"Wie die Menschen damals lebten" - auf der Suche nach passender Literatur

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  • Der_Forscher
    Erfahrener Benutzer
    • 02.03.2020
    • 101

    "Wie die Menschen damals lebten" - auf der Suche nach passender Literatur

    Liebe Leute,



    im Zuge der Ahnenforschung bzgl meiner Familie, habe ich in den letzten 2-3 Jahren sehr viel Daten zusammengetragen, die allesamt interessant, aber doch sehr "unlebendig" sind.



    Zum Beispiel weiß ich nun, dass einer meiner Vorfahren im Jahre 1815 in Jnigen (Pfarre Altzedlitz, Pilsner Kreis) geboren ist, irgendwann nach Wien zog (er heiratete dort 1845) und dort als "Viktualienhändler" arbeitete. Ich kann mir auch so manches darunter vorstellen. Aber die Vorstellung, wie so jemand von 200 Jahren ungefähr gelebt hat, wie er seinen Alltag bewerkstelligte, was für "politische" oder "wissenschaftliche" Probleme damals diskutiert wurden, wie sein Wohnort ca. aussah, wie er aß, reiste, heiratete, Freunde besuchte, ... ist mir eher unklar.


    Daher bin ich auf der Suche nach passender Lektüre. Ich nehme an, dass historische Lektüre zu spezifischen Ortschaften gut ist. Aber diese ist meist doch sehr (logischerweise) ortsbezogen. Lieber wäre mir etwas, dass allgemeiner das "typische" Leben eines damaligen Menschens, z.B. um 1830 in Wien beschreibt.



    Seltsamerweise scheint es dazu - gar nicht viel aktuelles zu geben. Ich habe mir bei einem Antiquar das Buch gekauft: "Kultur und Alltag in der Frühen Neuzeit" - wobei das einerseits natürlich viel zu früh ist (1500-1700) und auch viel zu grob (eher auf ganz Mitteleuropa bezogen).



    Meine Ahnen kommen großteils aus dem Raume Wien bzw. Niederösterreich und Böhmen.



    Hat jemand eine Idee, wonach ich suche und kann mir einen Tipp geben, das wäre super!


    LG
  • Bienenkönigin
    Erfahrener Benutzer
    • 09.04.2019
    • 1696

    #2
    Hallo Forscher,

    das ist ein Thema, das mich ebenfalls sehr interessiert. Aktuell: Wie lebten meine böhmischen Vorfahren um 1700, besuchten sie Schulen, warum starben die meisten mit rund 50 Jahren (im Gegensatz zu vielen anderen Ahnen in anderen Zeiten und Regionen).

    In der Facebook-Gruppe German Genealogy wurden diese zwei englischen Bücher genannt:
    * The Story of Everday German Peasant Life (David Koehler)
    * Our Daily Bread - German Village Life 1500- 1850 (Teva J. Scheer)

    ... aber es wäre doch ein Witz, wenn es nicht noch viel mehr dazu auf deutsch gäbe.

    Eventuell muss man doch auf Chroniken einzelner Orte/Regionen ausweichen. Z.B. ist das Kundebuch über Memmingen eine Schatztruhe was die Verhältnisse der Bevölkerungsschichten zueinander betrifft, die Schuleinrichtungen, Aufteilung der Äcker, Anbau verschiedener Feldfrüchte, Almosenverteilung, Krankheiten, Verbrechen, Kultur und und und

    Dann habe ich z.B. ein monothematisches Buch über Kindheit in verschiedenen Epochen (Die Kindheit - Eine Kulturgeschichte von Ingeborg Weber-Kellermann, Insel TB), auch sehr interessant, könnte ich mir mal vornehmen.

    Außerdem überlege ich, per Kleinanzeigen oder antiquarisch (weil günstiger und evtl. nur so erhältlich) Chroniken über Gegenden zu kaufen, aus denen Vorfahren stammen.

    Ergänzung:
    Was nicht aus aktueller Forschung stammt und daher historisch gefärbt ist, jedoch interessant, ist dieses Buch auf Google '"Deutsches Leben der Vergangenheit in Bildern" https://books.google.de/books?id=GAL...hundert&f=true
    ...ist allerdings vor deiner gesuchten Zeit.

    Interessant, wenn auch historisch nicht ganz akkurat oder z.T. drastisch überhöht ist mir für meine oberbayerischen armen, bäuerlichen Vorfahren "Erinnerungen einer Überflüssigen" (Lena Christ) und "Das Leben meiner Mutter" (Oscar Maria Graf)

    Ich lese mal gerne mit, was hier sonst noch vorgeschlagen wird.

    Viele Grüße
    Bienenkönigin
    Zuletzt geändert von Bienenkönigin; 26.01.2021, 10:28. Grund: Ergänzungen eingefügt
    Meine Forschungsregionen: Bayern (Allgäu, München, Pfaffenwinkel, Franken, Oberpfalz), Baden-Württemberg, Böhmen, Südmähren, Österreich

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    • MarthaLU
      Erfahrener Benutzer
      • 13.02.2013
      • 509

      #3
      Hallo Forscher,

      Geht mir auch so, nur Lebensdaten finde ich eher langweilig. Ich lese daher begeistert in uralten Zeitungen. Die Portale BSB der Staatsbibliothek München und ANNO in Österreich haben viele Zeitungen digitalisiert, sogar bis vor 1700. Also wenn du z. B. wissen möchtest, wie man um 1800 lebte in Wien, einfach auf ANNO gehen, Zeitraum eingeben und schon kannst du kostenlos Originalzeitungen von 1800 lesen, mit allem, was eben so drin steht in Zeitungen.

      Mir macht das einen Riesenspaß, es vermittelt ein lebendiges Bild vom Leben damals, und ich habe sogar schon einige Verwandte dabei gefunden.

      LG Martha

      Kommentar

      • Gudrid
        Erfahrener Benutzer
        • 22.04.2020
        • 1253

        #4
        Das "typische Leben" glaube ich, gab es früher genau so wenig wie heute.

        Ich habe gerade das Buch gelesen: Der zweite Rosengarten von Beatrix Spitzer, eine Geschichte der Geburt. War sehr interessant, über Hebammen, Geburt, Säuglingsernährung etc. Im Anhang befindet sich viel weiterführende Literatur.

        Das Thema interessiert mich auch sehr, ich bin momentan auf der Suche nach Büchern, die das Bauernleben im 18. und 19. Jahrhundert handeln.

        BSB war ein guter Tipp, da habe ich unsere alte Regionalzeitung gefunden, danke.
        Liebe Grüße
        Gudrid
        Lieber barfuß als ohne Buch

        Kommentar

        • Svenja
          Erfahrener Benutzer
          • 07.01.2007
          • 4353

          #5
          Hallo

          Zeitungen aus Wien, Prag und Pilsen aus dem 19. Jahrhundert sind bei Anno online einsehbar und durchsuchbar.


          Kirchen- und Schul-Chroniken zu diversen böhmischen Orten im Bezirk Pilsen sind bei portafontium online einsehbar.


          Gruss
          Svenja
          Meine Website über meine Vorfahren inkl. Linkliste:
          https://iten-genealogie.jimdofree.com/

          Interessengemeinschaft Oberbayern http://forum.ahnenforschung.net/group.php?groupid=38

          Interessengemeinschat Unterfranken http://forum.ahnenforschung.net/group.php?groupid=37

          Interessengemeinschaft Sudetendeutsche http://forum.ahnenforschung.net/group.php?groupid=73

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          • Der_Forscher
            Erfahrener Benutzer
            • 02.03.2020
            • 101

            #6
            Danke für die Antworten! Eure Buchtipps habe ich schon mal grob durchgeschaut. Interessant. Aber sehr überraschend, dass selbst die Insider da kaum Lektüre kennen. Scheinbar gibts hier eine echte Lücke.


            Die Zeitungen sind auch sehr interessant. Leider ist das halt auch sehr "tagesaktuell" und extrem spezifisch, viele Anspielungen versteht man gar nicht.



            Falls jemand noch Tipps hat, her damit!


            LG

            Kommentar

            • Garfield
              Erfahrener Benutzer
              • 18.12.2006
              • 2142

              #7
              Hallo

              Ich empfehle noch Ortschroniken aus der Gegend, die euch interessiert. Da muss man halt schauen, was es gibt - für manche Orte gibt es gleich mehrere Chroniken oder Bücher über historische Themen und zu manchen Orten halt gar nichts.

              Zeitungen finde ich auch spannend, Todesanzeigen und allgemein Anzeigen und Werbung zeigen, was damals wichtig war.

              Ich persönlich lese keine modernen Biographien, die über historische Personen geschrieben werden. Ich habe letztens eine Ausnahme gemacht und zwei solche teils gelesen (eine über Mme Tussauds und eine über "Lieserl" Einstein) - ganz ganz schlimm, wie da historische Tatsachen verdreht werden, nur weil es dramtischer klingt . Und natürlich wird ganz viel ausgeschmückt, wenn Daten fehlen.
              Da ist man mit Ortschroniken besser bedient, auch wenn sie vielleicht ein wenig trockener sind. Oder wer Romane oder Biografien mag, könnte sich zeitgenössische Werke anschauen plus (sofern vorhanden) Sekundärliteratur dazu.
              Viele Grüsse von Garfield

              Suche nach:
              Caruso in Larino/Molise/Italien
              D'Alessandro in Larino und Fossalto/Molise/Italien und Montréal/Kanada
              Jörg von Sumiswald BE/Schweiz
              Freiburghaus von Neuenegg BE/Schweiz
              Wyss von Arni BE/Schweiz
              Keller von Schlosswil BE/Schweiz

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              • hmw
                Erfahrener Benutzer
                • 16.06.2016
                • 1369

                #8
                Mahlzeit,

                auch ich finde das Thema sehr spannend. Besonders die angesprochenen Unterschiede in den jeweiligen Gegenden interessieren mich sehr, da manche meine Vorfahren im 18. Jahrhundert schon in Großstädten wie Hamburg oder Köln lebten, wohingegen andere Linien aus eher rückständigen Gegenden wie Mecklenburg oder Masuren kamen.

                Böhmen habe ich keine im Stammbaum, weshalb ich mich auch noch nicht mit dazugehöriger Literatur auseinandergesetzt habe. Hier aber mal zwei Links, die vielleicht ganz nützlich sind:


                Die Landschaft als Thema historischer Romane wird sowohl statistisch als auch unter kulturhistorischen und touristischen Aspekten beleuchtet.


                Natürlich darf man gerade bei Romanen nicht alle Schilderungen für bare Münze nehmen, aber ich könnte mir vorstellen, dass die Lebensbedingungen der "kleinen Leute" dort noch etwas nachvollziehbarer geschildert sind als in vielen Chroniken, die ja oft recht nüchtern gehalten sind. Aber als Einstieg sind auch Chroniken sicher hilfreich, um zu erfahren, welche Themen im jeweiligen Ort zu welcher Zeit eigentlich bedeutsam waren.

                Gruß und viel Erfolg!
                Martin
                Zuletzt geändert von hmw; 27.01.2021, 12:31.

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                • alfio
                  Erfahrener Benutzer
                  • 02.02.2009
                  • 142

                  #9
                  Guten Tag! Ortschroniken (ein guter Rat). Aber auch Steuerlisten sind ergiebig.
                  Viele Grüße
                  alfio

                  Kommentar

                  • Sebastian_N
                    Erfahrener Benutzer
                    • 25.09.2015
                    • 962

                    #10
                    Wer das große Glück hat sogar Vormundschaftsakten zu bekommen, bekommt nochmal einen extrem intimen Einblick in das Leben seiner Vorfahren. Ich habe einige solcher Akten für Leipzig zwischen 1759 und 1803 mit hunderten Seiten handgeschriebener Dokumente. Darin sind u. a. seitenweise persönliche Gegenstände, Bücher etc. zum Zeitpunkt des Ablebens des Vaters verzeichnet. Das ist schon sehr krass und gibt einen tiefen Einblick in das Leben allgemein und spezifisch für den jeweiligen Vorfahren und dessen Familie.

                    Ich denke, dass "typische" Leben hängt sehr vom Stand ab. Sicherlich gibt zu den Vorfahren, die Bauern o. ä. waren, wohl eher Dokumente über sie, als beim Bildungsbürgertum von ihnen.

                    In jedem Falle sind Vormundschaftsakten, sofern vorhanden, eine ewige Goldgrube!

                    Zeitungen sind dabei ähnlich "intim", aber gilt lediglich für einen gewissen Stand. Interessant ist diese Quelle allemal, dann aber eher so um 1850+, wo der Zugang zur Allgemeinbildung (für annähernd alle Stände) gegeben waren und es Usus war, Sterbeanzeigen etc. aufzugeben.

                    Beste Grüße

                    Seb

                    P.S.: Chroniken oder Berichte aus damaliger Zeit sind auch noch einmal eine Runde "authentischer". Hab z. B. mal einen Bericht eines Studenten über Leipzig um 1790(?) gelesen und das ist nochmal anders als eine wissenschaftliche Abhandlung zum Leipziger Studentenleben um 1800 zu lesen, glaubt mir.

                    P.P.S.: Keine Literatur, aber ein Bild sagt bekanntlich mehr als tausend Worte. Hier beispielsweise die Dienstmagd mit Milchkrug von Johannes Vermeer hilft manchmal, um sich in die Situation "hineinzudenken" und sich besser vorzustellen.
                    Zuletzt geändert von Sebastian_N; 27.01.2021, 16:07.
                    Dauersuche:
                    Neumann/Naumann in Altstedt/Mittelhausen vor 1672
                    Franke in Oschatz vor 1785
                    Wolf/Schmiedel in Crottendorf vor 1790
                    Wachsmuth in Rittersgrün vor 1790
                    Nestler/Wolf/Martin/Schönherr in Marienberg vor 1780
                    Greim/Hoffmann in Eilenburg vor 1750
                    Müller/Kistner/Trautmann/Kuhn (kath.) in Rastatt vor 1750
                    Hacklbauer in Linz vor 1760
                    Schimpke/Geppert (kath.) in Ritterswalde vor 1790
                    Mett in Quedlinburg (St. Nicolai) zw. 1725-1794
                    Helmert/Liebing in Volkmarsdorf vor 1840

                    Kommentar


                    • #11
                      Hallo,
                      Zeitungen kann ich auch sehr empfehlen. Über periodika.lv und difmoe.eu konnte ich viele interessante zusätzliche Informationen über meine Vorfahren erfahren.

                      Kommentar

                      • Svenja
                        Erfahrener Benutzer
                        • 07.01.2007
                        • 4353

                        #12
                        Hallo

                        Zeitungen aus Wien, Prag und Pilsen aus dem 19. Jahrhundert sind bei Anno online einsehbar und durchsuchbar.
                        https://anno.onb.ac.at/
                        Diese Zeitungen sind übrigens nicht nur wegen der Todesanzeigen oder offiziellen Geburts-, Heirats- und Sterbemeldungen interessant, sondern auch wegen der Berichte über Unfälle, Verbrechen und Verurteilungen sowie Versetzungen und Beförderungen gewisser Berufsgruppen oder auch wegen der militärischen Berichte. Zur Zeit des 1. Weltkrieges sowie zur Zeit nach dem 2. Weltkrieg gibt es dann noch ganz andere Arten von interessanten Informationen, die man den österreichischen Zeitungen entnehmen kann.

                        Kirchen- und Schul-Chroniken zu diversen böhmischen Orten im Bezirk Pilsen sind bei portafontium online einsehbar.
                        https://www.portafontium.eu/contents
                        Diese Kirchen- und Schul-Chroniken aus Böhmen stammen aus dem 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sie wurden zur damaligen Zeit geschrieben von Personen, die die beschriebenen Ereignisse meist selbst erlebt haben. Oft wurden auch Zeitungsartikel oder in neuerer Zeit auch Fotos der Schulklassen oder der Kriegsteilnehmer bzw. Gefallenen des 1. Weltkrieges beigefügt. Ich habe durch solch eine Chronik herausgefunden, warum eine Person meines Interesses aus der Kirche ausgeschlossen wurde.

                        Wer sich für Bayern interessiert sollte mal meine beiden Antworten (vor allem die zweite) in diesem Thread durchlesen:
                        Hallo, Ich habe eine doch recht große Ahnentafel aber jetzt bin ich bei dem Problem das ich doch recht wenig bis zu nichts zu den Vorfahren weiß. Ich weiß nur einiges zu Linien die schon erforscht wurden, aber wie kann ich jetzt mehr zu den Ahnen herausfinden? Wie seit ihr alle Experten vorgegangen? Was für Quellen kann


                        Gruss
                        Svenja
                        Zuletzt geändert von Svenja; 27.01.2021, 17:04.
                        Meine Website über meine Vorfahren inkl. Linkliste:
                        https://iten-genealogie.jimdofree.com/

                        Interessengemeinschaft Oberbayern http://forum.ahnenforschung.net/group.php?groupid=38

                        Interessengemeinschat Unterfranken http://forum.ahnenforschung.net/group.php?groupid=37

                        Interessengemeinschaft Sudetendeutsche http://forum.ahnenforschung.net/group.php?groupid=73

                        Kommentar

                        • schulkindel
                          Erfahrener Benutzer
                          • 28.02.2018
                          • 872

                          #13
                          Hallo Forscher,

                          ja so geht es mir auch.
                          Das einfache Leben der (deutschen) Bauern (in meinem Fall in Polen Gebiete um Lodz und Lublin), aber auch meiner Vorfahren in Westpreußen würde mich sehr interessieren.

                          Zu Deinem Problem:
                          Das kostet Zeit!
                          Ich habe z. B. mit großem Genuss von Joseph Roth das Buch „Radetzkymarsch“ gelesen.
                          Davon gibt es auch eine dreiteilige Verfilmung. Ob es die zur Gänze auf youtube gibt, weiß ich nicht.
                          Ich habe mir aus dem Online-Buchhandel die DVDs schicken lassen.
                          Da wird der Vielvölkerstaat auch thematisiert: Slowenien, Böhmen, Galizien Wien.
                          Das Bäuerliche kommt aber etwas zu kurz.

                          Gruß
                          Renate

                          Kommentar

                          • consanguineus
                            Erfahrener Benutzer
                            • 15.05.2018
                            • 5534

                            #14
                            Hallo zusammen!

                            "Das" Leben "der" einfachen Bauern hat es nicht gegeben. Die Unterschiede zwischen verschiedenen Gegenden Deutschlands waren enorm. Das lag nicht nur an den natürlichen Voraussetzungen, wie etwa Bodengüte und Klima, sondern vor allem auch an der Agrarverfassung des jeweiligen Staates. Zudem waren die Einkommens' und Vermögensunterschiede zwischen kleinen und großen Bauern selbst innerhalb eines Dorfes teils gewaltig. Das Besitzrecht ihrer Flächen spielte eine Rolle. Und so weiter.

                            Es gibt einen interessanten Roman, in dem die Unterschiede zwischen den reichen Marschbauern Dithmarschens und ihren armen Kollegen von der Geest thematisiert werden. Vielleicht kennt jemand "Jörn Uhl".

                            Ich habe mal das äußerst detaillierte Testament meines 5xUrgroßvaters Valentin Klaue (1768-1829) in der Hand gehabt. Seine Frau ist mein Benutzerbild. Valentin Klaue war Ackermann, Posthalter und Pächter der Fürstlich Braunschweig-Lüneburgischen Weinschenke in Hessen. Seinen Wohlstand hätte sich mancher Rittergutsbesitzer in der Nachbarschaft wohl gewünscht. Allein mit dem Mobiliar hätte man heutzutage eine ganze Kunst- und Antiquitätenauktion bestücken können. Aber noch viel mehr wert war der Weinkeller! Und diesen Wohlstand hatten er und seine Vorfahren lange vor der Ablösung der bäuerlichen Lasten geschaffen! Es machte sich eben auch bemerkbar, daß es im Fürstentum Wolfenbüttel schon seit Jahrhunderten keine Leibeigenschaft mehr gab.

                            Am anderen Ende der Skala habe ich mehr als einen bäuerlichen Vorfahren, dessen Hof zu klein war, um damit eine Familie durchbringen zu können. Man war nebenher Leineweber, Steinmetz oder "Musicus". Oder man "bat das Brot". Die Folgen des Dreißigjährigen Krieges wirkten mancherorts lange nach und waren teils erst um 1700 überwunden.

                            Noch schlechter dran war sicherlich der Teil der dörflichen Bevölkerung, der noch unterhalb der kleinsten Bauern angesiedelt war, nämlich der besitzlosen Häuslinge, oder wie auch immer deren Bezeichnung in den verschiedenen Gegenden Deutschlands lautete.

                            Was ich damit sagen will: Man muß sich mit der Materie schon sehr, sehr intensiv beschäftigen, um ein differenziertes Bild der Lebensverhältnisse auf dem Lande zu erhalten. Populärwissenschaftliche Bücher, die den Eindruck vermitteln wollen, daß "die Bauern früher alle arm waren", kann man getrost in die Tonne treten. Sie werden der damaligen Realität nicht gerecht.

                            Viele Grüße
                            consanguineus
                            Zuletzt geändert von consanguineus; 27.01.2021, 19:43.
                            Suche:

                            Joh. Christian KROHNFUSS, Jäger, * um 1790
                            Carl KRÜGER, Amtmann in Bredenfelde, * um 1700
                            Georg Melchior SUDHOFF, Pächter in Calvörde, * um 1680
                            Ludolph ZUR MÜHLEN, Kaufmann in Bielefeld, * um 1650
                            Dorothea v. NETTELHORST a. d. H. Kapsehden, * um 1600
                            Thomas SCHÜTZE, Bürgermeister in Wernigerode 1561

                            Kommentar

                            • Eva64
                              Erfahrener Benutzer
                              • 08.07.2006
                              • 811

                              #15
                              Hallo an Alle,


                              ich habe mir von vielen Orten in denen ich forsche die Heimatbücher/-chroniken besorgt, da es mir genauso ging, dass ich nicht nur die Daten meiner Vorfahren sammeln will, sondern auch wissen möchte, was hat sie beeinflusst. Da gibt es ja Krankheiten, Wettereinflüsse, kriegerische Handlungen etc. Die Bücher sind sehr unterschiedlich. Manche eher oberflächlich, andere gehen total ins Detail und man trifft manchmal auch einen Vorfahren in den Beschreibungen.

                              Manchmal hat man auch Glück und der Pfarrer hat im Kirchenbuch eine Lebensbeschreibung des Verstorbenen hinterlassen. Das sind dann meine Highlights. Leider viel zu selten.



                              In den vergangenen Jahren habe ich sehr viel über Geschichte gelernt. Viel mehr als ich je in der Schule mitgenommen habe. Geschichte wurde lebendig


                              Grüße
                              Eva

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