Warum schreibt ein Pfarrer so etwas?

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  • assi.d
    Erfahrener Benutzer
    • 15.11.2008
    • 2676

    Warum schreibt ein Pfarrer so etwas?

    Hallo liebe Mitforscher,
    meine Frage ist ganz ernst gemeint:

    in den KBs vor 1700 ist mir aufgefallen, daß die Pfarrer immer von den Regimentern, die gerade vor Ort im Feld lagen als "hochlöblich" etc. schrieben. Und dabei waren das im 30jähr. Kriege in Böhmen ganz oft evangelische Heerführer...

    Klingt ziemlich kriecherisch.

    Denn auf der anderen Seite wurde ein unehelich geborenes Kind und vor allem dessen Mutter mit Schimpf und Schande überhäuft.

    Die Meinung des Pfarrers ist also schon deutlich aus den Einträgen ersichtlich.

    Gruss
    Astrid
  • zeilenweise
    Erfahrener Benutzer
    • 10.07.2018
    • 322

    #2
    Diese Zusätze vor den Regimentern würde ich als Teil der üblichen Formeln der Zeit ansehen. So wie man vor einem Herrscher auch erst einmal eine Reihe von lobenden Adjektiven anbringt, bevor man seinen Namen nennt. Es mag aus heutiger Sicht kriecherisch erscheinen, aber es war die übliche und erwartete Form der Respektsbezeugung. Es waren eben keine Demokratien damals, sondern Monarchien mit absolutistischen Herrschern.
    Der Pfarrer ist Teil dieses Systems, er ist eine Amtsperson, genauso von Gott berufen wie der Landesherr selbst. Natürlich entsprechen seine Einträge geltenden Regeln.
    Und dazu gehört auch die Regel, dass ein uneheliches Kind ein Makel ist, und zwar vor allem für die Mutter, der Vater spielt gar keine Rolle. Das leitet sich aus der Religion her (Erbsünde etc.), aber auch aus praktischen staatlichen Erwägungen wie den Kosten der Armenfürsorge. Abschreckung war das Prinzip, das dahinterstand.
    Gruß, zeilenweise

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    • DoroJapan
      Erfahrener Benutzer
      • 10.11.2015
      • 2510

      #3
      Hallo

      Und wenn das nicht abschreckend genug war...



      Liebe Grüße
      Doro
      Brandenburg: Lehmann: Französisch Buchholz; Mädicke: Alt Landsberg, Biesdorf; Colbatz/Kolbatz: Groß Köris; Lehniger, Kermas(s), Matzke: Schuhlen-Wiese(Busch)
      Schlesien: Neugebauer: Tschöplowitz+Neu-Cöln (Brieg); Gerstenberg: Pramsen; Langner, Melzer, Dumpich: Teichelberg (Brieg); Kraft: Dreißighuben (Breslau), Lorankwitz
      Pommern-Schivelbein: Barkow: Falkenberg; Bast: Bad Polzin
      Böhmen-Schluckenau: Pietschmann: Hainspach, Schirgiswalde; Kumpf: Alt Ehrenberg 243, 28; Ernst: Nixdorf 192

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      • Anna Sara Weingart
        Erfahrener Benutzer
        • 23.10.2012
        • 15111

        #4
        Hallo Astrid,
        das ist nicht die Meinung des Pfarrers sondern die übliche (notwendige) Benennung. Genauso wie man heutzutage mit "Herr Meyer" angesprochen werden möchte, und nicht nur mit "Meyer". Dass heißt, wenn der Pfarrer nicht "löblich" oder "hochlöblich" geschrieben hätte, dann wäre es vermutlich ein Affront, bzw. Beleidigung gegenüber dem Regimentsangehörigen gewesen.

        Man muss bedenken, dass Militärangehörige ihr eigenes Leben riskiert haben für Andere, bzw. für den Staat. Obwohl keine Wehrpflicht herrschte. Daher war (ist) es eine Frage des Anstands, dass man diesem ehrbaren Verhalten mit besonderer Hochachtung begegnete (begegnet).
        Viele Grüße

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        • fps
          Erfahrener Benutzer
          • 07.01.2010
          • 2152

          #5
          Nun auch ein wenig Senf von mir dazu.

          Die Heere und Haufen aus der Zeit der 30jährigen Kriegs bestanden wohl im wesentlichen aus Söldnern - also Männern, die sich gegen einen auszubezahlenden Sold dem Kriegs"handwerk" (sic!) verschrieben hatten. In welchem Umfang Leibeigene zwangsrekrutiert wurden, weiß ich nicht anzugeben, aber auch daraus bestanden die Truppen, die man aufeinander los schickte. "Leben für Andere" zu riskieren war da wohl eher weniger die Triebfeder.

          Und ja, die Truppen waren "hochlöblich" wie die Herren "hochwohlgeboren" waren. Eine Floskel, nichts weiter. Wenn ich heute einen Brief mit "Sehr geehrte..." beginne, besagt das auch nicht, dass ich die betreffenden Personen wirklich und wahrhaftig ehre - es ist einfach Konvention, das so zu schreiben. Eben eine Floskel der Höflichkeit.

          Und ob die Heerführer nun evangelisch, katholisch oder was auch immer waren - mit Religion hatten sie alle nichts im Sinn. Es ging, wie immer, um Macht und Einfluss.

          Also: vergangene Jahrhunderte sollte man nie durch die heutige Brille betrachten. Was mögen Menschen in 200 Jahren (sofern wir die Möglichkeiten zur Zerstörung unseres Planeten bis dahin tatsächlich nicht genutzt haben) wohl zu den Konventionen sagen, die wir heute als normal betrachten?
          Gruß, fps
          Fahndung nach: Riphan, Rheinland (vor 1700); Scheer / Schier, Rheinland (vor 1750); Bartolain / Bertulin, Nickoleit (und Schreibvarianten), Kammerowski / Kamerowski, Atrott /Atroth, Obrikat - alle Ostpreußen, Region Gumbinnen

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          • Birkenfelde
            Erfahrener Benutzer
            • 18.05.2016
            • 119

            #6
            Hallo, fps,


            Dein Beitrag hat mir Wort für Wort sehr gut gefallen! Du hast es auf den Punkt gebracht.


            Viele Grüße
            Emanuel

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