"von dem Sterbefall aus eigenem Wissen unterrichtet zu sein"

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  • Friedrich
    Moderator
    • 02.12.2007
    • 11326

    #16
    Moin zusammen,


    dass der Bestatter die Benachrichtigung beim Standesamt übernimmt, ist auch heute noch üblich. Insoweit also Tischler = Bestatter = Übermittler der Todesnachricht auch für mich völlig plausibel, aber:


    Unabhängig vom Tischler: Ich bin mir nicht sicher, ob jeder, der die Meldung abgab, aus eigener Wissenschaft unterrichtet zu sein, wirklich die Leiche gesehen hatte. Auf dem Dorf genügte meiner Meinung nach oft schon, wenn zum Beispiel der Nachbar zum Standesamt geschickt wurde, ohne die Leiche gesehen zu haben. Man kannte sich, und der Nachbar wusste, dass die Familie des Verstorbenen ihm keinen Bären aufband, und der Standesbeamte wusste das auch. Ich denke, das wurde so interpretiert, als ob der Nachbar die Leiche gesehen hätte. Oder hat schon mal jemand eine Formulierung im Sterbebuch wie "Der Anzeigende erklärte, über den Sterbefall durch N.N. informiert zu sein" gefunden?


    Friedrich
    "Bärgaf gait lichte, bärgop gait richte."
    (Friedrich Wilhelm Grimme, Sauerländer Mundartdichter)

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    • scheuck
      Erfahrener Benutzer
      • 23.10.2011
      • 4383

      #17
      Hallo,

      nein, die von Dir genannte Formulierung habe ich noch nirgends, gesehen, Friedrich

      Mit der "eigenen Wissenschaft" war das durchaus üblich, obwohl ich eine Sterbe-Urkunde aus Ruhrort 1882 habe, da hat ein Nachbar den Tod gemeldet.
      Nein, wirkliches "Wissen" konnte der nicht preisgeben; noch nicht mal den FN konnte er richtig nennen, so steht da HaasterT.

      Statt des üblichen Satzes steht geschrieben, "... zu Ruhrort in des Anzeigenden Gegenwart .... verstorben sei, worüber er ein Todtenattest überreicht".
      Herzliche Grüße
      Scheuck

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      • AKocur
        Erfahrener Benutzer
        • 28.05.2017
        • 1371

        #18
        Hallo,

        hier mal die für die Fragestellung wichtigen Paragraphen aus dem Gesetz über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung von 1875
        Fünfter Abschnitt. Beurkundung der Sterbefälle.
        §. 57. Zu der Anzeige verpflichtet ist das Familienhaupt, und wenn ein solches nicht vorhanden oder an der Anzeige behindert ist, derjenige, in dessen Wohnung oder Behausung der Sterbefall sich ereignet hat.
        §. 58. Die §§. 19 bis 21 kommen auch in Beziehung auf die Anzeige der Sterbefälle zur Anwendung.
        Findet eine amtliche Ermittelung über den Todesfall statt, so erfolgt die Eintragung auf Grund der schriftlichen Mittheilung der zuständigen Behörde.
        §. 19. Die Anzeige ist mündlich von dem Verpflichteten selbst oder durch eine andere aus eigener Wissenschaft unterrichtete Person zu machen.
        Vor allem in Hinblick auf § 57 würde ich "aus eigener Wissenschaft" definitiv so deuten, dass der Tote vom Anzeigenden mit eigenen Augen gesehen worden seien sollte. Und da man ja wohl üblicherweise früher die Verstorbenen zu Hause aufbahrte, damit sich Familie und Freunde vor der Beerdigung verabschieden konnten, wüsste ich jetzt nicht, warum man jemanden zum Standesamt schicken sollte, der die Leiche nicht gesehen hatte.

        LG,
        Antje

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        • GiselaR
          Erfahrener Benutzer
          • 13.09.2006
          • 2182

          #19
          Antje,
          bin völlig einig mit dir. vor fast genau 52 Jahren hatten wir selbst noch eine Aufbahrung zu Hause im Wohnzimmer. Die Trauerfeier mit Pfarrer, großen Kerzen, Riesen-Familienbibel fand dort statt. Das Prozedere der Meldung auf dem Amt war schon das "moderne", wenn ich mich richtig erinnere (ich war kurz vor 12), auch war der Sarg geschlossen, aber wenn ich mir anhand dieser Erfahrung vorstelle, was früher üblich war, wenn der Sarg geöffnet war und meistens auch noch Totenwache gehalten wurde, dann ist es absolut plausibel, daß ein Nachbar "eigene Wissenschaft" haben konnte.
          Grüße
          Gisela
          Ruths, Gillmann, Lincke,Trommershausen, Gruner, Flinspach, Lagemann, Zölcke, Hartz, Bever, Weth, Lichtenberger, von der Heyden, Wernborner, Machwirth, von Campen/Poggenhagen, Prüschenk von Lindenhofen, Reiß von Eisenberg, Möser, Hiltebrandt, Richshoffer, Unger, Tenner, von Watzdorf, von Sternenfels

          Kommentar

          • Friedrich
            Moderator
            • 02.12.2007
            • 11326

            #20
            Ich bin nach wie vor der Meinung, dass es sich bei der "eigenen Wissenschaft" nicht darum handelt, dass der Anzeigende die Leiche gesehen haben muss, auch wenn es so gemeint war. Das ist bestimmt oft anders gehandhabt worden.



            Friedrich
            "Bärgaf gait lichte, bärgop gait richte."
            (Friedrich Wilhelm Grimme, Sauerländer Mundartdichter)

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            • AKocur
              Erfahrener Benutzer
              • 28.05.2017
              • 1371

              #21
              Zitat von Friedrich Beitrag anzeigen
              Das ist bestimmt oft anders gehandhabt worden.
              Glaube ich eher nicht. Aber um Klarheit zu haben, hab ich noch mal in die Google-Bücher geschaut und bin fündig geworden.

              Das Reichsgesetz über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung vom 6. Februar 1875 mit der Ausführungsverordnung des Bundesraths vom 22. Juni 1875. (3. Aufl. 1876) [Link]

              § 19.
              Die Anzeige ist mündlich (1) von dem Verpflichteten selbst
              oder durch eine andere aus eigener Wissenschaft (2) unterrichtete
              Person (3) zu machen.
              (2) aus eigener Wissenschaft. Davon, daß dies der Fall sei, hat sich der
              Standesbeamte zu überzeugen und solches bei der Anzeige festzustellen.
              (3) oder durch eine andere aus eigener Wissenschaft unterrichtete Person.
              Hienach sind auch andere Personen, als die verpflichteten, soferne die im Gesetze
              vorausgesetzte Thatsache der eigenen Wissenschaft zutriftt, zur Anzeige eventuell
              verpflichtet und berechtigt. Als solche berechtigt hatte der Antrag der VIII.
              Commission des Reichstags namentlich die Verwandten und Verschwägerten des
              Kindes, die Hausgenossen der Eltern desselben bezeichnet. (Commissions-Entwurf
              § 4 Abs. 2.) der Standesbeamte braucht sich aber damit nicht zu begnügen.
              (S. Note 6 zu § 18). Er wird im Gegentheil wohl daran thun, den § 21
              nicht aus dem Auge zu lassen, wenn der Grund, warum nicht die zuerst oder
              früher verpflichtete Person selbst die Anzeige macht, nicht vollständig klar und
              anstandslos ist. Es könnten sonst leicht Täuschungen oder doch Irrungen eintreten.
              In Uebereinstimmung hiemit steht eine Verfügung des k. Preuß. Oberpräsidenten
              der Provinz Schlesien vom 15. Juli 1875 (Standesb. a. a. O. S. 166), worin
              es heißt: „Wenn sehr häufig die Anmeldung nicht von den zuerst, sondern von
              später verpflichteten oder gar von dritten Personen, wie Dienstboten, Lohndienern
              etc. erstattet wird, so ereignet es sich dabei vielfach, daß die Anzeigenden über
              die Personalverhältnisse nicht genügend unterrichtet sind und sich dadurch Irr-
              thümer in die aufzunehmenden Verhandlungen einschleichen. Wird der Irrthum
              nicht rechtzeitig entdeckt und berichtigt, so können dadurch schwere Nachtheile für
              einzelne Personen entstehen, wie namentlich in Erbschaftsangelegenheiten. Soll
              aber die aufgefunden falsche Angabe berichtigt werden, so muß in umständlicher
              Weise eine Vernehmung der Betheiligten stattfinden, die Verhandlungen der
              Aufsichtsbehörde eingereicht werden, und darf erst, nachdem das Gericht die Be-
              richtigung beschlossen hat, die letztere erfolgen (§§ 65 und 66 des Gesetzes). Es
              liegt also im allseitigen Interesse, auch in dem des Standesbeamten, die Re-
              gistrierung falscher Angaben möglichst zu vermeiden. Zu diesen Behufe müssen
              die Standesbeamten für ebenso berechtigt, wie verpflichtet gehalten werden, dritte
              Personen
              , die die Anmeldung überbringen, ganz zurückzuweisen, sobald
              sie Grund zu der Annahme finden, daß dieselben nicht vollständig oder
              falsch informiert sind, und in gleicher Weise bei dem Erscheinen von später Ver-
              pflichteten Nachfrage zu halten, warum nicht die zuerst Verpflich-
              teten ihrer Anzeigepflicht nachkommen und event. deren Erscheinen
              auf dem Standesamte zu verlangen (§ 21). Mit Rücksicht auf die Wich-
              tigkeit dessen, daß das Vorhandensein falscher Angaben in den Registern ver-
              mieden werde, sowie daß die Vornahme weitläufiger Berichtigungen möglichst
              unnöthig gemacht werden, kann ich den Standesbeamten nicht genug empfehlen,
              ihre Aufmerksamkeit diesem Punkte zuzuwenden.“

              § 21.
              Der Standesbeamte ist verpflichtet, (1) sich von der Rich-
              tigkeit der Anzeige (§§ 17 bis 20), wenn er dieselbe zu be-
              zweifeln Anlaß hat, in geeigneter Weise (2) Ueberzeugung zu
              verschaffen.
              (1) ist verpflichtet. Das Gesetz weicht von dem Reichstagsentwurf und dem
              preußischen Gesetz darin ab, daß in den letzteren nur gesagt ist, den Standes-
              beamten “bleibt überlassen“. Die frühreren Entwürfe hatten ebenfalls die
              Verpflichtung des Standesbeamten zu den fraglichen Nachforschungen ent-
              halten. Die Erfüllung dieser Verpflichtung ist für den Standesbeamten dringend
              geboten, da die Zuverlässigkeit der Beurkundungen für die Feststellung von
              Rechtsverhältnissen auf Jahre hinaus davon abhängt, und Irrungen oder gar
              Täuschungen unwiderbringlich schaden können. (S. Note 3 zu § 19 oben.)
              (2) in geeigneter Weise Ueberzeugung zu verschaffen. Dieß kann nament-
              lich durch Einvernehmen von Personen geschehen, welche muthmaßlich von der
              Sache Kenntniß haben, u.B. von Verwandten, Hausgenossen und dergl. Der
              Standesbeamte ist auch berechtigt und verpflichtet, sich Atteste, namentlich
              Taufscheine, Geburtsurkunden, Todtenscheine, Sterbeurkunden, namentlich Trau-
              scheine vorlegen zu lassen, wenn er solches zur Richtigstellung eines von ihm
              in die Register einzutragenden Umstandes für erforderlich hält. Er ist befugt,
              Personen, welche ihm die verlangte Auskunft verweigern, nach § 68 Abs. 3
              durch Geldstrafen dazu anzuhalten.
              → Das Buch ist eine kommentierte Fassung des Gesetzes mit umfassender Erläuterung jedes einzelnen Paragraphen. In der Gesamtheit also lesenswürdig, wenn man wissen möchte, wie die Standesbeamten vorgehen sollten.

              Gesetz und Recht im Krankenhaus (1930) [Link]
              XVI. Meldepflicht an den Standesbeamten auf Grund des Personenstandsgesetzes.

              A. Anzeigepflicht der Geburten.
              4. Form der Anzeige.
              1. Die Anzeige ist in der Regel mündlich zu erstatten (§ 19). Wenn der Verpflichtete nicht selbst erscheint, kann er die Anzeige durch eine erwachsenen andere Person erstatten lassen, doch muß diese selbst aus eigener Wissenschaft von der Geburt unterrichtet sein. So sind z.B. Hebammen, Ärzte, Hausgenossen, die nach der Geburt hinzukommen und Mutter und Kind sehen, aus eigenener Wissenschaft unterrichtet und anzeigeberechtigt. Ein bloßes Hörensagen genügt nicht zur Anzeigeberechtigung.
              Entspricht die Angabe, daß die betreffende Person bei der Geburt zugegen war, oder aber aus eigenener Wissenschaft unterrichtet ist, nicht den Tatsachen, so liegt Strafbarkeit aus § 271 RStGB vor.
              2. [...]

              B. Anzeigepflicht der Sterbefälle.
              4. Form der Anzeige.
              Hierüber gilt dasselbe wie das unter A IV Gesagt.
              → Damit sollte dann, denke ich, alles klar sein. Ein bloßes Hörensagen genügt nicht [...] Man musste zumindest die vollende Tatsache (bei Geburt Mutter u. Kind, daher wohl bei Sterbefall den Toten) gesehen haben.

              Ich will nicht ausschließen will, dass es hier und da mal vorgekommen ist, dass jemand, der nicht mal die Leiche zu Gesicht bekommen hat (und nicht aus anderem Grund dazu berechtigt war), zum Standesamt geschickt wurde, nur wäre das halt sogar strafbar gewesen (Urkundenfälschung).

              Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich (1871) [Link]
              §. 271.
              Wer vorsätzlich bewirkt, daß Erklärungen, Verhandlungen oder Thatsachen, welche für Rechte oder Rechtsverhältnisse von Erheblichkeit sind, in öffentlichen Urkunden, Büchern oder Registern als abgegeben oder geschehen beurkundet werden, während sie überhaupt nicht oder in anderer Weise oder von einer Person in einer ihr nicht zustehenden Eigenschaft oder von einer anderen Person abgegeben oder geschehen sind, wird mit Gefängniß bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu Einhundert Thalern bestraft.

              LG,
              Antje

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              • Ingenieur
                Erfahrener Benutzer
                • 20.03.2012
                • 279

                #22
                Ich habe einen Fall, in dem die Person 1944 bei einem Bombenangriff auf seinen Arbeitsplatz getötet wurde. Hier hat der Schwiegersohn, laut Sterbeeintrag im Standesamt, "aus eigener Wissenschaft" den Todesfall mündlich angezeigt. Begraben wurde diese Person auf einer Kriegsgräberstätte. Ob genau dieser Schwiegersohn den Toten noch gesehen oder identifiziert hat ist nicht bekannt. Ich könnte mir aber auch vorstellen, das dies von Arbeitskollegen/Polizei/Feuerweh gemacht wurde und dann die Familie offiziell informiert wurde und diese dann den Todesfall dem Standesamt "aus eigener Wissenschaft" anzeigte.

                Kommentar

                • Silke Schieske
                  Erfahrener Benutzer
                  • 02.11.2009
                  • 4399

                  #23
                  Schau an was da alles beigelegt werden sollte/hätte gemusst. Nach dem Geburtseintrag meines Ururgroßvaters hätte man meinen Urgroßvater dann aber wirklich noch fragen sollen. Dann wüsste ich heute wenigstens wie dessen Eltern hießen.

                  Ich hatte auch schon Sterbeurkunden, in denen im nachhinein der Vorname der verstorbenen Person geändert wurde. Also hat der Standesbeamte da tatsächlich nachgeprüft.


                  LG Silke
                  Wir haben alle was gemeinsam.
                  Wir sind hier alle auf der Suche, können nicht hellsehen und müssen zwischendurch auch mal Essen und Schlafen.

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