Körperlich Behinderte in früheren Jahrhunderten

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  • karlfriedrich
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    Körperlich Behinderte in früheren Jahrhunderten

    Ein Gedanke, mit dem ich mich schon eine Weile herumtrage, ist: Wie haben denn Menschen mit körperlicher Behinderung in früheren Jahrhunderten gelebt ? Es scheint wenig Erkenntnisse darüber zu geben. Gebe ich den Suchbegriff "Behinderte im Mittelalter" bei Google ein, erscheinen gleich oben zwei Seiten:



    und http://sonderpaedagoge.de/geschichte...d/ma/index.htm

    Darauf wird unter anderem hingewiesen, dass es an Rollstühlen fehlte. Die Wege wären auch nicht dafür geeignet gewesen, weil sie unbefestigt und voller Schlamm und Löcher waren. Arm- und Beinstützen, sog. Trippen, werden als ein Hilfsmittel genannt.

    Nicht nur durch Geburt, auch durch die häufigen Kriege mag es ja zu vielen Amputationen gekommen sein. Aber natürlich gab es auch Missbildungen von Geburt an. Wiederum kann ich der Seite entnehmen, dass Gesundheit als eine Belohnung angesehen wurde, die Behinderung dagegen als eine Fügung, wenn nicht gar als Strafe. Die Seite "Heilpädagogik" verrät, dass viele behinderte Kinder aus Angst vor Geistern gleich nach der Geburt getötet wurden. Da frage ich mich: Wie konnte das sein ? Und wer hat sie getötet ? Die Hebamme ? Sicherlich war die Kindersterblichkeit früher auch höher, aber die meisten sind doch eher eines natürlichen Todes gestorben ?

    Ich kann mir nicht vorstellen, dass für unsere Vorfahren ein Leben weniger zählte als für uns heute. Denn schon damals gab es das Gebot "Du sollst nicht töten". Und nicht zu vergessen, die Leute lebten damals in viel kleineren Gemeinschaften eng beieinander. Die Dörfer und Städte hatten bedeutend weniger Einwohner. Die Häuser waren dicht zusammengebaut, jeder bekam etwas vom anderen mit, es wurde über Zuzug und die Erteilung des Bürgerrechts entschieden. In so einer Gemeinschaft, die stark verknüpft und aufeinander angewiesen ist, sorgte man sich nicht auch um die körperlich behinderten Menschen ? Waren sie integriert, nahmen sie aktiv am Leben teil, oder hatten sie das Schicksal, nur den ganzen Tag im Bett liegen zu können...wurden schlimmstenfalls in ein dunkles Verlies gesperrt ?

    Das würde mich einfach mal so interessieren. Ich betreibe ja jetzt seit drei Jahren Ahnenforschung, habe aber in dieser Hinsicht noch nicht allzuviel herausgefunden. Vielleicht, wenn ich mehr in die Stadtarchive gehen würde, wäre das noch möglich. Nun, ich bin gespannt...
  • Garfield
    Erfahrener Benutzer
    • 18.12.2006
    • 2142

    #2
    Ich habe mich bisher eher über geistige Behinderungen informiert, aber ich denke, bei einigen Aspekten spielt es keine Rolle ob die Behinderung körperlich oder geistig war.

    Das Down-Syndrom ist an geistigen Behinderungen ja sehr gut erforscht. In einem Buch wurde versucht, möglichst viel über "früher" zu recherchieren. Fazit war, dass es sicher auch schon im Mittelalter Down-Sydrom und andere Behinderungen (glaubs da waren auch körperliche erwähnt) gab, aber sehr selten. Auch dort war die Rede davon, dass behinderte Kinder oft getötet wurden. Einerseits weil die Leute auch Angst vor Flüchen hatten, andererseits wird da sicher auch eine Rolle gespielt haben, dass man keine Leute ernähren konnte, die dann vielleicht nicht mitarbeiten können.
    Ähm, ich suche besser mal nach dem Buch .

    Noch vor 50 Jahren war die Sterblichkeit bei egal welchen Behinderungen noch viel grösser als heute, das dürfte "früher" also erst recht so gewesen sein.

    Mittelalterliche Trippen dienten übrigens nur dazu, mit den Lederschuhen nicht im Schlamm zu versinken bzw bei Kälte etwas zu isolieren. Mit den Dingern kann man kaum normal laufen, ich glaube nicht, dass die bei Gehbehinderungen eingesetzt wurden.
    Hingegen habe ich von Beinstützen gelesen, aber die gabs in der Form eher ab der zweiten Hälfte des 19. Jhd.
    Viele Grüsse von Garfield

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    • Dominik
      Erfahrener Benutzer
      • 23.06.2011
      • 965

      #3
      "Da frage ich mich: Wie konnte das sein ? "

      ...bedenkt man welche arten von aberglauben und ängsten früher eine feste rolle im alltäglichen leben der menschen hatte..plus die schon von garfield erwähnte unmögliche situation ein menschenwesen durchzufüttern, zu kleiden und zu schützen das nichts zu seinem lebensunterhalt beutragen konnte erklärt sich doch eig ganz von alleine wie sowas sein konnte...und seien wir mal ehrlich....der tod war da mehr oder weniger eine gnade...selbst in unserer heutigen zeit wo es alle erdenklichen möglichkeiten gibt um das leben mit einer behinderung erträglicher und einfacher zu machen würden wir keinem sowas wünschen...wie schrecklich muss ein solches leben erst damals gewesen sein...
      Liebe Grüße

      Dominik

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      • karlfriedrich

        #4
        Zitat von Dominik Beitrag anzeigen
        ...und seien wir mal ehrlich....der tod war da mehr oder weniger eine gnade...selbst in unserer heutigen zeit wo es alle erdenklichen möglichkeiten gibt um das leben mit einer behinderung erträglicher und einfacher zu machen würden wir keinem sowas wünschen...wie schrecklich muss ein solches leben erst damals gewesen sein...
        Das sehe ich völlig anders. Wer sagt denn, dass Behinderte nicht glücklich sind ? Es liegt doch an der Gesellschaft, diese aufzunehmen und so gut zu behandeln, dass sie sich wohl fühlen. Wenn ich als Behinderter von jedem abgelehnt werde, habe ich natürlich ein schlechtes Leben. Aber das muss ja nicht so sein.

        In früheren Zeiten, als die Dörfer noch viel kleiner waren und oft aus einzelnen Familienclans bestanden, die vom Kleinkind bis zur Uroma reichten, könnte ich mir daher vorstellen, dass es vielleicht auch eine größere Fürsorge gab, und die Behinderten nicht einfach in ein Heim abgeschoben wurden. Und die Behinderungen konnte man ja nicht nur von Geburt an oder durch eine Verletzung, etwa im Krieg, haben. Ich denke hier auch an alte Leute, die nicht mehr laufen können. Klar, für die ist es nicht schön, wenn sie dann nur noch in der Stube liegen, obwohl sie vielleicht im Geist noch ganz fit sind.

        Und so brutal können die Menschen damals ja auch nicht gewesen sein. Dann wären sie nicht so klug gewesen und hätten uns all jene Erfindungen beschert, die uns heute ein angenehmes Leben ermöglichen. Klar, andere Zeiten, andere Sitten. Sicherlich gibt es heute eine Reihe anderer Werte als bei unseren Vorfahren im 16. Jahrhundert. Aber jedes Mal, wenn ich mir so Aufzeichnungen durchlese, die ein paar hundert Jahre alt sind, kann ich mir schlecht vorstellen, dass die sooo anders waren. Es waren bestimmt Menschen wie wir, die Gefühle hatten, und auch Mitleid für Schwächere kann ihnen doch nicht ganz fremd gewesen sein.

        Kommentar

        • karin-oö
          Erfahrener Benutzer
          • 01.04.2009
          • 2633

          #5
          Hallo rolo!

          Über das Thema Behinderung in früheren Zeiten kann ich nur berichten, was ich aus den Kirchenbüchern und sonstigen pfarrlichen Aufzeichnungen meines Heimatortes herausgefunden habe.

          Geistig oder körperlich Behinderte wurden innerhalb der Familie versorgt. Sie mussten nach ihren Möglichkeiten am Hof mitarbeiten und wurden vom Hofbesitzer verköstigt. Natürlich konnten sie keine eigene Familie gründen waren immer auf die Unterstützung der Verwandten (meist Eltern, dann Geschwister) angewiesen.
          Die Lebenserwartung war durch die fehlende medizinische Versorgung meist nicht sehr hoch.
          In den Totenbüchern liest man dann oft an Stelle der Berufsbezeichnung sowas wie "ein Krüppel" (für körperliche Behinderung) oder "ein blöder Mensch" (für geistige Behinderung).

          Später (im 19. Jahrundert) gab es in unserem Dorf, wie in vielen anderen auch, ein "Armenhaus". Das wurde von der Gemeinde bzw. Pfarre unterhalten und darin wurden Menschen aufgenommen, die keine Familie mehr hatten, von der sie versorgt wurden.
          Oft waren das kinderlose Witwen, alleinstehende Kriegsinvalide oder auch beeinträchtigte Menschen ohne Verwandte, die sich halbwegs selbst versorgen konnten. Sie bekamen im Armenhaus ein Dach über dem Kopf, eine kleine finanzielle Unterstützung und verrichteten nach Möglichkeit auch kleinere Arbeiten (Flicken, Botengänge, Erntehilfe usw.), die meist durch Naturalien (Lebensmittel oder Kleidungsstücke) abgegolten wurden.

          Wie das Leben dieser Menschen ausgesehen hat, wird von Fall zu Fall unterschiedlich gewesen sein. In manchen Familien waren sie (fast) vollwertige Mitglieder, anderswo kam es sicher auch vor, dass sie nur mehr oder weniger am Leben gehalten wurden und ein ziemlich trauriges Dasein fristen mussten.

          Aber hier kann man eben, wie so oft, nicht verallgemeinern.

          Schöne Grüße
          Karin

          Kommentar

          • Dominik
            Erfahrener Benutzer
            • 23.06.2011
            • 965

            #6
            @ rolo

            das mag ja so sein das du das anders siehst...aber das ändert nichts an der tatsache das behinderte früher gesellschaftlich gar nicht gut angesehen waren..teilweise gefürchtet, auf jeden fall verachtet waren...und sich diese situation auch oft nachteilig für die familie der behinderten person auswirkte...dazu kommt noch die fehlende med. versorgung.....sprich noch weniger lebensqualität...und im angesicht solcher fakten wäre der tod damals nun mal wirklich schlichtweg eine gnade gewesen...

            um von der heutigen situation auszugehen muss man einen unterschied machen zwischen geistig und körperlich behinderten...es gibt durchaus geistigbehinderte die ein glückliches leben führen..ich kenne zb zwei leute mit down..die sehr zufrieden sind...aber zb bein den rein körperlich behinderten sieht das schon wieder anders aus...da gibt es auch eine dementsprechende selbstmordrate...
            Liebe Grüße

            Dominik

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            • sternap
              Erfahrener Benutzer
              • 25.04.2011
              • 4072

              #7
              hallo dominik!

              vermutlich weisst du noch nicht, dass sich unter ahnenforschern, statistisch gesehen, ein höherer prozentsatz körperlich behinderter aufhält als anderswo.
              deine worte sprechen so etwa zehn prozent der hier anwesenden ab, ein lebenswertes leben zu haben und zu sein. der eine oder andere der "es wäre besser wenn sie nicht wären" übersetzte vielleicht deine texte oder gab dir hinweise zur ahnenforschung.
              warum und woher willst du beurteilen, ob ihr leben lebenswert ist oder nicht?

              du bist noch jung. vielleicht lebtest in deinem umfeld wie in einem reservat der gesünderen und stärkeren, wodurch du dir eine verständliche ängstlichkeit zuzogst, das leben sei nur ein solches, wenn man es als körperlich kompletter mensch erlebe, abweichende und schwächere hätten den tod vorzuziehen.
              hätte man dich in deiner welt bestärkt, deine kindheit mit menschen verschiedener körperlicher voraussetzungen zu teilen, hättest du heute kein vorgefertigtes urteil, das alle dir unähnlichen in einen topf der lebensverachtung wirft, es ist also nicht ihr mangel der zu dem urteil führt, sondern die dir vorenthaltene chance auf selbstverständliche begegnung mit körperlich beeinträchtigten.du stehst damit als mangelbehafteter mensch auf, und urteilst, mangel sei lebenshindernis.


              das zweite thema in deinem urteilenden satz ist die frage, ob vollwertig gelebtes leben am nur spassfaktor gemessen werden muss, oder ob der begriff der sozialen verantwortung als weiterer gradmesser genommen werden darf.
              ein schweres, von schmerzen begleitetes, körperlich kaum mehr erträgliches leben kann immer noch durch die verantwortung für andere sinn haben.


              vor kurzem spielte in westaustralien ein junger, körperlich sehr behinderter mann in der regieklasse, der erste der so ein studium trotz massiver beeinträchtigungen macht, den gesunden in einem stück den spiegel vor, wie sie sich ihm gegenüber von kindheit bis erwachsenenalter verhielten. die leute reagierten durchwegs betreten, weil ihnen da erst bewusst wurde, wie behindert sie als vermeintlich gesunde in ihrer aufnahme- und dialogfähigkeit waren.

              ich lasse dich zuerst antworten, dann möchte ich konkrete beispiele des umgangs mit behinderten der geburtsjahre zwischen etwa 1880 bis 1960 geben.



              sehr herzliche grüsse!

              sternap
              freundliche grüße
              sternap
              ich schreibe weder aus missachtung noch aus mutwillen klein, sondern aus triftigem mangel.
              wer weitere rechtfertigung fordert, kann mich anschreiben. auf der duellwiese erscheine ich jedoch nicht.




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              • Dominik
                Erfahrener Benutzer
                • 23.06.2011
                • 965

                #8
                @ sternap

                uhm..NÖ..ich hab keinerlei berührungsängste was das angeht..habe selbst zwei eig drei fälle in der familie

                aber indem was ich oben geschrieben habe geht es ja auch in erster linie nicht um heutige sondern um vergangene zeiten...und da bin ich halt der meinung das es für sie so besser war als zb im mittelalter ein gesellschaftlich ausgestoßenes leben zu führen und ohne med. unterstützung auskommen zu müssen...

                mein bester freund arbeitet ebenfalls mit körperlich behinderten menschen...und dadurch sehe ich halt auch oft wie viele dieser menschen mit ihrer situation unglücklich sind...(wobei sich das auf körperlich behinderte menschen bezieht..geistigbehinderte menschen sind von dieser art unglücklich sein nicht betroffen)

                und klar gibt es immer wieder beispiele wo behinderte menschen unglaubliches vollbringen und dabei sogar die "normalen..mir fällt leider kein besseres wort ein) um längen hinter sich lassen..aber das sind halt ausnahmen und nicht die regel..das darf man halt auch nicht vergessen....

                und ich habe in keiner weise gesagt das in der heutigen situation für behinderte menschen besser wäre nicht zu leben...heute gibt es ja viel mehr möglichkeiten ein normales leben trotz behinderungen zu führen..und dennoch ist es für viele betroffene schwierig teils sogar unmöglich...

                aber wie gesagt..meine sicht bezog sich in erster linie auf bereits vergangene zeiten..

                und natürlich bist auch du herzlichst gegrüßt:-)

                äh..von mir..natürlich
                Liebe Grüße

                Dominik

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                • Roswitha
                  Erfahrener Benutzer
                  • 10.10.2009
                  • 507

                  #9
                  Hallo,
                  im Mittelalter und in der frühen Neuzeit haben körperlich behinderte Menschen oft betteln müssen. Kleinwüchsige Menschen wurden im Zirkus ausgestellt. Dies betraf hauptsächlich die Menschen in den Städten. Das habe ich gelesen und leider den Bericht nicht wiedergefunden.
                  In den Dörfern war dies anders. Bei meinen Urgroßeltern lebten jeweils ein Bruder meines Urgroßvaters und meiner Urgroßmutter mit im Haus. Einer war körperlich und einer geistig leicht behindert. Da meine Urgroßeltern beide sehr früh starben waren die beiden den 6 Kindern eine große Hilfe. Aber trotzdem wurde für die Kinder ein Vormund eingesetzt. Das war so Ende des 19. Jahrhunderts.
                  Viele Grüße
                  Roswitha
                  Suche nach Kreutzburg, Kreuzburg, Creutzburg, Creuzburg.

                  Kommentar

                  • Dominik
                    Erfahrener Benutzer
                    • 23.06.2011
                    • 965

                    #10
                    jetzt hab ich glatt mein ps vergessen..also noch ein ps:

                    "deine worte sprechen so etwa zehn prozent der hier anwesenden ab, ein lebenswertes leben zu haben und zu sein"

                    sollte das jemand so aufgefasst haben tut mir das wirklich leid...das war in keiner weise so gemeint...wie gesagt..ich habe keinerlei berührungsängste mit behinderten menschen....und meine meinung zur heutigen situation unterscheidet sich natürlich auch (wie man ja auch in meinem ersten beítrag und auch betont im zweiten) von der sicht auf die situation der behinderten in der heutigen zeit....
                    Liebe Grüße

                    Dominik

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                    • Schlupp
                      Erfahrener Benutzer
                      • 27.03.2009
                      • 416

                      #11
                      Das ist ein interessantes Thema, welches sicherlich viel mehr Forschungspotential als letztendlich tatsächliche Quellen besitzt. Wir sollten m. E. jedoch nicht den Fehler machen, unsere heutige Sicht der Dinge 1:1 auf die Menschen von damals zu übertragen (was das Empfinden, den Umgang und die Stellung Hilfebedürftiger in einer Gemeinschaft etc.) angeht. Möglicherweise haben wir in unserem Fortschritt nicht nur Dinge gelernt, sondern auch verlernt, und das Zusammenfügen aus "früher war alles dunkler und armseliger" mit unserem Selbstverständnis von einer Leistungsgesellschaft, könnte hier Fehlschlüsse nach sich ziehen. Wahrscheinlich war die eine Familie/Dorfgemeinschaft einfach netter zu seinem behinderten Kind und die andere eben nicht - denn die persönliche Welt war nun mal weniger global und sprach in der Regel hauptsächlich diese beiden Bezugsräume an. (Ich überlege gerade inwiefern ein starker Gottglaube hier beeinflußt ... Geschenk/Strafe/anvertraute Aufgabe etc.)

                      Was ich aber eigentlich sagen wollte: Mir fiel Karins "blöd" auf - wozu zu sagen ist: Das Wort wurde früher viel vielschichtiger, aber dennoch präziser gebraucht. Ganz interessant sind zum Beispiel Standard-Erläuterungen wie bei Grimms (http://dwb.uni-trier.de/Projekte/WBB...?lemid=GA00001). Ich selbst kenne "Blödheit" als Synonym für Blindheit ("blödes Gesicht" - Thema wurde hier schon mal diskutiert) und durfte lesen, daß "blöd" wohl auch für allgemeine Leibesschwäche (grenzt hier also nicht von der Physis ab) gebraucht wurde, bzw. "blöde Frauen" solche genannt wurden, welche ihre Menstruation hatten. (Man denke zudem an "doof" = taub.) Das nur noch mal als Hinweis für die eigene Quellenforschung (die vielleicht aus dem Zusammenhang den genauen Gebrauch im Fall des Falles klären kann).
                      Woher stammen: 1) der Hirte Johann Peter Matthias TRIEGER (* um 1760, angeblich in Barby bei Magdeburg, V: Andreas Trieger), 2) der Hirte Michael BREITMEYER (* um 1727, V: David Breitmeyer, 1740er: wohnhaft in Schwanebeck bei Halberstadt)

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                      • Horst3
                        Erfahrener Benutzer
                        • 05.02.2009
                        • 323

                        #12
                        Hallo,

                        unter den digitalisierten Büchern bei Google findet man Auszüge aus dem Buch
                        "Die Stellung behinderter Menschen im mittelalterlichen Europa".
                        Auch wenn nur wenige Seiten einsehbar sind ... !

                        MfG

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                        • #13
                          In Bayern gibt es heute noch die Bezeichnung "Hausdepp" und das ist nicht mal negativ gemeint. Einen "Hausdepp" gab es nahezu auf jeden Hof und war ein körperlich oder geistig-behindertes Familienmitglied, das auf's Haus aufpasste, wenn der Rest auf den Feldern war, damit kein Feuer ausbrach und für einfache Arbeiten gut war. Insofern waren die meisten integriert. In meiner Kirchenbucheintragssammlung habe ich sehr viele Einträge, die darauf hinweisen, dass Kinder, die mit offensichlich schweren Behinderungen geboren wurden, zwar nicht umgebracht wurden, aber man hat ihnen auch keine besondere Pflege zukommen lassen, man hat sie etwas vernachlässigt, damit sich der Fall möglichst von selbst erledigte. Das kam sicher nicht immer vor und kam sicher auch auf den sozialen Stand der Familie vor, aber es gibt Hinweise darauf.
                          Bei Geistig behinderten habe ich einige Einträge, die von "Anketten", "an die Kette legen" oder im "Dollhaus anschließen müssen" reden.
                          Bei Bedarf kann ich gerne KB-Einträge hier zum besten geben.

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                          • Danichen
                            Benutzer
                            • 12.01.2009
                            • 28

                            #14
                            Ich finde es ein wirklich interessantes Thema

                            Soweit ich es weiß, übernahmen zu erst christliche Gemeinden Aufgaben der Versorgung und Betreuung der Betroffenen. In späteren Jahren waren es Klöster und Ordensgemeinschaften.
                            Bis ins 19.Jahrhundert hinein lebten Menschen mit einer B. in Großfamilien. Diese Familien waren meist als handwerkliche bzw. bäuerliche Lebensgemeinschaft organisiert.
                            Auch eine Reise über tausend Meilen beginnt mit einem Schritt <3 (Unbekannt)

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                            • Asphaltblume
                              Erfahrener Benutzer
                              • 04.09.2012
                              • 1500

                              #15
                              Der alte Hausarzt meiner Eltern meinte, dass Kinder mit Down-Syndrom (er sprach damals von "Mongolchen") früher häufig kurz nach der Geburt starben, weil sie nicht richtig saugen konnten. Eine vergrößerte Zunge und Muskelschwäche sind ja recht häufige Auswirkungen.
                              Auch an anderen Fehlbildungen starben Menschen mit Down-Syndrom meistens recht jung, nur wenige erreichten das Erwachsenenalter.

                              "Es ist besser so" ist sicherlich oft auch Ausdruck der Hilflosigkeit angesichts des frühen Todes von Behinderten oder Kranken, denen medizinisch nicht zu helfen war. Als Trost für die verwaisten Eltern stellt man den frühen Tod dann als Gnade dar, indem man als Alternative ein elendes Leben mit der Behinderung ausmalt.
                              Gruß Asphaltblume

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