Hallo allerseits,
gibt es hier Forscher, die - wie ich selbst - "ritterbürtige" Vorfahren in unterschiedlichen Regionen hatten, deren Lebensbedingungen auch sehr unterschiedlich waren?
Ich habe sowohl in Nordthüringen, Hessen und Niedersachsen (sowie von diesen Regionen aus weit streuend) "ritterbürtigen" Adel, als auch im Gebiet der später kurbrandenburgischen "Herrschaft Ruppin".
Meine Ruppiner Vorfahren waren allem Anschein nach im engeren Sinne der Bedeutung "arme Ritter", die nur eher geringen Besitz in Orten hatten, in denen auch andere Familien gleichen Standes Besitz hatten. Mehrere der Familien mussten im Kriegsfall gemeinsam mit anderen ähnlich armen Familien nur einen einzigen Reiter stellen (mussten sich also die Kosten für diesen Reiter teilen); eine der Sippen konnte sogar nur jeweils einem ihrer Söhne zur gleichen Zeit erlauben, zu heiraten, da ihre beiden Rittergüter nur zur Versorgung eines einzigen Ehepaares inclusive dessen Kindern und gegebenenfalls der Eltern und einzelner unverheirateter Geschwister ausreichten. Darüber hinaus haben sie zwar regelmäßig ihre Vertreter zu Landtagen geschickt, hatten aber ansonsten keinerlei erkennbare politische Macht.
Meine "jüngeren" thüringischen Adelsfamilien waren auch nicht sonderlich reich, hatten aber aufs Ganze gesehen mehr Rittergüter, die auch für sich genommen besser ausgestattet waren. Eine ganze Reihe der Söhne war verheiratet und die meisten von ihnen kümmerten sich um ihre Bildung und um ihre Karriere (als Militärs, Fürstenerzieher, Geheimräte, Richter, Amtmänner und vereinzelt sogar als Mitglieder von Gremien, die für ihre noch minderjährigen Grafen die Regierung leiteten). Sofern sie ihr Auskommen nicht im eigenen Lande finden konnten, begaben sie sich in fremde Dienste und erwarben auch dort Grund und Boden.
Mein Eindruck ist, dass die von mir geschilderten Unterschiede nicht nur ein "Ding" einzelner Familien bzw. Sippen waren, sondern durchaus in ihren Regionen verbreitete Phänomene (wobei es natürlich auch im Ruppinischen einflussreiche und wohlhabende ritterbürtige Familien gegeben haben wird und im Thüringischen eventuell welche, die ohne Bildung und politischen Einfluss einfach nur arm vor sich hin vegtiert haben).
Für die Unterschiede habe ich mal als mögliche Erklärung gehört, dass es im Brandenburgischen im zahlenmäßigen Vergleich zur Gesamtbevölkerung (und bei gleichzeitig deutlich schlechteren Bodenerträgen) deutlich mehr "Ritterbürtige" gegeben habe, als in den Gebieten, die keine slawische Vorgeschichte hatten: die Ritter seien als Eroberer und (Zwangs-)Kolonisatoren eingewandert und hätten den dort schon vorhandenen einheimischen Adel teils ersetzt, teils aber auch nur ergänzt. Dadurch sei das zahlenmäßige Verhältnis zwischen "Herren" und "Untertanen" so ungünstig gewesen, dass erstere letztere in größerem Ausmaße ausbeuten mussten, um ihren Stand halten zu können. In den "älteren" deutschen Gebieten sei das Zahlenverhältnis deutlich besser gewesen (und die Bodenerträge in vielen Fällen ebenfalls).
Gibt es bei euch ähnliche Erfahrungen?
Mein "Beobachtungszeitraum" endet bei meinen Ruppiner Familien in den 1650er Jahren und bei der übrigen Sippschaft im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts - wobei die Unterschiede aber auch schon VOR dem 30jährigen Krieg deutlich zutage traten...
Grüße
Giacomo
gibt es hier Forscher, die - wie ich selbst - "ritterbürtige" Vorfahren in unterschiedlichen Regionen hatten, deren Lebensbedingungen auch sehr unterschiedlich waren?
Ich habe sowohl in Nordthüringen, Hessen und Niedersachsen (sowie von diesen Regionen aus weit streuend) "ritterbürtigen" Adel, als auch im Gebiet der später kurbrandenburgischen "Herrschaft Ruppin".
Meine Ruppiner Vorfahren waren allem Anschein nach im engeren Sinne der Bedeutung "arme Ritter", die nur eher geringen Besitz in Orten hatten, in denen auch andere Familien gleichen Standes Besitz hatten. Mehrere der Familien mussten im Kriegsfall gemeinsam mit anderen ähnlich armen Familien nur einen einzigen Reiter stellen (mussten sich also die Kosten für diesen Reiter teilen); eine der Sippen konnte sogar nur jeweils einem ihrer Söhne zur gleichen Zeit erlauben, zu heiraten, da ihre beiden Rittergüter nur zur Versorgung eines einzigen Ehepaares inclusive dessen Kindern und gegebenenfalls der Eltern und einzelner unverheirateter Geschwister ausreichten. Darüber hinaus haben sie zwar regelmäßig ihre Vertreter zu Landtagen geschickt, hatten aber ansonsten keinerlei erkennbare politische Macht.
Meine "jüngeren" thüringischen Adelsfamilien waren auch nicht sonderlich reich, hatten aber aufs Ganze gesehen mehr Rittergüter, die auch für sich genommen besser ausgestattet waren. Eine ganze Reihe der Söhne war verheiratet und die meisten von ihnen kümmerten sich um ihre Bildung und um ihre Karriere (als Militärs, Fürstenerzieher, Geheimräte, Richter, Amtmänner und vereinzelt sogar als Mitglieder von Gremien, die für ihre noch minderjährigen Grafen die Regierung leiteten). Sofern sie ihr Auskommen nicht im eigenen Lande finden konnten, begaben sie sich in fremde Dienste und erwarben auch dort Grund und Boden.
Mein Eindruck ist, dass die von mir geschilderten Unterschiede nicht nur ein "Ding" einzelner Familien bzw. Sippen waren, sondern durchaus in ihren Regionen verbreitete Phänomene (wobei es natürlich auch im Ruppinischen einflussreiche und wohlhabende ritterbürtige Familien gegeben haben wird und im Thüringischen eventuell welche, die ohne Bildung und politischen Einfluss einfach nur arm vor sich hin vegtiert haben).
Für die Unterschiede habe ich mal als mögliche Erklärung gehört, dass es im Brandenburgischen im zahlenmäßigen Vergleich zur Gesamtbevölkerung (und bei gleichzeitig deutlich schlechteren Bodenerträgen) deutlich mehr "Ritterbürtige" gegeben habe, als in den Gebieten, die keine slawische Vorgeschichte hatten: die Ritter seien als Eroberer und (Zwangs-)Kolonisatoren eingewandert und hätten den dort schon vorhandenen einheimischen Adel teils ersetzt, teils aber auch nur ergänzt. Dadurch sei das zahlenmäßige Verhältnis zwischen "Herren" und "Untertanen" so ungünstig gewesen, dass erstere letztere in größerem Ausmaße ausbeuten mussten, um ihren Stand halten zu können. In den "älteren" deutschen Gebieten sei das Zahlenverhältnis deutlich besser gewesen (und die Bodenerträge in vielen Fällen ebenfalls).
Gibt es bei euch ähnliche Erfahrungen?
Mein "Beobachtungszeitraum" endet bei meinen Ruppiner Familien in den 1650er Jahren und bei der übrigen Sippschaft im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts - wobei die Unterschiede aber auch schon VOR dem 30jährigen Krieg deutlich zutage traten...
Grüße
Giacomo
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