Zitat von joggi17
Hallo Listenmitglieder,
Hallo Volker,
Als Einleitung zu einer neuen Textfolge in diesem Tread, grundsätzliche Fakten und Daten über meine deutsch/russischen KLUDT-Großeltern.
Meine mütterlichen Großeltern habe ich nie kennen gelernt, da sie tausende Kilometer von mir entfernt in Rußland gelebt haben und auch dort gestorben sind. Ich bin Ende 1934 in Deutschland geboren. Auf Grund der politischen Ereignisse (2. Weltkrieg) waren gegenseitige Besuche unmöglich.
Mein Großvater Pastor Simon KLUDT ist 1881 im deutschen Kolonistendorf Berlin im Kreis Tiraspol, Gebiet Cherson geboren (heute Gebiet Odessa, Ukraine). Seine väterlichen Eltern und Voreltern waren evgl. Küster und Lehrer an deutschen Dorfschulen in Polen und Bessarabien. Vor 1800 waren es wohl Bauern und um 1700 war in Westpreußen vermutlich ein Bürgermeister darunter (Familienüberlieferung, nicht belegt).
Mütterlicherseits (KÄMMLER) waren es ursprünglich pietistische Bauern aus Württemberg und dann mehrfache Bürgermeister in Teplitz /Bessarabien. Sie sind wohlhabend aus Württemberg ausgewandert. Die KEMLER- (KEMMLER) Vorfahren sind ab 1638 und früher im Raum Reutlingen /Württemberg nachweißbar.
Mein Großvater wurde mit 22 Jahren auf Empfehlung des örtlichen Pastors von Rußland nach Chrischona bei Basel in die dortige Predigerschule geschickt. Vier Jahre später nach Abschluß des Studiums ist er nach Rußland zurückgegangen und sofort in den kirchlichen Dienst übernommen worden. In Rußland gab es erheblichen Mangel an gut ausgebildeten evgl. Kirchenmitarbeitern.
Die älteste überlieferten KLUDT (Familienüberlieferungen) haben im 30jährigen Krieg im Rheinland bei Zülpich gelebt. Der erste namentlich überlieferte KLUDT und ein mit ihm nach Brandenburg ausgewanderter Bruder, konnten lesen und schreiben. In dieser Zeit für Bauernsöhne sehr ungewöhnlich. Angeblich bekamen die nicht erbberechtigten Söhne des Gutsbesitzers KLUDT (???, eventuell auch eine andere Schreibweise) eine gute Schulbildung damit sie als Schreiber, Lehrer oder Beamte ihren Lenensunterhalt bestreiten konnten. Diese Überlieferung läßt für die Zeit des 30jährigen Krieges einige Rückschlüsse zu, die aber noch Spekulation sind. Es gibt in Archiven im Rheinland alte Gerichtsurkunden die auf frühe KLUDT, KLUT, CLOT, CLOUDT, usw. hinweisen, die eventuell Vorfahren meiner KLUDT-Vorfahren sind. Ein Zusammenhang konnte aber noch nicht hergestellt werden. (Gutsverwalter, Gutsbesitzer, niederer Dienstadel, Beamte, Richter, usw. ???)
Meine KÄRCHER-Großmutter ist 1886 in Esslingen, Württemberg geboren. Ihre Voreltern waren Weinbauern, Feldmaurer, Heiligenpfleger, Bäcker, Lokomotivheizer, Küster und Fotografen. Der Vater war Mechaniker-Meister, war zuletzt in der königlichen Münzanstalt in Stuttgart beschäftigt. Die Eltern meiner Großmutter waren wohlhabend, hatten nacheinander zwei Häuser in Stuttgart, die heute noch stehen aber in anderen Händen sind.
Meine mütterlichen Großeltern hatten zunächst nur einen losen Briefkontakt (Rußland – Württemberg), der über den Arbeitgeber meiner Großmutter zustande kam. Er war ein Studienkollege meines Großvaters. Mein Großvater konnte in seiner Umgebung in Rußland keine passende Frau finden, die nach seiner Wunschvorstellung ein wenig Bildung mitbringen sollte. Meine Großmutter hat in Stuttgart die Mittelschule und anschließend die Handelsschule besucht. Sie gehörte zu ihrer Zeit, um 1900, zu den wenigen Frauen die eine gute Beufsausbildung absolviert haben. Sie war bis zu ihrer Heirat im Jahr 1909 Sekretärin in einem kleinen Industriebetrieb in Reutlingen /Württemberg. Damals noch als Korrespontentin bezeichnet.
Geheiratet haben meine Großeltern 1909 in Pabianice in Polen auf der Reise von Deutschland nach Rußland. Mein Großvater mußte zurück zu seiner Gemeinde in Neuhoffnung bei Berdjansk /Südrußland er hatte seinen Urlaub schon überzogen. In der noch verfügbaren Zeit, konnte er die in Württemberg erforderlichen Heiratspapiere nicht beibringen. Polen gehörte damals politisch zu Rußland und deshalb gab es dort keine Schwierigkeiten zusätzlich war der örtliche evgl. Pastor war ein Bekannter meines Großvaters. Pabianice lag damals nahe der deutsch/polnischen Grenze.
Der Lebenslauf meiner Großeltern war in vielen Bereichen sehr ungewöhnlich. Die erste Kontaktaufnahme per Briefreundschaft, die kurze Zeit des Kennenlernens während des Urlaubs meines Großvaters in Stuttgart, die kurzfristig angesetzte Heirat, die auch noch während der Reise ohne Familienangehörige in einem fremden Land geplant und vollzogen wurde, ist für Anfang des 20. Jahrhunderts sehr ungewöhnlich. Sogar die Trauzeugen waren fremde Leute, die sie vorher nicht kannten. Der Vater meiner Großmutter war auch strikt gegen die Heirat, aber meine Großmutter hat sich durchgesetzt. Auch der weitere Lebensweg meiner Großeltern im vorrevolutionären Rußland und dann im Sowjetstaat war alles andere als normal.
Soweit in Kürze die Vorgeschichte meiner deutschen Großeltern die in Rußland lebten und starben.
Als nächstes berichte ich von der Reise nach Rußland, die Ankunft in Neuhoffnung und von den ersten Eindrücken meiner Großmutter in der neuen Heimat Neuhoffnung bei Berdjansk, Süd-Rußland.
Joggi17
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