Als Kind ins Heim gekommen - Wie erfahre ich die Vorgeschichte?

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  • Anja
    Benutzer
    • 08.10.2008
    • 90

    Als Kind ins Heim gekommen - Wie erfahre ich die Vorgeschichte?

    Mein Großvater, der leider schon lange tot ist, ist 1925 in Bonn geboren. Irgendwann ist er dann ins Kinderheim gekommen. Leider weiß ich weder wann, noch warum. Auch meine Mutter und ihre Brüder wissen nicht, warum er ins Waisenhaus kam.
    Hat jemand eine Idee, wie ich die Geschichte rekonstruieren kann?
    Leider weiß ich auch nicht genau, in welchen Heimen er war. Nur eins kenne ich mit Namen, und das existiert schon seit dem Krieg nicht mehr, und die Heimleiter sind nach Uruguay ausgewandert. Unterlagen gibt es auch keine mehr (Knabenheim Kemperhof in Koblenz-Moselweiß).


    Die Abstammungsurkunde meines Großvaters habe ich bekommen. Da stehen zwar die Namen der Eltern drin, aber nicht, woher sie kamen...


    Wer hat einen heißen Tip für mich?
    HELLENDAHL, HEYER und RADERMACHER im Rheinland
    SIMON, ROHFLEISCH, und WALLSTEIN in Schlesien
    SCHLAPEIT und RIEHS in Ostpreussen
  • Alvire
    Benutzer
    • 09.10.2008
    • 81

    #2
    Da du den Namen des Kinderheims kennst, musst du nur noch herausfinden, zu welcher Gemeinde es gehoerte und in dem zuständigen Archiv anfragen. Wenn dieses Kind tatsächlich Waise war und dort Aufnahme fand, wurde es registriert und auch festgehalten, woher er kam und wohin er dann ging. Ist er aber nur deshalb dort gewesen, weil seine Eltern auf der Suche nach einer neuen "Heimat" waren, die Wege wurden in der Regel zu Fuss gemacht und die Kinder wegen der zu erwartenden Strapazen erstmal in eine Einrichtung dieser Art verbracht, wurde er als Durchgangskind in der Regel nicht dokumentiert. Mit ein bisschen Glueck kann man dir neben der Auskunft (gefuehrt oder eben nicht gefuehrt) noch eine Kopie des Hausfotos geben.

    Neben Eltern auf der Suche nach einer neuen Heimat, war das auch die übliche Verfahrensweise von Wanderpredigern. Wenn du die Möglichkeit in Betracht ziehst, das dein Urgrossvater ein Wanderprediger gewesen sein könnte, richte deine Anfrage noch an das Landeskirchliche Archiv in Stuttgart, das soweit ich weiss das einzige Archiv ist, das noch Unterlagen über Wanderprediger hat. Du kannst auch noch im Ortsarchiv nach sog. Pflegschaftsakten fragen.

    Die Urgrosseltern haben in Bonn ein Kind zur Welt gebracht. Ansprechpartner ist dann das zuständige Pfarramt. Dort wird man dir sagen können, wohin die Kirchenbücher dieser Zeit gebracht wurden.
    Zuletzt geändert von Alvire; 31.10.2008, 00:51.

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    • Anja
      Benutzer
      • 08.10.2008
      • 90

      #3
      Danke für die ausführliche Antwort.
      Das mein Großvater "Durchgangskind" war, kann ich ausschließen. Er ist als Kind ins Heim gekommen und wurde dann als Jugendlicher vom Heim aus in den Kriegsdienst eingezogen. Er verbrachte also beinahe seine komplette Kindheit im Waisenhaus. Außerdem wird sein Vater in der Abstammungsurkunde als "Dienstmann" bezeichnet.

      Ich muss nun also herausfinden, zu welcher Gemeinde das Kinderheim gehört hat. An welche Stelle muss ich mich denn dann wenden? An das Stadtarchiv?
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      • Alvire
        Benutzer
        • 09.10.2008
        • 81

        #4
        Stadtarchiv ist korrekt, denn am 1. april 1902 erfolgte die Wiedereingemeindung zur Stadt Koblenz. Aber... Ein umfangreicher Teil des Gebiets gehörten Klöstern und Stiften. Dann kann es sein, das du eher Erfolg im Pfarramt der St. Laurentius Kirche hast.

        Vielleicht ist es aber leichter, du fängst mit deiner Suche von hinten an. Nämlich bei seinen Eltern. Sie brachten 1925 in Bonn einen Jungen zur Welt. Das heisst, die Eltern werden auf jedenfall zu diesem Zeitpunkt dort gelebt haben. Stichwort: Kirchenarchiv Bonn. Geburtseintrag prüfen und Taufeintrag suchen. Mit diesen Informationen kannst du dann entspannter weiter arbeiten.

        Den Dienstmann gab es in Varianten. Zum einen nannte man "Soldaten" so, das aber eigentlich nur im Mittelalter. Zum anderen waren Dienstmänner Menschen, die irgendwelches Stückgut oder Koffer transportierten. Die Bezeichnung galt aber auch für Menschen, die zu Geld- oder Frondienstleistungen verpflichtet waren. Fuer deinen Urgrossvater eigentlich nicht zutreffend, falsche Zeit.

        Viel Spass beim puzzlen.

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        • gudrun
          Erfahrener Benutzer
          • 30.01.2006
          • 3277

          #5
          Hallo

          versuch doch die Meldebescheinigung von Bonn zu bekommen. Wenn das Kind in Bonn geboren wurde, kann man annehmen, daß die Eltern auch in Bonn gelebt haben.

          Viel Glück
          wünscht
          Gudrun

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          • Alvire
            Benutzer
            • 09.10.2008
            • 81

            #6
            Knabenwaisenhaus Kempferhof

            Schau mal, hier habe ich einen Bonbon für dich.

            Das neue Heim wurde offiziell erst am 22. Oktober 1913 - also genau am Geburtstag der früheren Kaiserin - seiner Bestimmung übergeben. Angesichts der Geburtenentwicklung in der Stadt waren die Kapazitäten bereits 1920 ausgereizt. ......Die Wende brachte ein Entschluss des katholischen Männervereins. Der sah sich angesichts der dramatisch zunehmenden Inflation gezwungen, sein in der Moselweißer Gemarkung gelegenes und seit 1861 bestehendes Knabenpensionat Kemperhof aufzulösen.
            .....Nicht nur vor dem Hintergrund dieser langen Geschichte war das Aus sicherlich keine leichte Entscheidung. Hatte man doch erst Ende 1908 nach Plänen des bekannten Koblenzer Architekturbüros Huch & Grefges einen Neubau zur Unterbringung der Waisenknaben fertig gestellt. Diese Kinder waren ursprünglich in dem 1851 nach Plänen des Baumeisters Adolf Osterhaus errichteten Altbau untergebracht, der Keimzelle des späteren Krankenhauses Kemperhof werden sollte.Der notarielle Vertrag, der den Ankauf besiegelte, wurde am 22. Februar 1921 unterschrieben. Der Kaufpreis betrug 1,75 Millionen Reichsmark. Außerdem zahlte die Stadt Koblenz weitere 250 000 Reichsmark für die in Folge des Verkaufs im Knabenwaisenhaus vorzunehmenden Umbauten in der Schule und zur Stärkung des Pensionsfonds für die ehemaligen Lehrer.
            .....
            Auffallend ist, dass in den Akten nur selten von den weiteren Entwicklungen im Waisenhaus gesprochen wird. Sicher ist aber, dass der Ankauf des gesamten Areals nicht ganz geräuschlos über die Bühne ging. Und das Waisenhaus, vor allem aber die Privatschule, spielte dabei eine zentrale Rolle.
            Die rechtlichen Querelen sollten fast 16 Jahre andauern und mit einem Vergleich enden, über den der Stadtrat abschließend am 4. März 1937 beriet. Demnach wurde kräftig nachgebessert. Der katholische Männerverein erhielt einen "Nachschlag" in Höhe von 105 405 Reichsmark, der sich aus einem Hauptbetrag und der Entschädigung für den Zinsausfall zusammensetzte. Der Vergleich wurde dem Verein am 15. Mai 1937 zugestellt. Der nahm das Angebot am 4. Juni 1937 an. Gut ein Jahr später wurde der Schulbetrieb eingestellt.

            Der Beitrag basiert auf Auszügen aus der Kemperhof-Festschrift "200 Jahre Dienst am Menschen".

            Dein Opi war also entweder wirklich als Waise dort, oder "Insasse" der Privatschule. Das Kemperhof Areal existiert immer noch.

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            • Anja
              Benutzer
              • 08.10.2008
              • 90

              #7
              Vielen Dank für Eure Antworten!

              Ich habe jetzt erstmal eine Anfrage an das Stadtarchiv Koblenz geschickt. Mal sehen, was für eine Antwort ich da bekomme.

              @alvire: Meine Mutter erinnert sich, dass mein Opa mal erzählt hat, dass sein Vater Kofferträger gewesen ist. Das kommt also schonmal hin..

              Dass das Areal noch existiert, weiss ich schon. Allerdings befindet sich dort heute ein Krankenhaus.

              Mein Großvater war mit ziemlicher Sicherheit als Waise im Kemperhof, meint meine Mutter...
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              • Anja
                Benutzer
                • 08.10.2008
                • 90

                #8
                kleines Update:

                Heute bekam ich einen Anruf von einem sehr netten Herrn vom Bürgeramt der Stadt Koblenz. Er konnte mir sagen, dass mein Großvater von 1928 bis 1931 in diesem Koblenzer Kinderheim war.

                1931 (als er also sechs Jahre alt war) wurde er dann nach Münstermaifeld (Polch / Kreis Mayen) umgemeldet. Jetzt habe ich mich mal an die dortige Meldestelle gewendet, um zu erfahren, wie es mit meinem Opa weiterging.

                Der nette Mann vom Bürgeramt Koblenz war wirklich sehr, sehr hilfsbereit und hat mir alle Fragen beantwortet, die ich noch so hatte.
                Toll, wenn man so positive Erfahrungen machen kann
                HELLENDAHL, HEYER und RADERMACHER im Rheinland
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