Was gehört hier wem? Ich bin etwas ratlos.

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  • consanguineus
    Erfahrener Benutzer
    • 15.05.2018
    • 5536

    Was gehört hier wem? Ich bin etwas ratlos.

    Hallo zusammen!

    Hier habe ich den anläßlich eines Rechtsstreits angefertigten Auszug aus einem Erbregister:

    Tiele Bothel hatt einen Meierhoef bebawet, mit Haus Scheur vndt aller
    Notturftt, die Gebewde gehören dem Meier, der Hoëf aber gehort des Meiers
    Stieffkindern, nämlich den Haringen, ist ihro Lehngut, undt haben den
    Hoëf von Christoff von Sampleben zue Lehn,

    Undt hatt der Meier 4 Hueffe gehört Christoff von Sampleben,
    Itzo Cammer Secretario Erico Lehnharten, vndt sind diese Hueffe
    Landes zuvor S(ankt). Egidij vorgesetzt, vndt Sampleben eingelöset
    Gibt davon Zins.


    Ich weiß leider nicht, aus welchem Jahr der originale Erbregistereintrag stammt, denke aber, daß ich es herausbekommen werde. Mein Problem liegt vielmehr im Verstehen der im Text verborgenen Zusammenhänge.

    Es geht um einen Meierhof mit vier Hufen Landes. Irgendwann befand sich Christoph v. Sambleben im Besitz dieses Meierhofes, bei dem es sich vermutlich um ein herzogliches Lehen handelte. Bereits 1551 ist ein Tile Bötel auf dem Hof nachgewiesen, und zwar als Meier der v. Sambleben. Dessen Sohn und Enkel trugen ebenfalls den Vornamen Tile. Da ich, wie gesagt, keine Ahnung habe, wann das Erbregister angefertigt wurde, weiß ich auch nicht sicher, um welchen Tile Bötel es sich hier handelt.

    Wir wissen nur, daß Tile als Meier auf diesem Hof saß. Die Gebäude befanden sich in seinem Eigentum, was damals normal war. Der Hof allerdings gehört Tile Bötels Stiefkindern. Da wird es schon unverständlich. Was ist mit dem "Hof" gemeint? Der Hofraum, auf dem die Gebäude stehen, welche nicht den Besitzern des Hofes gehören? Der Hof als Gesamtheit von Hofraum und Ländereien?

    Und vor allem frage ich mich, wieso die Stiefkinder des Meiers Lehnsbesitzer des Meierhofes sind? Entweder Sambleben hat die Haringe mit dem Hof belehnt, oder aber er hat Bötel mit dem Hof bemeiert. Beides zugleich schließt sich nach meinem Verständnis eigentlich aus.

    Was sagt uns das jetzt über die familiären Verhältnisse? Falls der Erbregisterauszug aus der Mitte des 16. Jahrhunderts stammt, wovon ich ausgehe, so fasse ich die Situation so auf, daß Bötel eine Witwe Haring geheiratet hat, welche Kinder aus der früheren Ehe mitbrachte (die Haringe), und deren voriger Ehemann Haring offenbar bereits Lehnsträger des 4 Hufen umfassenden Samblebenschen Hofes war. Nach seinem, Harings, Tode werden dessen Kinder bzw. eines von ihnen Lehnsträger, die anderen Mitbehufte. Der Stiefvater Tile Bötel kann selbstverständlich nicht Lehnsträger werden, da er kein Abkömmling Harings ist. Aber als Interimswirt ist er offenbar mit dem Hof bemeiert worden. Ob von Sambleben direkt oder von seinen Stiefkindern, den Haringen, Samblebens Aftervasallen also, das wird nicht ersichtlich.

    Ich vermute, daß die Haringe ausgestorben sind, jedenfalls diese Linie, da sich der Meierhof noch 1662 in den Händen Tile Bötels befand, wohl des Enkels des Tile, um den es hier geht. Der erste Tile Bötel hätte den Hof ja nicht in seiner Familie weitergeben können, wären noch Stiefkinder Haring am Leben gewesen. Die Haringe können meiner Meinung nach also nicht erst ins Spiel gekommen sein, als die Bötels bereits auf dem Hof saßen, sondern müssen zuvor dagewesen sein. Ein Tile Bötel ist, wie gesagt, um 1550 Meier auf dem Hof. Hätte die Witwe Haring samt ihrer Kinder nichts mit dem Meierhof zu tun gehabt, so würde es keinen Sinn ergeben, daß die Kinder plötzlich als Lehnsnehmer bezeichnet werden.

    Ich stelle mir die ursprünglichen Gebäude des Meierhofes in schlechtem Zustand vor. Tile Bötel heiratete die Witwe Haring und von der Abfindung, die er als weichender Erbe von seinem Bruder Heinrich, meinem Vorfahren auf dem Stammhof der Familie, ohne Zweifel bekommen haben wird, könnte er neue Gebäude auf dem Meierhof errichtet haben.

    Wie seht Ihr die Angelegenheit? Habe ich irgendwo etwas übersehen oder einen groben Denkfehler gemacht?

    Für Eure Meinung und Hilfe danke ich vorab und grüße herzlich!
    consanguineus
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    Joh. Christian KROHNFUSS, Jäger, * um 1790
    Carl KRÜGER, Amtmann in Bredenfelde, * um 1700
    Georg Melchior SUDHOFF, Pächter in Calvörde, * um 1680
    Ludolph ZUR MÜHLEN, Kaufmann in Bielefeld, * um 1650
    Dorothea v. NETTELHORST a. d. H. Kapsehden, * um 1600
    Thomas SCHÜTZE, Bürgermeister in Wernigerode 1561
  • sternap
    Erfahrener Benutzer
    • 25.04.2011
    • 4072

    #2
    Zitat von consanguineus Beitrag anzeigen
    Hallo zusammen!

    Hier habe ich den anläßlich eines Rechtsstreits angefertigten Auszug aus einem Erbregister:

    Tiele Bothel hatt einen Meierhoef bebawet,
    ich versuche hier eine wort-neuschöpfung, er hat den hof bebauert, also bäuerlich genutzt.mutmaßlich mit scheunen und ställen.



    mit Haus Scheur vndt aller
    Notturftt, die Gebewde gehören dem Meier
    du musst klären, wasbei euch ein meier war, entweder sowas wie ein erbpächter eines gutes oder aber ein milchmeier, der leiter einer milchwirtschaft. in letzerem fall hättest du einen landbebauer,heute körndlbauer genannt, und einen milchmeier,eventuell sogar den chef einer dörflichen molkerei.
    Undt hatte der Meier 4 Hueffe gehörten Christoff von Sampleben,
    Itzo Cammer Secretario Erico Lehnharten, vndt sind diese Hueffe
    Landes zuvor S(ankt). Egidij vorgesetzt, vndt Sampleben eingelöset
    Gibt davon Zins.
    der ursprüngliche grundherr war Christoff von Sampleben.
    jetzt ist das Cammer Secretario Erico Lehnharten.der besitzerwechsel fand zu egidij statt.mutmaßlich, als man gleich auf des meiers erben überschrieb. oder umgekehrt, als man überschrieb, war da schon ein neuer grundherr.
    Zuletzt geändert von sternap; 27.09.2023, 19:46.
    freundliche grüße
    sternap
    ich schreibe weder aus missachtung noch aus mutwillen klein, sondern aus triftigem mangel.
    wer weitere rechtfertigung fordert, kann mich anschreiben. auf der duellwiese erscheine ich jedoch nicht.




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    • consanguineus
      Erfahrener Benutzer
      • 15.05.2018
      • 5536

      #3
      Hallo sternap,

      "bebawet" ist nur eine altertümlichen Form von "bebauet". Das geht schon in Ordnung und es bedarf keiner Wortneuschöpfung.

      Ein Meier ist, da gibt es nichts zu klären, der Inhaber eines Meierhofes. Unter einem Meierhof verstand man hierzulande ganz früher einen Ackerhof. Die Bedeutung wandelte sich im Laufe der Zeit. Das sog. "Meierrecht" war ein Besitzrecht an einem Hof, und zwar das schwächste.

      Als das ursprüngliche Erbregister erstellt wurde, war Christoph v. Sambleben ohne Zweifel der Grundherr. Die Sambleben starben aber Ende des 16. Jahrhunderts aus, sodaß das Lehen an den Herzog heimfiel. Der betreffende Hof als kleiner,Teil des Sambleben'schen Lehens ging in der Folge durch viele Hände, bis er schließlich Kammergut wurde. Mich interessieren aber nicht so sehr die Obereigentümer, sondern deren Aftervasallen bzw. Meier. Also die Haringe und die Bötel und deren (Besitz-)geschichte.

      Mit Sankt Egidij ist kein bestimmter Tag, sondern das Aegidienkloster in Braunschweig gemeint, in dessen Besitz oder Pfandbesitz sich der Meierhof zeitweise befand.

      Viele Grüße
      consanguineus
      Zuletzt geändert von consanguineus; 28.09.2023, 17:56.
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      Thomas SCHÜTZE, Bürgermeister in Wernigerode 1561

      Kommentar

      • Juanita
        Erfahrener Benutzer
        • 22.03.2011
        • 1425

        #4
        Ich sehe es so:
        Sampleben, noch als Lehnsherr, gab die 4 Hufe Land an das Kloster zur Bewirtschaftung und nahm es später wieder zurück (eingelöst). Wahrscheinlich weil er das Lehngut an die Stiefkinder Haring übertragen wollte. Das geschah und die Haringe gaben die 4 Hufe an den Erico Lehnhardt zur Bewirtschaftung (gab Zins). Tile B. heiratete höchstwahrscheinlich die Witwe Haring und baute die Gebäude des Meierhofes vom eigenen Geld wieder auf (Verfall ?, weil sich die Kinder nicht sonderlich um das Gut gekümmert hatten ?). Somit gehören ihm die Gebäude, aber Lehnsherren mit allen Rechten und Landbesitz (und damit Eigentümer) bleiben die Haringe.
        Juanita

        Kommentar

        • consanguineus
          Erfahrener Benutzer
          • 15.05.2018
          • 5536

          #5
          Hallo Juanita,

          Sambleben hat den Hof nicht an das Aegidienkloster zur Bewirtschaftung gegeben. Das Kloster war gar nicht in der Lage, die Bewirtschaftung durchzuführen. Für mich sieht es eher so aus, als habe Christoph v. Sambleben den Hof dem Kloster verpfändet. Inzwischen habe ich herausgefunden, daß die Sambleben hoch verschuldet waren. Einen Beleg für eine Verpfändung des besagten Meierhofes habe ich nicht gefunden, aber wegen der finanziellen Schieflage des Hauses Sambleben erscheint mir diese Annahme plausibel.

          Die Stiefkinder Haring können nicht Erstbelehnte gewesen sein. Sie waren tatsächlich wohl noch Kinder als ihr Vater starb. Ganz sicher war ihr Vater vor ihnen bereits mit dem Hof belehnt gewesen, vielleicht schon ein anderer männlicher Haring vor ihm. Die Haring waren Bauern und bewirtschafteten den Hof zunächst anscheinend selbst. Erich Lehnhardt war Kammersekretär beim Herzog in Wolfenbüttel. In dieser Funktion bewirtschaftete er den Hof nicht. Es muß vielmehr so gewesen sein, daß er den Hof als Lehen vom Herzog direkt empfing und ihn an die Haringe weiterverlehnte, so, wie es schon unter den Sambleben war.

          Die Abschrift des Erbregisters muß gegen Ende der 1620er Jahre erfolgt sein. Lehnhardt starb Anfang der 1630er. Der erste Abschnitt bezieht sich auf die Situation um 1550. Da gab es die Sambleben noch und sie waren die Lehnsherren der Haringe.

          Ich denke auch, daß Tile die Witwe Haring heiratete. Warum die Gebäude verfallen waren, weiß ich nicht. Möglicherweise war der alte Haring kein guter Wirt. Die Kinder haben den Hof nicht bewirtschaftet, weil sie zu jung waren. Darum heiratete die Witwe Haring ja erneut. Tile war zunächst Interimswirt. Die Haringe müssen aber sämtlich früh und kinderlos verstorben sein, denn Tiles Nachfolger auf dem Hof war sein gleichnamiger Sohn, den er vermutlich mit der Witwe Haring gezeugt hat. Es sind auch zwei Schwestern bekannt.

          Was mich am meisten umtreibt ist die Frage, ob die Haringe den Hof ihrem Stiefvater meierweise überlassen haben. Es kann ja nur so gewesen sein. Tile konnte nicht mit dem Hof belehnt werden solange die Haringe Lehnsnehmer waren. Soweit mir bekannt, wurde Tile auch nach dem Tode seiner Stiefkinder nicht Lehnsnehmer. Die Stiefkinder hatten als Aftervasallen der Sambleben das Recht, ihren Lehnsbesitz jemandem meierweise zu überlassen. Tile, seinerseits Aftervasall der v. d. Asseburg, tat ja genau das mit seinem deutlich umfangreicheren eigenen Lehen in einem Nachbarort. Das wurde zersplittert von seinem Bruder und anderen Vettern bewirtschaftet. Mir ist eben nur noch nicht der Fall untergekommen, daß ein Interimswirt den Lehnsbesitz seiner Stiefkinder meierweise bewirtschaftet hat.

          Viele Grüße
          consanguineus
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          • Lock
            Erfahrener Benutzer
            • 07.04.2016
            • 452

            #6
            Hallo Zusammen

            Kann es vielleicht sein das Grund und Boden und die Bebauung unterschiedliche Besitzer haben.
            Das ganze erinnert mich an die Rechtslage in der DDR, Das Eigenheim gehörte dem Erbauer das Grundstück auf dem es stand dem Staat.

            v.g. Gerhardt

            Kommentar

            • consanguineus
              Erfahrener Benutzer
              • 15.05.2018
              • 5536

              #7
              Hallo Gerhardt,

              Du hast das richtig erkannt. Die Gebäude gehörten häufig dem Bauern persönlich. Zog die Familie vom Hof, wurden die Fachwerkgebäude nicht selten ab- und anderswo neu aufgebaut.

              Viele
              consanguineus
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              • sternap
                Erfahrener Benutzer
                • 25.04.2011
                • 4072

                #8
                das entspräche dann nicht mehr der erbpacht, sondern dem österreichischen begriff superädifikat.
                freundliche grüße
                sternap
                ich schreibe weder aus missachtung noch aus mutwillen klein, sondern aus triftigem mangel.
                wer weitere rechtfertigung fordert, kann mich anschreiben. auf der duellwiese erscheine ich jedoch nicht.




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                • consanguineus
                  Erfahrener Benutzer
                  • 15.05.2018
                  • 5536

                  #9
                  Um eine Erbpacht handelt es sich in diesem Fall auch nicht. Noch nicht einmal um eine Zeitpacht. Es ist etwas komplizierter. Den Begriff Superädifikat kannte ich noch nicht. Werde umgehend googeln!
                  Suche:

                  Joh. Christian KROHNFUSS, Jäger, * um 1790
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                  • Juanita
                    Erfahrener Benutzer
                    • 22.03.2011
                    • 1425

                    #10
                    Hallo consanguineus, siehe hier!

                    Juanita

                    Meier


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                    Waren die Kinder beim Tode des Meiers noch minderjährig, konnte das Meiergut bis zur Volljährigkeit des Anerben (25 Jahre) durch einen Interimswirt geführt ...
                    Zuletzt geändert von Juanita; 30.09.2023, 12:49.

                    Kommentar

                    • consanguineus
                      Erfahrener Benutzer
                      • 15.05.2018
                      • 5536

                      #11
                      Hallo Juanita,

                      vielen Dank für die Links! Die Begriffe sind mir nicht fremd, waren sie doch Thema meiner Diplomarbeit. Wir nähern uns dem konkreten Sachverhalt langsam an.

                      Viele Grüße
                      consanguineus
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                      Thomas SCHÜTZE, Bürgermeister in Wernigerode 1561

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