Deutsch-Südwest ca 1910 Regierungsfarm Neudamm

Einklappen
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge
  • Victor2012
    Erfahrener Benutzer
    • 04.02.2012
    • 175

    Deutsch-Südwest ca 1910 Regierungsfarm Neudamm

    Hallo in die Runde, ist jemand bei seinen Forschungen auf diese Farm gestoßen, und weiß darüber etwas? Oder gibt es ein Buchtipp dazu? Einer meiner Ahnen war dort beschäftigt. Danke für die evtl. Hilfestellung sagt Victor2012
  • Kowalewski
    Erfahrener Benutzer
    • 28.08.2017
    • 156

    #2
    Hallo Victor2012,


    zur Forschung einzelner Farmen kann ich Dir empfehlen, Dich an Archiv und Bibliothek der NWG (Namibisch Wissenschaftliche Gesellschaft) zu wenden. Der dortige Leiter, Gunter von Schumann, ist ein wandelndes Lexikon der Landesgeschichte und kennt viele Quellen, in denen Du fündig werden könntest.


    Für einen allgemeinen Überblick hilft auch die Lektüre des Amtsblatts für das Schutzgebiet Deutsch-Südwestafrika. Die Ausgaben dieser Zeitung kannst Du kostenfrei Online einsehen.


    https://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/kolonialbibliothek/periodical/titleinfo/7736047


    Mein Urgroßvater kam 1899 erstmals in das damalige Deutsch-Südwestafrika und wanderte 1904 endgültig dorthin aus. Als Vermessungsingenieur war er u.a. auf der Farm Neudamm tätig. Den diesbezüglichen Auszug aus seinem Tagebuch füge ich in Abschrift bei, der Länge wegen in zwei Teilen.


    Teil 1:



    „Windhuk, im März 1905

    Im März 1905 hatte[n] der Bezirksamtmann v. Eschstruth und ich in Neudamm, einer Regierungsfarm 40 Kil. von Windhuk auf dem Wege nach Seeis entfernt, zu thun. Eschstruth hatte Forstkulturen anzulegen, ich hatte eine Nivellement von dem Wiesental zu machen, das in das Staubecken einmündet und von diesem auch einen

    Staudamm, eine etwa 6 m. hohe Mauer, angeschlossen ist. Am Freitag Nachmittag um 5 Uhr brachen wir von Windhuk auf unter Begleitung von Bergrat Duft und den Assessoren Blumhagen und Schottelius. Blumhagen, Schottelius und ich waren zu Pferde, Papa Duft und Eschstruth fuhren auf einer mit 4 Eseln bespannten 2rädrigen Federkarre, die auch unser Gepäck und einen Teil unseres Proviants mitführen sollte. Der Hauptproviant, sowie Zelt und Instrumente waren auf einer Ochsenkarre vorausgeschickt. Wir ritten bezw. fuhren den Jan Jonkerweg nach Kl[ein] Windhuk, wo wir bei der Bierbrauerei von Schmidt an der Avis Pforte den ersten Halt machten und uns mit einer Weiße erquickten. Dann ging es weiter bis nach Abrahamsfarm, woran wir Reiter, ziemlich weit hinter uns die Eselkarre zum großen Leidwesen von Papa Duft, der der Gefährlichkeit halber uns gern Alle zusammenhaben mochte. Der Weg, den wir ritten, die Hauptpa[d] nach Seeis, ist der denkbar schlechteste. Es geht bergauf und bergab. Links von der Pa[d] ist eine weite ziemlich busch[-] und strauchlose Ebene, am Horizont mit höheren Bergen, die mit niedrigem Busch bewachsen sind, begrenzt. Das Gelände rechts von der Pa[d] fällt in eine ziemlich tiefe Schlucht hinab, steigt aber jenseits der Schlucht wieder in die Höhe und

    geht in die östlichen Ausläufer des Auasgebirges über. Gegen 7 ½ Uhr kamen wir am Farmhause von Abraham an, einem freundlichen großen Gebäude mit weitläufiger Veranda, begrüßten den Farmbesitzer und seine Frau, ritten dann aber noch 5 Minuten weiter, um auszuspannen und abzu###, nachdem wir unsere Pferde und Esel in den Abrahamschen Viehkral[1] zurückgeschickt hatten. Es wurde ein mächtiges Lagerfeuer angezündet und der auf der Karre mitgenommene Proviant sollte verarbeitet werden; aber erstens kommt es anders, zweitens als man denkt[:] Die Kasinoordonanz hatte vergessen die Kisten aufzuladen und wir hatten leider nicht das geringste bei uns. Doch half man sich bald, Blumhagen und Schottelius gingen zur Frau Bella Abraham und holten frische Butter, Eier und einige kleinere Konserven und Eschstruth mit einem Polizeisergeanten ritt zum 1,5 Kil. weiter entfernt liegenden Farmhaus von Kap-Ulrich und kaufte Schinken, Brot und Getränke (Whisky u. Kognak), während Papa Duft und ich das Feuer unterhielten. Als die Herren wieder zurückkamen, konnte noch ein frugales Abendessen zubereitet werden, und der Humpen[,] der geschwungen wurde, ließ alle Müdigkeit und Ärger über die vergeßliche Windhuker Kasinoordonanz hinschwinden. Bis spät an den Abend wurde pokuliert

    und als schließlich die Zwillinge über den Kämmen des Auasgebirges erschienen, da war es Zeit sich zur Ruhe zu begeben. Ein jeder hüllte sich in seine Decken u. in seinen Schlafsack und machte es sich an seinem Plätzchen in der Nähe des Feuers so gemütlich, als er es eben konnte. Aber die grimmige Märzkälte ließ nicht lange schlafen; gegen 2 Uhr wachte ich auf und sah Papa Duft an dem noch glimmenden Feuer sich wärmend und die äußere Wärme durch Whisky nach innen übertragend. Ich tat wie er und mir folgte Blumhagen, sodaß sich um die mitternächtige Stunde um 2 Uhr an dem wärmenden Feuer ein Trinkgelage abspielte. Als die Whiskyflasche leer war, wurde weiter geschlafen; und diesmal hielt die Wärme bis 6 Uhr an, wann Wecken war, Kaffee getrunken und fortgeritten wurde. Bei Ka[p]s-Ulrichs Farm nach ¼ stündigem Ritt wurde der erste Halt gemacht und der erste Frühschoppen genehmigt. Das Farmhaus, ein langes kolossales Gebäude mit langer Veranda, war noch vollständig durch den Orlog mitgenommen (was die Hereros nicht zerstört hätten, hätten die Seesoldaten vernichtet, sagte man uns). Die Fenster waren zertrümmert, der Fußboden aufgerissen und die Türen aus den Angeln. Wenn das Wellblech nicht wieder auf die Dächer gelegt wäre, wäre der Trümmerhaufen

    fertig gewesen. Nun ging es weiter auf der Pa[d] entlang links und rechts Busch in einem 2stündigen Ritt nach Neudamm. Nach kleinen Fährnissen, Blumhagen war vom Pferde gefallen und hatte sich sein Gesäßbein ein wenig geschunden und Schottelius war von der Pa[d] abgekommen, kamen Blumhagen und ich gegen 12 Uhr in Neudamm an, nachdem die Pferdekarre mit Duft und Eschstruth vielleicht eine ½ Stunde eher angelangt war. Schottelius, der sich mächtig verritten hatte, passierte, gesucht von sämtlichen Bambusen[2] der Station, unter kräftige[m] Schimpfen und Fluchen um 1 Uhr ein. Als Alles zur Stelle war, wurde in dem schon am Vormittag aufgeschlagenen Zelt gut gegessen und getrunken. Der Nachmittag wurde dazu verwandt, die Station, das Staubecken, den Damm und den Forstgarten anzusehen. Die Polizeistation der Regierungsfarm Neudamm liegt auf der Höhe der Pa[d] und besteht aus 2 Steinhäusern, einem größeren und einem kleineren. In dem größeren wohnte in zwei kleinen Zimmern der Gärtner und seine Frau; und in einem größeren Zimmer in diesem Hause waren die Notstandsarbeiter untergebracht, von denen mir zu meiner Arbeit auch später 4 Mann überwiesen wurden. Das kleinere Haus wurde von dem Polizeisergeanten bewohnt. Das

    Plateau auf dem diese Häuser lagen, senkte sich ins Tal hinab, in dem der große Stauweiher lag, elipsenförmig, mit der einen Achse von 500 m. Länge, mit der anderen Achse von 100 m. Länge. Der Weiher wurde auf allen Seiten von natürlichen Höhen eingeschlossen bis auf eine, die den natürlichen Übergang bildete zu dem Wiesental, das gegen den Weiher durch eine 6 m. hohe Mauer abgeschlossen war. Über diese Mauer führte die Überleiter in die Bewässerungsgräben, die das ganze Wiesental durchziehen mußten. Zu diesem Zwecke sollte ich von dem Wiesental ein Nivellement anfertigen. Das Wiesental machte mit seinem hohen grünen Gras einen freundlichen Anblick; auch dieses wurde gerade wie der Weiher durch natürliche Höhen, die mit niedrigen Büschen bewachsen waren, eingeschlossen. Neben dem Wiesental lag die Militärstation, ein einfaches Steinhaus, aber freundlich unter mächtig hohen Bäumen. Daran schloß sich der Forstgarten an, in dem alle möglichen Obst[-] und Baumkulturen angelegt waren und fleißig gesät wurde; er sollte einen Versuchsgarten darstellen. Unweit dieses Gartens lag einsam und verlassen das Grab eines Engländers James Buff, dem früher einmal Neudamm

    gehört hatte; jetzt aber dachte keiner mehr an ihn. Nachdem wir uns diese Herrlichkeiten angesehen hatten, Eschstruth und ich noch etwas auf die Jagd geritten waren, aber ohne Erfolg, setzten wir uns vor das Zelt und nahmen unser Abendbrot ein, wobei der Bierkiste, die mit der Ochsenkarre geschickt war, wacker zugesprochen wurde. Die Nacht brachten Duft und Eschstruth im Zelte zu; wir 3 andern lagen in der Nähe desselben, in unsere Decken u. Schlafsäcke eingehüllt, unter freiem, klaren Himmel, über uns die blitzenden Sterne. Am folgenden Tag, an einem Sonntag, besuchte uns Reg[ierungs-] Rat Tecklenburg. Er ritt um 4 Uhr Nachmittags wieder ab[,] von Eschstruth und mir auf die Pa[d] gebracht, womit wir beide einen 2stündigen Jagdritt verbanden und so auf Umwegen wieder um 6 Uhr in Neudamm eintrafen. Inzwischen war auch Duft mit den beiden Assessoren mit der Eselkarre abgefahren und hatte unsern Auftrag freundlichst mitgenommen, nunmehr durch die Windhuker Kasinoordonanz die vergessenen Proviantsachen nach Neudamm per Karre hinschicken zu lassen. Eschstruth und ich waren nun allein in Neud[amm]. Wir richteten uns gemütlich in dem Zelte ein, er auf der linken, ich auf der rechten Seite und so

    Kommentar

    • Kowalewski
      Erfahrener Benutzer
      • 28.08.2017
      • 156

      #3
      Teil 2:
      konnten wir es gut bis Samstag dort aushalten bei frischer Milch und Butter , bei Wild u. Perlhühnern, bei unserm reichlichen Proviant u. den vorzüglichen Getränken. Am Montag Mittag bekamen wir Besuch von Albert Voigts und Gattin, von Otto Voigts und Alberts ältester Tochter, die sich gerade auf ihrer Farm Voigtland aufhielten. Günstig war es, daß uns gerade von der Station ein Deukerrücken[3] verehrt wurde. Während die Gebrüder Voigts mit Eschstruth zum Staudamm hinunter gingen, bereitete ich mit Frau Voigts das Mittagessen, das Dank der Arbeitslust der gnädigen Frau vorzüglich ausfiel. Im Zelte wurde diniert und guten Rotwein konnten wir als Tafelgetränk geben. Als Schluß würzte eine starke Tasse Kaffee und eine gute Zigarre das Mahl. Am Nachmittag ritten […] Esch[struth] und ich mit den Herrschaften in das Wiesental hinein, wo Esch[struth] noch bald einen Bock zur Strecke gebracht hätte. Dann geleiteten wir unsere Gäste auf den Weg nach Voigtland, erledigten darauf noch einige dienstliche Angelegenheiten nivellistischer Natur und setzten uns zum gemeinsamen Abendessen und Umtrunk vor das Zelt. Ein schöner traumloser Schlaf folgte dem angenehm verlaufenen Tag. Die folgenden 4 Tage wurden

      nun intensiv der Arbeit gewidmet. Des morgens um 5 ½ Uhr erhob ich mich von meinem Lager, erquickte mich an dem eisig kalten Quellwasser, das die Bambusen schon herbeigeschafft hatten und schlürfte meinen Kaffee. Von 6 bis 10 Uhr wurde gearbeitet mit meinem Meßgehülfen Conrady und 4 bis 5 Notstandsarbeiter, verwegene Gesellen, die aus aller Herren Ländern zusammengewürfelt waren. Mein Gewehr hatte ich immer bei mir, teils aus Schutz gegen meine eigenen Arbeiter, die, wenn etwas nicht gepaßt hätte, vor keinem Mittel zurück geschreckt wären, mir ihre Überlegenheit und Kraft zu zeigen; aber das Gewehr über dem Buckel und die Browningpistole an der Seite hielten sie doch in respektvoller Entfernung zurück. Die Zeit von 10 bis 3 Uhr wurde dem Frühschoppen, Mittagessen und Nachmittagsschlaf gewidmet. Wenn ich ermüdet von der Arbeit zum Zelt kam, war das Bier zum Trunke kalt gemacht. Eschstruth hatte in der Regel schon des Morgens früh etwas jagdliches erlegt und bereitete es mit den Bambusen zu einem schmackvollen Mittagessen. Die wohlverdiente Verdauungszigarre, Unterhaltungslektüre und Mittagsruhe folgte dem guten Essen und wurde gekrönt durch die Tasse starken Kaffee,

      die wiederum die Einleitung zur Nachmittagsarbeit bildete. Diese war um 5 Uhr erledigt, u. da hatte ich dann für die Abendkost zu sorgen. Esch[struth] fühlte sich die Zeit über unwohl und verließ von des Mittags ab nicht mehr sein Lager. Ich brachte dann kalten Hühnerbraten auf den Tisch, fabrizierte Kartoffelpuffer, briet Kartoffeln, kochte Salzkartoffeln, machte Speck und Zwiebeln und backte, kochte und briet auch Perlhühner und Enten. Nach dem gemeinsamen Essen im Zelte, setzte ich mich vor dasselbe an einen Tisch aus Kistenholz auf eine leere Bierkiste[,] trank Thee mit Whisky, las in den Briefen, die ihn nicht erreichten, träumte, schaute in die blinkenden Sterne über mir und horchte auch mitunter den Klängen, die von einem Grammophon aus der nahegelegenen Polizeistation zu mir herüberschallten. Um 9 Uhr legte ich mich schlafen und mit dem Gedanken
      „still ist die Nacht, mein Zelt weht leise,
      von Fern der Schrei des Schakals tönt,
      gedämpft nur klingt des Kaffern Weise,
      da sich die Nacht durch Sang verschönt!“
      träumte ich dem folgenden arbeitsreichen Tag entgegen. Am Freitag Mittag hatte ich meine Arbeit abgeschlossen. Am Nachmittag besuchte ich noch einmal die Stätte meiner Wirksamkeit, das liebliche Wiesental, machte

      eine Doublette[4] auf Sandhühner, die ich aber leider wegen des Mannshohen Grases nicht bekam. Nun setzte auch ein gewaltiger Regen ein, so stark, daß er die Spuren von etwa 40 Stück Kleinvieh, die am Freitag Nachmittag von Hereros geklaut waren, sofort verwischte, sodaß die nachgeschickten Verfolger, Weiße wie Eingeborene[,] unverrichteter Sache wieder zurückkamen. Der Regen dauerte bis Samstag Mittag an, daß wir unsere Abreise statt um 6 Uhr erst um 8 Uhr antreten konnten. Dann ging es aber los, fort vom freundlichen Neudamm. Esch[struth] fuhr bis Ka[p]-Ulrich mit der Karre, ich ritt mit den Eingeborenen hinter her. Von 11 bis 12 Uhr wurde dort halt gemacht und mit Einflößung von Glühweißwein gut gefrühstückt. Der Regen ließ nach u. Esch[struth] u. ich ritten weiter abwechselnd Galopp und Trab bis Avis. In einem Blechstore wurde ein Schnaps verlötet, bei Schmidt ein Glas Lagerbier getrunken. Dann ging es weiter in Galopp durch Kl. Windhuk, die Jan Jonkerstr. herunter bis wir um 3 Uhr im Kasino anlangten. Damit war Schluß mit unserer Neudammer Exkursion.“

      [1] Der Kraal bezeichnet im Südwesterdeutschen einen Viehpferch, das afrikaanse Wort Kral bezeichnet zudem eine südafrikanische Rundsiedlung.

      [2] Der Bambuse bezeichnet im Südwesterdeutschen abwertig einen eingeborenen Diener, zumeist halbwüchsig.

      [3] Gemeint ist hier Duikerrücken, also der Rückenstrang des Duikers; der Duiker ist die afrikaanse Bezeichnung für den (Kronen-)Ducker, eine kleine Antilopenart.

      [4] Die Doublette bezeichnet in der Jägersprache das Erlegen von zwei Stück Wild unmittelbar hintereinander oder gleichzeitig.

      Kommentar

      Lädt...
      X