Was für eine Lebensgeschichte, und doch vergessen

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  • MarthaLU
    Erfahrener Benutzer
    • 13.02.2013
    • 509

    Was für eine Lebensgeschichte, und doch vergessen

    In der Literaturgeschichte spielt eine mysteriöse Berliner Familie Ulrich eine Rolle. Wegen dem Vater Johann August Rudolph Ulrich hatte ich hier schonmal angefragt. Aber manchmal hilft Zeitungslesen, und so durchsuchte ich Berliner Zeitungen nach ihm. Gefunden habe ich dabei einen anderen Ulrich, und eine irre Story. In der Berliner Börsenzeitung vom 19.02.1879, S. 7, steht: In New-York ist dieser Tage ein Fälscher, Carl Ulrich, der vor langen Jahren hier in Berlin zum ersten Male und zwar mit ungewöhnlichem Erfolge seine Kunst ausübte,.... seinem Geschick verfallen. Derselbe, ein geborener Preuße, ist einer der geschicktesten Kupfer-und Stahlstecher der Neuzeit, ..."

    Klar, der hat mich interesssiert. Andere deutsche Quellen gibt es praktisch gar nicht. Aber dafür jede Menge amerikanische. Wenn man Charles Frederick Ulrich googlet zusammen mit dem Wort counterfeiter, stößt man auf eine filmreife Lebensgeschichte. Den Amerikanern fehlt allerdings alles aus seinem deutschen Herkunftsland. Ein Aufsatz des Detektivs Allan Pinkerton zusammen mit biographischen Angaben in Ancestry führte mich nach langer Suche schließlich zu ihm. Carl Friedrich Ulrich, geb. am 25. 06.1835, war der Sohn eines Prenzlauer Goldschmiedes, der kurz nach seiner Geburt verstarb, zog dann mit der Mutter, die sich wieder verheiratete mit einem Goldschmied, nach Danzig. Dort lernte er selber auch das Schmiedehandwerk, bevor er mit 14 Jahren nach England flüchtete, um dem preußischen Militärdienst zu entgehen. Den Rest kann man nachlesen bei Pinkerton und anderen, perfekte Banknotenfälschungen, spektakuläre Gefängnisausbrüche und mehr. Eine unglaubliche Geschichte, ein wahres Genie. Eigentlich verrückt, dass er bei uns total vergessen ist. Zumal die Amerikaner ein Detail nie gemerkt hatten: Bei alledem pendelte er auch noch zwischen USA und Deutschland, baute sich zwischen seinen amerikanischen Coups und Gefängnisaufenthalten ein unauffälliges Leben in Danzig auf als Kupferstecher, Ehemann und dreifacher Vater.

    Zu meinen Ahnen gehört er definitiv nicht, aber ich bin fasziniert, welche wunderbaren Möglichkeiten wir mit dem Internet heute haben, Lebensgeschichten aufzuspüren. Mit meiner Arbeit bleibt er insofern verbunden, als ich eine Verwandschaft zu den von mir gesuchten Berliner Ulrichs nicht ausschließen kann. Der Johann August Rudolf soll um 1783 in Reichen in Böhmen geboren sein als Sohn des verstorbenen Gutsbesitzers Joseph Ulrich. Und der Vater des Charles Frederick Ulrich 1791 als Sohn des verstorbenen Gutspächters August Carl Ulrich in Böhne in Westfalen. Das Problem ist dabei nur, dass bisher beide Taufeinträge trotz intensiver Suche mehrerer Genealogen nicht gefunden werden konnten. In Reichen gab es einen Bauern Joseph Ulrich, aber nicht dieses Kind. Und die Ulrich-Suche in Böhne, sowohl Westfalen wie Havelland wie auch kleine Dörfer ähnlichen Namens, erbrachte noch nichts. Ziemlich rätselhaft. Aber eine kleine Erinnerung ist der Herr Counterfeiter aus Prenzlau allemal wert.https://www.geographicus.com/P/ctgy&...ulrichcharlesf
    Zuletzt geändert von MarthaLU; 14.11.2021, 16:07.
  • Sbriglione
    Erfahrener Benutzer
    • 16.10.2004
    • 1177

    #2
    Danke für den Bericht!
    Das klingt wirklich sehr spannend.
    Suche und biete Vorfahren in folgenden Regionen:
    - rund um den Harz
    - im Thüringer Wald
    - im südlichen Sachsen-Anhalt
    - in Ostwestfalen
    - in der Main-Spessart-Region
    - im Württembergischen Amt Balingen
    - auf Sizilien
    - Vorfahren der Familie (v.) Zenge aus Thüringen (u.a. in Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und NRW)
    - Vorfahren der Familie v. Sandow aus dem Ruppinischen

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    • Juergen
      Erfahrener Benutzer
      • 18.01.2007
      • 6044

      #3
      Hallo MarthaLU,

      Kennst Du schon die Meldekartei des Kupferstechers Carl Friedrich Ulrich, geb. am 25. 06.1835 in Prenzlau, aus Danzig? Vermutlich ja, da Du die Angaben machen konntest

      Scan --> https://www.szukajwarchiwach.gov.pl/...c8ede19fc0db6f

      1887 auf 6 Jahre Zuchthaus in Mewe.

      Fortsetzung der Kartei Blatt 2 und drei.
      --> https://www.szukajwarchiwach.gov.pl/...ostka/25071217

      Nur, wie kann er dann 1887 laut unten auf der Kartei nach Amerika gezogen sein?
      Achso, scheint sich auf die Wittwe? zu beziehen Blatt 3 oder wie?

      Hier dessen Verhaftung 1887 in Danzig wegen Wechselfälschung auch in der Zeitung genannt.
      --> https://www.deutsche-digitale-biblio...VC?issuepage=2

      Ja "guter Mann", der liebte das Leben auf möglichst großen Fuss.

      Gruß Juergen
      Zuletzt geändert von Juergen; 14.11.2021, 17:59.

      Kommentar

      • MarthaLU
        Erfahrener Benutzer
        • 13.02.2013
        • 509

        #4
        Hallo Jürgen,

        Ne, Donnerwetter, das kannte ich noch nicht. Ich habe seinen Werdegang weitgehend aus Ancestry-international-Dokumenten rekonstruieren können. In Amerika war der Kerl berühmt. Dass er auch in Deutschland im Gefängnis war, wusste ich nicht. Muss nochmal genauer nachlesen, meiner Erinnerung nach war er 1887 in USA mal wieder erwischt worden und geflohen. Zum letzten Mal ausgewandert und dann in USA geblieben ist er 1893, das käme ja gut hin.

        Also tatsächlich ist diese Datei jetzt auch spannend für meine Fragen, weil andere Herren mit Namen Ulrich aus Danzig eine Rolle spielen. Ich bin leider gar nicht gut im Finden solcher Dokumente aus den östlichen Gebieten. Wer weiss, ob ich meine Kandidaten finde.

        Ganz herzlichen Dank! Martha

        Kommentar

        • Kasstor
          Erfahrener Benutzer
          • 09.11.2009
          • 13440

          #5
          Zitat von Juergen Beitrag anzeigen
          Fortsetzung der Kartei Blatt 2 und drei.
          --> https://www.szukajwarchiwach.gov.pl/...ostka/25071217

          Nur, wie kann er dann 1887 laut unten auf der Kartei nach Amerika gezogen sein?
          Achso, scheint sich auf die Wittwe? zu beziehen Blatt 3 oder wie?

          Hier dessen Verhaftung 1887 in Danzig wegen Wechselfälschung auch in der Zeitung genannt.
          --> https://www.deutsche-digitale-biblio...VC?issuepage=2

          Ja "guter Mann", der liebte das Leben auf möglichst großen Fuss.
          Tja wenn der preußische Beamte schon ancestry gehabt hätte, hätte er die Frage auf Karte 3 nicht stellen müssen.
          Einreise 21.2.1888 New York lt Anhang

          Thomas
          Angehängte Dateien
          FN Pein (Quickborn vor 1830), FN Hinsch (Poppenbüttel, Schenefeld), FN Holle (Hamburg, Lüchow?), FN Ludwig/Niesel (Frankenstein/Habelschwerdt) FN Tönnies (Meelva bei Karuse-Estland, später Hamburg), FN Lindloff (Altona, Lüneburg, Suderburg)

          Ceterum censeo progeniem hominum esse deminuendam

          Kommentar

          • MarthaLU
            Erfahrener Benutzer
            • 13.02.2013
            • 509

            #6
            Also, der Zeitungsartikel ist ja köstlich. Und wenn ich den lese, beschleicht mich das Gefühl, er könnte sehr wohl verwandt gewesen sein mit den Herren Ulrich, die ich suche. Die lebten ganz ähnlich vergnügt auf großem Fuße. Der Rudolf Ulrich gab als Beruf immer an: Gentleman.

            Danke nochmals !

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