Todeseintrag meines in Buchenwald umgekommenen Urgroßonkels.

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  • ManuelKrug
    Benutzer
    • 07.03.2015
    • 22

    Todeseintrag meines in Buchenwald umgekommenen Urgroßonkels.

    Oma wusste nur, dass Onkel Erich im Konzentrationslager umgekommen war. Vor 2 Wochen fand ich seinen Geburtsregistereintrag und damit vermerkt auch seinen Todestag, gemeldet für Weimar. Es musste demnach Buchenwald sein. Heute Abend habe ich den Todeseintrag im Internet (fold3.com) gefunden. Je konkreter es wird, umso näher geht es dann schon

    Kann mir jemand bei der Interpretation helfen:

    Was bedeutet "BV."? Ich weiß, dass 29427 die Häftlingsnummer ist. Danach folgen Name, Rufname, Geburtsdatum, Geburtsort und offenbar Todesdatum. Was bedeutet die "10:30" dahinter? Ist das die Uhrzeit des Todes? Unten links handschriftlich steht "10.12.1943" Bedeutet das, dass er an dem Tag nach Dora gebracht wurde?

    Kennt sich jemand mit sowas aus? Wäre dankbar für jede Info.
    Angehängte Dateien
  • Acanthurus
    Erfahrener Benutzer
    • 06.06.2013
    • 1657

    #2
    Hallo, die Häftlinge wurden im KZ "kategorisiert", auch mit den bekannten farblichen Markierung (vgl. https://upload.wikimedia.org/wikiped...ionslagern.jpg). "BV" steht dabei für "Berufsverbrecher" (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Berufsverbrecher). 10:30 steht meines Ermessens am ehesten für den Todeszeitpunkt, wobei dieser wie auch die Angabe der Todesursache von ungenau bis absichtlich falsch reichen kann.

    Im Totenbuch des Lagers gibt es keine weiterführenden Angaben (http://totenbuch.dora.de/names/detai...2592/ref/names), aber möglicherweise hilft eine Archivanfrage (http://www.buchenwald.de/708/).

    Grüße, A
    Zuletzt ge?ndert von Acanthurus; 03.08.2015, 23:50.

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    • Anna Sara Weingart
      Erfahrener Benutzer
      • 23.10.2012
      • 15111

      #3
      Zitat von ManuelKrug Beitrag anzeigen
      ....Bedeutet das, dass er an dem Tag nach Dora gebracht wurde?...
      Hallo,
      er wird bereits vor seinem Tod in Dora gearbeitet haben, und auch dort verstorben sein!
      Die offizielle Angabe Todesort Weimar wurde offenbar gemacht, weil niemand in der Öffentlichkeit etwas über die Existenz der geheimen unterirdischen Raketenfabrik Dora erfahren sollte.
      Gruss
      Viele Grüße

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      • Acanthurus
        Erfahrener Benutzer
        • 06.06.2013
        • 1657

        #4
        Dora wird als Sterbeort auch in der verlinkten Liste des Lagers genannt.

        Grüße, A.

        Kommentar

        • ManuelKrug
          Benutzer
          • 07.03.2015
          • 22

          #5
          Hallo zusammen.
          Vielen Dank für die Antworten.
          Bisher ging mir kein Fall im Rahmen meiner Familienforschung so nahe

          "BV." als Berufsverbrecher bedeutet, dass er absichtlich falsch "kategorisiert" wurde, was nicht unüblich war, weil dadurch Häftlinge gegeneinander aufgebracht wurden. Er war nämlich bekennender Sozialist und wäre demnach "politisch" gewesen.

          Die Todeszeit nehm ich jetzt auch mal so hin. Anfrage an Weimar zum Sterberegistereintrag ist heute auch rausgegangen. Bin gespannt was darauf so steht. Neben den Gründen der Geheimhaltung von Dora, hatte Buchenwald selbst ja sicherlich kein eigenes Standesamt, und war offenbar Weimar zugeteilt. Erstaunlich, dass die Bürokratie inmitten des 2. Weltkriegs entsprechend funktioniert hat.

          Als Todesursache ist seine Lungenkrankheit plausibel wegen Stäube im Bergwerk. "Herzschwäche" grenzt an einer Binsenweisheit, da bei den Bedingungen bei sicherlich jedem Häftling Herzschwäche gegeben hat.

          Vielen Dank für den Link. Im Eintrag im Totenbuch Dora stimmen auch seine zweiten Vornamen. Ich werde mal wirklich eine Rechercheanfrage stellen, bin gespannt was da so rauskommt.

          Schockierend sind natürlich auch Bilder, die man von jenem Lager so findet. Ich glaube ich werde seiner noch lebenden Nichte (meiner Oma) die meisten Details nicht weitererzählen.

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          • Acanthurus
            Erfahrener Benutzer
            • 06.06.2013
            • 1657

            #6
            Hallo Manuel,

            nochmal zur Todesursache: Die dürfte in sehr vielen Fällen wirklich ausgedacht sein und man sollte da keine Plausibilität suchen. Die Tuberkulose war zwar häufig damals und bei von Mangelernährung und anderen Krankheiten geschwächten Häftlingen konnten da auch jüngere Personen daran sterben. Gerade "Herzschwäche" wird sehr häufig genannt, die vermeintlich "natürliche" Todesursache soll die mörderischen Arbeitsbedingungen, Folter und Ermordung kaschieren. Die vermeintliche "Exaktheit" ist auch so ein Ding, wenn man bedenkt, dass bei der angestrebten "Vernichtung durch Arbeit" eine medizinische Versorgung meist nicht gegeben war und auch niemand an einer korrekten Diagnosefindung organisiert war (zudem bei hunderten Toten pro Monat).

            Grüße, Acanthurus

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            • ManuelKrug
              Benutzer
              • 07.03.2015
              • 22

              #7
              Hallo Acanthurus,

              da stimme ich Dir zu.

              Wirklich sicher ist nur das Todesjahr. Denn schon beim Datum selbst gibt es "Fehler": Auf dem o.g. Eintrag ist der 16.05. angegeben, auf dem Geburtenregistereintrag wurde hingegen der 6.5. vermerkt.

              Habe mal den Rechercheauftrag gegeben. Mal sehen wie lange es dauert und ob die mehr haben als das o.g. Darüberhinaus bin ich auf den Sterberegistereintrag aus Weimar gespannt. Werd mich melden wenn es etwas neues gibt.

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              • urmel_x
                Erfahrener Benutzer
                • 26.06.2015
                • 106

                #8
                Sachbuch zu Buchenwald-Dora

                Hallo,

                als Sachbuch zum Themenkomplex Buchenwald-Dora/Dora-Mittelbau kann ich das wohl als Standardwerk zu bezeichnende Buch

                Zwangsarbeit im Raketentunnel

                von Andre Sellier

                empfehlen.

                Gruß,

                Urmel

                Kommentar

                • ManuelKrug
                  Benutzer
                  • 07.03.2015
                  • 22

                  #9
                  Hallo zusammen. Ich habe nun den Sterberegistereintrag aus Weimar bekommen.

                  Eintragungen zum Geburtstag/Geburtsort und Eltern sind korrekt. Als Todesursache wurde nunmehr nur "Herzschwäche." angegeben. Die Meldung erfolgte schriftlich durch den "Leiter des Krankenreviers Weimar-Buchenwald" was an sich schon seriöser und sauberer klingt als alles war. Bis hierhin gibt es keine offenen Fragen.

                  Als Todeszeitpunkt bestätigt sich der 16.05.1944 um 10:30 Uhr. Wie sicher kann man hier nun sein? Kann man das Datum (16.05.1944) als 100%ig sicher ansehen?

                  Allerdings steht auch drin, dass er "geschieden" war. Aber keinerlei Anmerkungen mit wem er wann und wo verheiratet war (auch nicht in seinem Geburtenregistereintrag). Ich gehe davon aus, dass die Insassen zwangsweise geschieden wurden. Für mich ist es aber eine Überraschung, weil meine Oma (seine Nichte) sicher weiß, dass er nicht verheiratet war. Ist es möglich, dass ledige Häftlinge den "Status" geschieden bekommen haben, um ihnen einen (für die damalige Zeit) Makel anzuhängen und damit zusätzlich herabzuwürdigen? Oder kann man sicher sein, dass er wirklich verheiratet war?

                  Kommentar

                  • genera
                    Erfahrener Benutzer
                    • 16.01.2014
                    • 120

                    #10
                    Hallo Manuel,

                    das Todesdatum würde ich als gegeben akzeptieren. Niemand weiß genau, ob er wirklich an diesem Tag starb. Hier schlägt die deutsche Bürokratie zu. Buchenwald war ein "ordentlich" geführtes Konzentrationslager auf deutschem Boden. Einlieferungen wurden ebenso wie Abgänge penibel dokumentiert. Wenn er also in Dora starb, musste das auch in den Listen oder Karteien ausgetragen werden. Ob nun genau der 16.05. der Todestag war oder es nur an diesem Tag gemeldet wurde kann wohl keiner mehr sagen. Herzschwäche war die "typische Bezeichnung" bei Abgängen. Vernichtung durch Arbeit und Erschöpfung hätte auf einem amtlichen Totenschein auch doof ausgesehen. Ob der Status geschieden zutreffend ist wirst Du selber erforschen müssen. Von dem Bruder meines UrGroßvaters, der in Dachau interniert war, weiß ich, dass er verheiratet war und nicht zwangsgeschieden wurde. Hier wäre also noch Forschungsarbeit für Dich offen. Ich glaube auch nicht, dass zwangsläufig bei allen KZ-Insassen geschieden eingetragen wurde. Warum auch?
                    Zusätzliche Diskreditierung? Hatten die Einweisenden (bei Politischen i.d.R. die Gestapo) doch gar nicht nötig. Wer ins KZ kam war praktisch rechtlos. Die familiäre Situation dürfte da nebensächlich gewesen sein.

                    Gruß genera
                    Suche in Münster FN Beuermann und Böse , in Magdeburg FN Wilke und Bergmann (vor 1909);
                    Suche in Hof (Bayern) Blohberger, Wenig, Schwarz, in Hüttung/Bobengrün FN Fischer

                    Kommentar

                    • ManuelKrug
                      Benutzer
                      • 07.03.2015
                      • 22

                      #11
                      Ich weiß, dass Verheiratete oftmals geschieden wurden. Zur Demoralisierung, Isolation und weil die Ehepartner zu Hause sich neu orientieren sollten.

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                      • genera
                        Erfahrener Benutzer
                        • 16.01.2014
                        • 120

                        #12
                        ist schon gut möglich, schließlich wollte man gerade politische Gefangene möglichst isolieren und vom funktionierenden NS System abtrennen. Wenn das in Deinem Fall so war, muss es auch irgendwo eine Eintragung in einem Standesamt geben. In diesen Jahren herrschte ja schon eine gut eingespielte Bürokratische Ordnung. Eventuell solltest du doch mal mit dem Archiv in Buchenwald Kontakt aufnehmen. Mir hat vor einiger Zeit der Archivar in Dachau sehr nett geholfen (und auch kostenlos).
                        Suche in Münster FN Beuermann und Böse , in Magdeburg FN Wilke und Bergmann (vor 1909);
                        Suche in Hof (Bayern) Blohberger, Wenig, Schwarz, in Hüttung/Bobengrün FN Fischer

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                        • uweA
                          Erfahrener Benutzer
                          • 03.01.2013
                          • 141

                          #13
                          Hallo Manuel,

                          auf grund meiner Arbeiten in den Konzentrationslagern kann ich folgendes anmerken:

                          1. Todesort
                          wird sicherlich stimmen

                          2. Todestag
                          kann durchaus minimal variieren, insbesondere bei schweren
                          Luftangriffen

                          3. Todeszeit
                          Diese sagt gar nichts aus. Sie kann stimmen oder auch nicht.

                          4. Todesart
                          wenn keine ausführliche Krankenakte vorliegt, kann man nicht unbedingt
                          von der Richtigkeit zu diesem Zeitpunkt ausgehen.
                          Todesart wurden standardmäßig eingetragen

                          5. BV Bezeichnung
                          Man kann davon ausgehen, das die Bezeichnung Berufsverbrecher
                          richtig vergeben wurde. In Buchenwald waren die Häftlinge mit dem
                          roten Winkel (politischen) sehr stark vertreten und es gab eine große
                          Solidarität unter diesen.
                          Jedoch solltest du bedenken, das diese Bezeichnung immer aus Sicht der
                          Nationalsozialisten vergeben wurde. Die verurteilungen halten
                          rechtstaatlichen Prinzipien nicht immer statt. Es muss also eine
                          Verurteilung vorliegen. Dies müßte aber aus den Akten des KL
                          Buchenwalf hervorgehen.

                          6. Es gab ein Sonderstandesamt in Buchenwald, welches zum Standesamt Weimar gehörte.

                          7. "Scheidung"
                          Es gab keine Zwangsscheidungen. Jedoch wurde Druck auf diejenigen
                          Personen ausgeübt, welche mit einer Jüdin verheiratet waren.
                          Der Eintrag kann also durchaus falsch sein.
                          Du solltest hierzu aber seine Standesamdaten im Archiv abklären.
                          (scheinbar lebte er ja in Erfurt)

                          Ich hoffe, dies erklärt einiges etwas klarer.

                          Uwe
                          Augustin aus Märzdorf und Jungwitz Kreis Ohlau
                          Laudel aus Dresden
                          Kramer aus Mönchengladbach

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