Graf Brockdorff

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  • Lacplesis
    Erfahrener Benutzer
    • 24.04.2010
    • 97

    Graf Brockdorff

    Mein erstes Posting hier und gleich eine Bitte um Hilfe

    Ich erschließe z.Z. einen Bestand an Briefen, die an die russische Gräfin BOUTENEV, Ekaterina Konstantinovna (1878-1966) gerichtet sind.

    Darunter befinden sich einige Briefe von einer Frau Marie Grossmann (geb. Fischer), Frauenstr. 21/2, Zittau, zu denen ich einige Fragen habe.

    Hier die Passagen um die es geht:

    Brief vom Mai 1906
    Japan ist ja ein so interessantes Land. Meine Cousine Brockdorff erzählte oft von ihrem Aufenthalt dort. Sie verlebte einige Zeit mit den Kindern in Kobe - als damals die grossen Unruhen in China waren.
    Brief vom Februar 1908
    Im Herbst kehrt mein Vetter & meine Cousine Brockdorff ganz aus China nach Deutschland zurück, worüber wir uns sehr freuen! Es sind doch unsere nächsten Verwandten und stehen sie uns ganz besonders nahe!
    Sowie ein Brief von Marie Gräfin Brockdorff an die Gräfin Boutenev:

    Leipzig, den 26ten August 14.
    Kaiser Wilhelmstrasse 19

    Sehr geehrte gnädige Frau,
    Gestatten Sie, dass ich – eine Nichte des Ihnen bekannten Herrn Ferdinand Fischer – mich mit einer Bitte an Sie wende. Könnten Sie mir vielleicht Auskunft geben, ob meine Cousine Marie Grossmann geb. Fischer mit ihren Kindern noch unter dem gütigen Schutz Ihres Herrn Vaters in Szczorse weilt? Wir sind seit dem 22ten Juli - an diesem Tag schrieb sie noch glückselig über den schönen lieben Aufenthalt in Szczorse – ohne jede Nachricht von ihr. Wir wissen ja genau, dass solange sie der Gast Ihres von uns allen hochverehrten Herrn Vaters ist, ihr und den Kindern kein Leid geschehen kann. Aber falls sie, als dieser schreckliche Krieg ausbrach, sich eiligst auf den Heimweg machte, und die Grenze nicht mehr erreichte, könnte sie in grosse Schwierigkeiten geraten sein. Von ganzem Herzen würde ich Ihnen, gnädigste Frau, dankbar sein, wenn Sie mir eine aufklärende Zeile zukommen liessen. Ich kenne Sie verehrte gnädige Frau aus Bildern und Erzählungen so genau, dass ich sicher bin, nicht vergebens zu bitten, wenn es irgend in Ihrer Macht liegt uns zu beruhigen. Ihre sehr ergebene
    Marie von Brockdorff
    Es ist mir bis jetzt nicht gelungen folgende Fragen zu beantworten und würde mich sehr über Hilfe freuen:

    1. Wer war der Ehemann von Marie Gräfin Brockdorff?
    2. In welcher Eigenschaft befand dieser in China?
    3. Wer war der erwähnte Ferdinand Fischer?
  • Johannes v.W.
    Erfahrener Benutzer
    • 02.05.2008
    • 1150

    #2
    Stöbern bei google-books:

    The North-China Herald and Supreme Court & Consular Gazette, vol. 79, May 4 1906 (= ausländische Zeitung in Nordchina)
    Chinkiang- Personalia: "Mr. Rémusat succeeds Mr. von Brockdorff in the indoor staff of the Custom House"

    China, Imperial Maritime Customs, Service List, Shanghai 1908, S.9 (= offizielle Dienstliste des Zollamts)
    1907-1908 Chief Assistance:
    (u.a.) H.J. von Brockdorff * (* = had retired and rejoined), Nationality: German; Date of first Appointment (in China): 1877; Station: Kiaochow

    Zuerst war Brockdorff bis 1906 im "Innendienst" (indoor staff) des Zollamts von Chinkiang (heute: Zhenjiang am Yangtze, nahe Shanghai) tätig. Dann wird er 1907/08 als zurückgetreten und wiedereingestellt (retired and rejoined) bezeichnet, diesmal als Chefassistent des Kaiserlichen Seezollamts in Kiaochow-Kiautschou. Dieses Gebiet war eine der größeren deutschen Kolonial-Konzessionen in China mit der Hauptstadt Tsingtao (Qingdao). Die Stationen und Zeitabschnitte inkl. Pausierung scheinen sich mit den Informationen in den Briefen zu decken, zusammenfassend handelt es sich um:

    H.J. von Brockdorff, im Dienst des Kaiserlich Chinesischen Seezollamts 1877-1908, zuletzt Chefassistent, Stationen: u.a. Chinkiang, Kiaochow.

    Er wurde übrigens nicht als "Count" sondern als "Mr. von" bezeichnet, gehörte somit wohl zur freiherrlichen Linie, offiziell als Freiherr von / Herr von Brockdorff bezeichnet, im privaten Bereich als Baron Brockdorff. Die weiteren familiären Zusammenhänge müßte sich man im Genealogischen Handbuch des Adels erschließen.

    Viele Grüße
    Johannes
    Zuletzt geändert von Johannes v.W.; 24.04.2010, 15:26.
    Dergleichen [genealogische] Nachrichten gereichen nicht nur denen Interessenten selbst, sondern auch anderen kuriosen Personen zu einem an sich unschuldigen Vergnügen; ja, sie haben gar oft in dem gemeinen Leben und bei besonderen Gelegenheiten ihren vielfältigen Nutzen. Johann Jakob Moser, 1752

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    • Lacplesis
      Erfahrener Benutzer
      • 24.04.2010
      • 97

      #3
      Vielen Dank für die Hilfe. Das wird er schon sein.

      Ich bin von gräflich ausgegangen, weil seine Frau das so im Absender vermerkte (siehe Bild).
      Angehängte Dateien

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      • Johannes v.W.
        Erfahrener Benutzer
        • 02.05.2008
        • 1150

        #4
        Zitat von Lacplesis Beitrag anzeigen
        Ich bin von gräflich ausgegangen, weil seine Frau das so im Absender vermerkte (siehe Bild)
        Dann wird das auch so hinkommen.
        Vielleicht konnte der Mann im kaiserlichen China den Grafentitel nicht führen? Bzw. der wurde in den angegebenen Listen ausgespart...

        Viele Grüße
        Johannes
        Dergleichen [genealogische] Nachrichten gereichen nicht nur denen Interessenten selbst, sondern auch anderen kuriosen Personen zu einem an sich unschuldigen Vergnügen; ja, sie haben gar oft in dem gemeinen Leben und bei besonderen Gelegenheiten ihren vielfältigen Nutzen. Johann Jakob Moser, 1752

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        • Hina
          Erfahrener Benutzer
          • 03.03.2007
          • 4661

          #5
          Hallo Lacplesis,

          Herzlich willkommen im Forum.

          Na, das ist vielleicht eine harte Nuss. Das hat schon ein wenig was von der Nadel im Heuhaufen bei der riesigen Familie . Aber nichts ist unmöglich.

          Hier die gewünschten Antworten:

          1. Wer war der Ehemann von Marie Gräfin Brockdorff?
          geb. v. Winkelmann, geb. 24.10.1859 oo
          Graf Hugo Julius Albert v. Brockdorff (Fränkische, reichsgräfliche Linie 1706), geb. Rendsburg 27.2.1848,
          Eltern: Graf Alexander Etienne Friedrich v. Brockdorff, geb. 6.8.1813, gest. Coburg 2.12.1889 und Luise Friederike Juliane v. Münchhausen, geb. Würzburg 25.7.1816, gest. Reichenhall 9.3.1868
          Kinder:
          1. Graf Cai Alexander Ulrich Eduard v. B., geb. Peking 24.3.1890
          2. Graf Alexander v. B., geb. Ningpo 17.11.1894

          Marie v. Winckelmann konnte ich noch nicht zuordnen.

          2. In welcher Eigenschaft befand dieser in China?
          Er war erst Zolldirektor, dann Leiter des Postamtes in Shanghai (1903).

          3. Wer war der erwähnte Ferdinand Fischer?
          Den finden wir vielleicht auch noch .

          Viele Grüße
          Hina
          "Der Mensch kennt sich selbst nicht genügend, wenn er nichts von seiner Vergangenheit weiß." Karl Hörmann

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          • Lacplesis
            Erfahrener Benutzer
            • 24.04.2010
            • 97

            #6
            Wow, vielen Dank! Eine Fülle an neuen Informationen.
            Direktor des Postamtes in Shanghai! Das freut den Philatelisten in mir

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            • Hina
              Erfahrener Benutzer
              • 03.03.2007
              • 4661

              #7
              Ich habe noch eine kleine Korrektur eingebracht.
              Marie geb. v. Winkelmann (nicht mit ck) und nicht sie wurde in Rendsburg geboren, sondern ihr Ehemann.
              Viele Grüße
              Hina
              "Der Mensch kennt sich selbst nicht genügend, wenn er nichts von seiner Vergangenheit weiß." Karl Hörmann

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              • Hina
                Erfahrener Benutzer
                • 03.03.2007
                • 4661

                #8
                Hallo Lacplesis,

                eine Verbindung Reichsgrafen Brockdorff oo Fischer gibt es nicht. Somit müsste die Mutter von Marie Grossmann geb. Fischer eine v. Winkelmann sein oder gibt es in der Korrespondenz irgendwelche andere Hinweise?

                Das vereinfacht die Sache nicht gerade. Bemerkenswert ist allerdings, dass die Stiefmutter von Hugo Julius Albert Graf Brockdorff eine Therese v. Winkelmann ist. Es ist anzunehmen, dass die beiden Damen (Therese und Marie) eng verwandt sind, vielleicht Tante und Nichte aber es ist immer noch nicht klar, wo die hingehören .

                Viele Grüße
                Hina
                "Der Mensch kennt sich selbst nicht genügend, wenn er nichts von seiner Vergangenheit weiß." Karl Hörmann

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                • Lacplesis
                  Erfahrener Benutzer
                  • 24.04.2010
                  • 97

                  #9
                  Ich gebe hier mal die Briefe komplett wieder, die zu diesem Teil der Korrespondenz gehören:

                  Seite 1

                  Zittau
                  Frauenstr. 21/2
                  d. 22./4. Feb. 06

                  Meine liebe, liebe Katia,

                  Ich weiss nicht ob Sie meinen Brief vom 27. Juli erhalten haben, ich hoffe es aber - denn sonst müssten Sie mir meines langen Schweigens halber, zürnen. Ich schrieb Ihnen aus der Schweiz, wo wir diesen Sommer 4 Wochen verlebt hatten. Mit meinen Gedanken bin ich seit dem so viel bei Ihnnen und den lieben Ihrigen gewesen - und doch ist das neue Jahr gekommen und befinden wir uns schon lange in demselben - und erst jetzt komme ich dazu Ihnen zu schreiben, meine liebe Katia.

                  Seite 2

                  Hoffentlich haben Sie und die lieben Ihrigen das neue Jahr gesund begonnen! Nachträglich sende ich Ihnen meine herzlichsten Glückwünsche - möchte das begonnene Jahr Ihnen recht viele glückliche, frohe Tage bringen, Sie immer gesund bleiben, meine liebe Katia und möchten Sorgen aller Art Ihrem Haus fern bleiben. Welch' traurige Zeiten sind über Russland gekommen! Gott sei dank scheint es aber ruhiger zu zu werden! In den Zeitungen ist gewiss sehr vieles übertrieben worden, wie das immer zu sein pflegt! Hoffentlich waren Ihre verehrten Eltern nicht in Moscau wie es so unruhig dort zuging! Wie mag es auf den Gütern gewesen sein? Hat man dort unter den Unruhen zu leiden gehabt?
                  Und nun vor allen Dingen, wie geht es Ihnen meine liebe Katia? Haben Sie sich in Constantinopel ganz gut eingerichtet und fühlen

                  Seite 3

                  Sie sich dort heimisch? Wie geht es Mascha* sind die Kinder gesund und munter? Und wie geht es Ihrem Herrn Bruder? Ist er auch noch immer in Constantinopel? Und denkt er nicht auch an's heiraten? Ach, wie gerne möchte ich einmal wieder mit Ihnen plaudern, meine liebe Katia! Und wie gerne einmal ihre verehrten Eltern wiedersehen! Führt sie der Weg nicht einmal über Deutschland?
                  Gerne hätte ich Ihnen pünktlich zum Weihnachtsfest geschrieben - aber ich fühlte mich garnicht wohl, auch bin ich noch immer nicht ganz munter. Es muss eine Art Influenza sein an der ich leide. Bei uns ist das Wetter aber auch zu wechselnd. Einen Tag friert es - den nächsten Tag scheint die Sonne und am dritten Tag regent es. So war der ganze Winter bei uns - da kann man die Erkältung nicht los werden. Ich bin nur froh dass mein Mann und die Kinder gesund sind. Vor Weihnachten hatte Edith allerdings auch eine Mandel-Ent-

                  Seite 4

                  zündung, doch war sie zum Fest wieder ganz gesund. Sie würden erstaunt sein was für ein grosses Mädchen sie geworden ist. Wir freuen uns mit welchen Eifer sie in die Schule geht. Zu Ostern bekommt Sie auch französisch Unterreicht. Hans-Wolf hat noch Zeit - er kommt auch Ostern über's Jahr in die Schule. Er ist ein sehr munterer, lebhafter und zärtlicher Knabe. Die beiden Geschwister lieben sich sehr. Wir haben uns im Herbst (mein Mann, ich und die Kinder) photographieren lassen - würde Ihnen ein solches Bild Freude machen? Dann sende ich Ihnen eins! Ueber Ihr Bild mit Ihrem Herrn Verlobten damals habe ich mich so gefreut! Es sieht so lebenswahr und glücklich aus. Für heute ein herzliches Lebewohl meine liebe Katia! Von meinem Mann und mir an Sie und all' die lieben Ihrigen die herzlichsten Grüsse! Es umarmt Sie in herzlicher Liebe
                  Ihre treue
                  Marie Grossmann


                  * Maria Konstantinovna Trubetskaya (Katias Schwester)

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                  • Lacplesis
                    Erfahrener Benutzer
                    • 24.04.2010
                    • 97

                    #10
                    Zweiter Brief:

                    Seite 1

                    Zittau, 3/15 Mai 1906

                    Meine liebe, liebe Katia,

                    Heute Ihr Geburtstag! Wenn auch meine Glückwünsche zu demselben nicht pünktlich in Ihre Hände gelangen , meine liebe Katia, so sind sie nicht minder herzlich und aufrichtig gemeint. Der liebe Gott lasse Sie in ein recht glückliches und gesundes Lebensjahr eintreten und halte allen Kummer fern von Ihnen! - Für Ihren lieben Brief danke ich Ihnen herzlich!

                    Seite 2 (doppelseite)

                    Sie haben auch tarurige Zeiten hinter sich, meine liebe Katia! Da Ihre Frau Schwiegermutter aber so leiden und solche Schmerzen erdulden musste war der Tod eine Erlössung und wirkte dann auch auf die Hinterbliebenen versöhnender! Es bleibt aber immer ein grosser Schmerz den Sie und Ihr Herr Gemahl durchlebt haben! Denn nichts ersetzt nun die Elternliebe!
                    Ich habe auch vor einem Monat meinen Onkel verloren, den Bruder meines Vaters! Ich weiss nicht ob Sie ihn kennen gelernt haben! Papa hing mit grosser Liebe an ihm. Mir ist der Tod meines Onkels sehr nah gegangen - war er mir doch noch eine lebende Erinnerung an meinen geliebten Vater und ausserdem ein so guter, edler Mensch!
                    Hier geht es, Gott sei Dank, allen gut.Die Kinder entwickeln sich gut und wir freuen uns sehr dass Edith mit so viel Lust in die Schule geht. Nächste Ostern beginnt dann auch für Hans Wolf der Ernst des Lebens.
                    Ihr lieber Brief hat mich interessiert, meine liebe Katia. Ich freute mich sehr über all die Ihrigen etwas zu hören. Etwas einsam wird es Ihnen nun gewiss sein nachdem Ihre Schwester und Ihr Bruder nicht mehr in Constantinopel sind! Wird es Mascha

                    Seite 3

                    nicht etwas einsam auf dem Lande werden? Wie viele Kinder hat sie? Ihr Herr Bruder macht eine sehr interessante Reise und der Aufenthalt in Tokio wird gewiss sehr angenehm sein. Japan ist ja ein so interessantes Land. Meine Cousine Brockdorff erzählte oft von ihrem Aufenthalt dort. Sie verlebte einige Zeit mit den Kindern in Kobe - als damals die grossen Unruhen in China waren.
                    Wann werden wir uns einmal wiedersehen, meine liebe Katia? Kann Ihr Herr Gemahl nicht einmal nach Berlin versetzt werden? Oder unternehmen Sie wieder

                    Seite 4

                    einmal eine Reise die Sie über Deutschland führt? - Neulich erhielt ich einen Brief von Herrn Jurgenson. Er schreibt dass er vielleicht die landwirtschaftliche Ausstellung in Berlin besuchen wird. Dann erwähnte er auch dass Ihr Herr Vater eine Kur in Ems gebrauchen will! Wie würde ich mich freuen Ihre verehrten Eltern einmalwieder zu sehen. Kommen Sie nicht über Sachsen + Dresden? Gern würde ich hinfahren um sie zu begrüssen. Zittau liegt ja so ab von der grossen Linie dass wir nicht hoffen dürfen so lieben Besuch einmal bei uns begrüssen

                    Seite 5 (doppelseite)

                    zu können.

                    19/21 Mai 06

                    So lange ist mein Brief liegen geblieben, meine liebe Katia. Es gab viel zu thun in den letzten Tagen da mein Mann morgen nach 5 wöchentlicher Abwesenheit nach Hause zurückkommt. Er hatte ein Kommando nach Berlin. So angenehm die Abwechselung für ihn durch das leben in der Grossstadt war - so hat er doch schon grosse Sehnsucht nach uns und seinem Heim. Er ist am liebsten zu Hause bei den Kindern und bei mir. - Wir hatten jetzt sehr schönes Wetter immmer - aber zu wenig Regen - die Landwirte ersehnen welchen. Gehen Sie diesen Sommer fort von Konstantinopel? Nach Beshankovichy oder nach Szczorse? Oder nach Vassilievskoie zu Ihrer Schwester? - Haben Sie je wieder etwas von M'elle Leonie Jentzer gehört? Und wie geht es Ihrer Cousine der Prinzess Bariatinsky? Ich möchte so viel mit Ihnen plaudern meine liebe Katia - möchte so viel von Ihrem Leben hören! Wie Sie den ganzen Tag zubringen usw - usw. Vielleicht ist das Schicksal günstig und gibt uns einmal ein Wiedersehen - trotz

                    Seite 6

                    der grossen Entfernung die uns jetzt trennt.
                    Für heute ein herzliches Lebewohl, meine liebe Katia! Bitte grüssen Sie Ihre Eltern wenn Sie schreiben & wie glücklich ich wäre sie einmal wiederzusehen.
                    Nochmals alles Gute für das neue Lebensjahr!
                    Ihnen und Ihrem Herrn auch meine innigste Teilnahme bei dem unersetzlichen Verlust den Sie jetzt erlitten haben. - Edith lässt die liebe Tante Küssen! Es umarmt Sie, meine liebste Katia in treuer Liebe
                    immer Ihre
                    Marie Grossmann

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                    • Lacplesis
                      Erfahrener Benutzer
                      • 24.04.2010
                      • 97

                      #11
                      Dritter Brief:

                      Seite 1

                      Zittau
                      Frauenstrasse 21 II
                      21.II./4.III. 07 n.St.

                      Meine liebe, liebe Katia,

                      Heute nur ein kurzes Briefchen - aber ich habe wirklich keine Ruhe mehr! Wie lange habe ich nichts von Ihnen gehört meine Liebe Katia! Ihr Schweigen beunruhight mich - so lange Zeit haben Sie mich noch nie vergessen gehabt, meine Katia! Bite, bitte, geben Sie mir ein Lebenszeichen, wenn es

                      Seite 2

                      auch nur eine Postkarte ist & teilen Sie mir mit ob Sie gesund und munter und noch in Constantinopel sind! Wie oft gedenke ich Ihrer!
                      Haben Sie meine Briefe erhalten? Den einen schrieb ich im Mai 1906 und dann noch einmal im August von Bansin aus, wo ich mit den Kindern in den grossen Ferien war. Es ist ein kleines Bad an der Ostsee.
                      Uns geht es, Gott Lob, allen gut! Die Kinder sind Gesund und entwickeln sich gut. Hans Wolf hat bereits Privatstunden und kommt zu Ostern in die Schule! So einen grossen Pathensohn haben Sie und kennen ihn noch garnicht persönlich. Edith ist ein grosses Mädchen - sehr lebhaft und immer vergnügt! Der liebe Gott erhalte ihr diese Eigenschaft in ihrem ferneren Leben! Solche Menschen haben viel mehr von ihrem Leben - als solche die alles schwer nehmen. -
                      Wie geht es Ihren lieben, verehrten Eltern? Und was macht Mascha? Wie viele Kinder hat sie? Und wie geht es Ihrem Bruder? Ist er noch in Tokio? Oder ist er bereits wieder in Russland? Kann Ihr Herr Gemahl nicht auch

                      Seite 3

                      einmal nach Deutschland versetzt werden?
                      Leben Sie für heute wohl, meine liebe, liebe Katia! Und bitte geben Sie mir bald Nachricht! Mit den herzlichsten Grüßen
                      immer Ihre Sie herzlich liebende
                      Marie Grossmann
                      geb. Fischer

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                      • Lacplesis
                        Erfahrener Benutzer
                        • 24.04.2010
                        • 97

                        #12
                        Vierter Brief:

                        Seite 1

                        Zittau 9/21 Februar 1908

                        Meine liebe, liebe Katia,

                        Womit soll ich nur anfangen? Also! Zu allererst vielen herzlichen Dank für Ihren lieben Brief vom 23 Dec/5 Jan aus Moscau mit den guten Wünschen zu meinem Geburtstag! Ich kann Ihnen nicht sagen wie ich mich darüber gefreut habe dass Sie mich nicht vergessen haben! Fast fürchtete ich es, da ich so lange nichts von Ihnen hörte! Ehe ich aber von anderem anfange, möchte ich Ihnen noch nachträglich die allerbesten Wünsche für das neue, nun bereits begonnene Jahr aussprechen! Möchte dasselbe Ihnen stete Gesundheit bringen und Ihnen alle

                        Seite 2

                        Ihre Wünsche - grosse und kleine & auch die geheimsten erfüllen! - Nun werden Sie wieder in Constantinopel sein! Ich hatte die Absicht gehabt Ihnen gleich nach Moscau zu antworten - aber es war mir nicht möglich! Unsere Edith war recht krank und kam ich in Folge dessen zu garnichts! Gott Lob geht es ihr wieder besser - die Genesung macht täglich Fortschritte, aber es geht sehr langsam und ist nicht daran zu denken dass sie vor Ostern in die Schule gehen kann. Sie hat volle 7 Wochen fest zu Bett gelegen und können Sie sich denken dass wir ein wenig vergnügtes Weihnachtsfest gefeiert haben und mein Geburtstag auch traurig verlief. Mitte December erkrankte Edith, der Arzt hielt es für eine kleine Erkältung! Sie hatte etwas Halsschmerzen & sehr starke Kopfschmerzen - später gesellte sich eine allgemeine Mattigkeit dazu, die immer mehr zunahm! Dann kamen furchtbare Magenschmerzen & etwas Fieber. Es war eine regelrechte Influenza die dann im Gefolge einen Magenkatarrh und sehr schweren Darmkatarrh hatte! Das arme Kind hat 4 Wochen so gut wie nichts gegessen und war ganz abgemagert! Mitte Januar war der Arzt noch nicht im klaren ob es typhös wäre. Sie können sich unsere Angst & Sorge vorstellen! Wie dankbar sind wir nun dem lieben Gott dass sie auf dem Wege der Besserung ist! Hier & in vielen Städten herrscht die Influenza so sehr! Meinenm Mann & Hans-Wolf geht es auch gut - auch ich bin Gesund!
                        so sehr hat es mir leid gethan dass Sie so leidend gewesen sind, liebe Katia! Ich hörte es bereits durch Ihren Herrn Vater, hoffte aber es wäre nicht so schlimm als wie sie es nun berichten! Wie langweilig muss das lange Liegen gewesen sein! Aie arme, wie bedauere ich Sie nachträglich! Ich freue mich mit Ihnen dass Sie wieder munter sind. Ist Ihnen die Petersburger-Reise gut bekommen und haben Sie viel schönes gesehen& gehört? Wie reizend für Sie dass Sie in Moscau Ihre schwester & Ihren Bruder sehen! Bleibt Ihr Bruder nun in Russland? Und Mascha bleibt sie mit ihrem Mann immer in Moscau? - Wie reizend wäre es käme Ihr Herr Gemahl nach Deutschland - Berlin ist wohl die einzige Stadt in die er versetzt werden könnte? Da würden wir uns endlich einmal wiedersehen & Sie würden Ihren Patensohn kennen lernen.

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                        Ja, sehr lange haben wir uns nicht gesehen & ich fürchte Sie haben vergessen wie ich aussehe! Darum lege ich Ihnen ein Bild von mir bei, welches ich diesen Sommer machen liess! Leider sieht man auf den Bildern nicht die grauen Haare & die Falten & Fältchen die das Alter mit sich bringt! Ueberhaupt, durch den Tod meines Vaters habe ich sehr gealtert! Das war ein Schlag der mich zu sehr mitgenommen hatte. - Ich freue mich dass Ihrem Herrn Vater Ems so gut gethan hat. - Er wird die Kur dort gewiss noch öfter wiederholen müssen um sich immer mehr gegen die Erkältung zu stärken! Wie glücklich wird er über seine Enkelkinder (sein?) & die kleine Gesellschaft wird viel Leben in das Haus bringen wenn sie zu Besuch kommt. Ihre Frau Mutter beschäftigt sich aber noch immer mit den schönen Künsten! In Szczorse & Beshankovichy malte & brannte sie auch schon viel! Ich komme zu derartigen Sachen jetzt wenig - es giebt zu viel im Hause zu thun und die Kinder nehmen auch viel Zeit in Anspruch! Hans-Wolf geht seit Ostern in die Schule & ist ein gewissenhafter, fleissiger Junge. In seinem Character erinnert er mich oft an meinen

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                        geliebten Vater! Möchte er so werden wie der teure Verklärte war - dies ist mein innigstes Gebet. -Ja, zum Herbst ist er 7 Jahre geworden. Jetzt wächst er sehr und wird ein richtig wilder Junge. Er geht sehr gern in die Schule - vorläufig ist es auch mehr Spielerei! Zu ostern, wenn er versetzt wird, wird die Sache schon ernster. Wie schade dass Sie keine Kinder haben, meine Liebe Katia! Aber das kann auch noch werden! Sie müssten mal eine Kur in Franzensbad oder Elster machen. - Wir werden diesen Sommer gewiss auch in ein Bad wegen Edith gehen müssen. Sie wird es gewiss nötig haben nach dieser schweren Erkrankung. Sie ist auch so blutarm und bleichsüchtig geworden dass mir ganz Angst wird. Sie muss ja auch so diät leben - gleich bekommt sie Magenschmrzen. - So viel Freude und Glück uns die Kinder bereiten - aber ebenso viele Sorgen! Ein Sprichwort ist sehr wahr, das da sagt: "Kleine Kinder, kleine Sorgen - grosse Kinder, grosse Sorgen!" Ach, wie herrlich wäre es wenn wir uns einmal wiedersehen könnten, meine Liebe Katia! Sie wissen garnicht wie dankbar

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                        ich Ihnen für Ihre Freundschaft bin. Solche Freundschaften mach das leben reich. Im Herbst kehrt mein Vetter & meine Cousine Brockdorff ganz aus China nach Deutschland zurück, worüber wir uns sehr freuen! Es sind doch unsere nächsten Verwandten und stehen sie uns ganz besonders nahe! - Nun möchte ich aber schliessen, meine Liebe, Liebe Katia - Es ist ein Endloser Brief geworden! Wie beneide ich Sie dass Sie so schöne deutsche Briefe schreiben können! Mein Französisch habe ich sehr vergessen - ich glaube kaum dass ich im Stande wäre einen Brief zu schreiben. - Schreiben Sie etwa auch türkisch? Was machen Sie so den ganzen Tag? Haben Sie viel Verkehr & Besuch? Ist Ihr Herr Gemahl viel von zu Hause fort? Von meinem Mann soll ich die besten Empfehlungen ausrichten - Edith lässt Sie grüssen! Sie entsinnt sich dunkel an Tante Katia! - Haben Sie nicht ein neues Bild von sich? - Der Briefbogen geht zu Ende & Ihre Geduld gewiss auch, meine Liebe Katia! In der Hoffnung dass diese Zeilen Sie bei recht gutem Befinden antreffen, umarmt & küsst Sie innig, liebste Katia
                        Ihre treue Freundin Marie

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                        • Lacplesis
                          Erfahrener Benutzer
                          • 24.04.2010
                          • 97

                          #13
                          Der Brief von Marie von Brockdorff:

                          Leipzig, den 26ten August 14.
                          Kaiser Wilhelmstrasse 19

                          Sehr geehrte gnädige Frau,
                          Gestatten Sie, dass ich – eine Nichte des Ihnen bekannten Herrn Ferdinand Fischer – mich mit einer Bitte an Sie wende. Könnten Sie mir vielleicht Auskunft geben, ob meine Cousine Marie Grossmann geb. Fischer mit ihren Kindern noch unter dem gütigen Schutz Ihres Herrn Vaters in Szczorse weilt? Wir sind seit dem 22ten Juli - an diesem Tag schrieb sie noch glückselig über den schönen lieben Aufenthalt in Szczorse – ohne jede Nachricht von ihr. Wir wissen ja genau, dass solange sie der Gast Ihres von uns allen hochverehrten Herrn Vaters ist, ihr und den Kindern kein Leid geschehen kann. Aber falls sie, als dieser schreckliche Krieg ausbrach, sich eiligst auf den Heimweg machte, und die Grenze nicht mehr erreichte, könnte sie in grosse Schwierigkeiten geraten sein. Von ganzem Herzen würde ich Ihnen, gnädigste Frau, dankbar sein, wenn Sie mir eine aufklärende Zeile zukommen liessen. Ich kenne Sie verehrte gnädige Frau aus Bildern und Erzählungen so genau, dass ich sicher bin, nicht vergebens zu bitten, wenn es irgend in Ihrer Macht liegt uns zu beruhigen. Ihre sehr ergebene
                          Marie von Brockdorff

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                          • Lacplesis
                            Erfahrener Benutzer
                            • 24.04.2010
                            • 97

                            #14
                            Und der letzte von Marie Grossmann:

                            Szczorse
                            12./25. Februar 15

                            Meine liebe, liebe Frau Onou,

                            Durch Ihren Herrn Vater habe ich erfahren das mein Brief vom 12./25. December 14 glücklich in Ihre Hände gelangt ist. Inzwischen ist bei Ihnen eine kleine Nichte eingetroffen und möchte ich Sie bitten, Ihrem Herrn Bruder meine herzlichsten Glückwünsche zu übergeben. Hoffentlich geht es der jungen Mutter und dem Töchterchen gut. Von Ihrem Herrn Vater hatte ich vor einigen Tagen gute Nachrichten über allseitiges Befinden. Dank der Güte Ihres Herrn Vaters haben wir ein schönes Weihnachtsfest gefeiert. - Seit Neujahr hatten wir hier mässigen Frost und viel Schnee, nun taut es aber bereits . Die Kinder bedauern, dass Schlittschuhlaufen aufhört. In der Hoffnung, dass diese Zeilen Sie, liebe Frau Onou gesund antreffen, bin ich mit vielen herzlichen Grüssen und bestem Dank, immer
                            Ihre Sie treu liebende
                            Marie

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                            • Hina
                              Erfahrener Benutzer
                              • 03.03.2007
                              • 4661

                              #15
                              Hallo Lacplesis,

                              damit kommen wir doch schon wieder ein Stückchen weiter.

                              Es sind wohl die Winckelmann v. Hasenthal und Mechelsgrün aus dem Vogtland. 1558 Reichsadel für Johann Winckelmann auf Hermesgrün. 1600 Erneuerung und Wappenbesserung auch für die Brüder und Vettern. 1625 nochmal eine Adelsbestätigung und die Erlaubnis, sich v. Win(c)kelmann zu nennen. Ansonsten ist die Literatur über diese Familie gelinde gesagt, äußerst spärlich. Aber das Wappen könnte ich, falls gewünscht, beisteuern.

                              Zumindest habe ich aber nun noch ein paar präzisere Daten für Dich.

                              Marie Therese v. Winkelmann, geb. Königsberg 24.10.1859, gest. 5.2.1931 oo 6.6.1888 Niederlößnitz Hugo Julius Albrecht v. Brockdorff (bin noch auf der Suche nach seinem Sterbedatum)
                              Vater: Carl Heinrich v. Winkelmann
                              Mutter: Auguste Fischer

                              Auguste Fischer muss dann die Schwester von Ferdinand Fischer, dem Vater von Marie Grossmann, geb. Fischer, sein.

                              Die von mir bereits erwähnte Stiefmutter von H.J.A. Graf Brockdorff, Therese v. Winkelmann, geb. Minden 19.9.1834, gest. 13.12.1918, dürfte tatsächlich die Tante von Marie Therese v. Winkelmann sein.
                              Vater: Carl Theodor v. Winkelmann
                              Mutter: Marie v. Aschen

                              Nun wissen wir, dass Ferdinand Fischer noch mindestens einen Bruder und die Schwester Auguste Fischer hatte. Was wir nicht wissen ist, ob die Familie auch aus Sachsen war. Die Mormonendatenbank spuckt einfach zu viele Ferdinand und Auguste Fischer aus, als dass man dort noch etwas verwertbares finden könnte. Ich vermute aber ganz stark, dass auch die Fischer im Staatsdienst oder Diplomatie zu suchen sind und dass dort auch die Verbindungen zu den v. Winkelmann, v. Brockdorff und scheinbar auch zu den Boutenev zu suchen wäre, da es in den Briefen an Katja immer wieder um die Elterngeneration Fischer und Boutenev geht. Dass Katja die Patentante von Hans-Wolf ist und Marie eine scheinbar sehr innige Freundschaft zu ihr hatte, zudem auch auf dem Besitz der Boutenev weilte, gehe ich davon aus, dass es eine Freundschaft seit Kindesbeinen ist. Na mal schauen, was sich da noch rauskitzeln lässt. Ist ein schöne spannende Sache. Die Briefe finde ich übrigens ganz toll.

                              Viele Grüße
                              Hina
                              "Der Mensch kennt sich selbst nicht genügend, wenn er nichts von seiner Vergangenheit weiß." Karl Hörmann

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