"Opa erzählt (nicht) vom Krieg" ...

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  • Balle
    Erfahrener Benutzer
    • 22.11.2017
    • 2356

    #16
    Mein väterlicher Opa hat in zwei Kriegen "gedient". Erzählt hat er nicht viel obwohl er bestimmt viel erlebt hat wie ich seinem Wehrpass entnehmen konnte der nach seinem Tode bei mir gelandet ist.
    Mitgemachte Gefechte
    2. - 4.9.16 Stellungskämpfe im Wytschaete Bogen
    5.9.- 29.10.16 Schlacht an der Somme
    30.10.-24.12.16 Stellungskämpfe in der Champagne
    25.12.16 - 29.1.17 Ruhe in Lothringen
    30.1.-5.4.17 Kämpfe an der Aisne
    6.4.-27.5.17 Doppelschlacht Aisne-Champagne
    28.5.-13.6. ? 17 Stellungskämpfe am Chemin des Dames
    4.6. (?) -22.6.17 Erstürmung der franz. Stellg. östlich
    La Royere FE 8.7.17 Erstürmung der feindl.
    Stellg beiderseits der Royere Fe
    14.3.-9.9.17 Abwehrschlacht bei Verdun
    Im II.WK war er als Kraftfahrer in einer Verpflegungseinheit, da war es wohl etwas ruhiger.
    Ich glaube er hat sich nicht als "Held" gefühlt und somit gab es einem kleinen Jungen der ich damals war wohl auch nichts zu erzählen. Ich habe auch nicht gefragt, für mich war Krieg kein Thema obwohl Ruinen in der Stadt tolle Spielplätze waren.
    Die Eltern von meinem Opa sind bei einem Luftangriff in der Heimat umgekommen, die Gräber habe ich mit Oma gepflegt. Mehr wollte ich dazu garnicht wissen.
    Heute weiß ich durch meine Forschungen dass sie nicht durch diesen Luftangriff umgekommen sind sondern einige Tage später im Lazarett wohl "entsorgt" wurden weil die Behandlung zu viele Kräfte gebunden hätte. Diagnose: Altersschwäche, sie starben plötzlich beide innerhalb von 24 Stunden.


    Mein mütterlicher Opa ist im I.WK zweimal für längere Zeit in Schützengräben und Bombentrichtern verschüttet gewesen. Darunter hat er sein restliches Leben lang gelitten und ist früh gestorben. Heute nennt man das wohl posttraumatische Belastungsstörung, aber welche Soldat hat damals keine Störung aus dem Krieg mitgebracht.
    Ich kann es verstehen wenn sie nicht darüber geredet haben. Und ch war nicht neugierig und habe nicht gefragt.
    Zuletzt geändert von Balle; 17.05.2021, 23:47.
    Lieber Gruß
    Manfred


    Gesucht: Herkunft von Johann Christoph Bresel (Brösel, Prehel, Brahel),
    ehem. Dragoner im Churfürstlich Sächsischem ehemaligen Herzog Churländischen Regiment Chevaux Legers in Zittau.
    Eheschließung 1781 in Zittau

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    • Schischka
      Erfahrener Benutzer
      • 10.02.2015
      • 343

      #17
      "Kriegsenkel" und die transgenerationale Traumabelastung ist ja seit jüngerer Zeit ein Thema, das zunehmend an Aufmerksamkeit gewinnt. Wenn Fakten überliefert sind oder in der eigenen Forschung entdeckt werden und man sich damit auseinandersetzen kann, dann erklärt sich einem diese oder jene eigene Verhätltensweise ...
      Und so dicht wie die beiden großen Kriege beieinander lagen, sind wohl so manche von uns gleichzeitig Kriegsenkel und -urenkel.
      Sabine Bode hat mir dahingehend die Augen geöffnet und nicht viel Gegenwärtiges an online verfügbarem reicht da heran. (Also auch ein sehr ambitioniertes, aber bewußt nicht genanntes Onlinekongressprojekt ist mir weithin allzu esoterisch für eine konkrete Auseinandersetzung.)

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      • HlaRA
        Benutzer
        • 18.05.2021
        • 6

        #18
        Hallo zusammen. Mein Opa erzählt auch nichts über Krieg.

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        • Erny-Schmidt
          Erfahrener Benutzer
          • 16.06.2018
          • 410

          #19
          Zitat von Sbriglione Beitrag anzeigen
          Ich wüsste gerne, wie es bei euch so mit unmittelbaren Erzählungen bzw. unmittelbaren Überlieferungen über die Nazizeit bzw., wenn ihr auswärtige Wurzeln haben solltet, womöglich über vergleichbare Konflikte und Konstellationen von Seiten eurer älteren Verwandtschaft steht.
          Meine beiden Onkels konnten nichts berichten: Einer ist 1942 vor Sewastopol gefallen, der andere 1944 in Rumänien bzw. Moldavien verschollen.
          Mein Vater hat seine Erlebnisse als Lufwaffenhelfer, beim RAD und bei der Wehrmacht immer mal wieder berichtet. Was er zur Wehrmachtszeit erzählt hat, stimmt sehr gut mit dem überein, was in seinem Tagebuch von 1944/45 steht und was erfreulicherweise noch lesbar ist. Wäre er im April 45 nicht desertiert, hätte auch er das Kriegsende nicht erlebt. Er hat übrigens auch berichtet, dass die Waffen-SS beim RAD rekrutiert hat. Gegen Kriegsende waren bei der Truppe demnach nicht mehr nur Freiwillige.

          Mein Opa war im 1. Weltkrieg und hat weniger davon erzählt. Am ehesten einige Geschichten aus seiner Zeit in französischer Gefangenschaft.

          Die persönliche Bilanz beider Weltkriege ist verdammt einfach: sie haben unsere Familie an den Rand des Aussterbens gebracht.


          Gruß E. Schmidt.
          Gruß E. Schmidt.
          WANTED! SCHMID(t)/Halle/S, MAER(c)KER/Saalkreis, HAUBNER & HEINE(c)KE/Mansfelder Land

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          • fps
            Erfahrener Benutzer
            • 07.01.2010
            • 2160

            #20
            Ein interessantes Thema. Da gibt es sehr unterschiedliche Facetten.

            Da ist zum einen die schulische Geschichte. Unsere Lehrer haben 2x die vorhergehende Geschichte so sehr in die Länge gezogen, dass für die neuere Vergangenheit "keine Zeit" mehr war. Ich erinnere mich noch gut, wie enttäuscht ich war, als wir wieder mit Adam und Eva (resp. der Steinzeit) in der Mittelstufe anfingen. In der Oberstufe wiederholte sich dann die Verzögerungstaktik.

            Und in der Familie? Da wurden eher die belanglosen Themen aus der betreffenden Zeit besprochen, nichts Politisches. Mit einer Ausnahme: Meine Mutter erzählte immer, dass sie unsägliche Angst um ihren Vater hatte, der wohl kein Blatt vor den Mund nahm und über das herrschende System herzog (eine Tante bezeichnete ihn Jahrzehnte später noch als "Kommunisten" - ob zutreffenderweise, weiß ich nicht). Jedenfalls spielte mein Großvater gerne Schach, und der Wirt seiner Stammkneipe, mit dem er sich oft im Schachspiel duellierte, warnte ihn wohl häufiger, vorsichtiger zu sein. Dieser Wirt war ein eingefleischter Anhänger der NSDAP, aber wohl kein so unebener Kerl. Meine Mutter vermutete, dass die Freundschaft zum Schachpartner ihren Vater vor Schlimmerem bewahrte.
            Auf Grund seiner Überzeugung meldete sich dieser Wirt freiwillig zum Militäreinsatz. Bei einem Urlaub soll er meinem Großvater gesagt haben: "Otto, ich muss Dir Abbitte tun. Es ist noch viel schlimmer, als Du es vermutet hast." Der Wirt hat den Krieg nicht überlebt.
            Mein Opa, der schon im 1. WK aktiv gewesen war (als Ulan in Ostpreußen), wurde noch spät eingezogen, aber noch ehe man alles einzog, was noch auf zwei Beinen stehen und ein Gewehr halten konnte. Er hat schlussendlich auch diesen Krieg überlebt, ebenso wie sein Schwager, der ebenfalls an zwei Weltkriegen teilnahm. Über seine Erlebnisse in den Kriegen hat er, zumindest mit mir, nie gesprochen.
            Irritiert, und später entsetzt, hat mich der Ausspruch meiner Mutter, dass das Hitler-Regime doch auch sein Gutes gehabt habe, man hätte nur nach dem Anschluss von Böhmen und Mähren aufhören sollen. Und das von einer Frau, die in ständiger Angst um ihren Vater gelebt hatte. Wie passt das zusammen?

            In der Familie meines Vaters waren 3 Brüder im Kriegseinsatz. Einer kam kriegsversehrt zurück, ihm waren in Russland die Zehen abgefroren. Das hinderte ihn aber nicht daran, ein lustiger Kerl zu sein. Der älteste Bruder war lange in französischer Gefangenschaft, war danach schlecht auf alle Franzosen zu sprechen und aß nie wieder Hähnchenfleisch. Mein Vater, der jüngste der drei Brüder, wurde altersgemäß erst spät eingezogen, war einige Zeit in Norwegen und anschließend im Baltikum beim Bodenpersonal der Luftwaffe, wo er mit einer der letzten Maschinen aus dem Kurland-Kessel ausgeflogen wurde.
            Diese "nackten" Fakten kannten wir als Kinder, und an mehr waren wir nicht interessiert. Heute würde ich mit Sicherheit mehr hinterfragen wollen, aber das nutzt nun auch nichts mehr. Mein Vater war sicherlich, wie viele andere seiner Generation, sozusagen systembezogen in den Krieg hineingeschlittert, nicht jedoch seiner politisch-gesellschaftlichen Überzeugung nach, die war diesen Tendenzen diametral entgegengesetzt.
            Gruß, fps
            Fahndung nach: Riphan, Rheinland (vor 1700); Scheer / Schier, Rheinland (vor 1750); Bartolain / Bertulin, Nickoleit (und Schreibvarianten), Kammerowski / Kamerowski, Atrott /Atroth, Obrikat - alle Ostpreußen, Region Gumbinnen

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            • OlliL
              Erfahrener Benutzer
              • 11.02.2017
              • 4598

              #21
              Moin,


              mein einer Großvater war taubstumm und somit kriegsuntauglich. Das hatte ihm als Friseurmeister nach dem Krieg die Gelegenheit gegeben ohne größere Repressalien den Sowjets im Ort einen Haarschnitt zu verpassen. Das Haus mit dem Friseursalon am Marktplatz in Pasewalk hat den Krieg nicht überstanden. Er ist noch vor meiner Geburt verstorben.
              Mein anderer Großvater war 1925 geboren. Von ihm habe ich was den Krieg betrifft nur ein Foto vom RAD. Sonst weiss ich leider gar nichts davon was mit ihm im Krieg passiert sind. Einer der beiden älteren Brüder war jedoch in russischer Kriegsgefangenschaft - der andere in französischer. Von ihnen weiß ich leider auch nichts näheres. Aufgrund der deutschen Teilung bestand leider kein Kontakt zwischen meinem Großvater und seinen beiden Brüdern - das verbot sich bei seiner Anstellung.
              Im Grunde muss man leider(?) attestieren, das beide meiner Elternteile nur aufgrund der Vertreibung aus den Ostgebieten geboren wurden - wenn man das so formulieren kann. Sowohl meine Großmutter (Stettin) väterlicherseits wie auch mein Großvater (Glogau) mütterlicherseits sind vertrieben worden und haben einen Mecklenburger und eine Mecklenburgerin geheiratet.... Mein Großvater war nie mehr im späteren Polen. Auch kurz vor seinem Tod nahm er das Angebot meines Vaters nicht an noch einmal nach Glogau zu fahren - "Was soll ich dort, es ist doch eh alles anders als damals!" meinte er nur verbittert. Er starb 2012 - ein Jahr nach seiner Frau.

              Ansonsten bleibt nur noch zu erwähnen - mein 2x Urgroßvater war Teilnehmer das ersten Weltkrieges und wohl überzeugter Nazi. Er war so überzeugt, das er sich 1940 freiwillig nochmal mit 65 Jahren einberufen lies. Er wurde am 20.05.1940 in Marsch gesetzt, fuhr am 22.05.1940 ab und verstarb nichtmal 20 Tage später in Saint-Riquier "im Gefecht"...... da fehlen einem aus heutiger Sicht auch die Worte....



              Viele Grüße,
              OlliL
              Zuletzt geändert von OlliL; 22.05.2021, 03:03.
              Mein Ortsfamilienbuch Güstow, Kr. Randow: https://ofb.genealogy.net/guestow/
              Website zum Familienname Vollus: http://www.familie-vollus.de/

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