Interessante Einsichten zur Gültigkeit von Ehen

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  • Sbriglione
    Erfahrener Benutzer
    • 16.10.2004
    • 1177

    Interessante Einsichten zur Gültigkeit von Ehen

    Hallo allerseits,

    in einem Buch über die Geschichte der christlichen Sexualmoral (Georg Denzler 1988: "Die verbotene Lust. 2000 Jahre christliche Sexualmoral") habe ich zu meiner Überraschung eine ganze Reihe von Aussagen bezüglich der Eheschließung gefunden, die aus meiner Sicht durchaus auch genealogisch interessant sind.

    Beispiele:

    - bezüglich des Zeitpunktes, ab wann eine Ehe als rechtsgültig anzusehen sei, gab es ursprünglich einen entscheidenden Unterschied zwischen der christlich-römischen und der germanischen Auffassung: bei den Germanen war der erfolgte Geschlechtsakt der entscheidende Zeitpunkt (daher wurde das Paar häufig von Zeugen "zu Bett" gebracht, mehr oder weniger öffentlich entkleidet und der erste Geschlechtsakt ebenfalls vor Zeugen durchgeführt), im christlich-römischen Recht war der entscheidende Zeitpunkt der freiwillige, mündliche Vertrag beider Partner, bei dem noch nicht einmal Zeugen anwesend sein mussten (d.h. auch ein mündlicher Vertrag ohne Zeugen wurde - wenn auch kaum zu beweisen - als gültig angesehen)

    - die Frage, welchen Zweck eine Ehe habe bzw. welcher der zu bevorzugende Grund sei (gegenseitige Treue, Erzeugung von Kindern, Vermeidung von "Unzucht") war in den christlichen Kirchen immer wieder in Diskussion und wurde auch immer wieder mit anderen Schwerpunkten beantwortet (wichtig beispielsweise für die Frage, ob Unfuchtbarkeit eines Partners die Ehe ungültig machen könne!)

    -enge Verwandtschaft als Ehe-Hinderung und einer der ganz wenigen möglichen Scheidungsgründe war anscheinend schon recht frühzeitig in der Diskussion, wobei kirchlicherseits die Verwandtschaft als Hinderungsgrund im Hochmittelalter zeitweilig so weit gefasst wurde, dass sie kaum noch beweisbar war und (schon mit Rücksicht auf den Adel, bei dem dadurch die Auswahl all zu sehr engeschränkt wurde) nach einiger Zeit wieder stark zusammengestrichen wurde

    - in der katholischen Kirche wurde die Eheschließung vor dem Pfarrer und zwei Zeugen erst mit dem Konzil von Trient 1563 verbindlich und mit dem dreimaligen "Aufgebot" verbunden. Grund für die Regel: da auch nach kirchlicher Tradition eine Ehe mit dem gegenseitigen mündlichen Versprechen auch weiterhin selbst dann als gegeben angesehen wurde, wenn es keinerlei Zeugen und keinen christlichen Segen gab, sollte verhindert werden, dass die Kirche womöglich eine ungültige Ehe segne. Außerdem gaben die Aufgebote der Kirche zumindest noch etwas Zeit, andere mögliche Hinderungsgründe zu prüfen. In den protestantischen Kirchen gab es erst später entsprechende Regelungen!

    - die öffentliche Eheschließung wurde, obwohl sie nicht zwingend vorgeschrieben wurde, seitens der Kirche auch deshalb angeraten, um Frauen vor Männern zu schützen, die sie betrügen wollten.

    - erst im 19. Jahrhundert fingen weltliche Behörden an, nur solche Ehen als zulässig anzusehen, bei denen die Partner nachweisen konnten, sich und etwaige Kinder finanziell selbst versorgen zu können (und die Kirchen ließen sich darauf ein). Das könnte vielleicht erklären, weshalb es ab dieser Zeit einen deutlichen Anstieg an unehelichen Geburten gab...

    Beste Grüße!
    Zuletzt geändert von Sbriglione; 28.05.2023, 09:54.
    Suche und biete Vorfahren in folgenden Regionen:
    - rund um den Harz
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    - in Ostwestfalen
    - in der Main-Spessart-Region
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    - auf Sizilien
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  • Sbriglione
    Erfahrener Benutzer
    • 16.10.2004
    • 1177

    #2
    Kleiner Nachtrag:

    nach dem, was ich in dem Buch gelesen habe, wundert es mich nicht mehr so sehr, dass in den ältesten protestantischen Kirchenbüchern nach meiner Erfahrung keine Heiratseinträge enthalten sind...
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    • consanguineus
      Erfahrener Benutzer
      • 15.05.2018
      • 5541

      #3
      Guten Sbriglione,

      Es gibt durchaus ganz alte evangelische Kirchenbücher, in denen die Ehen vermerkt sind. Zumindest im Fst. Wolfenbüttel. Anderswo kenne ich mich nicht so gut aus.

      Frohe Pfingsten!
      Suche:

      Joh. Christian KROHNFUSS, Jäger, * um 1790
      Carl KRÜGER, Amtmann in Bredenfelde, * um 1700
      Georg Melchior SUDHOFF, Pächter in Calvörde, * um 1680
      Ludolph ZUR MÜHLEN, Kaufmann in Bielefeld, * um 1650
      Dorothea v. NETTELHORST a. d. H. Kapsehden, * um 1600
      Thomas SCHÜTZE, Bürgermeister in Wernigerode 1561

      Kommentar

      • Sbriglione
        Erfahrener Benutzer
        • 16.10.2004
        • 1177

        #4
        Zitat von consanguineus Beitrag anzeigen
        Guten Sbriglione,

        Es gibt durchaus ganz alte evangelische Kirchenbücher, in denen die Ehen vermerkt sind. Zumindest im Fst. Wolfenbüttel. Anderswo kenne ich mich nicht so gut aus.

        Frohe Pfingsten!
        Hallo Consanguineus,

        ich weiß, dass es da einige wenige Kirchenbücher gibt, bei denen es "schon" ab Ende des 16. Jh. Heiratseinträge gibt (danke für Deinen Einwand - meine Formulierung klang da wohl etwas zu "strikt") - und kenne im Vergleich dazu deutlich mehr, in denen es bei einem Kirchenbuch-Start um oder sogar vor 1570 zunächst lange Zeit ausschließlich Taufeinträge, dann irgendwann auch Sterbeeinträge und erst mit einer weiteren zeitlichen Verzögerung Traueinträge gibt.

        Insofern kann ich Dir nicht grundsätzlich widersprechen, sehe aber grundsätzliche Tendenzen - und wundere mich vielleicht etwas weniger darüber, warum einzelne Heiratseinträge meiner Vorfahren in einzelnen Kirchenbüchern fehlen, obwohl das Paar mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in diesem Ort geheiratet haben.

        Beste Grüße!
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        Kommentar

        • Jürgen_W
          Erfahrener Benutzer
          • 25.08.2021
          • 295

          #5
          Zitat von Sbriglione Beitrag anzeigen
          bei den Germanen war der erfolgte Geschlechtsakt der entscheidende Zeitpunkt (daher wurde das Paar häufig von Zeugen "zu Bett" gebracht, mehr oder weniger öffentlich entkleidet und der erste Geschlechtsakt ebenfalls vor Zeugen durchgeführt)
          Hallo Sbriglione,

          bis wann wurde das denn so gehandhabt?
          1525, bei der Ehe von Martin Luther und Katharina von Bora war es wohl noch so:
          Ein Buch enthüllt Erstaunliches aus dem Leben des Reformators. Ein Hamburger musste dem Bettlager vor der eigentlichen Hochzeit beiwohnen, weil es vorgeschrieben war


          Zum Begriff „Germanen“ finde ich übrigens diese Erläuterung in Wikipedia aufschlussreich:
          In jüngster Zeit wird in der Forschung verstärkt die Instabilität ethnischer Identitäten gerade in der Antike betont und dabei auch das vermeintlich dem nationalstaatlichen Denken des 18. und 19. Jahrhunderts entstammende Konzept der Germanen in Frage gestellt. „Germane“ sei (wie „Barbar“) nur eine Fremdbezeichnung, die mehr über Griechen und Römer aussage als über die mit den Begriffen bezeichneten Gruppen und Individuen. Vereinzelt wird sogar gefordert, Germane und germanisch im wissenschaftlichen Kontext überhaupt nicht mehr zu verwenden.

          Viele Grüße,
          Jürgen

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          • Eva64
            Erfahrener Benutzer
            • 08.07.2006
            • 811

            #6
            Zitat von Sbriglione Beitrag anzeigen
            Hallo Consanguineus,

            ich weiß, dass es da einige wenige Kirchenbücher gibt, bei denen es "schon" ab Ende des 16. Jh. Heiratseinträge gibt (danke für Deinen Einwand - meine Formulierung klang da wohl etwas zu "strikt") - und kenne im Vergleich dazu deutlich mehr, in denen es bei einem Kirchenbuch-Start um oder sogar vor 1570 zunächst lange Zeit ausschließlich Taufeinträge, dann irgendwann auch Sterbeeinträge und erst mit einer weiteren zeitlichen Verzögerung Traueinträge gibt.
            Hallo Sbriglione,


            für das evangelische Württemberg kann ich dir sagen, dass von Herzog Christoph den Pfarrern 1559 die Verpflichtung auferlegt wurde ein Taufbuch zu führen. Trau- und Sterbebücher kamen dann meist so gegen Ende des 16. Jahrhunderts dazu, manchmal auch schon gleichzeitig mit den Taufbüchern. Nur dass keine Bücher geführt wurden, heißt ja nicht, dass da nichts stattgefunden hätte. Es gibt immer wieder Lücken in Büchern, weil ein Pfarrer z.B. nicht so konsequent in der Kirchenbuchführung war...



            Grüße
            Eva

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