Charakterzüge eurer Vorfahren

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  • Saraesa
    Erfahrener Benutzer
    • 26.11.2019
    • 1010

    Charakterzüge eurer Vorfahren

    Von den Rohdaten wie Namen, Geburtsdatum, Beruf usw. einmal abgesehen, gehören zu den Vorfahren wie zu jedem anderen Menschen auch persönliche Eigenschaften, Charakterzüge sowie Stärken und Schwächen.
    Während man über diese Merkmale von den Großelterngenerationen vielleicht über Hörensagen weiß oder sie sogar noch persönlich miterlebt hat, wird es ab einem gewissen Punkt in der Ahnenlinie schwierig bis unmöglich mehr zu erfahren.
    Das Kirchenbuch gibt oftmals nur wenig darüber her, mit etwas Glück liest man eventuell von körperlichen Eigenschaften ("der lange Michel", "die schwarze Ursel"). Und natürlich bleibt die Neugierde, wie der ein oder andere Vorfahre wohl als Mensch gewesen ist.
    Wie ist das bei euch? Habt ihr durch Zufall oder konkrete Forschung mehr über die Persönlichkeit einiger Ahnen herausfinden können?
    Mich würde sehr interessieren, welche Quellen ihr benutzt habt und wie eure Ahnen charakterlich beschrieben wurden.
  • Gastonian
    Moderator
    • 20.09.2021
    • 3297

    #2
    Hallo Saraesa:


    Man erfährt ja wohl mehr von den Vorfahren, wenn sie vor Gericht gezogen wurden. Ein Fall unter meinen Vorfahren war ein Windmüller in Schlesien, dem in 1792 ein Lehrling entzogen wurde, da der Müller in seiner wiederholten Besoffenheit zu grausam war (Zitat aus der Beschwerde: "Der Schram hat einen Lehrling, diesen behandelt derselbe mit so viel unmenschlicher Härte, daß ich ... nicht länger zusehen kan, daß dieser seyn wollende Christ, einen unschuldigen Mit-Christen mehr und grausamer behandelt, alß ein gut denkender Mensch, ich will nicht sagen ein Christ ein Stück Vieh nicht behandeln würde. ... Da der Schram seinen Verstand sehr oft versauffet, und diesem Versoffenen Verstande seine schlechten und der Christenheit Schande machenden Handlungen schuld giebt ..." Zitiert nach K. Göhlmann, Aus der Geschichte des Müllerhandwerks im Kreise Guhrau (Guhrau: 1925), pp. 29-30; https://digital.slub-dresden.de/werkansicht/dlf/1516/33).


    Ich habe auch das Glück gehabt, im Geheimen Staatsarchiv Berlin zwei Ansuchen meiner Vorfahrin Charlotte v. Manstein, einer Adelstochter die sich 1790 in einen mittellosen Theologiestudenten vernarrt hatte und daher von ihrem Vater verstoßen wurde, zu finden. Sie hat ihn trotzdem geheiratet - das zeigt ja auch Charakter!


    VG


    --Carl-Henry
    Meine Ahnentafel: https://gw.geneanet.org/schwind1_w?iz=2&n=schwind1&oc=0&p=privat

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    • Geschichtensucher
      Erfahrener Benutzer
      • 03.09.2021
      • 733

      #3
      Für mich ist das fast die interessanteste Seite der Ahnenforschung, gleichzeitig weiß ich sehr wenig über diejenigen, von denen es keine Erzählungen mehr gibt. Trotzdem sind interessanterweise Bilder entstanden bei mir, bei denen die Phantasie kräftig mitgemischt hat. Es bilden sich anhand der Lebensgeschichten einfach Eindrücke heraus, auch von der Verschiedenheit der einzelnen Zweige des Stammbaumes in Wesensart, Geschick, Lebensweise usw.
      Stimmt, Gerichtsakten sind da gute Quellen. Am nächsten kam ich der Familie des Bruders meiner Urgroßmutter beim Lesen einer Jugendamtsakte. Genaue Beschreibung des Aussehens, der Schwächen, sozioökonomischer Status...
      Ja, man möchte sie kennen lernen und sucht und sucht
      Beste Grüße, Iris

      Kommentar

      • consanguineus
        Erfahrener Benutzer
        • 15.05.2018
        • 5533

        #4
        Gar nicht selten stolpert man in Kirchenbüchern über interessante Hinweise. Nur zwei Beispiele: mein 10xUrgroßvater Henrich Schaper, Ackermann und Amtsrichter, starb 1682. Im dazugehörigen Eintrag liest man "[...] war dem vorigen Sondag noch biederlich in der Kirchen, vnd führte sonst sein Leben also, D(aß) man mit ihm kunt friedlich sein." Arbeitsame und gottesfürchtige Menschen erwähnte ein Pastor natürlich gerne. Sofern er zu der Sorte gehörte, die etwas mehr als Name und Sterbedatum eintrug. Aber auch über streitlustige Zeitgenossen wurde berichtet. So findet sich im Sterbeeintrag des 1637 als Kleinkind verstorbenen Halbbruders meiner 9xUrgroßmutter der Hinweis, daß dessen Großvater Hans Carstens "[...] sich neben den Sohn stolz dem prister ambt widersetzet [hat]."

        Aber auch in Briefen finden sich interessante Details. So schrieb ein guter Freund meines Großvaters, der, weil er sehr viel älter war als mein Großvater, dessen Vater noch als jungen Mann gekannt hat, meinem Großvater in einem Brief, daß er meinen Urgroßvater als geradlinigen Menschen kennengelernt hat, der schon immer sagte, was er dachte, auch wenn er wußte, er würde sich damit in Schwierigkeiten bringen. Diese Charaktereigenschaft brachte meinen Urgroßvater mit fast 70 Jahren tatsächlich noch in ziemliche Schwierigkeiten, nämlich in Gestapo-Haft.

        Über dessen Vater, meinen Urgroßvater, wird berichtet, er habe zeitlebens nicht geraucht und nur mäßig dem Alkohol zugesprochen. Seine Frau soll der Sage nach äußerst hübsch und begehrt gewesen sein. Ich habe ein Foto von ihr und kann die damalige Euphorie nicht ganz teilen. Aber jede Zeit hat andere Vorlieben...

        Viele Grüße
        consanguineus
        Suche:

        Joh. Christian KROHNFUSS, Jäger, * um 1790
        Carl KRÜGER, Amtmann in Bredenfelde, * um 1700
        Georg Melchior SUDHOFF, Pächter in Calvörde, * um 1680
        Ludolph ZUR MÜHLEN, Kaufmann in Bielefeld, * um 1650
        Dorothea v. NETTELHORST a. d. H. Kapsehden, * um 1600
        Thomas SCHÜTZE, Bürgermeister in Wernigerode 1561

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        • Balle
          Erfahrener Benutzer
          • 22.11.2017
          • 2356

          #5
          1869 berichtete der Stedinger Bote, Anzeiger für Elsfleth, daß ein Bruder meines Ahnen nach einer Überfahrt nach NewYork nicht zurückgekehrt sei. Schon oft war er gefahren und immer nach etwa vier Wochen zurückgekehrt und hatte seine Familie mit Geld versorgt.
          Erst vor kurzem war die Familie (schwangere Ehefrau und fünf Kinder) nach Bremerhaven gezogen. Nach langem Warten erfuhr die Frau von bekannten Seeleuten, dass ihr Mann sich in Amerika verheiratet hätte und wohl nie zurückkehren würde.
          Inzwischen war auch das sechste Kind geboren und die Frau zog mit ihren Kindern zurück ins Moor zu ihrer Familie.
          Sie wurde sehr depressiv und kam schließlich für lange Zeit in eine Einrichtung.
          Ihr Ehemann war in Baltimore vom Schiff desertiert, seine Spur in Amerika habe ich verloren.
          Der letzte Eintrag findet sich in den Deserteurlisten des Norddeutschen Lloyd.


          1851 findet sich ein Eintrag im Hannoverschen Polizeiblatt:


          Auszug:
          Da die Verhaftete völlig gewandt, außer dem Hochdeutschen das Plattdeutsche spricht und zwar in dem gewöhnlichen Bremen=schen Dialecte, da sie ferner ihren Namen ziemlich gewandt in deutschen Buchstaben schreibt, so ist wohl ohne Zweifel ihre Heimath nur im nordwestlichen Deutschland zu suchen und mag es leicht der Fall sein, daß sie vielleicht einige Zeit mit vagirenden Handelsleuten oder Musikern umhergezogen, sich nachmals von diesen getrennt und dann unter Benutzung der inmittelst erlernten Gaunerkniffe, sich unter falschem Namen wieder in die gewöhnlichen Lebensverhältnisse einzuschieben gesucht hat. Möglich, ja wahrscheinlich ist es, daß sie durch falschen Namen entweder früher gegangene Verbrechen zu verheimlichen oder sich der demnächst in Aussicht stehenden speciellenAufsicht der Heimathbehörde zu entziehen sucht.
          Die Untersuchung wegen Unterschlagung ist mit dem gesetzlichen Vagabonden=Verfahren bei dem Stadtgerichte zu Stade einstweilen combinirt und ersucht das letztere um schleunige Mittheilung alles Desjenigen, was zu einer Aufklärung der persönlichen Verhältnisse der Verhafteten geeignet sein möchte, namentlich also auch um baldige Nachforschung an den obenangegebenen Orten des angeblichen früheren zeitweiligen Aufenthalts und Nachricht über das Ergebniß solcher Nachforschung.
          Pers.=Beschr: Religion angeblich katholisch, Alter 19 Jahre angeblich, wahrscheinlich aber schon einige Jahre älter, Größe 5 Fuß 4 Zoll, Haare dunkelblond, Stirn niedrig, Augenbrauen dunkelblond, Augen grau, Nase stumpf und dick, Mund ziemlich groß, Zähne gesund, Kinn gewöhnlich, Gesicht rund und dick, Gesichtsfarbe gesund. Sprache hoch= und plattdeutsch. Besondere Zeichen: a. am linken Bein oberhalb des Fußes eine Doppelnarbe, angeblich von einer Schußwunde herrührend; b. am linken Unterarm eine kleine runde Narbe von der Größe einer Linse.

          :::::::::::::::::

          Im Verlaufe der bei dem Stadtgerichte zu Stade geführten Untersuchung hat die XX sich als eine äußerst freche Lügnerin bewiesen, eine große Verstellungsgabe. und eine hervorstechende Neigung zu Veruntreuungen, namentlich auch dadurch an den Tag gelegt, daß sie während ihrer Haft nochmals mehrere Entwendungen und Unterschlagungen verübte. Es istnur den mit großer Beharrlichkeit und in umfassendem Maßstabe vom Stadtgerichte zu Stade getroffenen Einleitungen zuzuschreiben, daß die Entlarvung dieser gemeingefährlichen Person endlich gelungen. Sie ist zu 18 Monate Strafarbeitshaus verurtheilt, verbüßt jetzt diese Strafe in Peine und wird im Januar 1852 durch Transport in ihre Heimat befördert werden.
          Sollte das oldenburgische Amt Berne sie alsdann, wie zu erwarten steht, auch unter polizeiliche Aufsicht stellen, so ist es doch höchst wahrscheinlich, daß die XX sich ihrem frühern Lebenswandel wieder ergeben, dann aber in das hannoversche Gebiet kommen und sich unter falschem Namen wieder umhertreiben wird.

          Leider gibt es keine Entlassungslisten vom Spinnhaus in Peine, vermutlich hat sie auch wieder ihre Namen gewechselt, ihre Spur hat sich verloren.
          Zuletzt geändert von Balle; 11.07.2022, 10:25. Grund: Ergänzung
          Lieber Gruß
          Manfred


          Gesucht: Herkunft von Johann Christoph Bresel (Brösel, Prehel, Brahel),
          ehem. Dragoner im Churfürstlich Sächsischem ehemaligen Herzog Churländischen Regiment Chevaux Legers in Zittau.
          Eheschließung 1781 in Zittau

          Kommentar

          • assi.d
            Erfahrener Benutzer
            • 15.11.2008
            • 2680

            #6
            Hallo,

            ich habe zwei Familiennamen um 1630 in Böhmen, die doch auf den Besitzer schließen lassen:

            Barbara Abentheurer, Tochter des Johannes Abentheurer sowie

            Caspar Rotschopf (auch als C. Feuerkopf genannt).

            Gruß
            Astrid

            Kommentar

            • Sbriglione
              Erfahrener Benutzer
              • 16.10.2004
              • 1177

              #7
              Hallo allerseits,

              ich habe zum Glück für eine ganze Reihe von Vorfahren, zu denen ich etwas mehr weiß.
              Manchmal ist es eher wenig, manchmal aber auch sehr viel.

              Beispielsweise:

              - die Beurteilung meiner Vorfahrin Anne Elisabeth HEINEMANN im Baderslebener Schulbuch von 1769/70: "Sie klärt sich auf";

              - eine Erwähnung meines Vorfahren Andreas FREISE, ein Ackermann in Klein Dedeleben, der als Geschworener nach Ansicht des Pfarrers im Jahre 1807 nicht gerade hilfreich an der Renovierung der Kirche beteiligt war, da „letzterer mehr gehindert als geholfen hat, welches er, da die Kriegslast die Fortsetzung des Baues doppelt schwer macht, wohl billig hätte thun sollen“;

              - eine sehr traurige Mitteilung über meine Vorfahrin Juliana Maria v. Zenge anlässlich ihres Todes 1724 in Tettenborn: "Nachdem ihr Mann und ihre Tochter gestorben, ist sie in Delirium geraten und über 6 Jahre verwirrtes Verstandes gewesen" (in Tettenborn war sie gelandet, weil ihre dorthin verheiratete Schwester sie aus Mitleid bei sich aufgenommen hatte);

              - mein Vorfahre Arndt v. Sandow, der lobend erwähnt wurde, als der Hochmeister des Deutschen Ordens zu Mergentheim einen Mitarbeiter im Jahre 1639 um die Beurteilung der verschiedenen Ordensritter in der Ballei Sachsen gebeten hatte: "Ein guter Hauswirt und unverdroßener Expedition und kann seine Fälle mit gutem Ruhm vertreten" (von diesem Vorfahren weiß ich aber auch aus anderen Primärquellen eine ganze Menge - z.B., dass er seinen politischen Gegnern als ziemliches "Schlitzohr" galt, bei dem man ganz extrem aufpassen müsse, wenn es darum gehe, ihm Zugeständnisse zu machen);

              - mein Vorfahre Wilcke Klencke, der seinem Lehnsherren in einer verloren gegangenen Schlacht das Leben gerettet und später nicht unwesentlich zum Erfolg der Friedensverhandlungen beigetragen haben soll;

              - mein Vorfahre Basilius Hoffmann, der, obwohl "nur" der Sohn eines Schmiedes in der Stadtschule zu Allstedt dernaßen positiv aufgefallen war, dass ihm seitens der Stadt nicht nur ein Studium finanziert, sondern - als er dieses aus finanziellen Gründen abbrechen musste - sogar der Posten des Schulrektors angeboten wurde (auf den er später freiwillig zugunsten einer schlecht bezahlten Pfarrstelle verzichtete, weil der Pfarrerberuf immer sein Traum gewesen war);

              - diverse andere Pfarrer-Vorfahren, die im Rahmen von Kirchenvisitationsberichten beurteilt wurden;

              - diverse "ritterbürtige" Vorfahren, über deren mehr oder weniger löblichen Lebenswandel in deren Leichenpredigten nachzulesen ist.

              Grüße!
              Zuletzt geändert von Sbriglione; 13.07.2022, 16:17.
              Suche und biete Vorfahren in folgenden Regionen:
              - rund um den Harz
              - im Thüringer Wald
              - im südlichen Sachsen-Anhalt
              - in Ostwestfalen
              - in der Main-Spessart-Region
              - im Württembergischen Amt Balingen
              - auf Sizilien
              - Vorfahren der Familie (v.) Zenge aus Thüringen (u.a. in Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und NRW)
              - Vorfahren der Familie v. Sandow aus dem Ruppinischen

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              • Geschichtensucher
                Erfahrener Benutzer
                • 03.09.2021
                • 733

                #8
                Das ist beeindruckend, du musst viele hervorragende Quellen aufgetan haben!
                Beste Grüße, Iris

                Kommentar

                • Sbriglione
                  Erfahrener Benutzer
                  • 16.10.2004
                  • 1177

                  #9
                  Zitat von Geschichtensucher Beitrag anzeigen
                  Das ist beeindruckend, du musst viele hervorragende Quellen aufgetan haben!
                  Das ergibt sich fast zwangsläufig, wenn man so lange und relativ intensiv forschen kann, wie ich das schon konnte.
                  Suche und biete Vorfahren in folgenden Regionen:
                  - rund um den Harz
                  - im Thüringer Wald
                  - im südlichen Sachsen-Anhalt
                  - in Ostwestfalen
                  - in der Main-Spessart-Region
                  - im Württembergischen Amt Balingen
                  - auf Sizilien
                  - Vorfahren der Familie (v.) Zenge aus Thüringen (u.a. in Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und NRW)
                  - Vorfahren der Familie v. Sandow aus dem Ruppinischen

                  Kommentar

                  • Geschichtensucher
                    Erfahrener Benutzer
                    • 03.09.2021
                    • 733

                    #10
                    Man weiß et nich...

                    Ich finde es oft schwierig, die Ereignisse zu deuten in Hinsicht auf den Charakter. Ist der Vorfahr, der sich 2 x "hochheiratete", ein berechnendes Schlitzohr oder ein attraktiver Alleskönner, den jeder gern in die Familie aufnahm? Wenn er vom Schöffen zum Dorfrichter wurde, dann weil er der Vertrauenswürdigste und Fähigste war ODER manipulativ und einschüchternd? War es hartherzig, dass er die junge Frau, die er als Witwer schwängerte, nicht heiratete, sondern die Schankwirtswitwe? Oder gab es gute Gründe und eine intern geregelt gute Versorgung?
                    Wie war diese junge Mutter mit unehelichem Sohn (mein 3facher Urgroßvater) im Wesen? Warum wurde sie in der dann eingegangenen Ehe nach kurzer Zeit geschieden - sehr ungewöhnlich für 1785? Wie lebte mein Vorfahr mit dieser Bürde? Keine seiner Töchter hat einen Vornamen seiner Mutter.

                    Damit kann man sich so beschäftigen und weiter Fakten sammeln
                    Beste Grüße, Iris

                    Kommentar

                    • Sbriglione
                      Erfahrener Benutzer
                      • 16.10.2004
                      • 1177

                      #11
                      Zitat von Geschichtensucher Beitrag anzeigen
                      Ich finde es oft schwierig, die Ereignisse zu deuten in Hinsicht auf den Charakter. Ist der Vorfahr, der sich 2 x "hochheiratete", ein berechnendes Schlitzohr oder ein attraktiver Alleskönner, den jeder gern in die Familie aufnahm? Wenn er vom Schöffen zum Dorfrichter wurde, dann weil er der Vertrauenswürdigste und Fähigste war ODER manipulativ und einschüchternd? War es hartherzig, dass er die junge Frau, die er als Witwer schwängerte, nicht heiratete, sondern die Schankwirtswitwe? Oder gab es gute Gründe und eine intern geregelt gute Versorgung?
                      Wie war diese junge Mutter mit unehelichem Sohn (mein 3facher Urgroßvater) im Wesen? Warum wurde sie in der dann eingegangenen Ehe nach kurzer Zeit geschieden - sehr ungewöhnlich für 1785? Wie lebte mein Vorfahr mit dieser Bürde? Keine seiner Töchter hat einen Vornamen seiner Mutter.
                      Das sind allesamt sehr interessante Fragen.
                      Es ist richtig schade, dass man darauf nur in den allerseltensten Fällen eine auch nur halbwegs belegbare Antwort finden wird, wenn man nicht das Glück hat, irgend einen eindeutig den Charakter betreffenden Text eines Zeitgenossen zu finden (wobei dann aber immer noch die Frage ist, ob der Text wirklich so viel über den Charakter der beschriebenen Person aussagt oder nicht vielmehr etwas über den Charakter des Beschreibenden)...

                      Ich selbst musste, um auf das Thema "Schwängern" und Namensvergabe einzugehen, feststellen, dass eine unehelich geborene Vorfahrin von mir bei ihrer Eheschließung und in ihrem Sterbeeintrag mit dem Nachnamen ihres Vaters eingetragen wurde - der aber nicht nur die Mutter meiner Vorfahrin nie geheiratet hat (statt dessen Jahre später eine andere Frau), sondern noch nicht einmal im Taufeintrag meiner Vorfahrin erwähnt wurde (in dem Fall hatte ich richtiges Glück damit, dass der Schreiber des Traueintrages genau genug auf beide Eltern der Braut eingegangen ist, dass es mir mit etwas Glück trotz mancher fehlender Daten gelungen ist, auch ihre beiderseitigen Großeltern zu ermitteln). Deutet das auf eine engere Bindung zu ihrem an einem anderen Ort lebenden und anderweitig verheirateten Zeuger hin und/oder auf ein gestörtes Verhältnis zu ihrer Mutter?

                      Was das "charakterliche" von Vorfahren, die anderweitig beschrieben wurden, betrifft, muss ich wohl doch auch nochmal auf meinen Deutschordensritter eingehen: der hatte nämlich ganz offensichtlich auch einige recht unangenehme Eigenschaften - so hat er beispielsweise gemeinsam mit einigen "Kollegen" gegen den eigenen unmittelbaren Chef (den Landkomtur) intrigiert, was dummerweise zu einer Visitation führte, bei der nicht nur die in Wirklichkeit hervorragende Arbeit des Chefs dokumentiert, sondern auch erstmals der obersten Ordensleitung bekannt wurde, dass mein Vorfahre entgegen der Ordensregeln in einer Beziehung lebte - und nachdem er von seiner Geliebten und dem gemeinsamen Sohn zwangsgetrennt worden war, ließ leider auch seine Leistung als guter Haushälter deutlich nach. War nun die Ursache Frust und Depression oder hatte in Wirklichkeit seine Geliebte die Wirtschaft so gut geführt (dass sie eine ziemlich "patente" Frau gewesen zu sein scheint, geht aus dem einzigen von ihr selbst geschriebenen Brief hervor, den ich gefunden habe)?
                      Und da gab es noch so ein seltsames auf eine Seite der offiziellen Korrespondenz gekritzeltes Gedicht aus der Zeit, als er sein Ordenshaus gerade übernommen hatte und in dem es um "schöne Frauen" und "Gott vertrauen" geht - und bei dem ich leider vergeblich versucht habe, über Schriftvergleiche zu ermitteln, wer das nun geschrieben hat (es dürften nicht all zu viele Leute Zugriff auf die Briefe gehabt haben) ...

                      Grüße!
                      Zuletzt geändert von Sbriglione; 19.07.2022, 20:24.
                      Suche und biete Vorfahren in folgenden Regionen:
                      - rund um den Harz
                      - im Thüringer Wald
                      - im südlichen Sachsen-Anhalt
                      - in Ostwestfalen
                      - in der Main-Spessart-Region
                      - im Württembergischen Amt Balingen
                      - auf Sizilien
                      - Vorfahren der Familie (v.) Zenge aus Thüringen (u.a. in Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und NRW)
                      - Vorfahren der Familie v. Sandow aus dem Ruppinischen

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                      • stoetzner
                        Erfahrener Benutzer
                        • 08.08.2017
                        • 132

                        #12
                        »Tyrannisch« ist überliefert für einen Urgroßvater und dessen Vater. In Schriftstücken meiner Großmutter.
                        Von jenem Urgroßvater und vor allem von einem seiner Brüder gibt es eine große Überlieferung von Briefen, aus denen man die Charaktere ziemlich gut rekonstruieren kann. – Der Bruder des Urgroßvaters war nicht tyrannisch, er war eher der Typ Filou, Weltmann, Künstler, Abenteurer.

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                        • stoetzner
                          Erfahrener Benutzer
                          • 08.08.2017
                          • 132

                          #13
                          Was ich aber inzwischen mehrfach in meinen Ahnenreihen beobachtet habe, ist das Muster: aufstrebender Mann (mit bescheidenen Mitteln) sucht sich vermögende Tochter zur Heirat, um durch die satte Mitgift ein ordentliches Startkapital für die eigene Unternehmung zu erhalten.
                          Seltsamerweise – oder bezeichnenderweise? – gibt es über das Zustandkommen dieser ehelichen Verbindungen in der Regel keinerlei Zeugnisse.
                          – Kennt ihr solche Fälle auch?

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