Auszüge aus dem Tagebuch meines Großvaters

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  • Helen
    Erfahrener Benutzer
    • 04.02.2010
    • 164

    Auszüge aus dem Tagebuch meines Großvaters

    Hallo zusammen,
    vielleicht interessiert es den ein oder andern, etwas über das Alltagsleben eines Gutsverwalters in Livland um 1910 und folgender russ. Zivilgefangenschaft unter Baschkieren zu lesen? Es ist dem Tagebuch meines Großvaters entnommen.
    Es wäre schön, wenn der ein oder andere etwas dazu sagen könnte.

    Winterfeld
    Es war am 1. Jan. 1910 als ich meine deutsche Heimat verließ, um im Baltikum auf dem Gut Winterfeld im Kreis Riga eine Stellung als Inspektor anzutreten. Mein neuer Chef, ein Herr von Sivers war mir kein Fremder. Hatte er doch im Vorjahr auf dem Gute, auf dem ich tätig war, unter meiner Leitung versucht, die Landwirtschaft zu erlernen. Er zeigt aber wenig Interesse dafür, denn sein Fach war die Forstwirtschaft, worin sich sein Vater bereits im In-und Ausland einen Namen gemacht hatte. Das Gut Winterfeld, das ihm sein Vater eben erst zur Verwaltung übergeben hatte, hatte eine Größe von 12000 Desjatinen, das sind etwa 50000 Morgen. Der größte Teil bestand aus Wald, einige Höfe waren verpachtet und 5000 Morgen wurden landwirtschaftlich genutzt. Der Vater lebte im 10 Werst entfernten (1 Werst = 1060 m) entfernten Schloss Römershof, wo er sich seinen forstwirtschaftlichen Studien widmete. zu diesem Zweck hatte er sich einen Teil des Forstes in Größe von etwa 1000 Morgen zurückgehalten.

    Ich hatte also am 1. Jan. 1910 Deutschland verlassen und traf am 23. Dez. 1909 in meinem neuen Wirkungskreis ein. Infolge der verschiedenen Kalenderrechnungen erlebte ich also in diesem Jahr zwei Neujahrsfeiern.

    Eine meiner ersten Amtshandlungen war die Weihnachtsbescherung der Kinder der Gutsarbeiter. Diese fand in der zum Gute gehörenden Schule statt. Unterricht wurde in ihr nur im Winter erteilt, da im kurzen Sommer die Kinder und der Lehrer zur Feldarbeit gebraucht wurden, letzterer als Aufseher.

    Die erste Zeit meiner Tätigkeit war nicht leicht für mich. Unter meinem Vorgänger, einem Esten war die Disziplin der Leute in die Brüche gegangen. Jeder machte so ziemlich, was er wollte, von Gehorsam war nicht zu sprechen. Aus diesem Grunde hatte auch der Baron den indolenten Esten entlassen und mich zu sich gerufen. Ich musste mich oft drastischer Mittel bedienen, um mir die Leute gefügig zu machen. Zweimal zeigten sie mich an, die anzeigen wurden aber aus formellen Gründen abgewiesen. Dabei kam mir vielleicht die Tatsache zu Hilfe, dass de Friedensrichter ein deutscher Baron war. Schließlich resignierten sie, und als der Widerstand gebrochen war, kamen wir ganz gut miteinander aus.

    Ich sagte schon, dass der Baron für die Landwirtschaft wenig Interesse hatte, denn diese brachte nichts ein, der Forst aber umso mehr. Ihn interessierte nur die Jagd und die Verwaltung der Forsten, in denen sich 7 Förstereien befanden. Oft musste ich ihn bei den Inspektionen der 7 Reviere begleiten, öfter als es den Belangen der Landwirtschaft zuträglich war. Wohl war noch ein Verwalter da und wen ich ihn darauf aufmerksam machte, dass ich auf den Feldern benötigt würde, tat er dies mit dem Bemerken ab, dass ja der Verwalter da sei, dem ich die nötigen Anweisungen geben könne.

    So saßen wir meist den ganzen Tag im Sattel, was mir anfangs recht schwer fiel, durchstreiften die weiten Wälder, suchten die entfernten Förstereien auf oder spürten dem Wilde nach. So vermittelte er mir forstliche Kenntnisse und erweckte in mir die Liebe zur Jagd nach den Tieren des Waldes und den zahlreichen Wild- und Holzdieben. Er tat dies wohl auch in der Absicht, sich für die Zeiten seiner öfteren Abwesenheit einen Vertreter heranzubilden.

    Dieses fast abenteuerliche Herumstreichen und das Spiel mit der Gefahr reizte mich und er fand in mir einen gelehrigen Schüler. Er lehrte mich die Unterschriften in dem großen Gästebuch der Natur zu lesen und zu deuten, die Spur des Wolfes von der des Luchses zu unterscheiden, die des Fuchses von der des Hundes und die des Marders von der des Iltis und er zeigte mir das große Trittsiegel des mächtigen Elches. Ich hörte die mir noch unbekannten Rufe des Schreiadlers, des Uhus und des Kolkraben, das Pfeifen des Haselhahns das in solch hohen Oktaven erklingt, dass es das Ohr mancher Menschen nicht mehr aufnehmen kann, die Rufe des Schnee- und Moorhuhns. Bei anbrechendem Frühling saß ich mit ihm auf den Balzplätzen des Birkhahns und sprang mit ihm den Auerhahn an, dessen sonderbares Liebeslied von den anderen Waldgeräuschen zu unterscheiden mir erst nach längerer Übung gelang. So manchen Wilddieb fassten wir zusammen ab.

    Der Kampf mit den Wilddieben war nun nicht so, wie etwa in den bayrischen Bergen, er war humorloser. Das kam daher, dass ein ertappter Wilderer nur eine ganz geringe Geldstrafe zu erwarten hatte, das ihm abgenommene Gewehr musste er zurückerhalten. Es lohnte sich nicht das Risiko einer Verschickung nach Sibirien wegen Mord auf sich zu nehmen. Die Wilderer waren meist lettische Bauern, die ihren Grundbesitz inmitten der ausgedehnten Ländereien des Gutes bewirtschafteten, die man alle gut kannte, mit denen man freundschaftlich verkehrte, die den Abschuss des Wildes als ihr gutes Recht betrachteten.

    Nur einmal ist es mir passiert, dass ein von mir gejagter Wilddieb als er die Hoffnung auf ein Entkommen schwinden sah, sich umdrehte und schoss. Ich schoss gleichzeitig, er fiel auch hin, sprang aber wieder auf und lief weiter, Da bemerkte ich, dass ich blutete, dass es mir warm am Hals herunterlief. Ein Postenkorn hatte mich am Hals erwischt, dicht neben der Schlagader war es eingedrungen. Erst später merkte ich, dass auch meine Lederweste Löcher aufwies und dass meine Uhr das Zeitliche gesegnet hatte. Der Baron entschädigte mich mit einer neuen Uhr und schenkte mir als Schmerzensgeld eine 16schüssige Winchester-Büchse.
    Fortsetzung folgt
    Zuletzt geändert von Helen; 12.08.2017, 16:57.
  • Tineru
    Erfahrener Benutzer
    • 26.02.2010
    • 182

    #2
    Das finde ich sehr interessant! Leider kann ich nicht viel dazu sagen, aber ich freue mich auf eine Fortsetzung.
    Umzugsbedingter Datenverlust - ich bitte um Nachsicht.

    Kommentar

    • AlAvo
      • 14.03.2008
      • 6186

      #3
      AW: Auszüge aus dem Tagebuch meines Großvaters

      Hallo Helen,

      vielen Dank für den ersten Einblick in das Tagebuch Deines Großvaters!

      Es ist sehr interessant zu lesen, wie sich das damalige Leben darstellte!

      Auch freue mich sehr auf eine Fortsetzung!


      Nochmals vielen Dank!


      In diesem Sinne...
      ...viele Grüße

      AlAvo
      War Mitglied der Lettischen Kriegsgräberfürsorge (Bralu Kapi Komiteja)

      Zirkus- und Schaustellerfamilie Renz sowie Lettland

      Reisenden zu folgen ist nicht einfach, um so mehr, wenn deren Wege mehr als zweihundert Jahre zurück liegen!


      Kommentar

      • Helen
        Erfahrener Benutzer
        • 04.02.2010
        • 164

        #4
        Schön, dass es euch gefällt. Dann geht's weiter...
        ---

        Viele größere und kleinere Höfe des Gutes waren an deutsche Rückwanderer aus den Gebieten jenseits der Wolga verpachtet. Unter ihnen die Gebr. Luft, die einen Hof von 1000 Morgen gepachtet hatten. Bei ihnen war ich oft zu Gast. Ich hatte auch diese Siedler in Verdacht, dass sie sich gelegentlich unrechtmäßig einen Braten erwarben, doch habe ich sie nie dabei ertappen können. erst 12 jahre später erhielt ich darüber Gewissheit, und das kam so:

        Im Jahre 1922 übernahm ich die Oberleitung der Herrschaft Peterswaldau des Grafen Stolberg-Wernigerode. Bei einem Ritt über die Felder eines der Güter traf ich auf einige Arbeiter, die mit dem Umstechen des Komposthaufens beschäftigt waren. Als ich bei ihnen anhielt, warfen zwei der Männer ihre Spaten fort mit dem Ruf „Gospodin Vogt, sind Sie es wirklich“, ergriffen sie meine Hände und wollten sie küssen. Diese beiden Männer waren die Gebr. Luft, die nach den Wirrnissen des Krieges nach hier verschlagen worden waren. wie ist doch die Welt so klein.
        Sie haben mich dann oft besucht, und beim Austausch unserer Erinnerungen aus Livland erzählten sie mir, auch wie ich einmal angelockt vom Schall eines von ihnen abgegebenen Schusses, an ihrem Versteck vorbei geschlichen sein ohne sie zu entdecken und wie sie mir dann den gewilderten Hasen als Kaninchenbraten vorgesetzt hatten, der mir trefflich gemundet habe. Sie freuten sich jetzt noch diebisch darüber, mich damals so genasführt zu haben.

        Ich war erst kurze Zeit in Livland, als ich von einem Förster zu einer Tauffeierlichkeit eingeladen wurde. Ich fand dort die eigenen Forstbeamten und einige der benachbarten Güter vor. Eine bunte Gesellschaft, teils in Uniform, teils in Zivil, mit rauen Manieren, die der reichlich genossene Wodka nicht milderte. Unter ihr ein schweigsamer, hünenhafter Mann mit finsterem Blick und der Bekleidung eines Waldläufers. Es war der Forstwart Mateitis, ein Littauer, vom Nachbargut Ascheraden. In seinem Revier gab es keine Wilderer. Man behauptete von ihm, dass er jeden erschoss und im Moor versenkte. Tatsache war, dass in der Gegend seines Reviers Menschen spurlos verschwanden. Am ersten Tag des Kriegsausbruchs wurde er tot vor seiner Haustür gefunden. Die Rächer, es mussten mehrere gewesen sein, hatten seinen Körper mit Kugeln durchsiebt.

        Im Verlauf dieser Tauffeier gerieten der Hausherr und einer seiner Gäste in Streit. Als Letzterer mit seinem Revolver herumfuchtelte und gegen die Deckeschoss, wurde er mit vereinten Kräften an die frische Luft gesetzt. Als ein Festteilnehmer dann einmal das Freie aufsuchen musste, schwirrten Kugeln um seinen kopf. So erging es jedem, der versuchte, hinauszugehen. Die Belagerung dauerte bis zum frühen Morgen, dann erst konnten wir den Heimweg antreten.

        Dieses Erlebnis führte mir drastisch vor Augen, mit welchen Menschen ich es würde künftig zu tun haben und wurde Anlass dazu, dass ich sie nicht so vertrauenselig betrachtete als der Baron es tat. nach und nach fiel mir so manches auf u.a., dass der eine Förster nie eine Flinte trug. Ich machte den Baron darauf aufmerksam und sagte ihm, dass ich einen Förster, der gegen Diebe und Raubwild nur mit einem Stock bewaffnet sei, nicht dulden würde. Er meinte aber, dies sei ein tüchtiger Mann.

        Nach Monaten konnte ich ihm den Beweis liefern, dass dieser tüchtige Mann auch ein tüchtiger Wilderer war. ein verärgerter Holzarbeiter hatte ihn mir verraten. Aus einem alten Brunnen neben seinem haus holte ich 7 Rehdecken und von seinem Hausboden die dazu gehörenden Gehörne. Er wurde nicht entlassen, aber seit diesem Tag trug er einen Karabiner und ich hatte mir einen Feind geschaffen., vor dem ich auf der Hut sein musste.

        Wieder durch Verrat eines Waldarbeiters erfuhr ich, dass aus einem Revier mit wissen des Försters Holz abgefahren wurde. Ich meldete es dem Baron und es erfolgte eine genaue Untersuchung, der Förster leugnete, die Holzabrechnungen stimmten genau, aber die nächtlichen Holzabfuhren sollten weiter erfolgen. Ich hatte es mir aber in den Kopf gesetzt, dies Geheimnis zu ergründen. Ein ganzes Jahr brauchte ich dazu, um hinter den Trick zukommen. Er war einfach, aber raffiniert angelegt. Im Walde wies jeder Holzstoß ein geringes Übermaß vor, das nicht beachtet wurde. Im Winter wurde das Holz zur Station gefahren, dort in hohen Stapeln aufgeschichtet, genau vermessen und dort verkauft. Um dort auf 1000 Rm zu kommen, brauchten aus dem Walde nur etwa 970 Rm abgefahren zu werden. Diese übrigen 30 Rm verkaufte der Förster auf eigene Rechnung. Auch ihm passierte nichts, aber ich hatte einen Feind mehr.

        Ff
        Zuletzt geändert von Helen; 12.08.2017, 16:57.

        Kommentar

        • corinna
          Erfahrener Benutzer
          • 09.07.2009
          • 674

          #5
          spannend

          Hallo Helen,

          dieses Tagebuch ist wirklich ein großer Schatz.

          Bitte erzähle weiter,
          herzliche Grüße,
          Corinna
          Immer noch auf der Suche nach:
          PÄTZOLD, VOGEL, KALASSE, HABISCH, NITSCHKE aus Oberschlesien, sowie Rieck in Hamburg und Kröß.

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          • Helen
            Erfahrener Benutzer
            • 04.02.2010
            • 164

            #6
            Ja Corinna und beim Abschreiben dachte ich, ich bin in einer andern Welt.
            ---
            Der Baron hatte aber doch eingesehen, dass auf einige seiner Beamten wenig Verlass sei, und er stellte einen eben aus Deutschland gekommene Hilfsjäger ein. Er hieß König und war erst 25 Jahre alt. Er wurde bei einem lettischen Bauern eingemietet, der im Verdacht des Wilderns stand und auf den er ein wachsames Auge haben sollte. Er unterstand keinem Förster, nur dem Baron und in dessen Vertretung mir. Wöchentlich einmal musste er sich auf dem Gute zur Berichterstattung einfinden. Er kam auch pünktlich und legte die Beweise seiner Raubzeugvertilgung vor, bestehend in den Schwänzen von Hunden und Katzen, den Fängen von Habicht und Sperbern und den Ständern von Krähen und Elstern, für die er eine Schussprämie erhielt. Er schien ein tüchtiger Jäger zu sein.

            Eines Tages erschien er und sagte, er habe herausbekommen, dass in der folgenden Nacht in einem entfernten Revier gewildert werde solle, ob ich mitkommen wolle, um die Kerle zu fassen. Ich sagte natürlich zu, und wir begaben uns spät abends gemeinsam in die von ihm bezeichnete Gegend. Nach langem Warten, nachdem uns die Mücken erbärmlich zugesetzt hatten, hörten wir Schüsse, aber nicht bei uns sondern in einem fernen Revier. Wir warteten bis zum Morgen, aber nichts geschah. Entweder hatte er sich täuschen lassen oder die wilderer hatten ihren Plan geändert. „Nun, da erwischen wir sie eben ein andermal“ sagte er und müde gingen wir nach Hause. Nach einigen tagen kam er wieder. “Heute werden sie fassen, in Jagen 52 wollen sie sich treffen.“ berichtete er. Um 8 Uhr saßen wir im Jagen 52 und harrten der Dinge, die nun kommen sollten. Aber sie kamen nicht, nur der schwache Hall ferner Schüsse drang zu uns. „Verdammt, wieder sind sie anderswo“ knurrte er vor sich hin. Ich sagte nichts, aber ein böser Gedanke stieg in mir hoch.

            Als er zum dritten Mal kam und mich zum Mitgehen aufforderte, sagte ich zwar zu, mich mit ihm an einer bestimmten Stelle zu treffen, ging dann aber nicht dorthin, sondern in eine entgegengesetzte Richtung. Meine Annahme stellte sich als richtig heraus. Bald fiel vor mir ein Schuss, aber meine Bemühungen, den Schützen zu fassen, blieben erfolglos.
            Ich glaubte nun die Gewissheit zu haben, dass König mit den Letten unter einer Decke steckte und er mich in deren Auftrag kalt stellen sollte. Ich beschloss nun, mich recht eingehend mit ihm zu beschäftigen. Seine Unterbringung bei dem Letten war also ein Fehler gewesen. Die beabsichtigte Wirkung war in das Gegenteil verkehrt worden. Er war wohl noch zu jung, um den Bestechungen der gerissenen Letten widerstehen zu können.


            Ich hielt mich nun öfter in de Nähe seiner Behausung auf, in der Hoffnung irgend etwas zu entdecken und ich hatte Glück. Wieder einmal belauerte ich ihn, als unweit ein Kugelschuss fiel. Es war Tag, konnte also kaum von einem Wilderer abgegeben sein. Ich wartete eine Weile, dann sah ich König auf einer Schneise herankommen. Wie zufällig ging ich ihm entgegen. Als wir uns begegneten, fragte ich ihn, was er geschossen habe. „Ach, es war nur eine Krähe“ sagte er. Da er einen Karabiner trug und man damit nicht auf Krähen schießt, wusste ich, dass er gelogen hatte. Und bald bemerkte ich noch etwas. Seine Hände waren rot, er hatte also ein Stück Wild aufgebrochen. Ich ließ mir aber nichts anmerken und verabschiedete mich von ihm.

            Am nächsten Tag bei aufgehender Sonne war ich wieder auf dem Wege zu ihm. In der Nacht würde er ja wohl das geschossene Wild geholt haben. Da kam ein kleiner Reitwagen auf mich zu und als Kutscher erkannte ich König, der ob dieser Begegnung sichtlich verlegen war. Ich sprang zu ihm auf den Wagen und fragte, wohin er denn schon in aller Hergottsfrühe wolle. Er sagte, er habe sich von seinem Wirt das Gespann ausgeborgt, um auf der Station verschiedenes einzukaufen. „Und was haben Sie hier?“ fragte ich, indem ich die Decke von einem verhüllten Etwas wegzog. Vor mir lag ein Rehbock. „So, das ist also die Krähe, die Sie gestern geschossen haben. Sogar das Gehörn hat sie noch. Sie sind also ein Wilderer der nicht der Trophäe wegen zum Dieb wurde, sondern ein ganz erbärmlicher Fleischhändler“. Ich nahm ihm die Flinte ab und forderte ihn auf, zum Gute zu fahren. Er bat und jammerte, er sei doch ein Landsmann von mir und ich werde ihn doch nicht unglücklich machen wollen. Ein Feigling war er also auch. Auf dem Gute angekommen rief ich den Baron und zeigte ihm die Bescherung. Erbittert über diese Aasjägerei jagte er diesen Kerl sofort zum Teufel und erstattete Anzeige gegen ihn. Er erhielt 4 Wochen Gefängnis.
            Ff

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            • corinna
              Erfahrener Benutzer
              • 09.07.2009
              • 674

              #7
              danke

              Hallo Helen,

              ich musste den PC noch einmal anmachen und nachschauen.... Überleg mal, ob Du das nicht veröffentlichen kannst.

              Berichte solcher Zeitzeugen, und dann auch noch so gut und spannend geschrieben, sind bestimmt selten!

              Schönen Abend (und weiter, bitte!),
              viele Grüße,
              Corinna
              Immer noch auf der Suche nach:
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              • AlAvo
                • 14.03.2008
                • 6186

                #8
                AW: Auszüge aus dem Tagebuch meines Großvaters

                Hallo Helen,

                wirklich sehr spannend, das Tagebuch!!!!

                Während des erzählten Zeitraumes, lebte mein Vater schon als Kind in Lettland. Meine väterlichen Vorfahren stammen aus der Region um Ascheraden.
                Daher ist der Bericht aus dem Tagebuch eine Bereicherung!

                Einstweilen vielen Dank und weiter so!!!!


                Viele Grüße
                AlAvo
                War Mitglied der Lettischen Kriegsgräberfürsorge (Bralu Kapi Komiteja)

                Zirkus- und Schaustellerfamilie Renz sowie Lettland

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                • gudrun
                  Erfahrener Benutzer
                  • 30.01.2006
                  • 3277

                  #9
                  Hallo,

                  ich beneide Dich um so ein Tagebuch. Leider ist bei mir nicht viel schriftliches überliefert worden.
                  Mach bitte weiter so, das ist zu Interessant.

                  Viele Grüße
                  Gudrun

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                  • Helen
                    Erfahrener Benutzer
                    • 04.02.2010
                    • 164

                    #10
                    Nun spornt ihr mich aber an!
                    Corinna, ja ich habe vor ca. 10 jahren mal bei Verlagen angefragt, aber es war keiner so recht daran interessiert, naja, sie bekamen auch nur Auszüge. Der Gund des Desinteresses war, dass es zu wenig interessierte Leser geben würde. Heute ist es mir recht, so bleibt es im persönlichen Bereich und ich stelle es da vor, wo sich Menschen dafür interessieren.
                    Das beste wäre, auf den noch folgenden Fotos würde jemand einen Vorfahren entdecken. Aber das bleibt wohl Wunschdenken.
                    Etwas gestört hat mich beim Abschreiben diese "e"-Anhänge an den Substantiven, aber das war vielleicht damals gängiger Sprachgebrauch.
                    Übrigens habe ich meinem Opa 1962 die Hand gehalten als er mit 82 Jahren starb.

                    Da ich den Text nicht mehr abschreiben sondern nur kopieren muss, kommt hier der nächste Teil.
                    ---
                    Im Winter war von landwirtschaftlicher Tätigkeit kaum zu sprechen. Das Getreide war im Sommer gleich auf dem Felde ausgedroschen worden und die Felder, Wiesen und Weiden bedeckte tiefer Schnee. Da die Tage dort im Winter zwei Stunden kürzer sind als hier, begann die Arbeit erst um 9 Uhr. Die Gespanne fuhren in den Wald, luden je einen Faden Holz und brachten dies zur Station. Nachmittags gegen 3 Uhr kamen sie zurück und das Tagewerk war beendet. Anders dagegen im Sommer. Da dieser sehr kurz ist, wurde von Sonnenaufgang bis –untergang mit zweistündiger Mittagspause gearbeitet. Die Sonne geht eine Stunde früher auf und eine Stunde später unter als hier und die Zeit musste genutzt werden. Die Früchte haben also eine recht kurze Wachs- und Reifezeit, aber diese verkürzte Vegetationszeit wird durch längere Tageszeit wieder ausgeglichen.

                    War ich schon im Sommer oft mehr in den Wäldern als auf dem Felde, so beschränkte sich meine Tätigkeit im Winter nur auf die Jagd in den eignen Revieren und denen der benachbarten Güter, von wo eine Einladung erfolgt war. Wenn ich von benachbarten Gütern spreche, so ist das nicht in dem uns gebräuchlichen Sinne zu verstehen. Man rechnet dort mit anderen Räumlichkeitsbegriffen als hier. Das Nachbargut konnte bis 50 Werst entfernt sein und nur im Winter, wenn der Boden gefroren und mit einer harten Schneedecke bedeckt war, konnte man es erreichen. Man spannte zwei Pferde spitz, d. h. voreinander vor einen kleine, niedrigen Schlitten, in dem nur Platz für eine Person vorhanden war. Ein Bein musste man heraus halten, um an den Kurven der schmalen Waldwege bremsen zu können, andernfalls man bei der sausenden Fahrt an den Bäumen zerschellt wäre. Der Baron, der immer voran fuhr, da ihm die kürzesten Schleichwege bekannt waren, besaß darin eine fabelhafte Geschicklichkeit und ich hatte Mühe, es im gleich zu tun.

                    Die Einladungen erfolgten meist telefonisch wenn ein Wolf oder ein Luchs gefährdet und eingelappt worden war und der nun zur Strecke gebracht werden sollte. Manchmal war das Anstehen auch vergeblich, kein Wolf oder Luchs kam, er war dann eben schon durchgebrochen, war durch die Lappen gegangen. Dann wurde eben Treibjagd auf anderes Wild gemacht, das ja in den verschiedensten Arten reichlich vorhanden war. Eins dieser Güter war das Gut Allasch, dort wurde der starke Kümmelschnaps gebrannt, der unter dem Namen ‚Allasch’ in die Welt hinaus ging. dass dieser ausgiebig probiert wurde, kann man sich denken.

                    Die Einsamkeit des dortigen Lebens war wohl die Ursache, dass der Baron manche Eigenheiten angenommen hatte. Eine dieser war, dass er mich öfters nachts weckte und mich aufforderte, mit ihm Tee zu trinken. „Sie brauchen sich nicht erst anziehen, kommen sie herunter, so wie Sie sind“, hieß es immer. So saßen wir uns dann in seinem Junggesellenheim gegenüber, beide im Nachthemd und tranken unseren Tee. Wir sprachen über die gemeinsam in Deutschland verlebte Zeit, über Holzverkäufe und natürlich auch über die Abwehr der Wilderei. Das Gesetz mit seinen milden Strafen half uns dabei nicht, denn ein oder zwei gewilderte Hasen glichen die bezahlte Strafe schon wieder aus. Ein böser Geist ließ mich ihm bei einer solchen Gelegenheit folgenden Vorschlag machen: Wir sollten die Kerle nicht mehr anzeigen, sondern ihnen nur das Gewehr abnehmen und sie laufen lassen. diese Strafe sei doch viel empfindlicher und überstieg doch die vom Gericht festgesetzte um ein vielfaches. Er meinte zwar, dies Verfahren sei rechtlich nicht unbedenklich, aber er stimmte mir dann doch zu und in der Folge wurde es von uns auch angewandt. Damit hatte ich ein Verhängnis heraufbeschworen, das dem Baron großen schaden und mir viel Ärger einbrachte, einen Kampf, in welchem wir unterliegen sollten.

                    Eines Tages erhielt der Baron einen Brief ohne Unterschrift, in welchem er aufgefordert wurde, mich zu entlassen, andernfalls seine verpachteten Höfe in Flammen aufgehen würden. Damit sollte der Baron und gleichfalls die verhassten deutschen Pächter getroffen werden. wir gaben nicht viel auf diese Drohung, aber nach einer Woche brannte der Hof des Pächters Kirsch ab. Wieder kam ein Brief mit der Aufforderung mich von Winterfeld zu entfernen oder einen zweiten Hof zu opfern. Nach drei Wochen brannte wieder eine Pachtung ab. Es wurde also ernst. Wir stellten unser neues Verfahren den Wilderern gegenüber ein und hielten uns überhaupt etwas zurück. Eines Nachts wurde ich durch das Geschrei der Wirtschafterin geweckt. Ich eilte hinunter und fand sie vor der Haustür jammernd vor dem großen Hund kauernd, der sich in Zuckungen wand. Er war vergiftet worden. Neben ihm lag eine Stange, an deren oberen Ende ein mit Petroleum getränkter Lappen befestigt war, die um das Haus gespannten Drähte des Selbstschusses waren durchschnitten. Man hatte mich also braten wollen und nur der Wirtschafterin war es zu verdanken, dass dies vereitelt wurde. Sie war durch das Jaulen des Hundes hinausgelockt worden, wodurch der Brandstifter vertrieben wurde. man hatte zu dem Anschlag einen Tag gewählt, an dem der Baron nicht anwesend war, er sollte wahrscheinlich nur mir gelten.

                    Ich trug mich schon einige Zeit mit dem Gedanken zu heiraten. Da dies in Winterfeld aus räumlichen Gründen nicht möglich war und auch um den Baron vor weiterem Schaden zu bewahren, schlug ich ihm vor, mich zu entlassen. Er wollte aber davon nichts wissen, ich sollte zum mindesten den Gedanken so lange zurückstellen, bis er mir eine passende, mir zusagende Stellung für mich erkundet haben würde. Als aber nach Wochen die große Gutsscheune in Flammen aufging, sah auch er ein, das er diesen fanatischen Brandstiftern ein Opfer bringen musste. Für mich selbst war das Verlassen Winterfelds kein Opfer, gewann doch mein Heiratsplan dadurch eine schnellere Verwirklichung als ursprünglich vorgesehen war. Um die Mordbrenner von weiteren Vernichtungen abzuhalten verbreiteten wir das Gerücht, dass ich Winterfeld bald verlassen würde und tatsächlich hörten die Brände auf.
                    Zuletzt geändert von Helen; 12.08.2017, 16:57.

                    Kommentar

                    • Frank K.
                      Erfahrener Benutzer
                      • 22.11.2009
                      • 1318

                      #11
                      Hallo Helen,
                      da hast Du ja einen großen Schatz vorliegen, an dem Du uns teilhaben läßt!
                      Es freut einen sehr, wenn man auch mal Berichte aus der Vergangenheit lesen darf und an eine Zeit erinnert wird, die beschaulicher war als die Gegenwart. Man darf allerdings nicht vergessen, daß es eine schwere und harte Zeit war, in der unsere Vorfahren lebten!
                      Ich habe auch noch Briefe meiner Großmutter vorliegen, die ich auch "verarbeitet" habe und meinen Verwandten Exemplare davon gedruckt zur Verfügung gestellt habe.
                      Ich habe berets einen Vortrag über das Leben meiner Großmutter gehalten, die 1903 aus der Region Manchester nach Riga kam und bis 1917 an ihre Geschwister Briefe schickte. Hier kannst Du nachlesen ...

                      Es ist ein kurzer Überblick, der ein Lebensbild zeichet.
                      Ich sammle auch vieles aus der Vergangenheit, was ich nach Möglichkeit auch immer noch zum besten geben kann.

                      Ich freue mich auf weitee Berichte.
                      Viele Grüße
                      Frank K.
                      Gegenwart ist die Verarbeitung der Vergangenheit zur Erarbeitung der Zukunft

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                      • corinna
                        Erfahrener Benutzer
                        • 09.07.2009
                        • 674

                        #12
                        Veröffentlichung

                        Hallo Helen,

                        ich freue mich immer auf den nächsten Teil!
                        Zur Veröffentlichung: Hast Du es auch bei Zeitschriften versucht? Im Moment ist die Genealogie ja sehr im Kommen, so dass vielleicht die Chancen größer wären. Mich fasziniert der Inhalt Deiner Geschichten sehr, aber auch die unglaublich gut formulierte SChreibweise - es ist wunderbar zu lesen!

                        Liebe Grüße,
                        Corinna
                        Immer noch auf der Suche nach:
                        PÄTZOLD, VOGEL, KALASSE, HABISCH, NITSCHKE aus Oberschlesien, sowie Rieck in Hamburg und Kröß.

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                        • Helen
                          Erfahrener Benutzer
                          • 04.02.2010
                          • 164

                          #13
                          Ich denke, diese Erinnerungen sind besonders für diejenigen interessant, die einen Bezug zu Personen oder Regionen haben. Bei AlAvo ist es die väterliche Seite, bei dir Frank, die Großmutter. Leider habe ich Probleme, deinen Link zu öffnen. Ich versuche es gleich am andern Rechner. Ich habe keine Ahnen aus der baltischen Region, trotzdem kann ich mich durch die Erzählung sehr gut in Landschaft und Menschen hinein versetzen.
                          Corinna, der Schreibstil ist nicht jedermanns Sache, wie das halt bei einem Buch auch so ist. Mein Ex-Mann bezweifelte vor vielen Jahren, dass das alles so gewesen sei. Ich gab mir nicht viel Mühe, ihn zu überzeugen, es war nicht seine Welt.
                          Helen





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                          • Helen
                            Erfahrener Benutzer
                            • 04.02.2010
                            • 164

                            #14
                            Lindenberg

                            Anfang des Jahres 1913 übernahm ich auf dem dem Baron von Wolff gehörenden Gute Lindenberg als Administrator die Leitung seines landwirtschaftlichen Besitzes. Der Baron empfing mich mit den Worten: „Der Ruf Ihrer Strenge ist Ihnen voraus geeilt, die Leute haben alle gekündigt.“ Das war kein ermutigender Anfang und ließ mich Schlimmes erwarten. Ich behandelte die Leute vorsichtig und wo es ging, verschaffte ich ihnen Erleichterungen. Das hatte den erfolg, dass sie ihre Scheu verloren und willig ihre Arbeit verrichteten. Ihre Kündigungen zogen sie zurück oder sprachen nicht mehr davon, was den Baron sehr beeindruckte und worüber er sich mir gegenüber sehr erfreut äußerte.

                            Wenn ich auch in der Folge mit dem Baron sehr eng zusammenarbeitete, war unser gegenseitiges Verhältnis doch ganz anders als das zu Herrn v. Sivers gewesen war. Dieser war jünger als ich und wir lebten mehr wie Freunde als wie Herr und Angestellter nebeneinander. Baron von Wolff war der vornehme Grandsigneur, dessen herzlicher Liebenswürdigkeit man mit Respekt begegnen musste. Er interessierte sich außerordentlich für Neuerungen die ich einführte und unterstütze meine Pläne betr. Einführung einer intensiven künstlichen Düngung, für die er schon seit längerer Zeit eingetreten war, die aber mein Vorgänger als völlig unrentabel abgelehnt hatte. Ein Ereignis ist mir besonders im Gedächtnis haften geblieben. In der Nähe des Schlosses hatten wir ein großes Kleefeld. Es war sehr gut gediehen, die Pflanzen standen in der Blüte und hatten eine beträchtliche Höhe. Ich beorderte einen Mann mit einem Pferd auf das Feld und ließ ihn mit einer Ackerschleppe den Klee umlegen. Der Baron, der dies vom Fenster des Schlosses aus beobachtet hatte, kam eilends dazu und mit fassungslosem Gesicht fragte er: „Um Gotteswillen, was machen Sie da, wir sind doch froh, wenn der Klee steht und nicht liegt, und Sie lassen ihn umwalzen?“ „Herr Baron,“ erklärte ich ihm, „jetzt steht wohl der Klee, aber nach dem nächsten Regen oder wenn die Köpfe zu schwer werden, liegt er kreuz und quer, so dass er nur von einer, günstigstenfalls von zwei Seiten gemäht werden kann. Dieses Dilemma haben wir doch jedes Jahr. Ich verhindere es aber dadurch, dass ich den Klee mit der Schleppe so hinlege, wie es die Maschine braucht um ringsherum fahren zu können.“ „Donnerwetter, das leuchtet mir ein, und auf so eine einfache Sache ist hier noch niemand gekommen, das muss ich meinem Nachbarn erzählen“ rief er ganz begeistert aus und begab sich schleunigst wieder nach Hause, wahrscheinlich ans Telefon.

                            Der Stolz des Barons war seine Viehherde. Alljährlich stellte er in Riga die gezüchteten Jungbullen aus mit denen er schon viele Preise erzielt hatte. Er erzählte mir, dass die Genossenschaftsmolkerei in Riga eine Kuh besitzt, die tägl. 30 Stof liefert (1 Stof = 1,2 L). Sein Ehrgeiz ließ ihn mich fragen, ob ich es mir wohl zutraue, ihm eine Kuh zu schaffen, welche dies Ergebnis noch übertreffe. Ich sagte ihm, dazu müsste ich erst nach Riga fahren um an Ort und Stelle die Verhältnisse zu erfahren, welche die Kuh zu dieser Leistung befähigen, wahrscheinlich würde mir aber diese Einsichtnahme verweigert werden. „Das ist nicht zu befürchten, denn ich habe dort auch ein Wort mitzusprechen.“ sagte er darauf. Mit einem Schreiben des Barons an den Direktor der Molkerei in der Tasche machte ich mich auf den Weg nach Riga. dort machte man mir keinerlei Schwierigkeiten, so dass ich die Fütterung dieser Kuh genau studieren konnte. Bald stellte ich fest, dass von einer Rentabilität nicht gesprochen werden konnte, denn die Kosten des Kraftfutters überstiegen den Wert der erzeugten Milch ganz bedeutend. Es war also nur eine Reklamekuh. Nachdem ich dem Baron von dem Ergebnis meiner Feststellungen berichtet hatte, bemerkte er ganz richtig, dass in unserem Falle nicht in der Lieferung von Milch die Rentabilität zu suchen sei sondern sie sich in den Preisen ausdrückte, die man für die aus der Kuh gezogenen Nachzuchttiere erhalte.

                            Ich suchte also eine Kuh aus, stellte sie besonders und fütterte sie selbst. Der Versuch mit dieser Kuh war ein Fehlschlag. Ich versuchte es mit einer anderen, doch wieder war es ein Misserfolg. Erst mit dem dritten Tier hatte ich Erfolg. Nach zwei Monaten gab sie 32 Stof Milch, war also jetzt die beste Kuh des Herdbuch-Vereins. Aus Freude darüber schenkte mir der Baron ein wertvolles Ölgemälde.

                            Mit dem Forst hatte ich in Lindenberg nichts zu tun. Dieser unterstand dem Oberförster, einem Grafen von Lambsdorff. Das Herumstreifen in den Wäldern und die Ausübung der Jagd fehlten mir sehr. Meine Gewehre hingen an der Wand und blieben dort hängen bis sie bei Ausbruch des Krieges von der russischen Polizei abgeholt wurden.

                            Mein ganzes Interesse beschränkte sich auf die Landwirtschaft in der ich gute Erfolge aufweisen konnte. Nun ist es ja keine Kunst, in einem Betriebe Erfolge zu erzielen, in welchem bisher nur extensiv gewirtschaftet worden war, wo man auf Anwendung von Kunstdünger und modernen Maschinen verzichtet hatte. Ich hatte ja keinen mustergültigen Betrieb übernommen, in dem es nichts zu verbessern gab, in dem ich nur hätte darauf bedacht sein müssen, ihn auf der gleichen Höhe zu halten. Es war für mich eine große Genugtuung, wenn der Baron öfters einen seiner Nachbarn einlud und diesem die von mir eingeführten Neuerungen zeigte, wodurch auch die Nachbargüter zur Nachahmung angeregt wurden.
                            Zuletzt geändert von Helen; 12.08.2017, 16:57.

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                            • corinna
                              Erfahrener Benutzer
                              • 09.07.2009
                              • 674

                              #15
                              Hallo Helen,

                              ich will Dich natürlich nicht überreden, aber heute gibt es so viele "Kindheitserinnerungen" aus heutiger (!) Zeit, die als Büchlein - auch stadtteilweise - veröffentlicht wurden, dass sowas, wie Du besitzt, wirklich so unglaublich viel wertvoller ist.

                              Aber ich finde es toll, dass Du es hier hereinschreibst, hier ist es für viele bestimmt mehr als interessant!

                              Dir ein schönes Wochenende,
                              Corinna
                              Immer noch auf der Suche nach:
                              PÄTZOLD, VOGEL, KALASSE, HABISCH, NITSCHKE aus Oberschlesien, sowie Rieck in Hamburg und Kröß.

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