Uneheliche Lebensgemeinschaften um 1800

[jella]

Ich habe eine Familie gefunden, wohnhaft in Unterfranken etwa um 1800 herum, bei der 5 von 8 Geschwistern wie es scheint in unehelichen Lebensgemeinschaften lebten. Die Eltern waren verheiratet. Sie hatten alle mehrere uneheliche Nachkommen.

Ist es möglich, daß die Kinder aus Armut nicht geheiratet haben? Die überwiegende Zahl der unehelichen Nachkommen ist vor dem 2. Lebensjahr wieder verstorben. Schließlich ging die Mutter mit 7 ihrer Kinder und den überlebenden unehelichen Nachkommen nach Amerika.

Die einzig zurückbleibende Tochter, hatte ebenfalls uneheliche Kinder.
Diese Generation heiratete aber wieder sie es scheint ohne Ausnahme.

Jella

[gudrun]

RE: Uneheliche Lebensgemeinschaften um 1800

Hallo,

früher mußten die Leute nachweisen, daß sie Geld hatten um die Heiratserlaubnis zu bekommen. Die Behörden wollten nicht, daß später für diese Familien Unterhalt bezahlt werden mußte. Daher gibt es viele Kinder, die unehelich geboren wurden.

Viele Grüße
Gudrun

[jella]

RE: Uneheliche Lebensgemeinschaften um 1800

Aber gleich so viele? Ist das nicht ungewöhnlich? Und die entsprechenden Lebenspartner bzw. Väter der Kinder sind nicht angegeben. Es betrifft auch nur diese eine Generation. Die Generation vorher war verheiratet und die Nachkommen auch wieder.

Jella

[Marlies]

RE: Uneheliche Lebensgemeinschaften um 1800

Original von jella
Aber gleich so viele? Ist das nicht ungewöhnlich?

Hallo jella,

einerseits ja, andererseits nein: man müßte mehr vom Umfeld wissen, von der Familie, von den Gegebenheiten vor Ort. Betraf es "nur" Deine Familie oder war es ein "Aufstand" (gegen was auch immer) aller jungen Frauen im Ort und/oder der Nachbargemeinden? War es Rebellion gegen die eigenen Eltern? Oder wurden die Kinder zu "locker" erzogen? Was war im Ort selbst los? Gab es dort einen Sammelpunkt für kriegsdienstfähige und eingezogene junge Männer? Gab es einen besonders strengen Pfarrer, dem man "es zeigen" wollte? Waren die Eltern in der Lage, den Kindern einen Start in die Ehe zu ermöglichen? Gab es im Ort oder der Umgebung "höhergestellte" junge Männer, die es sich was kosten lassen, nicht als Vater zu erscheinen?

Vielleicht gibt es ja eine Orstchronik, die ein paar Gegebenheiten um 1800 aufzeigt und eine Erklärung bringt.

Lieben Gruß
Marlies

[Joachim v. Roy]

Uneheliche Lebensgemeinschaften um 1800

Hallo Jella,

Sie schildern durchaus zutreffend ein Phänomen, das jedem Familienforscher begegnet ist. Um 1800 brach die alte Ständeordnung zusammen (Hinweis auf die Französische Revolution und auf den sich anschließenden Zusammenbruch des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation). Bis in die jüngere Gegenwart hinein hat es in Westeuropa keine derart umwälzende Epoche mehr gegeben.

Adelige Offiziere, die keine Heiratserlaubnis erhielten, lebten viele Jahre lang in „wilder Ehe“ mit Frauen zusammen, die fast immer einfacheren Schichten entstammten. Kinder aus diesen Ehen erreichten dann nur selten das soziale Niveau ihrer Väter. - Gutbürgerliche Mädchen liefen mit ihren Liebhabern davon („run-away-marriages“), Knechte und Mägde zeugten Kinder, die in den Kirchenbüchern als „Hurenkinder“ erscheinen, Frauen rauchten Zigarren und trugen lange Hosen. - In Deutschland traten erst im Biedermeier wieder „normale“ Verhältnisse ein (wie von Ihnen beobachtet). Allgemein war die Verarmung in jener Zeit.

Was die sozialen Spannungen jener Jahre anlangt, so sei auf die verschiedenen Weberaufstände in ganz Deutschland verwiesen, vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Weberaufstand.

Freundliche Grüße vom Rhein

[Berwo]

RE: Uneheliche Lebensgemeinschaften um 1800

Hallo und guten Tag,
es gibt aber auch noch eine andere Möglichkeit. Mein 4malUrgroßvater ist das 4. aussereheliche Kind einer verheirateten Frau. Beim 2. Kind fand ich den Hinweis, dass der Rhemann im Krieg in Rusland ist. Dieser war nicht als gestorben gemeldet und somit war meine Ahnfrau, welche schon drei kleine Kinder hatte, auf eunen Ernährer angewiesen. Auch so kann es zu unehelichen Kindern kommen.
Freundlichen Gruß
Bernd W. Tetzlaw