Hallo Alex,
zunächst danke für Deine Umfrage! Ich möchte erst einmal mit einer scheinbar komplett unpassenden Frage antworten:
Angenommen, jemand würde euch sagen, dass er/sie nur an Kirchenbücher und Standesamtsunterlagen glaubt, aber Archive mit Bevölkerungslisten, Verkaufsakten etc. gar nicht berücksichtigt, weil er nicht daran glaubt. Was würdet ihr diesem Jemand sagen?
Vermutlich doch, dass man alle Möglichkeiten für weiteren Erkenntnisgewinn in Betracht ziehen sollte. Dass natürlich manche Informationen in Archivunterlagen vermutlich nicht zu finden sind, dafür aber andere, die man nie in den Kirchenbüchern gefunden hätte.
Meiner Meinung nach verhält es sich ganz ähnlich mit der Frage, ob man DNA-Analysen für die Familienforschung in Betracht ziehen sollte. Ja, es ist eine weitere Komponente, die zu neuen Ergebnissen führen kann. Nein, es ist nicht die "Mutter aller Weisheiten", die etwa die Forschung an schriftlichen Quellen ersetzen könnte.
Ich war einige Zeit lang sehr skeptisch, ob mir DNA-Analysen etwas bringen würden. Mütterlicherseits war meine Ahnenlinie ohnehin schon sehr gut erforscht, väterlicherseits (deutschstämmige Siedler in Mittelpolen) zwar nicht, aber zumindest schien es ja (wie für die allermeisten von uns) keine Vorfahren gegeben zu haben, die in die USA gingen und wieder zurückkehrten. Wie sollte da eine DNA-Analyse etwas bringen?
Und ja, auch die Frage nach dem Datenschutz hat mich eine Zeit lang sehr beschäftigt.
Irgendwann habe ich den Sprung dann doch gewagt, hauptsächlich aus Neugier. Ich habe sowohl die autosomale DNA, mitochondriale DNA und Y-DNA testen lassen. Das würde ich im Rückblick nicht mehr so machen. Die autosomalen DNA-Tests sollten für die meisten vollkommen ausreichend sein, um ihre Fragen zu klären. Aus den beiden anderen Tests haben sich für mich keine wirklich neuen Erkenntnisse ergeben.
Über die Nutzung möglichst vieler verschiedener Plattformen (MyHeritage, Ancestry, GEDmatch) konnte ich eine doch beachtliche Anzahl von DNA-Übereinstimmungen finden, die ich auch bestätigen konnte. Der Großteil davon waren Matches in meiner väterlichen Linie, die in Mittelpolen lebten. Und da wurde es nun sehr spannend. Denn neben zwei Brüdern meiner Urgroßmutter und einem Bruder meiner Ururgroßmutter, die in die USA und nach Kanada auswanderten, gibt es noch so einige weitere Seitenlinien, die den Weg über den großen Teich suchten. Ich habe so sicher um die hundert Fernverwandte gefunden, mit denen ich zu etwa einem Drittel auch im Kontakt war und bin.
Habe ich dadurch neue Vorfahren gefunden? Zunächst einmal nein. Aber während von meinem Vater kaum Bilder von seinen Vorfahren erhalten sind, brachten mich diese DNA-Übereinstimmungen zu Fernverwandten, die Bilder meiner Ur- und Urgroßeltern besaßen und auch noch Geschichten zu ihnen erzählen konnten. Schon das allein wäre mir jeden Test wert!
Um nun aber noch einmal auf das Argument einzugehen, man fände keine neuen Vorfahren über DNA-Tests: Das ist zwar generell auch bei mir so, aber mit einer Ausnahme: Es gibt eine Linie, die bei einem Vorfahren um 1800 endet, dessen Geburtsdatum und Eltern nicht nachweisbar sind, weil die Kirchenbücher nicht mehr existieren. Ich habe aber eine DNA-Übereinstimmung mit jemand, deren Vorfahr denselben Nachnamen trug und etwa zur gleichen Zeit am gleichen Ort geboren wurde - diesmal belegt durch Dokumente. Für diese Fernverwandte gibt es nun aber auch noch Informationen zur weiteren Vorfahrenlinie über mehrere Generationen. Fazit: Auch wenn ich natürlich keinen Beweis habe, ist das ein wunderbares Indiz, wie die Vorfahrenlinie eventuell (!) gewesen sein könnte. Und wer weiß, vielleicht finde ich ja in ein paar Jahren weitere Indizien, die diese Hypothese belegen können.
Nachtrag zum mitochondrialen DNA-Test: Ich schrieb oben, dass er mir nichts gebracht hätte. Ganz stimmt das auch nicht. Meine maternale Vorfahrenlinie (Mutter der Mutter der Mutter...) endet bei einer Familie, die um 1800 getaufte Juden waren. Und mein mtDNA-Test zeigt mir die Zugehörigkeit zur Haplogruppe
K1A1B1A, die unter den Ashkenazi-Juden sehr prominent ist. Also habe ich hier zumindest ein weiteres Puzzleteilchen zur Hand, dass diese Linie wohl in meiner Vorfahrenlinie richtig erforscht wurde.