderen Sippe Witze gemacht haben - das meinte ich mit eventuellen Vorbehalten ... es bleibt doch was zurück! Aber gut zu hören, daß z.B. durch Heiraten Frieden geschlossen wurde
    Ganz so Unrecht hast du nicht. Der Frieden wurde zwar geschlossen, doch gab es immernoch Sticheleien. Durch Erzählungen der Tochter des Cousins meines Opas der eine von den "Cerit" abstammende Frau geheiratet hat weiß ich, dass seine Schwiegermutter ihn immer versucht hat zu provozieren indem sie sich über Afscharen lustig gemacht und abwertend geredet hat. Der Cousin meines Opas hat aber immer wieder gekontert und so gingen die Sticheleien immer weiter.


    Zitat von Bergkellner
    Durch deine Geschichte habe ich richtig Lust bekommen, meinen "fahrenden Leuten" nachzuspüren. Es wird wohl nicht einfach werden, ihren Spuren zu folgen, da sie - soviel ich weiß - einen Großteil von Österreich-Ungarn ihre Heimat nannten.
    Reden wir hier von Sinti und Roma? Oder meinst du mit "fahrenden Leuten" etwas anderes?


    Zitat von Balduin1297
    Die Georgier sind ja eigentlich orthodoxen Glaubens, aber vielleicht könnte ja deine georgische Vorfahrin eigentlich aus dem muslimischen Nordkaukasus stammen.
    Meine georgische Vorfahrin ist meine Uroma aus der Vaterseite meiner Mutter. Sie ist laut den Erzählungen meines Opas zwar in einem Bergdorf in der Provinz Ordu in der Türkei geboren, jedoch mussten ihre Eltern nach der Niederlage des Osmanischen Reiches gegen Russland im Jahre 1877 oder 1878 Batumi in Georgien verlassen. Russland schrieb als eine der Friedensvoraussetzungen vor, dass die gesamte muslimische Bevölkerung Georgien verlassen muss. Das Osmanische Reich organisierte Schiffe und wollte die Vertriebenen in der Provinz Bursa ansiedeln. Als jedoch die Schiffe im Schwarzen Meer Schäden davontrugen, wurden diese an der Küste der heutigen Provinz Ordu gerettet und die Vertriebenen wurden dann doch dort angesiedelt. Ob die Eltern meiner Uroma auch auf einer dieser Schiffe war ist zwar nicht bekannt, jedoch durchaus plausibel. Was ich mich aber auch frage, ob meine Uroma denn wirklich Georgierin war. Denn zu der Zeit lebten wenn ich mich recht erinnere noch andere mit den Georgiern verwandte Völker wie z.B die Lasen, die überwiegend Muslime waren in Georgien.


    Zitat von mabelle
    Ich beschäftige mich nun seit ein paar Jahren mit der Geschichte meiner Familie und ich muss sagen, dass ich aus den Akten viel Neues gelernt habe, vieles, was Jahrhunderte zurückreicht, vieles das verschwiegen wurde und viel geschichtsträchtigen Stoff beinhaltet.
    Ein Glück, dass in deutschsprachigen Gebieten sehr früh das Interesse der personenbezogenen Archivierung an Dokumenten, Berichten und Urkunden bestand. Ich wünschte, dass das Osmanische Reich auch früher als 1830 Interesse an der Archivierung hätte Interesse zeigen sollen. Dass nicht mal einer meiner Vorfahren auf die Idee kam etwas zu verschriftlichen oder verschriftlichen zu lassen ist mir ein Rätsel.
    Zuletzt ge?ndert von Tenger; 31.12.2020, 00:23.
    Meine Familiengeschichten:
    Vaterseite väterlicherseits
    Mutterseite väterlicherseits

    Der Rest folgt

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    • consanguineus
      Erfahrener Benutzer
      • 15.05.2018
      • 5525

      #17
      Zitat von Schischka Beitrag anzeigen
      @ Consanguineus: Deinen Afrika-Vetter finde ich ja interessant: ich habe "seit Urzeiten" ein altes Afrika-Buch, welchem die ersten Seiten fehlen, von Hermann v.Wissmann - ist das derjenige, von dem Du sprichst?
      Hallo Schischka, genau der ist es. Ist es das Buch "Deutschlands größter Afrikaner"? Heute wird die Rolle der Kolonialmächte ja immer auf Völkermord an Eingeborenen reduziert. In dem Buch wird aber auch sehr eindrucksvoll beschrieben, wie Wißmann die Sklaverei in Ostafrika beendet. Man muß sich das mal vorstellen: Ende des 19. Jahrhunderts war Ostafrika in der Hand arabischer Sklavenhändler. Das will heute niemand mehr wissen.
      Suche:

      Joh. Christian KROHNFUSS, Jäger, * um 1790
      Carl KRÜGER, Amtmann in Bredenfelde, * um 1700
      Georg Melchior SUDHOFF, Pächter in Calvörde, * um 1680
      Ludolph ZUR MÜHLEN, Kaufmann in Bielefeld, * um 1650
      Dorothea v. NETTELHORST a. d. H. Kapsehden, * um 1600
      Thomas SCHÜTZE, Bürgermeister in Wernigerode 1561

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      • #18
        Hallo,
        ich wusste gar nicht, dass es auch in Georgien Muslime gab. Sehr interessant. Übrigens gehörte auch das Gouvernement Cherson und das Gouvernement Taurien, in denen meine Vorfahren zwischen 1853-1869 lebten, bis zum Jahr 1783 zum Khanat der Krim und war ursprünglich auch muslimisch. Bis zum verlorenen Krimkrieg in den Jahren 1853-1856 war Russland unbesiegbar und hat sich immer weiter ausgedehnt. Doch mit der Hilfe von Großbritannien und Frankreich konnte das Osmanische Reich die Russen zurückdrängen. Dies hat vor allem die russische Wirtschaft schwer getroffen, dadurch wurden unter anderem die Eisenbahnen viel später gebaut und erst nur von Privatleuten finanziert und erst viel später verstaatlicht. Und die Briten, die seit vielen Generationen in Russland gelebt haben, wurden auf einmal als Feinde betrachtet und viele haben Russland verlassen. Nur der Charles James Anderson ist interessanterweise in Russland geblieben.
        Später haben sie im Gouvernement Charkow gelebt und davor im Osten von Weißrussland im Gouvernement Mogilew. Sie sind sehr häufig umgezogen.
        Zuletzt ge?ndert von Gast; 31.12.2020, 13:33.

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        • Schischka
          Erfahrener Benutzer
          • 10.02.2015
          • 343

          #19
          Hallo Consanguineus,
          die "Durchquerung Afrikas" hab ich. Leider schon sehr zerlesen als ich es vor 30 Jahren gefunden habe. Es ist ein Sammelband mit "Unter deutscher Flagge durch Afrika" und "Meine zweite Durchquerung Äquatorial-Afrikas" mit einem Gedenktext für den Autor von 1907 (Druckjahr unbekannt, es fehlen die Seitennummern 1-4 des ersten Teils).
          Es gibt ja auch einen recht umfangreichen Wikipediaeintrag über den Reisenden hab ich bei jetziger Gelegenheit erst gesehen ...

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          • consanguineus
            Erfahrener Benutzer
            • 15.05.2018
            • 5525

            #20
            Hallo Schischka, leider ist Wißmann recht früh zu Tode gekommen. Er war auf seinem Gut in der Steiermark auf Jagd und ist dabei eingeschlafen. So wurde es zumindest rekonstruiert. Dabei löste sich ein Schuß aus seiner Doppelbüchse und traf ihn tödlich. Man weiß natürlich nicht, ob es nicht vielleicht doch Suizid war, aber nach allem, was mir bekannt ist, war der Mann nicht labil. Er hatte auch drei kleine Kinder. Finanziell ging es der Familie gut. Wer weiß, was aus ihm noch geworden wäre, wenn er länger hätte leben dürfen...
            Suche:

            Joh. Christian KROHNFUSS, Jäger, * um 1790
            Carl KRÜGER, Amtmann in Bredenfelde, * um 1700
            Georg Melchior SUDHOFF, Pächter in Calvörde, * um 1680
            Ludolph ZUR MÜHLEN, Kaufmann in Bielefeld, * um 1650
            Dorothea v. NETTELHORST a. d. H. Kapsehden, * um 1600
            Thomas SCHÜTZE, Bürgermeister in Wernigerode 1561

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            • consanguineus
              Erfahrener Benutzer
              • 15.05.2018
              • 5525

              #21
              So, hier kommt jetzt eine kleine Geschichte aus dem 20. Jahrhundert. Ich habe sie nicht von meinem Großvater, dem Vater meiner Mutter, selbst gehört, da er recht früh starb, als ich noch ein Kind war. Mein Großvater hat sie seinen Kindern weitergegeben, von denen ich sie erfahren habe. Es gibt daher kleine, für den Verlauf der Geschichte jedoch belanglose Differenzen, je nachdem, wer die Geschichte weitererzählt hat.

              Mein Großvater, Jahrgang 1909, war Lungenfacharzt und leitete während des Krieges zwei Lungenheilanstalten bei Naugard in Hinterpommern. Als klar war, daß die Russen in absehbarer Zeit vor der Tür stehen würden, ließ er seinen Fahrer nach Stettin fahren, um meine Großmutter und ihre fünf Kinder am Bahnhof abzuliefern. Mein jüngster Onkel war noch ein Baby, der älteste gerade sieben Jahre alt. Meine Großmutter und ihre Kinder fuhren mit der Bahn nach Braunschweig und von dort weiter in ein kleines Dorf, wo meine Großmutter von ihrer Mutter einen kleinen Bauernhof geerbt hatte. Es war keine dieser spektakulären Fluchten, mit dem Planwagen immer kurz vor der Frontlinie, aber auch keine gewöhnliche Reise mehr. Oft gab es Unterbrechungen aus den verschiedensten Gründen. Tiefflieger. Was auch immer. Aber darum geht es in der Geschichte gar nicht. Meine Großeltern verabredeten, daß der kleine Bauernhof der Treffpunkt und die Anlaufadresse für meinen Großvater sein sollte.

              Mein Großvater konnte nicht einfach weggehen, da er sich für die ihm unterstellten Kliniken und die Patienten verantwortlich fühlte. Seine Funktion bewahrte ihn allerdings nicht davor, zum Volkssturm eingezogen zu werden. Ob er noch an Kampfhandlungen beteiligt war, weiß ich nicht, aber schließlich landete er in einem sowjetischen Lager auf Rügen. Hier kursieren zwei Versionen der Geschichte. Die einen sagen, er sei als Zwangsarbeiter in der Getreideernte eingesetzt gewesen. Andere sind sich sicher, daß er der russischen Lagerärztin assistiert habe. Vielleicht sind beide Versionen wahr. Wie auch immer, mein Großvater, ohnehin von vergleichsweise zarter Konstitution und zudem im Lager chronisch unterernährt, spürte, daß er fliehen müsse um zu überleben. Aber wie sollte er aus einem sowjetischen Gefangenenlager entkommen?

              Ihm kam die rettende Idee! Die Russen hatten vor nichts größere Angst als vor Lungentuberkolose. Es gab damals noch kein Mittel dagegen. Penicillin kannte man noch nicht. So war die Angst der Russen sehr verständlich, denen die Gesundheit der deutschen Lagerinsassen zwar gleichgültig war, die aber genau wußten, daß sie sich selbst umgehend anstecken würden. Auf diesen Gedanken basierte der Plan meines Großvaters. Zuerst verletzte er sich mit einem spitzen Gegenstand einen Lungenflügel, so daß der in sich zusammenfiel. Dann meldete er sich bei der Lagerärztin und spuckte ihr einen Schwall Blut, ob echt oder künstlich, das ist nicht überliefert, vor die Füße. Die Lagerärztin, alarmiert und von Panik erfaßt, ließ umgehend eine Röntgenaufnahme von der Lunge meines Großvaters anfertigen. Als sie den in sich zusammengefallen Lungenflügel gewahr wurde, war die Entscheidung, meinen Großvater aus dem Lager zu werfen, schnell gefaßt. Schließlich wollte man eine Ansteckung auf jeden Fall vermeiden.

              So fand sich also mein Großvater zu Beginn des Herbstes mit dem, was er am Leibe trug, vor dem Tor des Lagers wieder. Er machte sich auf den Weg zu seiner Familie, die durch ein geflohenes Mädchen aus Pommern immerhin wußte, daß er zwar interniert, aber am Leben war. Seine Reise durch die sowjetische Besatzungszone, immer auf der Hut vor den Russen und vor deutschen Opportunisten (die vermutlich einige Wochen zuvor noch glühende Nazis waren), ist eine eigene Geschichte. Meinem Großvater war jedenfalls klar, daß er nicht einfach über die Zonengrenze würde spazieren können. Daher wählte er den Weg über den schwer zugänglichen und daher nicht so scharf bewachten Hochharz und war Ende Oktober wieder mit seiner Familie vereint.

              Viele Grüße
              consanguineus
              Suche:

              Joh. Christian KROHNFUSS, Jäger, * um 1790
              Carl KRÜGER, Amtmann in Bredenfelde, * um 1700
              Georg Melchior SUDHOFF, Pächter in Calvörde, * um 1680
              Ludolph ZUR MÜHLEN, Kaufmann in Bielefeld, * um 1650
              Dorothea v. NETTELHORST a. d. H. Kapsehden, * um 1600
              Thomas SCHÜTZE, Bürgermeister in Wernigerode 1561

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              • Tenger
                Benutzer
                • 04.02.2020
                • 49

                #22
                Auch eine sehr spannende Geschichte. Traut sich nicht jeder einen Lungenflügel zu opfern. Hat er denn Schäden im nachhinein vom kaputten Lungenflügel getragen? Also ich hätte mich das definitiv nicht getraut
                Meine Familiengeschichten:
                Vaterseite väterlicherseits
                Mutterseite väterlicherseits

                Der Rest folgt

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                • consanguineus
                  Erfahrener Benutzer
                  • 15.05.2018
                  • 5525

                  #23
                  Mein Großvater wußte genau, was er tat. Er war Facharzt für Lungenheilkunde. So ein Lungenflügel regeneriert sich mit der Zeit irgendwie wieder. Doof war halt nur, daß er mit nur einem Lungenflügel durch die halbe Ostzone laufen mußte. Daß mein Großvater nur 68 Jahre alt wurde, hatte andere Gründe.
                  Suche:

                  Joh. Christian KROHNFUSS, Jäger, * um 1790
                  Carl KRÜGER, Amtmann in Bredenfelde, * um 1700
                  Georg Melchior SUDHOFF, Pächter in Calvörde, * um 1680
                  Ludolph ZUR MÜHLEN, Kaufmann in Bielefeld, * um 1650
                  Dorothea v. NETTELHORST a. d. H. Kapsehden, * um 1600
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                  • Sbriglione
                    Erfahrener Benutzer
                    • 16.10.2004
                    • 1176

                    #24
                    Wow, sehr spannende Geschichten!

                    Ich fürchte, ich habe in meiner Familie nichts, was auch nur annährend so interessant wäre, wie eure Sachen...

                    Am Nächsten kommt dem vielleicht noch die Kriegsgeschichte meines sizilianischen Großvaters, die er mir selbst erzählt hat:
                    Er wurde, weil er bei seiner Musterung wegen deutlichem Untergewicht (Hunger!) und einem stark verkrümmten Rücken (Verkrüppelung durch all zu schweres Arbeiten in seiner Kindheit und Jugend) - ich kenne den Befund unmittelbar aus der Musterungsakte - zunächst ausgemustert worden war, gegen Ende des 2. Weltkrieges in Italien als Bestandteil des "letzten Aufgebotes" von Sizilien aus nach Sardinien geschickt, was für ihn das erste Mal war, dass er seine engere Heimat verlassen hat.
                    Auf Sardinien hat er dann auch deutsche Soldaten kennen gelernt und sich darüber gewundert, warum die immer so komische Sachen sagen (er hatte einige Ausdrücke, wie "Guten Tag" völlig falsch italienisch interpretiert).
                    Als die Italiener gegenüber den Aliierten den Waffenstillstand erklärt hatten, ist er als Passagier eines Fischerbootes irgendwie auf das Festland gekommen und hat sich dann zu Fuß so weit in Richtung Süden durchgeschlagen, dass er mit einem weiteren Fischerboot nach Sizilien übersetzen konnte. Von dort aus ging es wieder zu Fuß weiter.
                    Unterwegs hatten seine Klamotten so sehr gelitten, dass er, als er am Wegesrand weggeworfene gute Kleidungsstücke gefunden hat, die ihm passten, nicht lange überlegt und diese angezogen hat. Das hat ihn nach Erreichen der Grenze seiner Heimatstadt prompt vor ein Erschießungskommando gebracht, weil es sich bei der Kleidung dummerweise um eine Faschistenuniform gehandelt hatte...
                    Das erfreuliche Ende seiner Geschichte: ein Mitglied des Erschießungskommandos sei zufällig ein Bekannter von ihm gewesen, der seinem Chef habe klar machen können, dass da nicht etwa ein Faschist, sondern nur ein einfacher, unwissender, ungebildeter, unpolitischer und völlig harmloser Landarbeiter vor ihnen stehe!
                    Und so hatte ich die Gelegenheit, einen der knuffigsten, liebsten, nettesten, tolerantesten und irgendwie tollsten Menschen noch erleben zu dürfen, die ich in meinem ganzen Leben kennen gelernt habe!
                    Suche und biete Vorfahren in folgenden Regionen:
                    - rund um den Harz
                    - im Thüringer Wald
                    - im südlichen Sachsen-Anhalt
                    - in Ostwestfalen
                    - in der Main-Spessart-Region
                    - im Württembergischen Amt Balingen
                    - auf Sizilien
                    - Vorfahren der Familie (v.) Zenge aus Thüringen (u.a. in Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und NRW)
                    - Vorfahren der Familie v. Sandow aus dem Ruppinischen

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                    • MelanieK
                      Erfahrener Benutzer
                      • 19.06.2018
                      • 131

                      #25
                      Ein richtig interessantes Thema, ich habe jeden eurer Beiträge gerne gelesen und würde auch immer wieder mehr davon lesen wollen

                      Eure Erzählungen sind irgendwie wertvoller, ich hab zwar einige Familienvertellekes aber die erscheinen erstmal etwas fad. Ein paar schriftlich überlieferte Anekdoten trage ich vielleicht dann aber doch mal zusammen.
                      Über einen "interessanten Verwandten" hätte ich eine dokumentierte Geschichte.
                      Allerdings nicht in direkter Linie (vom Bruder eines Vorfahren meines 7xUrgroßvaters). Es gibt auch ein Heft, herausgegeben vom Stadtarchiv Bottrop (geschrieben von Josef Bucksteeg) und eine Straße in der dortigen Welheimer Mark.

                      Jan Klopries - Wiedertäufer
                      Johan Klopries wurde um 1490 in Welheim (Bottrop) als Sohn eines Kötters und Schneiders nahe der Kommende Welheim (Deutsches Haus) geboren. Er studierte 1518-1521 Theologie an der Universität Köln, wo er am 27. 05. sein Magisterexamen bestand. Nach der Priesterweihe kam er als Kaplan in Mathena (Wesel) und Bislich mit "protestantischem Gedankengut" in Kontakt und übernahm es immer mehr in seine Predigten. Als Vikar in Büderich folgten 1526 und 28 erste Verhöre vor dem geistlichem Gericht Köln. Sein Freund und Mitstreiter Adolphus Clarenbach wurde 1929 verbrannt. Er selbst konnte in der Neujahrsnacht von Freunden aus dem bischöflichem Gefängnis am Dom "bei Nacht und Nebel" befreit werden.
                      Von dort ging er als Prediger nach Wassenberg am Niederrhein (Mittelpunkt der Wiedertäuferbewegung) wo er unterstützt von Werner von Palant, Drost der Wassenberger Burg vom Lutheraner zum Zwinglianer wurde.
                      1532, nach dem sogenannten "Wassenberger Abendmahlstraktat" erhielt er den Landesverweis durch Johann von Jülich-Kleve.

                      Ab Februar 1533 wirkte er in Münster, wo er auch seine "Concubine" Wendel Heix, mit er bereits 4 Kinder hatte, heiratete. Im Frühjahr 1533 wurde Münster evangelisch und anstatt sich friedlich weiter zu etablieren wurde Jan van Leyden (Jan Beuckelszoon), der "Täuferkönig" genannt, langsam ein wenig Größenwahnsinnig. Seine Idee der Vielehe sorgte letztlich für Aufstände, Scharmützel und diverse Unruhen. Van Leyden, gefoltert und erdolcht, wurde in einem der drei eisernen heute noch erhaltenen Körbe am Turm von St. Lamberti aufgehängt.
                      Klopries, der noch vor der Eskalation als Apostel ausgesandt wurde, hatte dann ab Oktober 1534 in Warendorf erstmal mit der Predigerei weitergemacht. Man ahnt, er wurde natürlich dann doch noch eingekerkert und dem Kölner Fürstbischof "geschenkt", der ja mächtig verschnupft und auf Rache aus war wegen der Flucht aus seinem Domkerker.

                      Am 29.01.1535 erfolgte das peinliche Verhör und Johan Klopries wurde am 01.02.1535 in Brühl verbrannt.
                      Das Protokoll schließt mit den Worten "Uff diß Bekenntniß ist Johan Klopreiß, der Munstersche Predicant und Widerreuffer, uff den irsten Tag Februarii Anno rc. 35 zum Bruel, vermuge Röm. Keys. Mt. Constitution, mit deme feur vom leben zum Dode gebracht und getraifft wurden."
                      Ja, es war damals eine reichlich stressige Zeit.
                      Zuletzt ge?ndert von MelanieK; 15.05.2021, 19:28. Grund: Fehler

                      Kommentar

                      • Gudrid
                        Erfahrener Benutzer
                        • 22.04.2020
                        • 1251

                        #26
                        Gerfährliche unruhige Zeit, würde ich sagen, Stress kannte man damals glücklicherweise noch nicht.
                        Liebe Grüße
                        Gudrid
                        Lieber barfuß als ohne Buch

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