Fragen zur Schulpflicht um 1914

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  • Raschdorf
    Erfahrener Benutzer
    • 25.03.2012
    • 505

    Fragen zur Schulpflicht um 1914

    Guten Tag,
    ich habe die Kopie eines Schulentlassungszeugnisses einer Person aus Woitz, Kreis Grottkau, Schlesien. Diese wurde
    am 1.9.1900 geboren,
    am 1.4.1906 eingeschult und
    am 31.3.1914 aus der Schule entlassen.
    War es damals üblich, dass Kinder mit deutlich weniger als sechs Jahren eingeschult wurden? Gab es eine genaue Altersgrenze?
    Die Schulpflicht betrug damals also offenbar 8 Jahre. Wie kann es dann sein, dass z. B. die Stadt Patschkau, Kreis Neisse, Schlesien, um 1909 herum eine siebenklassige Volksschule hatte? (glaubhafte Notiz eines Verwandten)
    Wurde die Schulpflicht damals gerade von sieben auf acht Jahre umgestellt?
    Wer kann mir helfen?
    Gruß Jo
  • offer
    Erfahrener Benutzer
    • 20.08.2011
    • 1731

    #2
    Hallo Jo!
    Zitat von Raschdorf Beitrag anzeigen
    ...
    Die Schulpflicht betrug damals also offenbar 8 Jahre. Wie kann es dann sein, dass z. B. die Stadt Patschkau, Kreis Neisse, Schlesien, um 1909 herum eine siebenklassige Volksschule hatte? (glaubhafte Notiz eines Verwandten)
    Wurde die Schulpflicht damals gerade von sieben auf acht Jahre umgestellt?
    Wer kann mir helfen?
    ...
    Eine kleine Randbemerkung: Ich wurde in eine Schule mit 2 Klassen eingeschult .
    Diese beutete aber nicht, daß ich nur 2 Jahre zur Schule gehen durfte.
    In der ersten Klasse waren das erste bis vierte und in der zweiten Klasse das fünfte bis achte Schuljahr zusammengefaßt.
    Etwas ähnliches könnte dann hier auch vorliegen. Vielleicht waren die beiden ältesten Jahrgänge in eine Klasse zusammengefaßt?
    This is an offer you can't resist!

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    • Raschdorf
      Erfahrener Benutzer
      • 25.03.2012
      • 505

      #3
      Hallo offer,
      ich bedanke mich für die Antwort. Dass früher in kleineren Schulen zwei oder vier Jahrgänge in einer Klasse zusammengefasst wurden, ist mir bekannt.
      Wie aus dem genannten Zeugnis hervorgeht, hatte Woitz eine vierklassige Volksschule. Man fing in der Unterabteilung der IV. Klasse an und wurde aus der Oberabteilung der I. Klasse entlassen.
      Wenn die Schulpflicht acht Jahre betrug, finde ich die siebenklassige Volksschule in Patschkau aber doch irgendwie merkwürdig.
      Schönen Tag!
      Jo

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      • Garfield
        Erfahrener Benutzer
        • 18.12.2006
        • 2142

        #4
        Hallo

        Wie ist die Schulpflicht in Deutschland heute geregelt? Von Land zu land unterschiedlich? In der Schweiz haben die Kantone die Hoheit über das Schulsystem. Die Anzahl Schuljahre ist zwar überall gleich, aber z.B. das Eintrittsalter schwankt ein wenig von Kanton zu Kanton. Nur so als Gedanke.

        Ich habe mal schnell das Zeugnis von meinem Grossvater rausgesucht: geboren Aug. 1926, Einschulung Jun. 1933 (mit weniger als 6 Jahren), 9 Schuljahre (heute in der Schweiz auch noch üblich, wenn man nicht ans Gymnasium geht).
        Viele Grüsse von Garfield

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        • Friedrich
          Moderator
          • 02.12.2007
          • 11322

          #5
          Moin Garfield,


          Zitat von Garfield Beitrag anzeigen
          geboren Aug. 1926, Einschulung Jun. 1933 (mit weniger als 6 Jahren)

          1933 - 1926 ergibt nach Adam Riese und Eva Zwerg aber immer noch 7. Gut, Deinem Opa fehlten zwei Monate daran, aber 6 war er definitiv.


          Friedrich
          "Bärgaf gait lichte, bärgop gait richte."
          (Friedrich Wilhelm Grimme, Sauerländer Mundartdichter)

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          • Anna Sara Weingart
            Erfahrener Benutzer
            • 23.10.2012
            • 15113

            #6
            Zitat von Raschdorf Beitrag anzeigen
            ... War es damals üblich, dass Kinder mit deutlich weniger als sechs Jahren eingeschult wurden? Gab es eine genaue Altersgrenze? ...
            Ja und Ja. Nämlich mit fünf Jahren waren sie schulpflichtig.

            Siehe dazu: Handbuch über die Kirchen- und Schul-Gesetzgebung im Preussischen Staate, von 1844, Zweite Abtheilung, Paragraph 43:
            Angehängte Dateien
            Zuletzt geändert von Anna Sara Weingart; 28.05.2018, 01:56.
            Viele Grüße

            Kommentar

            • Anna Sara Weingart
              Erfahrener Benutzer
              • 23.10.2012
              • 15113

              #7
              Diese Regelung wurde später etwas aufgeweicht, so dass in der Entwicklung zurück gebliebene Kinder auch erst mit sechs Jahren eingeschult werden konnten.
              Quelle: Die preussische Volksschule, Gesetze und Verordnungen zusammengestellt und erläutert, von 1905
              Siehe darin Seite 589:


              Nachtrag: Die Dauer der Schulpflicht (im Jahre 1905) endete mit Erreichen des 14. Lebenjahres, wenn vom Kind alle notwendigen schulischen Leistungen erbracht worden waren.

              Nachtrag: das 14. Lebensjahr sollte vollendet sein, bevor das Kind von der Schule gehen durfte.
              ("Erreichen des 14. Lebenjahres" klang etwas missverständlich)

              Aber es gab da wohl verschiedene Regelungen und Verordnungen, je nach Provinz.
              Man müsste schauen wie die genauen Regelungen vor Ort (Schlesien) waren.
              Und wer bei seinen Eltern aushelfen musste der durfte eh früher gehen.
              Viele Grüße

              Kommentar

              • Artsch
                Erfahrener Benutzer
                • 14.07.2013
                • 1933

                #8
                Hallo,

                einmal aus der sächsischen Praxis betrachtet, endete die Schulzeit bei meinen evangelischen Vorfahren, nach ihren Berichten, mit der Konfirmation.

                Dies sagt jetzt nichts über das Ein- und Ausschulungsalter aus.

                Von meinem 1907 im Februar geboren Opa weiß ich, daß er mit 15 Jahren in die Lehre trat.

                Mein Vater (geb. 1929 im November) hatte noch bei einem Kirchschullehrer Unterricht, so mußte noch die Taufe wegen der Einschulung nachgeholt werden. Seine 3 Geschwister erhielten 1927 eine gemeinsame Taufe im Haus, als eins der Kinder im Sterben lag. Er trat mit 14 Jahren in die Lehre und sollte erst mit 18 Jahren Gesellenlohn erhalten.
                Meine Mutter (geb. 1933 im Dezember) ging bereits mit 13 Jahren von der Schule wegen einem familiären Notfall ab und kam auch ihrer Berufschulpflicht nicht nach. Zur Konfirmation reiste sie extra aus Sachsen-Anhalt an. In ihrem neuen Umfeld führte sie u. a. die Bücher und stand einem Gutshof (Molkerei und Mühle) vor, da ihre kinderlose Großtante blind und der Großonkel gerade an einem Krebsleiden verstorben war.
                Auf der anderen Seite war meine Mutter recht pikiert, als sie erfuhr, daß in Württemberg "nur" 8 Schuljahre unterrichtet wurden.


                Beste Grüße
                Artsch

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                • Raschdorf
                  Erfahrener Benutzer
                  • 25.03.2012
                  • 505

                  #9
                  Guten Morgen,
                  vielen Dank für die Antworten. Beim Einschulungsalter und bei der Dauer der Schulpflicht sehe ich nun ziemlich klar.
                  Weiterhin merkwürdig finde ich die siebenklassige Volksschule in Patschkau. Vielleicht lag es ja an den räumlichen Gegebenheiten, dass man nur sieben Klassenräume zur Verfügung hatte. Vermutlich sind aber alle Schüler acht Jahre zur Schule gegangen.
                  Schönen Tag noch!
                  Jo

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                  • Anna Sara Weingart
                    Erfahrener Benutzer
                    • 23.10.2012
                    • 15113

                    #10
                    Vermutlich umfasste die erste oder die letzte Klasse zwei Jahre.
                    Siehe Anhang

                    Quelle: Statut der Gymnasien und Progymnasien [in Preussen], 1871
                    Angehängte Dateien
                    Viele Grüße

                    Kommentar

                    • Anna Sara Weingart
                      Erfahrener Benutzer
                      • 23.10.2012
                      • 15113

                      #11
                      Es ist also quasi ein vorprogrammierter, eingebauter Lernpuffer für die Schüler, dass sie für den Stoff von sieben Klassenstufen acht Jahre Zeit haben.
                      Es war also für jeden Schüler vorgesehen, dass sie ein Jahr "Sitzenbleiben".

                      Vorher war es sogar noch krasser: da verweilten die Kinder in jeder Klasse zwei Jahre. Die gesamte Volksschule bestand also nur aus vier Klassen!!

                      Quelle: Wegweiser für deutsche Lehrer, von 1838
                      Angehängte Dateien
                      Viele Grüße

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                      • Artsch
                        Erfahrener Benutzer
                        • 14.07.2013
                        • 1933

                        #12
                        Zitat von Raschdorf Beitrag anzeigen
                        Weiterhin merkwürdig finde ich die siebenklassige Volksschule in Patschkau. Vielleicht lag es ja an den räumlichen Gegebenheiten, dass man nur sieben Klassenräume zur Verfügung hatte.
                        Jo
                        Hallo,

                        aus der Geschichte des Volksschulwesens in Meißen:
                        "Die mittlere Bürgerschule bestand aus einer siebenklassigen Knaben- und einer siebenklassigen Mädchenabteilung, die erste Klasse aus zweijährigen Kursus."

                        An anderem Ort lese ich zusammengefaßt: Nach Abschluss der Fertigstellung der Turnhalle, erfolgt die Schaffung weiterer Schulräume, so daß von der siebenklassigen Schule auf die achtklassige ausgestaltet werden kann.

                        Beste Grüße
                        Artsch

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                        • Anna Sara Weingart
                          Erfahrener Benutzer
                          • 23.10.2012
                          • 15113

                          #13
                          Hier ist der Beweis. im Lehrplan der siebenklassigen Volksschule umfasste die siebente Klasse zwei Jahre (7. und 8. Schuljahr):
                          Angehängte Dateien
                          Viele Grüße

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                          • Artsch
                            Erfahrener Benutzer
                            • 14.07.2013
                            • 1933

                            #14
                            Zitat von Artsch Beitrag anzeigen
                            Mein Vater (geb. 1929 im November) hatte noch bei einem Kirchschullehrer Unterricht
                            Hallo,

                            dazu mußte er in den 3 km entfernten Nachbarort, dort wurden sämtliche Jahrgänge in einem einzigen Zimmer belehrt.
                            Meine Tante (geb. 1916) erzählte mir, morgens und nachmittags jeweils 3 Stunden die Mädchen. Das bedeutet, daß der Kantor jeden Tag 12 Stunden unterrichtete. Er ging von Bank zu Bank und erteilte einzeln die Aufgaben.

                            Beste Grüße
                            Artsch

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                            • offer
                              Erfahrener Benutzer
                              • 20.08.2011
                              • 1731

                              #15
                              Hallo nochmal!

                              Ich denke, man sollte klar unterscheiden zwischen Schulklasse und Schuljahr.
                              Die Schulklasse war der Raum, in dem sich die Kinder eines oder mehrerer Schuljahre(s) befanden.
                              Daher ist es eben möglich, das es 1-, 2-, ..., 7-, 8-klassige Schulen gab bei einer achtjährigen Schulpflicht.
                              This is an offer you can't resist!

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