Familienbrief 1859 - Messkirch

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  • Pierre06140
    Erfahrener Benutzer
    • 05.08.2018
    • 152

    [gelöst] Familienbrief 1859 - Messkirch

    Quelle bzw. Art des Textes: Familienbrief
    Jahr, aus dem der Text stammt: 1859
    Ort und Gegend der Text-Herkunft: Messkirch
    Namen um die es sich handeln sollte: Merlet


    Hallo,

    Ein neuer Fund
    Der Vater schreibt an seinen Sohn Carl, der in New York lebt.
    Sicherlich die Antwort auf den Brief vom Januar 1859

    Danke für Ihre Hilfe
    Angehängte Dateien
  • Ulpius
    Erfahrener Benutzer
    • 03.04.2019
    • 942

    #2
    Seite 1

    Abschrift
    Anlage I
    Nr. 7

    Meßkirch am 25t(en) Merz 1859

    Lieber Karl!
    Hocherfreut waren wir über dein
    Schreiben vom 9t(en) Januar d(iesen) J(ahres) es kam
    uns am 1t(en) Februar zu. Wir ent-
    nehmen daraus dein Wohlbefinden,
    danken dir für deine Neujahrs-wün-
    sche waren aber nicht wenig er-
    staunt, bezüglich deiner Anzeige ü-
    ber die erfolgte Verheirathung.
    Zu deiner Verehelichung ertheile
    ich dir nachträglich meinen väter-
    lichen Segen
    ; seit sparsam, erziehet
    Eure Kinder, wenn ihr mit solchen
    gesegnet, zur Arbeit und zum
    Guten, damit sie nützliche, Gott
    wohlgefällige Menschen werden und
    Ihr Freude von Ihnen erlebet; mer-
    ket den wahren Spruch: „Nicht Reich-
    thum, sondern Zufriedenheit macht
    glücklich“
    Deine liebe Frau grüßen wir
    alle herzlich, wir sprechen viel von Euch,
    und wünschen nur Euch einmal
    in Eurem Hauswesen zu sehen,
    allein auf dieses müßen wir
    verzichten; vorzüglich wünscht Fritz
    deine Vögel (zu sehen).

    Eduard ist vom Kriegsmini-
    sterium nun als Soldat für untaug-
    lich erklärt worden, er hat sich nem-
    lich beim Bajonetfechten durch einen
    Sturz eine derartige Entzündung am
    Kniegelenk zugezogen, daß man …


    Erläuterung zu "Anlage I" (oben links, Zeile 2)
    Auf Seite 4 schreibt Merlet sen. über einen Wechsel über 200 Gulden bzw. 80 $, den er dem Brief beilegt. Das ist das als "Anlage I" bezeichnete Schriftstück.
    Zuletzt geändert von Ulpius; 26.05.2020, 14:36. Grund: Erläuterung zu "Anlage I" beigefügt.

    Kommentar

    • Ulpius
      Erfahrener Benutzer
      • 03.04.2019
      • 942

      #3
      Seite 2

      ihn operieren wollte, der gute Ver-
      lauf dieser Entzündung beseitigte
      dieses.
      Nach einem mir vom Herrn Re-
      gimentsarzt zugekommenen, ganz
      freundlichen Schreiben, hat sich vom
      Kniegelenke ein kleiner Split-
      ter abgelöst, welcher sich als ein
      selbständiger Körper frei bewegt und
      ihn nur zu strecken militairischen
      Märschen und schwerem Tragen untaug
      lich macht, in seinem bürgerlichen
      Leben aber nicht hindert, er arbeitet
      wirklich in Freiburg; wenn er sich
      nur gut hält.
      Frankreich, das Unruhige
      macht an Oestreich (= Österreich, die K.u.K-Monarchie) sonderbare Ansprü-
      che denen aber kein Deutscher huldigt.
      Der deutsche Michel ist erwacht, und der
      ganze deutsche Bund scheint mit ?onst
      auftretten zu wollen; Gott gebe daß
      der Friede erhalten werde. In we-
      nigen Tagen werden im badischen
      2900 Miletardiensttaugliche Pferde aus-
      gehoben.
      Du hast guten Verdienst, benuze
      nun diese Gelegenheit dir etwas zu
      ersparen und grüße uns deinen
      Herrn Freundlich. Wäre es nicht möglich,
      daß du später ein eigenes Geschäft
      gründen könntest, allein sei vorsichtig,
      und ziehe vor der Hand das sichere dem
      unsicheren vor.
      Dein silberner Löffel und
      Besteck wirst du erhalten, wie sich ei-
      ne sichere Gelegenheit zur Versend- …

      Kommentar

      • Ulpius
        Erfahrener Benutzer
        • 03.04.2019
        • 942

        #4
        Seite 3

        ung darbietet, alles ist gut verwahrt.
        Fritz und Anna machen gute
        Fortschritte in der Französischen Sprache,
        und Fritz hat in der Fasching als ers-
        ter Flötist mit seiner Aushilfe 6(?) f(l). ver-
        dient gemacht. er erlernt nun auch
        das Guitar Spiel und singt wie ein
        Vogel, erwartet aber dennoch die
        längst versprochene Wurst. Wenn alles
        ruhig bleibt, wird sich an Ostern die
        hier neuerrichtete Militair Musik
        in Krumbach hören lassen, aber Fritz
        als Pikoloblaser keine geringe Rolle
        einnimmt. Du solltest ihn einmal
        hören, er bläßt die schwersten Stücke,
        hat auch ein kleines Flötenconcert
        gegeben mit Beifall.
        Bei dieser Musik befindet sich
        auch der aus Amerika zurückgekehr-
        te Uhrmacher Heilig, er spielt gut
        Clarinnett, und ist nur ein braver,
        fleißiger Bürger.
        Grüße uns allen Herrn Schlak
        von dem du nach deiner Aussage
        so viel gutes empfangen, wir sprechen
        oft von ihm und wünschen ihm
        von Herzen Glück und Segen, ins-
        besondere wünscht meine Anna, auch
        ihren Taufpathen zu kennen.
        Was machen die dortigen
        Meßkircher grüße mir alle und
        was treibt auch Sophi Kiene – Mamma
        genannt?
        Sonnenwirth Stebinger hier hat ne-
        ben dem Wirtschaftsgebäude ein
        Bräuhaus erbaut mit schönen Kellern …


        In der fünften Zeile bei dem Verdienst von Fritz wird eine Zahl notiert, deren Oberlänge fehlt. Mir scheint, dass 6 der Tinte nach am besten passt, allerdings empfinde ich das als äußerst guten Verdienst für einen (Piccolo-)Flötisten. Vielleicht realistischer 3 oder 5, aber dafür müsste die Rundung anders aussehen - oder?
        Schön jedenfalls, dass nun die Anekdote mit dem Flötisten Hand und Fuß bekommt. Allein - ich wundere mich, denn neben Eduard wusste ich bisher von einem Bruder Otto, über Fizi (Carl/Charles Ausdrucksweise) bzw. Fritz (Carl senior) rätsle ich noch ein bisschen. Die Kinder, welche Carl Merlet senior mit seiner ersten Frau hatte, hat er hier aufgeschrieben, ein Fritz oder Friedrich kommt nicht vor: https://forum.ahnenforschung.net/sho...d.php?t=178408
        Zuletzt geändert von Ulpius; 26.05.2020, 14:41. Grund: Buchstabendreher richtiggestellt, Nachtrag

        Kommentar

        • Ulpius
          Erfahrener Benutzer
          • 03.04.2019
          • 942

          #5
          Seite 4

          und sein Sohn Ferdinand liefert gu-
          tes Bier.
          Die Fasching gieng hier einfach
          vorüber, dagegen fanden in
          Sigmaringen noble Umgänge, so-
          wie in Stockach statt, es wurden
          sämmtliche Rüstungen im Waffen-
          ? zu Sigmaringen hie(r)zu ver-
          wendet. Ich selbst finde keine
          große Freude an der Fasching mehr
          habe auch keine hie(r)zu erforderliche
          Zeit.
          Vor mehreren Monaten gingen
          Plaginegger Jaugel(?) und sein Sohn
          Ioseph mit Tod ab. Schneider Knittel
          ist sehr krank und wird zur großen
          Armee (gemeint: alle im Jenseits) einrüken.
          Fortgesetzt am 1. April 1859
          Gestern gingen mir 200 f(l). ein, ich lies
          mir gleich von H(errn) Kaufmann Hegele
          hier einen Wechsel auf das dortige Hand-
          lungshaus Ph. Speyer & Comp. auf 80 Dollars
          currency oder 200 f(l). hiesigen Geldes
          aus-
          fertigen, und lege dir solchen hier bei, zei-
          ge mir zu meiner Beruhigung auch
          den Empfang gleich an. Nimm das Geld
          hierfür selbst in Empfang, sei sparsam
          und erinnere dich an meine früher
          dir gemachten Ermahnungen du
          weißt, daß man nur mit Mühen
          etwas erringen kann, mache also
          eine verzinsliche Anlage. Hier sind
          nur drei Buchbinder, glaubst du nicht,
          daß Eduard dort besser verdient hätte,
          er läßt dich herzlich grüßen, schreibe
          mir hierwegen.



          Insgesamt nimmt der Vater die überraschende Nachricht von der Vermählung des Sohnes gefasst auf. Ob der nachträglich erteilte väterliche Segen hier die damals eigentlich erforderliche ordentliche Heiratserlaubnis rechtskräftig ersetzen konnte (Carl war "erst" 24, als er heiratete), wenn es zum Streit kommt, ist nicht erkennbar. Die 200 Gulden, um die Carl gebeten hatte, übermittelt ihm sein Vater.Interessant wäre, die früheren Ermahnungen kennenzulernen.
          Ein Punkt, der das Risiko andeutet, dem jeder Auswanderer sich aussetzte, nämlich das des Scheiterns, ist die Bemerkung zu dem zurückgekehrten Uhrmacher Heilig.


          Kennt jemand den Ausdruck, mit dem das Waffenarsenal in Sigmaringen bezeichnet worden ist?
          Zuletzt geändert von Ulpius; 25.05.2020, 20:34.

          Kommentar

          • Karla Hari
            Erfahrener Benutzer
            • 19.11.2014
            • 5878

            #6
            im Waffensaale


            die andere seltsame Zeile (beim y ist er wohl ins Straucheln geraten, deuten kann ich es aber nicht richtig):
            Plagmeyer Gaugel und sein Sohn Joseph
            Zuletzt geändert von Karla Hari; 26.05.2020, 13:07.
            Lebe lang und in Frieden
            KarlaHari

            Kommentar

            • Ulpius
              Erfahrener Benutzer
              • 03.04.2019
              • 942

              #7
              Zitat von Karla Hari Beitrag anzeigen
              im Waffensaale

              die andere seltsame Zeile (beim y ist er wohl ins Straucheln geraten, deuten kann ich es aber nicht richtig):
              Plagmeyer Gaugel und sein Sohn Joseph
              Danke Karla Hari,

              jetzt sehe ich es auch . Ich hatte das l nicht wirklich erkannt. Mit dem Namen: Gaugel kenne ich so wenig als Vornamen wie Jaugel, aber das heißt selbstverständlich nichts.
              Wenn man betrachtet, wie gut diese Abschrift fast durchgängig lesbar ist, die der Vater ja "nur" für sich selbst gemacht hat, dann kann man eigentlich nur den Hut ziehen. Nachdem dem Brief ein Wechsel beigelegt worden ist, hat er damit auch einen Nachweis für sich selbst geschaffen.

              Kommentar

              • Pierre06140
                Erfahrener Benutzer
                • 05.08.2018
                • 152

                #8
                Zitat von Ulpius Beitrag anzeigen
                ich wundere mich, denn neben Eduard wusste ich bisher von einem Bruder Otto, über Fizi (Carl/Charles Ausdrucksweise) bzw. Fritz (Carl senior) rätsle ich noch ein bisschen. Die Kinder, welche Carl Merlet senior mit seiner ersten Frau hatte, hat er hier aufgeschrieben, ein Fritz oder Friedrich kommt nicht vor: https://forum.ahnenforschung.net/sho...d.php?t=178408
                [/FONT]
                Hallo Ulpius,
                Fritz wurde 1847 geboren

                Kommentar

                • Ulpius
                  Erfahrener Benutzer
                  • 03.04.2019
                  • 942

                  #9
                  Zitat von Pierre06140 Beitrag anzeigen
                  Hallo Ulpius,
                  Fritz wurde 1847 geboren
                  Lieber Pierre,
                  vielen Dank für diese Information. Dann war er elf oder zwölf, als dieser Brief geschrieben wurde. Es ist beachtlich, dass er in diesem Alter schon so gut Flöte spielen konnte, dass er in einer Kapelle anscheinend ohne Probleme mithalten konnte. Wenn er sogar richtig dafür bezahlt worden ist, wie es aussieht, spricht das auch für sich.

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