Berufskunde- Gutsverwalter, Scheidmühlverwalter

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  • Familenfreude
    Erfahrener Benutzer
    • 08.03.2021
    • 111

    Berufskunde- Gutsverwalter, Scheidmühlverwalter

    Die Suche betrifft das Jahr oder den Zeitraum: 19./ Anfang 20.Jahrhundert
    Genaue Orts-/Gebietseingrenzung: Pommern

    Liebe Mitforschenden,

    ich finde immer wieder Berufe wie Bauer, Anspänner, Gutsverwalter und Schneidmühlverwalter in Pommern.
    Ich würde gerne die letzten beiden Berufe besser verstehen. Den Gutsverwalter in der Hierarchie der Landwirtschaftlichen Berufe besser einordnen können bzw. beim Schneidmühlverwalter besser verstehen was das ist.
    Waren dies Berufe, die eher ein Lebenszeitjob waren oder mit hoher Fluktuation?

    Ich wäre für Input dankbar.
    Einen sonnigen Tag.
    Zuletzt geändert von Familenfreude; 29.10.2021, 10:04.
  • consanguineus
    Erfahrener Benutzer
    • 15.05.2018
    • 5527

    #2
    Hallo Familienfreude,

    ein Gutsverwalter war (und ist) ein angestellter Betriebsleiter auf einem Gutsbetrieb oder größeren landwirtschaftlichen Betrieb. Über ihm stand nur noch der Eigentümer oder Pächter des Betriebes, sein Arbeitgeber. Aber die Leitung des Betriebes oblag dem Verwalter. Heutzutage arbeitet ein Gutsverwalter in der Regel praktisch mit, was früher undenkbar war.

    Manchmal waren es Jobs auf Lebenszeit. Manchmal nicht, was verschiedene Gründe haben konnte. Mitunter heiratete der Verwalter selbst in einen Hof ein. Oder er erbte einen vom Vater. Dann hängte er den Verwalterposten häufig an den Nagel. Es kam natürlich auch vor, daß das Arbeitsverhältnis aus persönlichen Gründen aufgelöst wurde. Alles war möglich.

    Viele Grüße
    consanguineus
    Suche:

    Joh. Christian KROHNFUSS, Jäger, * um 1790
    Carl KRÜGER, Amtmann in Bredenfelde, * um 1700
    Georg Melchior SUDHOFF, Pächter in Calvörde, * um 1680
    Ludolph ZUR MÜHLEN, Kaufmann in Bielefeld, * um 1650
    Dorothea v. NETTELHORST a. d. H. Kapsehden, * um 1600
    Thomas SCHÜTZE, Bürgermeister in Wernigerode 1561

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    • Familenfreude
      Erfahrener Benutzer
      • 08.03.2021
      • 111

      #3
      Danke

      Vielen herzlichen Dank für die super Erklärung! Darf ich noch fragen wie kamen die Leute zu so einer Stelle? Ich habe den Fall gefunden zunächst Gärtnermeister, dann Gustverwalter (zeit 19.Jahrhundert Pommern)? Klang für mich zunächst seltsam....

      Super wäre wenn noch jemand etwas über den Schneidmühlverwalter weiß, oder ist das im Prinzip gleich gelagert?

      Vielen Dank nochmals!

      Kommentar

      • consanguineus
        Erfahrener Benutzer
        • 15.05.2018
        • 5527

        #4
        Ich kann Dir die Frage, wie man an eine Stelle als Gutsverwalter kam, nicht pauschal beantworten. Einen konkreten Fall kenne ich allerdings. Ein Vetter meines Großvaters wurde nach dem 2. Weltkrieg von den Sowjets von seinem Gut im heutigen Sachsen-Anhalt vertrieben. Er kam nach der Enteignung und anschließender Flucht aus der SBZ mit seiner Familie bei meinem Großvater unter und wurde, da er nun einmal da war, als Gutsverwalter beschäftigt. Okay, es war mehr so eine Gefälligkeitssache um dem Mann eine Aufgabe zu geben. Aber immerhin hatte mein Großvater den Rücken für seine vielen Ehrenämter frei, da die wichtige Position des Verwalters mit einer Vertrauensperson besetzt war. Der Vetter mußte als Gutsverwalter nicht der beste Landwirt sein. Dafür gab es eigens "Unterverwalter" jeweils für Hof und Stall. Aber er mußte die Menschenführung beherrschen.

        Eigentlich jeder größere landwirtschaftliche Betrieb hatte hier früher einen Verwalter. Mein Vater war selbst eine Weile Verwalter auf einem Klostergut. Es war für viele junge Landwirte eine Art Vorbereitung auf die Übernahme des elterlichen Betriebes. Daneben gab es aber auch regelrechte "Gutsverwalterdynastien", also Familien, die, weil kein eigener Hof (mehr) vorhanden war, über Generationen Verwalter waren.

        Daß ein Gärtnermeister Gutsverwalter wurde, halte ich übrigens für gar nicht so abwegig.

        Zum Schneidmühlenverwalter kann ich nichts sagen. Handelt es sich im eine Art Sägewerk?

        Viele Grüße
        consanguineus
        Suche:

        Joh. Christian KROHNFUSS, Jäger, * um 1790
        Carl KRÜGER, Amtmann in Bredenfelde, * um 1700
        Georg Melchior SUDHOFF, Pächter in Calvörde, * um 1680
        Ludolph ZUR MÜHLEN, Kaufmann in Bielefeld, * um 1650
        Dorothea v. NETTELHORST a. d. H. Kapsehden, * um 1600
        Thomas SCHÜTZE, Bürgermeister in Wernigerode 1561

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        • Familenfreude
          Erfahrener Benutzer
          • 08.03.2021
          • 111

          #5
          Danke

          Vielen herzlichen Dank für deine Erklärungen!
          Ob der Vater bereits Gutsverwalter war, weiß ich nicht, da bin ich noch am suchen......
          Leider weiß ich zur Schneidemühle einfach nichts, ich vermute es geht auch dort um einen Mahlprozess, kann aber auch total falsch sein.
          Danke nochmals!

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          • #6
            Hallo,
            meine Vorfahren auf der Insel Rügen hatten über vier Generationen den Beruf Pensionär. Sie waren also Gutsverwalter und Gutspächter der Güter Garftitz, Jarnitz, Buschvitz, Groß Kubbelkow, Mölln und Tilzow. Auf Rügen durften nur Adelige Güter besitzen. Dies ist der Grund, warum meine Vorfahren nur Gutspächter und Gutsverwalter waren. Ab dem 16. Jahrhundert gab es auf Rügen das Bauernlegen, wo ganze Dörfen zerstört wurden und die Bauern Leibeigene der adeligen Familien wurden. Dadurch gab es eine Zeit lang auf Rügen fast keine Dörfer mehr und nur noch riesige Güter. Im Jahr 1783 waren von den 21254 Einwohnern Rügens 15028 Leibeigene.

            Das änderte sich erst im Jahr 1806, als der schwedische König die Leibeigenschaft abschaffte. Dadurch wurden viele Familienmitglieder arbeitslos. Dies war auch der Grund, warum mein Urururgroßvater im Jahr 1840 von Rügen in das Russische Kaiserreich ausgewandert ist, wo es die Leibeigenschaft noch bis zum Jahr 1861 gab. Er war dort Oberverwalter von fürstlichen Familien. Oberverwalter haben mehrere Güter verwaltet. Oberverwalter gab es deshalb nur beim russischen Hochadel. Seine eigentliche Berufsbezeichnung ist Ökonom. Er hat sehr wahrscheinlich an der Schule für Ackerbau in Gorki Gouvernement Mogilew eine Ausbildung zum Ökonom gemacht, welche es seit dem Jahr 1840 gibt. In der unteren Stufe wurden auch die Leibeigenen unterrichtet.

            Und Gutsverwalter und Gärtner hatte eine sehr enge Beziehung. Im Jahr 1849 war mein Vorfahre der Taufpate des Sohnes des Kunstgärtners von dem Gut Jakowlitsch im Gouvernement Mogilew, den er wahrscheinlich selbst eingestellt hat. Mein Vorfahre war auch mit dem Gärtner des Gutes Iwanowka im Gouvernement Cherson befreundet, wo er selbst als Oberverwalter gearbeitet hat. Die Ehefrau des Oberverwalters war auch die Taufpatin der Tochter des Gärtners.

            Im Jahr 1861 haben sie ihre Arbeit verloren und sie sind zusammen in das Gouvernement Taurien umgezogen, wo sie eine neue Anstellung gefunden haben. Der ehemalige Gärtner wurde Gutsverwalter eines Gutes, welches den Grafen Kankrin gehört hatte. Und mein Vorfahre wurde Oberverwalter der Popowschen Güter. Und er war auch mit dem Oberverwalter des Grafen Kankrin befreundet, der der Taufpate von zwei Kindern meines Vorfahren war. Die russische Adelsfamilie Popow und die Grafen Kankrin hatten beide den größten Grundbesitz im Gouvernement Taurien.
            Zuletzt geändert von Gast; 01.11.2021, 14:57.

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            • davecapps
              Erfahrener Benutzer
              • 13.10.2015
              • 1856

              #7





              Gruß
              Dave
              Zuletzt geändert von davecapps; 31.10.2021, 19:06.

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              • Familenfreude
                Erfahrener Benutzer
                • 08.03.2021
                • 111

                #8
                Prima, Danke, da lag ich ziemlich daneben :-)

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                • Familenfreude
                  Erfahrener Benutzer
                  • 08.03.2021
                  • 111

                  #9
                  Danke

                  Hallo Balduin,
                  Danke für die Erläuterungen sehr hilfreich um ein Gefühl für die Zeit zu bekommen.
                  Einen guten Abend.

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                  • HErtlFernwald
                    Erfahrener Benutzer
                    • 27.03.2017
                    • 196

                    #10
                    Fabricant

                    Hallo Ihr Lieben!


                    Ich grübele bzgl. eines Traueintrags 1836 aus Landeshut in Schlesien, wo der Vater meines Ahnen als verstorbener Fabricant aus Tiefhartmannsdorf [1840: ca. 340 Einwohner] genannt wird.


                    Wenn ich mir das Dorf u. die Historie anschaue, ist es mir schleierhaft, was die Berufsbezeichnung so heißen kann?


                    Danke Euch!


                    LG
                    Hendrik

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                    • Zeitenwende
                      Benutzer
                      • 24.06.2019
                      • 76

                      #11
                      Hallo Hendrik,

                      woher stammt die Einwohnerzahl?

                      Laut Knie von 1830 hatte der Ort 1231 Einwohner. Außerdem eine Brettmühle, 4 Wassermühlen, eine Windmühle, zwei Kalköfen, einer unbetrieben, sowie 73 Leinweberstühle.

                      Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek: Knie, J. G: Alphabetisch-Statistisch-Topographische Übersicht aller Dörfer, Flecken, Städte u. andern Orte der Königl. Preuss. Provinz Schlesien ... nebst beigefügter Nachweisung von der Einteilung des Landes nach den verschiedenen Zweigen der Civil-Verwaltung mit drei besondern Tabellen, verfasst von J. G. Knie, durchgesehen von J. M. L. Melcher (1830)


                      Zu den Webern:



                      Daraus (letztes Wort!!!):

                      In Peterswaldau und Langenbielau lebten vor allem vorindustrielle Heimarbeiter, die vorwiegend Baumwollwaren herstellten. Wirtschaftlich war ihre Existenz jedoch von sogenannten Verlegern abhängig. Während die Verleger, in der Regel vermögende Kaufleute, Garn auf dem Markt aufkauften, sollten die Baumwollweber daraus zu einem vereinbarten Preis die gewünschten Stoffe produzieren. Für ihre Ware wurden die Heimarbeiter entlohnt und der Verleger verkaufte die Baumwollprodukte weiter.[1] Obwohl die schlesischen Baumwollweber im Gegensatz zu den Leinwebern und -spinnern zu den bessergestellten Arbeitern gehörten, fürchteten sie um ihren Lohn und ihre berufliche Selbstständigkeit.[2] Wegen der Überproduktion im Textilgewerbe kam es in den 1840er-Jahren immer wieder zu Lohnkürzungen durch die Verleger, besonders durch den größten Unternehmer in Peterswaldau, Ernst Friedrich Zwanziger.[3] Die Forderungen der Weber richteten sich dabei auf gerechten Lohn und eine angemessene, würdige Behandlung durch die „Fabrikanten“.[4]

                      Alternativ vielleicht der Inhaber des Marmorbruchs/Kalkofens.

                      Viele Grüße
                      Zeitenwende

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                      • HErtlFernwald
                        Erfahrener Benutzer
                        • 27.03.2017
                        • 196

                        #12
                        Hallo Zeitenwende!

                        Ganz herzlichen Dank, das macht Sinn!!!

                        LG
                        Hendrik

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                        • HErtlFernwald
                          Erfahrener Benutzer
                          • 27.03.2017
                          • 196

                          #13
                          [QUOTE=Zeitenwende;1411084]Hallo Hendrik,

                          woher stammt die Einwohnerzahl?

                          Ich hatte diese Kartenmeister entnommen, wahrscheinlich ein Irrtum!

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                          • HErtlFernwald
                            Erfahrener Benutzer
                            • 27.03.2017
                            • 196

                            #14
                            Schuhmacher, was machte der Vater?

                            Hallo!
                            Der Sohn des gesuchten "Fabrikanten" in Tiefhartmannsdorf war Schuhmacher und Bürger in Waldenburg geworden.
                            Wenn wir nun zwei Varianten haben, was die "Industrie" in Tiefhartmannsdorf angeht, also a) Betreiber des Marmorbruchs oder des Kalkofens oder b) ein Fabrikant/Verleger für die in Heimarbeit von Einwohnern an ihren Webstühlen hergestellte Wolle;
                            kann man davon ausgehen, dass ein Schuhmacher eher der Sohn eines Textilfabrikanten war? Also Handwerk zu Handwerk !?

                            LG und danke !
                            Hendrik

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                            • Geschichtensucher
                              Erfahrener Benutzer
                              • 03.09.2021
                              • 730

                              #15
                              zum ursprünglichen Thema...

                              herzlichen Dank für die ausführlichen interessanten Schilderungen! Mir fällt dazu noch eine Quelle aus der Literatur ein:


                              Hans Fallade "Wir hatten mal ein Kind" spielt im Rügen um 1900 in der Landwirtschaft, der Protagonist ist nach meiner ERinnerung Gutsverwalter und seine Liebste eine Gutsherrentochter.... Empfehle ich sehr als Sittenbild dieser Zeit. Fallada hat selbst als Verwalter in der Landwirtschaft gearbeitet.


                              LG Iris
                              Zuletzt geändert von Geschichtensucher; 09.11.2021, 19:53. Grund: schreibfehler
                              Beste Grüße, Iris

                              Kommentar

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