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  #1  
Alt 24.01.2017, 06:45
Wolfg. G. Fischer Wolfg. G. Fischer ist offline männlich
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Standard Aus dem Leben meiner Großmutter Auguste Möller geb. Reinhardt (1913-2002) in Lengers

Meine Großmutter Auguste Möller hatte kein leichtes Leben und war ein Stück weit eine harte Frau. Sie war liebenswert und humorvoll, aber nicht unkompliziert. Nach einer harten Jugend wurde sie 1931 am Ende einer hauswirtschaftlichen Ausbildung in Weimar ungewollt schwanger und bekam meine Mutter am 19. März 1932 im Alter von 18 Jahren.

Sie selbst war am 20. Nov. 1913 in Lengers als fünftes Kind und als zweite Tochter des Schneidermeisters Heinrich Reinhardt und der Landwirtstochter Elisabeth geb. Möller geboren worden. Ihr folgten noch zwei Brüder. Patin wurde Auguste Möller geb. Engler, eine Schwägerin ihrer Mutter.

Mein Bruder Klaus dichtete 1983 zu Augustes 70. Geburtstag:

„Es war genau vor 70 Jahren,
da hat in Lengers man erfahren,
dass bei den Reinhardts über Nacht
ein Mädchen ward zur Welt gebracht
und weil man es nicht besser wusste,
so nannte man sie schlicht Auguste.

Auguste hieß ja immerhin,
des deutschen Volkes Kaiserin.
Die Reinhardts freuten sich gar sehr,
vier Kinder schon und noch eins mehr,
doch ist's auch dabei nicht geblieben,
am Ende waren's sogar sieben.“
Angehängte Grafiken
Dateityp: jpg Auguste 1917.jpg (52,1 KB, 40x aufgerufen)

Geändert von Wolfg. G. Fischer (28.01.2017 um 05:27 Uhr)
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  #2  
Alt 24.01.2017, 07:03
Wolfg. G. Fischer Wolfg. G. Fischer ist offline männlich
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Auguste Möller war eine starke Frau, auch körperlich. Später veranstaltete sich mit ihrem ältesten Enkel noch Ringkämpfe. Einer ihrer Leitverse war: „Sich selbst bekriegen, ist der schwerste Krieg; sich selbst besiegen, ist der schönste Sieg.“

Sie war intelligent, konnte aber wie alle ihre Geschwister nur die Volksschule in Lengers besuchen. Die Eltern waren streng, wie es damals üblich war. Der Vater hatte einen verkrüppelten Fuß und war deswegen Schneider geworden. Seine fünf Brüder hatten alle Schmied gelernt, der Vater war auch Schmied gewesen. So saß er jetzt in seiner Schneiderstube und hütete nebenbei die Kinder, währen seine Frau die Milchkühe anspannte und auf's Feld fuhr.

Augustes älteste Schwester Lene wollte gern Diakonisse werden, was aber krankheitsbedingt nicht möglich war. So kümmerte sie sich quasi privat um Kranke und andere Hilfsbedürftige. Natürlich war sie auch an der Erziehung der jüngeren Gsechwister beteiligt. Nach der Schule wurde sie Dienstmädchen im Diakonissenhaus Kassel und bekehrte sich zu einem strengen Christentum.

Auguste wurde 1928 konfirmiert und war dann ein Jahr lang Dienstmädchen im Haushalt eines Missionars in Heringen. Oft erzählte sie vom harten Winter 1928/29, als ihr nachts im Bett der Atem im Gesicht fest fror.

Geändert von Wolfg. G. Fischer (28.01.2017 um 05:30 Uhr)
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  #3  
Alt 24.01.2017, 07:33
Wolfg. G. Fischer Wolfg. G. Fischer ist offline männlich
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1929 ging sie für zwei Jahre auf eine Haushaltungsschule in Weimar. Dort lernte sie jenen Berufssoldaten Hans Götz aus Reckendorf bei Bamberg kennen, der leider katholischer Christ war. Ihre Eltern waren inzwischen wie Schwester Lene streng evangelisch. Da Hans sich zurück nach Bayern versetzen lassen wollte, trennte man sich.

Erst Monate später fiel auf, dass sie schwanger war. Ihre Mutter stellte fest: „Du wäscht ja gar keine Binden mehr aus.“ Nun wurde beratschlagt und auch der werdende Vater informiert. Er reiste an und beriet sich mit Augustes Vater. Man kam überein, auf eine Heirat zu verzichten. Heinrich Reinhardt informierte des Jugendamt des Kreises Hersfeld.

Eine Woche nach Liesels Geburt kam Hans erneut nach Lengers. Das Ergebnis blieb dasselbe. Die jungen Eltern korrespondierten noch bis Nov. 1933, dann brach der Kontakt ab. Götz heiratete im März 1934 Babette („Betty“) Baumgärtner, eine Hausbesitzertochter aus der Bamberger Letzengasse. Er selbst war der Sohn eines Ziegeleibesitzers, der im selben Jahr in Reckendorf starb. 1936 im Sept. kam Sohn Georg („Geo“) zur Welt.

Auguste blieb mit ihrer Tochter im Elternhaus, half im Haushalt und in der Landwirtschaft. Selbst nun strenggläubige Christin lernte sie in der Landeskirchlichen Gemeinschaft den gleichaltrigen Kaufmannssohn Gustav Möller aus Vacha kennen und heiratete ihn am 9. Juli 1938 in Lengers.

Das junge Paar zog nach Mahlum bei Hildesheim und ließ Liesel bei den Großeltern zurück. Gustav hatte seiner Stieftochter zwar seinen Namen „erteilt“, sie aber nicht adoptiert, so dass Hans Götz weiter Alimente zahlen musste.

Am 15. Apr. 1939 wurde in einem Hildesheimer Krankenhaus Gerhard Möller geboren und nur wenige Monate später brach der Zweite Weltkrieg aus. Gustav wurde eingezogen und Auguste ging mit ihrem Sohn ins Elternhaus zurück, behielt aber die Wohnung in Mahlum.

So wurde der zweite Sohn, Arthur, am 17. Juni 1940 in Lengers geboren. Augustes Vater hatte 1939 einen Schlaganfall erlitten und starb am 7.? Juli 1941 im Alter von fast 69 Jahren.
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  #4  
Alt 24.01.2017, 08:39
Wolfg. G. Fischer Wolfg. G. Fischer ist offline männlich
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Auch Hans Götz wurde eingezogen, so dass die Alimente-Zahlungen stockten. Auguste schrieb deswegen an ihn und seine Frau antwortete. Spätestens jetzt wusste sie, dass er eine Tochter hat. Im Juli 1944 bekam Auguste den letzten Brief von ihrem Ehemann, danach war er vermisst. Sie wartete lange auf ihn und heiratete nicht wieder. Die elterliche Landwirtschaft betrieb sie nun mit ihrer Mutter und ihrem ältesten Bruder Karl. Alle Geschwister hatten das kleine Anwesen am Kirchplatz 11 ¼ in Lengers verlassen, der jüngste Bruder Ludwig war schon im Sept. 1941 mit 24 Jahren gefallen.

Karl hatte 1933 am Rasweg in Lengers gebaut und wohnte dort mit Ehefrau Gretchen und den Kindern (Hans und Gretel). Heinrich hatte 1933 nach Dankmarshausen geheiratet und drei Kinder bekommen (Lene, Karl und Lisabeth). Rudolf hatte wie sein Vater Schneider gelernt und 1934 in Francop bei Hamburg geheiratet. Auch er wurde dreimmal Vater (von Vera, Rita und Rudi). Valentin hatte in Heringen eine Kaufmannslehre absolviert und war dann in Marburg Diakon geworden.
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  #5  
Alt 24.01.2017, 12:21
assi.d assi.d ist offline weiblich
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Sehr interessant! lese ich sehr gerne! Weiter, lieber Wolfgang!

Gruss
Astrid
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  #6  
Alt 24.01.2017, 15:07
Romano Romano ist offline männlich
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Ich finde die "Geschichte" auch sehr spannend. Ich wünschte, ich hätte so detaillierte Informationen (über die obligatorischen Urkunden hinausgehend) über meine Familie. Lese auch sehr gerne weiter
__________________
Viele Grüße aus Niedersachsen
Romano
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  #7  
Alt 24.01.2017, 16:39
Wolfg. G. Fischer Wolfg. G. Fischer ist offline männlich
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Hallo Ihr Beiden,

herzlichen Dank für die Rückmeldung.

LG W.





Liesel besuchte das Gymnasium in Vacha, fühlte sich dort aber nicht wohl und wechselte zurück an die Lengerser Volksschule. In Philippsthal bekam sie Klavierunterricht, aber auch das machte sie unglücklich, denn zu Hause gab es nur ein Harmonium zum Üben. Gustav legte viel Wert auf ihre Erziehung, aber sie wurde nicht so recht warm mit ihrem Stiefvater.

Am 7. Apr. 1946 wurde sie in Lengers konfirmiert und besuchte dann zwei Jahre lang die Höhere Handelsschule in Hersfeld. Anschließend arbeitete sie als Buchhalterin in der Raiffeisenkasse Philippsthal. Ihre erste Liebe war ein Flüchtlingsjunge aus dem Sudetenland. Seine Mutter war gegen die Beziehung und ihre Mutter auch, denn er war nicht nur ein Flüchtling, sondern auch wieder katholisch. Die Beiden trennten sich und er verunglückte tödlich mit seinem Motorrad.

Ein Nachbarsjunge hatte schon lange um sie geworben und nun machte sie einen Versuch mit ihm, es klappte aber nicht. - Da lernte sie beim Tanzen Walter Fischer aus Heimboldshausen kennen, der bei einem Privatunternehmen als Maurer arbeitete und ein Jahr jünger war als sie. Ihr gefiel nicht nur sein Äußeres und sein Humor, sondern auch die kleine Nebenerwerbslandwirtschaft, aus der er stammte und die er übernehmen sollte.

Sie arbeitete nämlich leidenschaftlich gern in der Landwirtschaft, das hatte sie mit ihrer Großmutter gemein, die am 27. Febr. 1956 im Alter von 77 Jahren starb.
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  #8  
Alt 25.01.2017, 05:39
Wolfg. G. Fischer Wolfg. G. Fischer ist offline männlich
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Als Liesel merkte, dass sie schwanger war, verlobte sie sich am 27. Okt. 1956 mit Walter und heiratete ihn am 13. Jan. 1957 in Lengers. Ein Jahr lang wohnte das junge Paar in Liesels Elternhaus, am 3. Juni 1957 kam ihr erstes Kind, ein Mädchen, in Bad Hersfeld tot zur Welt. Die Kleine sollte Esther heißen. 1959 und 1961 wurden dann gesunde Söhne geboren (Wolfgang und Klaus).

Da waren Walter und Liesel schon nach Heimboldshausen übergesiedelt und hatten die elterliche Landwirtschaft des jungen Vaters im Nebenerwerb übernommen. Sie kauften den kleinen Hof eines Großcousins und bauten 1960 ein neues Wohnhaus, in das auch Walters Eltern Wilhelm und Christine Fischer einzogen.

Augustes Sohn Gerhard besuchte das neugegründete Gymnasium in Heringen/Werra, aber nicht sehr erfolgreich. Deshalb musste sein ein Jahr jüngerer Bruder Arthur auf der Volksschule in Lengers bleiben, obwohl er ein völlig anderer Typ war. Gerhard wurde später Krankenpfleger und Diakon (Ausbildung in Bethel bei Bielefeld), Arthur lernte Kfz.-Schlosser und studierte dann Kfz.-Wesen (Abschluss Dipl.-Ing.).

Gerhard heiratete im Apr. 1966 Ruth aus Lachen in der Pfalz und lebte lange in der Nähe von Langensteinbach (Baden). Arthur hatte schon im Juli 1964 Elsbeth aus Heringen geheiratet und lebte mit ihr in Frankfurt am Main.
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  #9  
Alt 25.01.2017, 08:11
Wolfg. G. Fischer Wolfg. G. Fischer ist offline männlich
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Als alle Kinder aus dem Haus waren, wurde Auguste für einige Zeit schwermütig. Sie war in den Wechseljahren und wurde mit 46 erstmals Großmutter. Wolfgang war für einige Jahre ihr Lieblingsenkel, bis ihn Arthurs jüngerer Sohn Martin ablöste. Dieser wurde in Hannover geboren, wo sein Vater für einige Jahre arbeitete. Sein älterer Bruder Volker war 1965 in Frankfurt zur Welt gekommen.

Gerhard und seine Frau bekamen von 1967 bis 1969 in zweieinhalb Jahren vier Söhne (Johannes, Tobias, Stephan und Friedemann), 1982 folgte noch Tochter Ann-Kathrin. Augustes Verhältnis war zu beiden Schwiegertöchtern getrübt, auch ihren Schwiegersohn fand sie nur mäßig passend. Ein gewisser Dünkel war ihr nicht abzusprechen.

Arthur baute schließlich in Frankfurt ein Haus und adoptierte drei Kinder, erst die in Hannover 1969 geborene Monika, dann die Geschwister Michelle und Michael. Später zogen er und Elsbeth auch noch Monikas Tochter Katharina groß. Gerhard und Ruth übernahmen ihr Elternhaus in Lachen und bauten es gründlich um. Nach langem Leiden ist Gerhard dort 2011 verstorben.

Auguste besuchte weiterhin die Bibelstunden der Landeskirchlichen Gemeinschaft und engagierte sich im VdK. Zeitweise war sie erste Vorsitzende. Als Haushaltshilfe besserte sie ihre Kriegerwitwenrente auf, die an sich nicht gering war. Gustav hatte als mittlerer Beamter gearbeitet (als Milchkontrolleur) und sein mutmaßliches späteres Berufsleben wurde hochgerechnet.

Auguste war eher sparsam, 1959 hatte sie einen Teil ihres Wohnhauses neu erbaut und lebte nun in diesem Bau. Das alte Haus vermietete sie an eine Frau aus der Nachbarschaft und ihren Sohn.
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  #10  
Alt 25.01.2017, 10:00
Wolfg. G. Fischer Wolfg. G. Fischer ist offline männlich
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Seit es möglich war (1959?), ging sie regelmäßig in Kur. „Der Staat hat mir meinen Mann genommen, der kann das zahlen“. Mein Bruder dichtete 1983:
„Wenn frau sich dann im Wasser aalt - Hauptsache ist, die Kasse zahlt.“

Sie besuchte auch mal ihre Brüder in Koblenz und Hamburg, ihre Söhne nebst Familie und half ganz regelmäßig ihrer Tochter in Heimboldshausen. Tenor meiner Mutter: „Ich will die Arbeit lieber selbst machen, wenn nur das Geschnärbel nicht wäre.“ Zu allem hatte Auguste eine Meinung und hielt damit nicht hinter'm Bett. Bei Schwiegertochter Elsbeth war sie dadurch besonders „beliebt“ und auch die duldsame Ruth hatte irgendwann die Nase voll. Gerhard sagte zu meiner Mutter: „Liesel, ich bewundere Dich (wie Du das aushältst)“.

Bei ihren zehn Enkeln war Auguste im großen und ganzen gut gelitten. 1988 war sie mit Wolfgang in Israel, vorher hatte sie schon Mallorca besucht. Ein USA-Aufenthalt mit Nachbarin Friedel war lange im Gespräch. Überhaupt reiste sie gern. 1992 war sie mit fast 80 Jahren für mehrere Tage bei Wolfgang in Wiesbaden, wo sie auf einer Gästeliege schlief und mit ihm ins Ballett ging. Trotz aller Strenge ihrer Ansichten war sie für Neues offen.

Schön war es, sie mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Zu Wolfgang sagte sie zunächst oft: „Heirate bloß nich zu früh, es wachsen jeden Jahr welche nach.“ Als er dann nicht heiratete, hieß es: „Warte nur nicht zu lange, sonst wirst Du wunderlich. Darauf sagte er dann: „Paulus meint, Heiraten sei gut, Nichtheiraten sei besser.“ Da war sie ausnahmsweise sprachlos.
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