Hallo liebes Forum:
Ich teile hier ein vor kurzem entdecktes Gedicht, das zusammen mit Unterlagen meines Ururgroßvaters Josef Benesch aus Saaz gelagert worden war. Da das ganze zeitlich zusammenpasst, war er vermutlich auch der Verfasser.
Obwohl sprachlich nicht allzu feingeschliffen, ist es doch ein ausdrucksstarkes Zeugnis der bitteren Lage, in der sich die geflohenen Sudetendeutschen befanden, als sie nach einer Unterkunft suchten. Einige Zeilen beschreiben Vorkommnisse, die wahrscheinlich tatsächlich so geschahen, etwa die Ausrufe des Bauern oder die vorgeschobenen Gründe, die Flüchtlinge nicht im Haus, sondern auf dem Dachboden unterzubringen.
Sicherlich gibt es viele solcher Berichte und Erzählungen, schließlich teilten Tausende dieses Schicksal. Ich finde, dass man vieles aus dem Gedicht herauslesen kann: Den Glauben des Verfassers (Christusvergleiche), die Enttäuschung über die Inhaltsleere der zuvor doch so gepriesenen Volksgemeinschaft, den Frust über die schlechte Behandlung und die Geringschätzung, die man bei den vermeintlichen "Brüdern" erlebte.
Was haltet ihr davon?
Ich hänge zuletzt noch Scans der Originale an, damit Korrekturen meines Transkripts gemacht werden können.
Edit: Dank an Mechthild und Grapelli für die Korrekturen. Sechs Augen sind besser als zwei
Des Flüchtlings Klage
Der Deutschen Los ist heute schwer,
doch keinen drückt die Last so sehr
und keiner so den Fluch ermisst,
als der, der ohne Heimat ist.
Verfehmt und aller Werte bar,.
so arm wie einstens Christus war,
so sehen wir den Flüchtling heut
im kleinen vierten Reich zerstreut.
Nein, nicht zerstreut – hinein gezwängt,
wie Christus an dem Kreuze hängt
und kann sich selber nicht befrein,
das wird das Bitterste wohl sein.
Er meint er käm ja zu den Seinen,
die werden gut mit ihm schon meinen!
Doch weit gefehlt, ein frommer Wahn,
der wie ein schöner Traum zerann.
Der Jünger kann man wenig sehn,
die treu ihm heut zur Seite stehn.
Die Peiniger, das sind die-jenen
die in Quwatier ihm müssen nehmen.
In dieser schwarzen Schafe Schar
gibts hie und da ein weißes gar.
Doch wer in deren Stall kam ein,
der muss ein wahrer Glückspilz sein.
Ach kam da so ein Flüchtlingstreck,
das war ein richtiger Bauernschreck.
Ein jeder gleich bekreuzte sich:
„Du lieber Gott, verschone mich.“!
Und alle Türen waren zu,
im Dörfchen herschte Grabesruh.
Da klopfte es an mancher Tor
und keine Seele trat hervor.
Man wollte ihm nicht Herberg geben,
es war ja nur ein ärmlich Leben,
das da vor der Türe stand,
mit einem Kindel an der Hand.
Vor diesen heimatlosen Schmerz
verschloss die Tür und auch das Herz.
Doch einstmals nannte man sie Brüder
und mahnte dann auch immer wieder,
dass sie des Reiches Söhne wären,
das diese niemals kann entbehren.
Nun da sie ohne Habe hier,
verschließt das Herz man und die Tür.
Kam dann die hohe Polizei
da gabs auf einmal ein Geschrei:
„Wir könn ka Flüchtling nit gebrauch“!
der liebe Nachbar schreit es auch.
Und hat der Flüchtling Kinder blos
dann ist es völlig aussichtslos.
„In unserem Haus ist alles voll,
wir rücken nicht um einen Zoll.“
Die Tochter da, die wird bald neun,
die muss allein im Schlafraum sein.
Man darf nicht die Moral verkennen,
muss die Geschlechter heut schon trennen.
Der Sohn wird nächstes Jahr schon zehn,
der muss allein schon schlafen gehen,
den die Moral…, ja die Moral.
Man hört das Wörtchen überall!
Den Flüchtling vor der Tür indessen
den will man dabei ganz vergessen.
Man nimm ihn einfach nicht für voll,
was das Gesindel auch hier soll?
Wenn die zu allen ja gesagt,
hätt man sie nicht davon gejagt!
Wohin jetzt mit dem Volke all?
Es bleibe höchstens noch der Stall,
doch darin wohnt das liebe Vieh
und das ist nützlicher als sie.
Ja richtig dort die Boden Kammer - !
Ach Leute hört – es ist ein Jammer!
da wohnt nun Vater, Mutter, Sohn
und die erwachsenen Töchter schon.
Hier wird gekocht und sich gewaschen,
hier stehn die Töpfe und die Flaschen
hier steht der Sack mit den Kartoffeln,
das Brot darauf und die Pantoffeln.
Hier schlafen alle miteinand
das ist dem Bauern keine Schand!
Ich teile hier ein vor kurzem entdecktes Gedicht, das zusammen mit Unterlagen meines Ururgroßvaters Josef Benesch aus Saaz gelagert worden war. Da das ganze zeitlich zusammenpasst, war er vermutlich auch der Verfasser.
Obwohl sprachlich nicht allzu feingeschliffen, ist es doch ein ausdrucksstarkes Zeugnis der bitteren Lage, in der sich die geflohenen Sudetendeutschen befanden, als sie nach einer Unterkunft suchten. Einige Zeilen beschreiben Vorkommnisse, die wahrscheinlich tatsächlich so geschahen, etwa die Ausrufe des Bauern oder die vorgeschobenen Gründe, die Flüchtlinge nicht im Haus, sondern auf dem Dachboden unterzubringen.
Sicherlich gibt es viele solcher Berichte und Erzählungen, schließlich teilten Tausende dieses Schicksal. Ich finde, dass man vieles aus dem Gedicht herauslesen kann: Den Glauben des Verfassers (Christusvergleiche), die Enttäuschung über die Inhaltsleere der zuvor doch so gepriesenen Volksgemeinschaft, den Frust über die schlechte Behandlung und die Geringschätzung, die man bei den vermeintlichen "Brüdern" erlebte.
Was haltet ihr davon?
Ich hänge zuletzt noch Scans der Originale an, damit Korrekturen meines Transkripts gemacht werden können.
Edit: Dank an Mechthild und Grapelli für die Korrekturen. Sechs Augen sind besser als zwei
Des Flüchtlings Klage
Der Deutschen Los ist heute schwer,
doch keinen drückt die Last so sehr
und keiner so den Fluch ermisst,
als der, der ohne Heimat ist.
Verfehmt und aller Werte bar,.
so arm wie einstens Christus war,
so sehen wir den Flüchtling heut
im kleinen vierten Reich zerstreut.
Nein, nicht zerstreut – hinein gezwängt,
wie Christus an dem Kreuze hängt
und kann sich selber nicht befrein,
das wird das Bitterste wohl sein.
Er meint er käm ja zu den Seinen,
die werden gut mit ihm schon meinen!
Doch weit gefehlt, ein frommer Wahn,
der wie ein schöner Traum zerann.
Der Jünger kann man wenig sehn,
die treu ihm heut zur Seite stehn.
Die Peiniger, das sind die-jenen
die in Quwatier ihm müssen nehmen.
In dieser schwarzen Schafe Schar
gibts hie und da ein weißes gar.
Doch wer in deren Stall kam ein,
der muss ein wahrer Glückspilz sein.
Ach kam da so ein Flüchtlingstreck,
das war ein richtiger Bauernschreck.
Ein jeder gleich bekreuzte sich:
„Du lieber Gott, verschone mich.“!
Und alle Türen waren zu,
im Dörfchen herschte Grabesruh.
Da klopfte es an mancher Tor
und keine Seele trat hervor.
Man wollte ihm nicht Herberg geben,
es war ja nur ein ärmlich Leben,
das da vor der Türe stand,
mit einem Kindel an der Hand.
Vor diesen heimatlosen Schmerz
verschloss die Tür und auch das Herz.
Doch einstmals nannte man sie Brüder
und mahnte dann auch immer wieder,
dass sie des Reiches Söhne wären,
das diese niemals kann entbehren.
Nun da sie ohne Habe hier,
verschließt das Herz man und die Tür.
Kam dann die hohe Polizei
da gabs auf einmal ein Geschrei:
„Wir könn ka Flüchtling nit gebrauch“!
der liebe Nachbar schreit es auch.
Und hat der Flüchtling Kinder blos
dann ist es völlig aussichtslos.
„In unserem Haus ist alles voll,
wir rücken nicht um einen Zoll.“
Die Tochter da, die wird bald neun,
die muss allein im Schlafraum sein.
Man darf nicht die Moral verkennen,
muss die Geschlechter heut schon trennen.
Der Sohn wird nächstes Jahr schon zehn,
der muss allein schon schlafen gehen,
den die Moral…, ja die Moral.
Man hört das Wörtchen überall!
Den Flüchtling vor der Tür indessen
den will man dabei ganz vergessen.
Man nimm ihn einfach nicht für voll,
was das Gesindel auch hier soll?
Wenn die zu allen ja gesagt,
hätt man sie nicht davon gejagt!
Wohin jetzt mit dem Volke all?
Es bleibe höchstens noch der Stall,
doch darin wohnt das liebe Vieh
und das ist nützlicher als sie.
Ja richtig dort die Boden Kammer - !
Ach Leute hört – es ist ein Jammer!
da wohnt nun Vater, Mutter, Sohn
und die erwachsenen Töchter schon.
Hier wird gekocht und sich gewaschen,
hier stehn die Töpfe und die Flaschen
hier steht der Sack mit den Kartoffeln,
das Brot darauf und die Pantoffeln.
Hier schlafen alle miteinand
das ist dem Bauern keine Schand!
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