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Alt 04.03.2022, 13:40
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Alter Mansfelder Alter Mansfelder ist offline
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Ausrufezeichen Ahnenforschung in Sachsen-Anhalt - Tipps und (Online-) Quellen (mit Digitalisaten)

Hallo zusammen,

nachfolgend möchte ich euch einige Hinweise für die Suche nach Vorfahren in Sachsen-Anhalt geben. Ich halte dieses Thema geschlossen; wer dazu Anregungen, Korrekturen oder Ergänzungswünsche hat, kann sich gerne auch per PN an mich wenden. All jenen, die mitgewirkt haben: vielen Dank!

In dem hiesigen Thema sollen vor allem regionalspezifische Tipps gegeben werden. Ganz allgemeine Hinweise zur Ahnenforschung findet ihr in dem Thema „So beginne ich meine Familienforschung“. Daneben empfiehlt es sich, auch einen Blick in die vielen gedruckten Ratgeber zur Ahnen- bzw. Familienforschung zu werfen.


Forschung in der Zeit der Personenstandsregister ab 1874 (1876)

Durch die Gebietsreformen der vergangenen Jahrzehnte verloren viele Dörfer und auch Städte ihre vormalige politische Selbständigkeit. Personenstandsregister findet man daher in der Regel in der Obhut der aktuell zuständigen Gemeinden. Man sollte deshalb zunächst über eine Suchmaschine feststellen, zu welcher Gemeinde, Stadt oder Verwaltungsverband eine Kommune heute gehört und dann beim dortigen Standesamt anfragen. Eine Übersicht über die aktuell bestehenden Gemeinden in Sachsen-Anhalt findet ihr hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_...Sachsen-Anhalt Seit einigen Jahren sollen die Standesämter ältere Jahrgänge der Personenstandsbücher an ihr Archiv abgeben. Es mag daher sein, dass ihr vom Standesamt dorthin verwiesen werdet.

Auch wenn seit der Einführung der Standesämter Geburten, Heiraten und Sterbefälle nur durch diese verbindlich festgehalten werden, sollte man nicht vergessen, dass diese Ereignisse parallel weiterhin durch die Religionsgemeinschaften als Taufen, Trauungen und Beerdigungen in den Kirchenbüchern aufgezeichnet worden sind. Eine Einsichtnahme in diese oder eine Nachfrage nach Einträgen kann daher durchaus sehr sinnvoll sein. Ansprechpartner sind die jeweils zuständigen Kirchengemeinden, und zwar auch und gerade dann, wenn die entsprechenden Register aus Datenschutzgründen nicht online stehen oder vollständig eingesehen werden können. Berücksichtigen solltet ihr dabei jedoch, dass spätestens seit den 1970er Jahren, auch bedingt durch die damaligen politischen Rahmenbedingungen, die Zahl der Kirchenmitglieder stark zurückgegangen ist; wer also aus seiner Religionsgemeinschaft ausgetreten ist, steht logischerweise danach in keinem Kirchenbuch.

Darüber hinaus ist zu bedenken, dass sowohl Geburt als auch Heirat und Tod mit Fortschreiten des 20. Jahrhunderts oft nicht mehr zu Hause stattgefunden haben, sondern zum Beispiel in einem nahegelegenen Krankenhaus, das aber heute vielleicht nicht mehr existiert, und dass deshalb das Ereignis beim dortigen Standesamt eingetragen ist. Über ortsspezifische Kenntnisse dazu verfügt sicher das Standesamt des Wohnortes eures Vorfahren oder die örtliche Friedhofsverwaltung, die auch die Friedhofsbücher führt.

Angesichts der stetig gestiegenen Mobilität kann die Frage nach einer alten Einwohnermeldekartei beim örtlichen Einwohnermeldeamt weiterhelfen. Soweit noch vorhanden, befindet sich diese entweder vor Ort oder vielleicht auch schon im zuständigen Kreisarchiv.

Ich will versuchen, das Vorstehende einmal an einem Beispiel plastisch zu machen: Auf einem Dorffriedhof am Harzrand stehe ich vor dem Grabstein meiner Urgroßmutter, die vor vielen Jahren verstorben ist. Auf dem Stein stehen nur der Name und Jahreszahlen. Wie kann ich mehr herausfinden? Das Dorf war früher eine selbständige Gemeinde, heute ist es Teil einer größeren, deren Verwaltung im Nachbardorf sitzt. Das dortige Standesamt findet zum betreffenden Jahr keine Sterbeurkunde. Meine Uroma war Kirchenmitglied. Das Pfarramt, das die Beerdigung vorgenommen hat, informiert mich, dass sie in der benachbarten Stadt im Krankenhaus verstorben ist. Wäre sie nicht in der Kirche gewesen, dann hätte ich dies vermutlich auch aus dem Friedhofsbuch erfahren können. Das für das Krankenhaus zuständige Standesamt teilt mir nun die Sterbeurkunde mit. Aus dieser ergibt ich, das meine Urgroßmutter in Burgörner auf die Welt gekommen ist. Über das Internet sehe ich, dass Burgörner heute ein Stadtteil von Hettstedt ist. Das Standesamt dort kann mir aber keine Kopie aus dem Geburtenbuch schicken, da für Burgörner früher das Standesamt Großörner zuständig war, welches heute nach Mansfeld eingemeindet ist. Den Geburtseintrag bekomme ich also vom Standesamt in Mansfeld.


Forschung in der Kirchenbuchzeit seit dem 16. Jh., oft aber erst nach dem Dreißigjährigen Krieg

Vor Einführung der Standesämter sind wie immer die Kirchenbücher die einschlägigste Quelle. Ihr solltet allerdings beachten, dass in dem kurzen napoleonischen Zeitabschnitt des Königreichs Westphalen zwischen 1808 und 1814 vielerorts parallele Zivilstandsregister geführt worden sind. Auch diese befinden sich, soweit noch vorhanden, in den Pfarrämtern oder gegebenenfalls verfilmt in den Landeskirchenarchiven.

Für die Forschung in der Kirchenbuchzeit sollte man sich vergegenwärtigen, dass das heutige Sachsen-Anhalt ein nach dem Zweiten Weltkrieg erstmals neu geschaffenes Bundesland ist, das verschiedene historische Territorien vereint. Im Sachsen-Anhalt von heute sind ehemals preußische, anhaltische, braunschweigische und thüringische Territorien aufgegangen. Wozu der Wohnort eurer jeweiligen Vorfahren gehört hat, sollte sich per Internet relativ leicht ermitteln lassen. Grob kann man sagen, dass die Räume Harzgerode-Ballenstedt und Bernburg-Köthen-Dessau-Zerbst zum Herzogtum Anhalt gehörten, der Raum Hasselfelde-Blankenburg und die Gegend um Calvörde zum Herzogtum Braunschweig, nördliche Teile des ehemaligen Kreises Havelberg zu Brandenburg und die Gegend um Allstedt zu einem der thüringischen Herzogtümer. Der große Rest war Bestandteil der preußischen Provinz Sachsen. Aus der ehemaligen politischen Zugehörigkeit folgt auch heute noch gegebenenfalls eine unterschiedliche kirchliche Zuständigkeit.

Übersichten über Kirchenbücher und deren Laufzeiten sucht man am besten wie folgt:

Evangelische Vorfahren können vor allem im Gebiet der Landeskirche Anhalts, der Landeskirche Braunschweigs oder im Gebiet der jetzigen Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, die nunmehr die ehemalige preußische Kirchenprovinz Sachsen und die ehemalige thüringische Landeskirche vereint, gewohnt haben.

- Übersichten über Kirchenbücher der ehemaligen preußischen Kirchenprovinz Sachsen findet man im Machholz,
- Übersichten über Kirchenbücher der ehemals thüringischen Landeskirche im Güldenapfel,
- Übersichten über Kirchenbücher im Herzogtum Anhalt im Bobbe.
- Übersichten über Kirchenbücher im Herzogtum Braunschweig teils im Landeskirchlichen Archiv Wolfenbüttel https://www.landeskirche-braunschwei...enbuecher.html , teils im Staatsarchiv Wolfenbüttel https://www.arcinsys.niedersachsen.d...detailid=b5600

Einsicht in diese Kirchenbücher erhält man insbesondere auf folgenden Wegen:

All diese Landeskirchen sind mittlerweile bei Archion vertreten; jedoch ist der Stand der Digitalisierung und/oder Onlinestellung sehr unterschiedlich und wird sich voraussichtlich noch über Jahre hinziehen. Genaueres findet ihr hier: Archion/Magdeburg, Archion/Anhalt, Archion/Braunschweig, Archion/Eisenach.

Zwischenzeitlich kann/muss man auf Verfilmungen im Landeskirchenarchiv Magdeburg (Bestände mit KB-Liste), im Landeskirchenarchiv Eisenach (Verfilmte Kirchenbücher), im Landeskirchlichen Archiv Berlin (Bestandsübersicht Kirchenbücher), im Landeskirchlichen Archiv (Hinweise Familienforschung) oder Staatsarchiv Wolfenbüttel (Bestand Kirchenbücher) oder auf Originale im Landeskirchenarchiv Dessau (Link auf der Beständeseite) oder in den Pfarrämtern vor Ort (Gemeindesuche in den Landeskirchen EKM, Anhalt und Braunschweig) zurückgreifen. Ihr solltet allerdings beachten, dass die Pfarrämter normalerweise keine persönliche Einsicht mehr in die Originale erlauben (dürfen), sofern die Bücher bereits online stehen oder auf Mikrofilm vorliegen.

Eine zusätzliche Suchmöglichkeit bieten eventuell über die Ortssuche des Katalogs von familysearch einsehbare Digitalisate. Diese erstrecken sich aber oft nur auf die in den Staatsarchiven vorliegenden Zweitschriften von Kirchenbüchern aus dem 19. Jahrhundert.

Katholische Vorfahren sind im „Ursprungsland der Reformation“ naturgemäß eine Seltenheit und vermehrt eine Erscheinung erst der letzten 200 Jahre. Katholische Kirchenbücher kann man erfreulicherweise leicht über die Präsenz vor allem des seit 1994 bestehenden Bistums Magdeburg auf matricula-online finden: https://data.matricula-online.eu/de/...and/magdeburg/. Örtlich zuständig ist das Bistumsarchiv Magdeburg. Im Nordosten Sachsen-Anhalts kann auch das Diözesanarchiv Berlin verantwortlich sein. Wissenswerte Hinweise über die katholischen Gemeinden in Sachsen-Anhalt einschließlich KB-Laufzeiten stehen im Real-Schematismus der Diözese Paderborn von 1913.

Ergänzend könnt ihr noch die älteren, zum Teil aber veralteten Hinweise hier nachlesen Kirchenbücher in Sachsen-Anhalt

Auch zu diesem Abschnitt ein Beispiel: 1811 heiratete in Sylda mein Vorfahre, der Leinewebermeister Johann Caspar Hänsgen, die Jungfrau Johanna Dorothea Krause aus Quenstedt (beide Dörfer im Landkreis Mansfeld-Südharz). Ihren Vater, den Handarbeiter Johann Andreas Krause, und seine Frau fand ich im dortigen Sterberegister, jedoch nicht die Geburt der Tochter und auch keine Herkunft oder Heirat der Eltern. Patenhinweise gab es nicht. In Sylda sind aber noch die Zivilstandsregister aus napoleonischer Zeit erhalten. Diese verrieten mir, dass die Mutter der Braut die erste Ehefrau des Johann Andreas Krause gewesen und in Staßfurt gestorben ist. Ein Blick in die KB Staßfurt (Joh.) förderte dann nicht nur den Tod der Mutter 1787, sondern auch die zweite Eheschließung des Vaters 1788, die Taufe von Johanna Dorothea Krause 1785 und die Heirat ihrer Eltern 1783 ans Licht. Die Vorfahren der Mutter, Töpfermeisterstochter Maria Dorothea Jacks, ließen sich über KB und weitere Quellen teilweise noch bis in das 15. Jh. belegen. Nur die Herkunft ihres Vaters, Johann Andreas Krause, damals Bürger und Kärrner in Staßfurt, konnte zunächst nicht ermittelt werden. Laut Traueintrag von 1783 sollte er aus "Worsleben" stammen. Ein Ort dieses Namens kam jedoch weder bei Machholz noch bei Güldenapfel oder Bobbe vor. Es gab "nur" Warsleben, Dahlenwarsleben, Hohenwarsleben, Wormsleben, Gorleben, Gorsleben, Ohrsleben ..., die ich alle ergebnislos nach dem Taufeintrag durchsuchte. Klärung brachte schließlich die von Otto Berger veröffentlichte Bürger-Rolle von Staßfurt: "Krause, Andreas, ein Kärner, aus Welbsleben gebürtig", hatte am 20.02.1783 in Staßfurt das Bürgerrecht erworben. So kann ein Hörfehler des Pastors erheblich in die Irre führen!

Fortsetzung folgt.

Geändert von Alter Mansfelder (01.07.2022 um 11:22 Uhr) Grund: Aktualisiert.
  #2  
Alt 05.03.2022, 23:56
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Forschung außerhalb und vor Beginn der Kirchenbücher (Teil 1)

Wer schon einmal versucht hat, an Informationen außerhalb oder vor Beginn der Kirchenbücher zu kommen, der weiß, dass die Möglichkeiten anfangs unendlich erscheinen und sich schließlich zwischen „völlig ernüchternd“ und „absolut fantastisch“ bewegen. Einen konkreten Namen in die Suchmaschinen der Archive einzugeben, bringt meistens wenig oder nichts, es sei denn, der Vorfahre war Gegenstand eines eigenständigen Aktentitels. So endet die Suche nicht selten, ehe sie überhaupt richtig begonnen hat. Dass dem nicht so sein muss, sollen die folgenden Ausführungen zeigen. Es geht mir dabei vor allem darum, genealogisch ergiebige serielle Quellen vorzustellen, also solche, aus denen sich genealogische Zusammenhänge in quasi-kirchenbuchmäßiger Qualität tatsächlich noch ermitteln lassen.

Eines der wichtigsten Hilfsmittel ist das weitgehend unbekannte Ortsverzeichnis der Ämter, der Patrimonial- und der Stadtgerichte der in der späteren preußischen Provinz Sachsen vereinigten Gebiete um 1800 von 1961, eine Beilage zu Band IV (Ämterarchiv) der Gesamtübersicht über die Bestände des jetzigen Landesarchivs Sachsen-Anhalt. Soweit ich sehe, ist es leider nicht online verfügbar. Wer Bedarf hat, dem gebe ich gerne daraus Auskunft. Aus dem Heftchen erfährt man zum Beispiel, zu welchem Amt, Stadt- oder Patrimonalgericht ein Ort gehört hat und ob er beispielsweise kursächsisch, preußisch oder anderweitig zugeordnet war. In Verbindung mit dem ebenfalls nicht online stehenden Band IV der Gesamtübersicht lässt sich dann ermitteln, ob noch Gerichtshandelsbücher oder andere Quellen für die alte Verwaltungseinheit und die ihr übergeordneten Verwaltungsebenen und damit für den gesuchten Vorfahrenort vorhanden sind. Für das vormalige Herzogtum Anhalt kann man diese Informationen aus Spechts drei Bänden „Das Land Anhalt“ entnehmen, die das Landeskirchenarchiv Dessau verdienstvollerweise online gestellt hat.

Die vermutlich wichtigste Quelle außerhalb, parallel zu und vor Beginn der Kirchenbücher sind die unter verschiedenen Bezeichnungen vorkommenden Gerichtsbücher. Sie enthalten vor allem Kauf-, Verpfändungs-, Erb- und Eheverträge sowie andere Rechtsgeschäfte wie Testamente, die meist direkten Aufschluss über die verwandtschaftlichen Beziehungen der Beteiligten geben. Ob solche Bücher im Landesarchiv Sachsen-Anhalt vorhanden sind, lässt sich meist auch über dessen Suchmaschine feststellen. Man kann dort über die Volltextsuche nach der Verwaltungseinheit suchen oder man benutzt die Archivplansuche, bis man bei dem interessierenden Amt, Patrimonialgericht usw. angekommen ist. Der letztgenannte Weg ist als durchaus lehrreich zu empfehlen, auch um eine Vorstellung von der damaligen Verwaltungsorganisation zu bekommen. Anders als im Freistaat Sachsen stehen seitens des Landesarchivs Sachsen-Anhalt bisher nur wenige Gerichtsbücher online. Es wäre sehr zu wünschen, dass dieses Angebot weiter ausgebaut werden würde. Mit den Gerichtsbüchern kann man Pech oder großes Glück haben. So sind beispielsweise für das Amt Arnstein aufgrund von Kassation im 19. Jahrhundert von ehemals vielen gar keine Bände mehr vorhanden, während aus dem benachbarten Amt Rammelburg seit dem 16. Jh. gleich gut vierzig mehrere Hundert Seiten starke Bände überliefert sind. Auch ein solcher Glücksfall bietet freilich keine Garantie dafür, dass man das Gesuchte tatsächlich findet.
Später wurden die Gerichtsbücher insbesondere von den nach Dorf- und Feldfluren getrennten Grundbüchern und deren Nebenakten mit den dazugehörenden Dokumenten abgelöst. Die älteren Jahrgänge werden für ganz Sachsen-Anhalt in einer Abteilung des Amtsgerichts Schönebeck, dem Grundbucharchiv Barby, aufbewahrt; die aktuelleren bzw. aktuellen Bände resp. das elektronische Grundbuch befinden sich bekanntermaßen im Grundbuchamt der zuständigen Amtsgerichte. Es wäre sehr zu wünschen, dass das Land Sachsen-Anhalt das Grundbucharchiv Barby aus der Justizverwaltung herauslöst und in das Landesarchiv eingliedert, um einen unkomplizierten Zugriff auf die gerade auch für die Orts- und Häusergeschichte wertvollen Bände zu ermöglichen.

Eine weitere wichtige, aber wie mir scheint viel zu selten beachtete und benutzte Quellengruppe sind die Lehnsbücher, und das obwohl gerade sie bereits seit Längerem nahezu vollständig online zu finden sind. Die Lehnsbücher enthalten die Einträge zu den Belehnungen der Familien mit Grundstücken oder Rechten in meist expliziten Vater-Sohn-Folgen und reichen nicht selten noch weit vor die Gerichtsbücher zurück. Über die Belehnungen mit einem schlichten Garten durch den Bischof bzw. Administrator des Hochstifts Halberstadt ist es mir zum Beispiel gelungen, eine einfache Bürgerfamilie aus Aschersleben bis in das 15. Jahrhundert lückenlos zurückzuverfolgen. Im Landesarchiv Sachsen-Anhalt stehen die meisten Lehnsbücher im Bestand der Kopiare und sind über die Volltextsuche mit dem simplen Stichwort „Cop.“ aufzuspüren. Für die Altmark findet man diese Bücher online auf der Website des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz im Bestand Kurmärkische Lehnskanzlei, I. HA Rep. 78 und 78a. Man sollte allerdings stets im Auge behalten, dass auch in den oben genannten Beständen der Ämter usw. neben Gerichtsbüchern auch Lehnsbücher enthalten sein können.

Vor Gerichts- und Lehnsbücher zurück reichen für gewöhnlich nur die Chronistik, Nekrologe und die Pergamenturkunden. Gerade über die letzteren gibt es gedruckte und nicht selten online einsehbare Urkundenbücher in durchaus beachtlicher Zahl. Ihr Nachteil besteht vor allem darin, dass die Editionsprojekte mit den ältesten Beständen begannen, in den meisten Fällen die Zeit der einsetzenden Gerichts- und Kirchenbücher nicht erreichten und so gut wie nie bis dorthin fortgesetzt wurden. Dies bedeutet freilich nicht, dass bis dahin reichende Urkundenbestände in den verschiedenen Archiven nicht vorhanden sind. Einige Urkundenbücher sind etwa in der Reihe Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und des Freistaates Anhalt erschienen. Ob es etwas Relevantes gibt, kann man im Web am besten mit den Stichworten „Urkundenbuch“+„(Ort)“ suchen.

Archivbestände mit Bezug zu Sachsen-Anhalt befinden sich vor allem im:

- Landesarchiv Sachsen-AnhaltSuchmaschine, Informationen für Familienforschende, Was ist online?, Was ist nicht oder nur teilweise online?, Wie recherchiere ich, Quellenbeispiele, digital verfügbare Urkunden sowie Akten, Kopiare und Amtsbücher
- Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden und Staatsarchiv LeipzigSuchmaschine Archive in Sachsen
- Niedersächsischen Landesarchiv, Hauptstaatsarchiv Hannover und Staatsarchiv WolfenbüttelSuchmaschine Arcinsys
- Landesarchiv Thüringen, Hauptstaatsarchiv Weimar – Suchmaschine Archive in Thüringen
- Geheimen Staatsarchiv Preußischer KulturbesitzSuchmaschine
- und (auch wenn man es kaum glauben mag) im Österreichischen Staatsarchiv WienSuchmaschine

Beachtet auch die eventuell eingerichteten Stadtarchive (sowie dazu ergänzend den Index Librorum Civitatum) und die immer wieder gern vergessenen Kreisarchive, die häufig die Archive der alten Gemeinden aufbewahren. Auch bei familysearch ist über die Ortssuche des Katalogs nicht selten überraschend viel zu finden.

Denkt außerdem daran, dass in den Landeskirchenarchiven, den Kreiskirchenarchiven und den Pfarrarchiven vor Ort weitaus mehr liegt als nur Kirchenbücher, nämlich beispielsweise Lehnsbücher, Kirchenrechnungen, Kirchenstuhlregister, Akten zu den einzelnen Taufen und Trauungen mit auswärtigen Taufscheinen, Dispense aus Konsistorialakten u.v.a.m.

Viele wertvolle Hinweise auf weitere Quellen kann man darüber hinaus durch eine Suche in der Literatur mit Name und Ort bei Google Books bekommen. Eventuell lohnt auch ein Blick in die Regionalbibliographie Sachsen-Anhalt.

Die ältere Version dieser Archivhinweise findet ihr hier Archive in Sachsen-Anhalt

Auch zu diesem Textabschnitt ein Forschungsbeispiel: Zu meinen Vorfahren in Welbsleben (Landkreis Mansfeld-Südharz) gehört der Einwohner Christian Körber (1673-1739). Die Identität seiner 1738 verstorbenen Frau Anna Elisabeth ließ sich zunächst nicht feststellen, weil die 1587 beginnenden Kirchenbücher um 1700 eine größere Lücke aufweisen. Ein Blick in das oben genannte Ortsverzeichnis zeigt einerseits, dass Welbsleben damals im Amt Arnstein lag, das zur Grafschaft Mansfeld kursächsischer Hoheit gehörte, und andererseits in Verbindung mit Band IV der Beständeübersicht des LASA, dass Gerichtsbücher des Amtes Arnstein nicht mehr vorhanden sind. Was könnte das Pfarrarchiv Welbsleben hergeben? Darin sind außer Kirchenbüchern auch Kirchenrechnungen erhalten. In diesen steht: Christian Körber zahlt 1714 Stuhlgeld für einen Kirchensitzplatz auf der langen Prieche Nr. 26, 1716 Lehngeld von Haus, Hof und Garten und 1717 Stuhlgeld auf der langen Prieche Nr. 9, seine Frau dagegen zahlt 1696 Stuhlgeld für einen Weiberstuhl und 1736 Stuhlgeld hinten in der Kirche für den Platz Nr. 18. Während der Forschung stellte sich heraus, dass im Amt Arnstein das Rittergut Quenstedt lag, welches im LASA noch über eigenständige Akten verfügt. Aus diesen wiederum ergibt sich: 12.11.1702: das Rittergut Quenstedt belehnt Christian Körber zu Welbsleben mit 2 Morgen Kotsaßer Acker im Füllsack, die seine Frau Anna Elisabeth Schumann nach Absterben ihres Vaters geerbt hat, Lehnbrief erneuert am 05.11.1711 (LASA, MD, H 242, Nr. 5163, Akte Lehen und Zinsen in Welbsleben, Bl. 31r-32v). Mit diesem Eintrag findet sich die Taufe der Anna Elisabeth Schumann 1674 in den Kirchenbüchern von Welbsleben: Sie war eine Tochter des Leinewebers und Schlächters Jacob Schumann (*1647), eine Enkelin des Christian Schumann (*1608) und eine Urenkelin des Steffan Schumann, der dort 1605 in zweiter Ehe Anna Loth (*1589) geheiratet hat, die Tochter des 1588 heiratenden Christian Loth, dessen Sterbedatum bedingt durch den Dreißigjährigen Krieg nicht mehr zu finden ist. Dennoch gibt es Überlieferung zum Ort aus dieser Zeit. Und so fügt es sich, dass Christian Loth 1623 einmal als Zeuge vernommen worden ist. Dabei gab er zu seiner Person an: „Christian Loth siebender Zeuge, … sey 58. Jahr alt, vndt ein Akerman …, Balzer Loth, der Vater, vndt die Mutter Anna Werners, … Zum Zeugen reich gnugk“ (LASA, DE, Z 44, C 3a Nr. 92 Bd. III, Bl. 172r ff.). Christian Loth war also errechnet 1565 geboren und Sohn des Baltzer Loth. Dieser Baltzer Loth (*wohl vor 1530), dessen Vater Hans Loth (*um 1500) und Großvater Annis Loth (*wohl um/vor 1470) werden dann noch durch die Lehnsbücher der nahewohnenden Familie v. Hoym bezeugt: Montag nach Catharinen 1552 hat in Welbsleben Gebhart v. Hoym neubelehnt „Valtin Loth als den Eldestenn Zu mitbehuff Baltzer seines vettern Hanß seliger sohne“, und zuvor erhielt 1540 „... Hanse Lott Zu mytbehuff Valtin seins brudern ... eine Hufe Lanndes vor Wolpsleue liggende ... Allermas sein vater seliger Annis Lott, die vormals Von Vnserem vater vnd bruder Zu Lehne gehabt ...“ hat (LASA, MD, Rep. Cop., Nr. 787, v. Hoymsches Lehnbuch 1534-1569, Bl. 417r neue Paginierung = Aufnahme 252). Annis Loth starb zwischen 1534 und 1540. Er wird 1534 innerhalb eines Lehnsbrief, den die Grafen von Mansfeld erhielten, genannt: „Annies Loth“ zahlt 1 aßo Erbzins von ½ Hufe Landes in Welbsleben, erwähnt im Lehnbrief von Propst und Kapitel des Neuen Stifts zu Halle für Graf Hoyer von Mansfeld, vormals zur Konradsburg gehörig (Dreyhaupt I, S. 926: Volltext). So kommen wir also hier auch ohne Gerichtsbücher bis zur Generation des Annis Loth, der etwa 100 Jahre vor Beginn der Kirchenbücher geboren worden ist.

Fortsetzung folgt.

Geändert von Alter Mansfelder (04.05.2022 um 10:32 Uhr) Grund: Nochmals aktualisiert.
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Alt 23.03.2022, 12:11
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Forschung außerhalb und vor Beginn der Kirchenbücher (Teil 2)

Neben den in Beitrag #2 genannten, vorrangig einschlägigen Beständen gibt es weitere serielle Quellen und Akten, die jedoch entweder nicht gleichermaßen genealogisch, sondern nur biografisch ergiebig sind oder aber nur Teilgruppen der Bevölkerung betreffen.

Zur Ermittlung des Herkunftsortes von Bürgern in Städten eignen sich neben den Kirchenbüchern die von den Städten oft separat geführten Bürgerbücher. Sie vermerken neben der Zahlung von Bürgergeld und der Ableistung des Bürgereides meist auch den Herkunftsort. Zu beachten ist, dass diese Bücher dem Inhalt nach vielerorts nur Neubürger-Bücher sind, also Kinder von „Altbürgern“ gerade nicht enthalten, und dass nicht jeder, der in einer Stadt wohnte, auch tatsächlich das Bürgerrecht besessen haben muss.
Wenn Bürgerbücher als Buchreihe in dem betreffenden Stadtarchiv fehlen, bedeutet dies nicht, dass die gesuchten Angaben nicht anderweitig aufgezeichnet worden sind. Sie befinden sich dann in der Regel in den Kämmereirechnungen als separate Rubrik auf der Einnahmeseite. Die Kämmerei- oder Stadtrechnungsbücher sind darüber hinaus eine Quelle, die in vielerlei Hinsicht Aufschluss geben kann, denn sie enthält nicht selten die Verbuchung von Lehns- und Zinseinnahmen von städtischen Häusern und Flächen, mit denen man z. B. Besitzübergänge nachweisen kann, die Vereinnahmung von Gebühren für die Zulassung von Brauberechtigten, Abzugsgelder, Strafzahlungen u.v.a.m. Ob Bürgerbücher oder Kämmereirechnungen in der von euch beforschten Stadt vorhanden sind, könnt ihr über den Index Librorum Civitatum vorrecherchieren (dazu am besten die stets übersichtliche pdf zur entsprechenden Stadt herunterladen, da hier mehr als auf der Website angezeigt wird!) oder vor Ort erfragen.
Das Pendant zu den Kämmereirechnungen der Städte sind in den landesherrlichen Ämtern usw. die Amtsrechnungen, die sich in den in Beitrag #2 genannten Staatsarchiven befinden können.

Der Herkunftsort von Personen lässt sich meist auch über gedruckte Universitätsmatrikeln feststellen, wenn und soweit der betreffende Vorfahre studiert hatte. Ob dies der Fall war, erkennt man in gut geführten Kirchenbüchern und Akten daran, dass der Vorfahre mit "wohlgelahrt" betitelt wird. Unabhängig davon ist bei allen höheren Amtspersonen ab dem Schreiber aufwärts, bei Geistlichen, aber auch bei Kantoren und Schulmeistern eine Nachsuche zu empfehlen. Eine freilich nicht immer aktuelle Übersicht über gedruckte und gegebenenfalls online verfügbare Universitätsmatrikeln findet ihr hier. Für Personen, die selbst aus dem Raum des heutigen Sachsen-Anhalt stammten, kommen vor allem in Betracht die Universitäten Erfurt, Göttingen, Halle, Helmstedt, Jena, Leipzig, Marburg und Wittenberg sowie speziell für das Herzogtum Anhalt das Gymnasium Illustre in Zerbst. Eine weitere Suchmöglichkeit bietet das Pförtner Album der Landesschule Pforta.

Eine weitere interessante serielle Quelle, die im Einzelfall genealogischen Aufschluss geben kann, sind die Dispense, die die verschiedenen Konsistorien erteilt haben und die mitunter in verschiedenen Kirchenbucheinträgen erwähnt werden. Diese betreffen z. B. Erlaubnisse zu Haustaufen, Haustrauungen, besonderen Formen der Beerdigungen und Befreiungen wegen zu naher Verwandtschaft der Eheleute (günstigstenfalls mit ausführlicher Darstellung der Verwandtschaft). Die betreffenden Bücher oder Akten zu finden, ist aufgrund der Vielzahl der ehemals eingerichteten Konsistorien und der unterschiedlichen Formulierung der Aktentitel nicht immer leicht. Über die Volltextsuche des Landesarchivs mit dem Stichwort "Konsistorium" lässt sich feststellen, welche Konsistorien es gegeben hat. Wenn ihr das Relevante dann im Archivplan öffnet, ist eine systematische Suche nach Dispensakten möglich. Hier findet ihr als Beispiel eine Akte über Dispensationen in Verlöbnis- und Ehesachen (1600-1697) durch das Konsistorium Eisleben.

Bestände, an deren mögliche Einschlägigkeit oft nicht gedacht wird, sind die Reichskammergerichtsakten und die Reichshofsratsakten. Die erstgenannten wurden Anfang des 20. Jh. auf die regional zuständigen Staatsarchive verteilt, befinden sich also für Sachsen-Anhalt im Landesarchiv, dort im Rep. A 53, sind aber bisher vollständig nur über das umfangreiche gedruckte, mit ausführlichen Registern versehene, fünfbändige Findbuch erschlossen. Diese Akten enthalten neben dem Verfahren vor der höchsten Instanz regelmäßig umfangreiche Beilagen und oft auch als Acta priora die Prozesse der regionalen Vorinstanzen.
Die Reichshofratsakten befinden sich dagegen im Österreichischen Staatsarchiv Wien und sind hier oder über dessen Suchmaschine zugänglich.


Ich wünsche euch viel Erfolg bei euren Forschungen!

Es grüßt der Alte Mansfelder

Geändert von Alter Mansfelder (24.03.2022 um 09:18 Uhr) Grund: Erneut aktualisiert.
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