Tagebuch eines Schiffsmissionars (im Herbst 1871 auf dem Segelschiff "Electrik" nach New York)

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  • Matthias Möser
    Erfahrener Benutzer
    • 14.08.2011
    • 2264

    Wenn man sich vorstellt, was für existentielle Probleme die Auswanderer damals hatten, sind unsere heutigen Schwierigkeiten doch eher klein...

    Mein Onkel (Jahrgang 1927) wanderte um 1950 zuerst nach Kanada und dann nach den USA (Michigan) aus, u.a waren seine traumatischen Erfahrungen der Teilnahme als junger Soldat (Gebirgsjäger-Kompanie GAP) mit Verletzungen bei der Wehrmacht ausschlaggebend, er hatte von Deutschland schlicht weg die Nase voll und sah für seine persönliche und berufliche Zukunft nur den Ausweg der Auswanderung!
    Heute lebt er bei San Antonio in Texas.

    Gruß
    Matthias
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    • Wolfg. G. Fischer
      Erfahrener Benutzer
      • 18.06.2007
      • 4917

      (1. Dez. 1871)

      Zitat von Christian40489 Beitrag anzeigen
      Hallo Wolfgang,

      das Tagebuch beschreibt die Umstände der Reise so anschaulich, dass man unwillkürlich gerne wüsste, was aus den Menschen nach ihrer Ankunft in Amerika geworden ist. Hoffentlich ist es den anderen Auswanderern besser ergangen als dem armen Kerl, der vor seinen Schulden nach Amerika geflohen ist und auch dort wohl erst einmal mit großen Problemen zu kämpfen hatte. Danke, dass Du uns die Lektüre zugänglich gemacht hast. Es wäre bestimmt eine tolle Story für einen Film über die Auswanderer. Irgendwie müsstest Du Filmemacher darauf aufmerksam machen!

      Herzliche Sonntagsgrüße
      Christian
      Hallo Christian,

      Dir, Waltraud und Matthias Dank für Euern Zuspruch. Zum Glück gibt es das Internet, wo so viele Infos ausgetauscht werden können.

      Mit besten Grüßen
      Wolfgang




      Tagebuch:

      Heute nachmittag kam eine Frau mit sechs Kindern an, sie hatte Geld bei Pastor Neumann zu erwarten. Die Reise hatte ihr nicht gefallen, sie sagte, das viele Umsteigen mit Kindern sei unangenehm. Ich wusste nicht, wie ich das "Umsteigen" verstehen sollte, da man doch ruhig auf den Schiffen bleiben kann. Sie erzählte nun ihre Reise.

      Die arme Frau war in Hamburg irgendeinem gewissenlosen Agenten in die Hände gefallen. Derselbe hatte ihr gesagt, er wolle sie nach New York befördern; aber wie er die Familie beförderte! Anstatt sie direkt nach New York zu schicken, musste sie mit dem Dampfer nach Hull, mit der Bahn nach Liverpool, mit dem Segelschiff nach Bosten und schließlich wieder mit der Bahn nach New York reisen.

      Leider konnte ich nicht erfahren, wer der Mann gewesen war. Kürzlich klagte auch eine Familie, die über Liverpool kam. Als sie hörten, dass ich wieder zurück nach Deutschland gehen würde, sagte der Mann: "Herr, warnen sie ja vor der Auswanderung über England. Ich will's nach Kräften tun. Man glaubt nicht, wie viele von den Agenten betrogen werden!

      Kommentar

      • Wolfg. G. Fischer
        Erfahrener Benutzer
        • 18.06.2007
        • 4917

        2. Dez. 1871

        Tagebuch:

        Ein ärmlich gekleideter Mann trat heute ein. Er war Pastor Neumann anscheinend schon bekannt. "Herr Pastor," sagte er, "können Sie mir nicht eine Empfehlung an Pastor S. mitgeben? Soweit bin ich nun! Die Not treibt mich ins Armenhaus, vielleicht kann man mich da brauchen." Ich erfuhr, dass er Lehrer an einem römisch-katholischen Gymnasium war.

        Da er zur evangelischen Kirche übertrat, hat er diese Stellung verloren. Er zog es vor, nach Amerika zu gehen. Die besten Zeugnisse hat er bei Pastor Neumann liegen und doch kein Brot gefunden. Was wird aus ihm werden?

        Kommentar

        • Wolfg. G. Fischer
          Erfahrener Benutzer
          • 18.06.2007
          • 4917

          4. Dez. 1871

          Tagebuch (letzter veröffentlichter Eintrag):

          "Heute kamen zwei Kandidaten aus Ostfriesland an. Der eine erhielt durch Pastor Neumann eine Pfarrei nachgewiesen. Die Gemeinde, zu der er gehen wird, hat schon lange keinen Prediger mehr. Pastor Neumann wird die nötigen Schritte beim Präsidenten der Synode tun.

          Auf Veranlassung von Pastor Neumann haben die beiden Kandidaten und ich soviel Geld zusammengelegt, dass der unglückliche Landwirt als Arbeiter zu einem Farmer geschickt werden kann."

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          • maria1883
            Erfahrener Benutzer
            • 20.08.2009
            • 898

            Hallo Wolfgang,
            hoffentlich hat es der arme Landwirt gut getroffen bei dem Farmer.
            Er wird schon aus seinem früheren Leben gelernt haben.
            Noch einmal vielen, vielen Dank für Deine Mühe.
            Viele Grüße
            Waltraud
            Orte und Namen meiner Ahnen:
            Neu Wuhrow: Pophal, Golz, Is(s)berner, Gehrke, Draheim, Zuther, Mittelste(ä)dt, Hensel, Bleck
            Gönne (später Westgönne): Hensel, Bleck, Maronde
            Steinklippe (Belgard/Schievelbein): wie Westgönne
            Neudorf: Märtens, Boeck, Schulz, Mallon, Harmel, Manz
            Pöhlen: Milbradt, Boeck, Dittberner, Kannenberg, Märtens
            bis auf Steinklippe alles Kreis Neustettin

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