Antrag bei der Reichsstelle für Sippenforschung (1938)

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  • Basil
    Erfahrener Benutzer
    • 16.06.2015
    • 2420

    Antrag bei der Reichsstelle für Sippenforschung (1938)

    Moin Forscherfreunde,

    ich habe gestern Unterlagen erhalten, die ich mir noch nicht richtig erklären kann. Ich hatte beim Bundesarchiv in Berlin zu meinem Urgroßvater Werner angefragt. Er war höherer Reichsbankbeamter und ich suche seine Personalunterlagen. Das BA fand eine Akte in der Sammlung "NS-Archiv des MfS". Da die Unterlagen dieses Archivs aus unterschiedlichen Quellen stammten, hoffte ich also auf Personalunterlagen der Reichsbank.

    Stattdessen kamen nun Unterlagen aus der Reichsstelle für Sippenforschung aus dem Jahr 1938. Es geht um einen Antrag mit Fragebogen zur Bestätigung eines Ausweises durch einen Sichtvermerk. Dazu gehören ein Passbild, ein Strafregisterauszug und zwei Ahnentafeln.

    Antrag Seite 1, Antrag Seite 2

    In dem Fragebogen macht mein Urgroßvater neben Personenangaben zu seiner Ehefrau und sich selbst auch noch Angaben über seine Mitgliedschaften bei der Deutschen Ahnengemeinschaft e.V. und beim Verein Roland, beide in Dresden, und über sein Forschungsgebiet Sachsen und Thüringen.

    Ich denke, der Ausweis, der durch Sichtvermerk bestätigt werden soll, ist der Mitgliedsausweis des "Roland", da dieser mit Nr. auf dem Fragebogen unten links eingetragen wurde. Anscheinend ergeben sich aus der Bestätigung verschiedene Pflichten und Bestimmungen. Aber welchen Vorteil hatte dieser Antrag? Oder war man als Mitglied eines Ahnenforschervereins dazu verpflichtet, weil die Reichsstelle alle Ahnenforscher erfassen und kontrollieren wollte?

    Interessant finde ich die Bitte meines Urgroßvaters, da er die benötigten Ahnentafeln nicht beifügen könne, in der Kartei der D. A. Einsicht zu nehmen. Die Kartei liege vor (der Reichsstelle) und enthielte seine jüngsten Forschungsergebnisse. (s. unten rechts, über der Unterschrift) Ob damit die Ahnenstammkartei des deutschen Volkes gemeint ist, die sich 1938 tatsächlich bei der Reichsstelle für Sippenforschung befand?

    Hat schon mal jemand so ein Antragsformular gesehen und kann mir den Zweck bzw. Hintergrund erklären?

    Viele Grüße
    Basil
    Zuletzt geändert von Basil; 09.07.2019, 06:03. Grund: Bilder aus dem Text entfernt
    Zimmer: Oberlausitz und Dresden; Stephanus: Zittau, Altenburg und Ronneburg
    Raum Zittau: Heidrich, Rudolph
    Erzgebirge: Uhlmann, Lieberwirth, Gläser, Herrmann
    Burgenlandkreis: Wachtler, Landmann, Schrön


  • Ginster43
    Erfahrener Benutzer
    • 03.06.2014
    • 254

    #2
    Hallo Basil,

    Es geht um einen Antrag mit Fragebogen zur Bestätigung eines Ausweises durch einen Sichtvermerk. Dazu gehören ein Passbild, ein Strafregisterauszug und zwei Ahnentafeln.

    Ich habe in meinen Forschungsunterlagen auch einen Sippenforscherausweis, der die gleichen Papiere enthält.
    Allerdings wurde er zum Nachweis der "arischen Herkunft", also Erstellung der Ahnentafeln, zwecks Erteilung einer Heiratserlaubnis benötigt.


    Aber welchen Vorteil hatte dieser Antrag? Oder war man als Mitglied eines Ahnenforschervereins dazu verpflichtet, weil die Reichsstelle alle Ahnenforscher erfassen und kontrollieren wollte?

    Auf den Roland bezogen, ist diese Seite vielleicht interessant für Dich.


    Hier https://vkaekd.files.wordpress.com/2014/01/46_2006.pdf steht,
    "Die durch den Arierparagraphen ausgelöste Antragsflut führte rasch zur Überlastung der hierfür nicht gerüsteten Pastoren. Zur Entlastung der Pfarrämter und Archive stellte der Sachverständige für Rasseforschung beim Reichsministerium des Innern Berufsgenealogen Ausweise aus, die zur gebührenfreien Benutzung der Kirchenbücher berechtigten. Der Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche der Altpreußischen Union empfahl daraufhin seinen Pfarrern, die Antragssteller bei Überlastung an professionelle Genealogen zu verweisen, die über den genannten Ausweis verfügten."

    Beim vorherigen Link aber "Nicht jeder mit einem Sippenforscherausweis führte Forschungen für Dritte aus. Viele legten ihn sich nur zu, um selbst Zugang zu den Kirchenarchiven zu erhalten. [53] "

    Hat man also mit dem Sippenforscherausweis bevorzugt Antwort erhalten? Mitglied in einem Ahnenforscherverein war "mein" Antragsteller jedenfalls nicht.

    In meinem Fall waren von Berlin aus Unterlagen aus Pommern und Ostpreußen zu beschaffen, die Urkunden wurden also per Post angefordert und nicht selbst vor Ort gesucht.

    Welchen Vorteil brachten dann professionelle Genealogen? Die Pfarrer mussten die Unterlagen doch trotzdem heraus suchen.

    Warum von Deinem Urgroßvater der Ahnenpass erwähnt wurde, wenn er die Länder Sachsen und Thüringen erforschen wollte, kann vielleicht mit folgendem Absatz (wieder von der Seite http://www.v-weiss.de/roland.html) erklärt werden.

    "Der eigentliche Sinn der schon von Gercke eingeführten Abstimmung zwischen Reichsstelle und den Einzelvereinen war die lückenlose zentrale Überwachung aller Aktivitäten. Von den Vereinen wurde erwartet, daß sie ihre Mitglieder kannten und eine gewisse fachliche und politische Garantie für sie übernahmen. „Die Klebemarken für den Sippenforscherausweis werden nicht für die gezahlten Mitgliedsbeiträge, sondern als Kontrollmarken von uns ausgegeben.“ [54] Der letztlich notwendige bestätigende Stempel der Reichsstelle im Sippenforscherausweis wurde aber nur erteilt, wenn auch diese die Kriterien für erfüllt hielt. Gründe für die Ablehnung dieser Bestätigung wurden nicht mitgeteilt. So wurde z.B. der Mitgliederausweis von Friedmar Brendel in Freiberg von der Reichsstelle an den „Roland“ zurückgeschickt mit dem Satz: „Ein Sichtvermerk ... konnte auf Grund einer Auskunft über die politische Zuverlässigkeit nicht erteilt werden.“ Handschriftlich wurde beim Roland dazu bemerkt: „Wahrscheinlich ist er früher S.P.D. oder Freimaurer gewesen.“"

    VG
    Angelika

    Kommentar

    • Basil
      Erfahrener Benutzer
      • 16.06.2015
      • 2420

      #3
      Hallo Angelika,

      vielen Dank für deinen Beitrag! Das ist alles sehr interessant. Den Artikel zum Roland habe ich mir komplett durchgelesen, was nicht einfach war. Ich hatte mich schon mal gefragt, wie damals die Beschaffung der Belege für die Abstammungsnachweise praktisch umgesetzt wurde. Die Ämter, Kirchen und Archive müssen ja ziemlich überlaufen gewesen sein. Das macht die Vergabe von Forscherausweisen und deren Bestätigung durch die Reichsstelle mit den im Formular genannten Pflichten und Bestimmungen verständlich.

      Ich habe nach dem Begriff Sippenforscherausweis gegoogelt und dabei die unten angehängte Textstelle in den Blättern des Bayerischen Landesvereins für Familienkunde 15. Jahrgang (1937) gefunden. Das bringt es, glaube ich, auf den Punkt.

      Zu deinen vermutlich rhetorischen Fragen nach den Vorteilen des Forscherausweises und der professionellen Genealogen denke ich, dass man auch ohne Ausweis Antworten auf schriftliche Anfragen erhielt. Der Ausweis ermöglichte den persönlichen Zugang zu den Archiven, um selbst suchen zu können. Der Ausweis sollte wohl eine gewisse Sorgfalt und Kenntnis im Umgang mit dem Schriftgut garantieren. Und die Berufsgenealogen nahmen den Pfarrern die Arbeit ab, ist ja heute noch genauso.

      Die Forschungsunterlagen meines Urgroßvaters haben wir noch in der Familie. Wenn er so einen Sippenforscherausweis hatte, ist der vielleicht noch da. Ich muss mal bei Gelegenheit danach suchen.

      Nochmal Danke und viele Grüße
      Basil
      Angehängte Dateien
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      • Ginster43
        Erfahrener Benutzer
        • 03.06.2014
        • 254

        #4
        Hallo Basil,

        ich danke Dir für dieses Thema!

        Bisher habe ich mir keine großen Gedanken um den Sippenforscherausweis gemacht und einfach angenommen, dass jeder, der eine Ahnentafel erstellen musste, diesen Ausweis benötigte.

        Respekt, dass Du den Roland-Artikel vollständig durchgelesen hast. Ich fand die paar Absätze, die ich gelesen habe, schon nicht einfach.

        Danke für den Link zum Bay. Landesverein.
        Vor allem den ersten Beitrag werde ich auf jeden Fall durchlesen, weil ich auch schon oft vor Bildern von Vorfahren saß und nach Ähnlichkeiten gesucht habe.

        Meine Frage nach den Vorteilen des Forscherausweises war nicht rhetorisch. Ich hatte da einfach eine Denkblockade .
        Natürlich hatten die Pfarrer weniger Arbeit, wenn ein Berufsgenealoge vor Ort suchte.

        Viele Grüße
        Angelika

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