Hallo
Nachdem ich gerade im Thread Nottaufe eines noch ungeborenen Kindes einige "merk-würdige" Geschichten erzählt habe, hier noch eine zum Thema "was geschah mit Frauen, die mehrmals uneheliche Kinder gebaren, die dann noch dazu auffällig früh verstarben". Diese Geschichte stammt aus der gleichen Quelle und spielte sich in meinem Heimatort Oberägeri im Kanton Zug in der Schweiz ab. Die Hauptperson Verena Letter könnte eine Schwester oder eine Cousine eines meiner Vorfahren gewesen sein.
1810 gebar die 24jährige, ledige Verena Letter aus Oberägeri ihr erstes Kind. Der Kindsvater Josef Remigi Iten, ein grober Kerl, dem auch Vergewaltigungen vorgehalten wurden, trat in französische Kriegsdienste. Das Kind kam in seine Familie und starb nach vier Monaten. Verena musste beichten und zur Strafe ein Jahr lang an bestimmter Stelle stehend die Messe besuchen. Als sie ein Jahr später wieder ein Kind erwartete, hatte sie zusätzlich eine Stunde lang im Busskleid bei der Kirche zu stehen.
Im Sommer 1819 merkte sie, dass sie erneut schwanger war. Sie schämte sich, verbarg die Schwangerschaft und versuchte das Kind abzutreiben. Der Kindsvater, der Gerber Domini Iten, bedrängte sie, seine Vaterschaft zu verschweigen. Verena entschloss sich daher, die Geburt zu verheimlichen und das Kind sterben zu lassen. In der Nacht aurf Aschermittwoch 1820 gebar Verena einen Knaben. Neben ihr lag ihre Schwester, die nichts bemerkte. Verena hielt das Kind unter ihren Beinen und hoffte, dass es sterbe. Am Morgen war es tot. Verena wickelte es in Lumpen und legte es in die Lorze (Anmerkung: die Lorze ist ein Fluss in Unterägeri).
Die Tat wurde entdeckt, die Mutter verhaftet und in den Turm geworfen (Anmerkung: Wo dieser Turm stand ist mir nicht bekannt). Sie beteuerte, sie wolle in ihrem "ganzen Leben nichts mehr mit dem Mannenvolk zu thun haben", und bat um Gnade. Nach scharfen Verhören kam sie vor das Malefizgericht, das ihr die erflehte Gnade auf zwiespältige Art gewärte. Es erkannte auf schuldig, da sie unmoralisch gelebt, eine Abtreibung versucht und das Neugeborene an Leib und Seele vernachlässigt habe. Da ihre direkte Schuld am Kindstod nicht nachzuweisen war, entschieden die Richter aber, "es sey besser, sie lebe als dass sie sterbe".
Verena wurde ans Halseisen gestellt, mit Ruten gezüchtigt und dem Oberägerer Gemeinderat zur lebenslänglichen Ankettung übergeben. Sie kam zu ihrem Bruder, der für seine angekettete Schwester zu sorgen hatte. 1830 war wegen der zeigemäss üblichen harten Strafe, die sie "in folgsamer Duldung" erlitt, "ihre Gesundheit gänzlich ruiniert". Da sie "ihrer Auflösung nahe" war, wurde sie von der Kette befreit, damit sie sich wieder in der frischen Luft bewegen konnte. Wenige Monate später starb sie "in summa miseria", in grösstem Elend.
Quelle: Ägerital - Seine Geschichte, von Renato Morosoli und Roger Sablonier, Kapitel Bevölkerung und Gesundheit, Band 1, Seite 325
Bin gespannt ob ihr auch auf eine solche Geschichte gestossen seid.
Gruss
Svenja
Nachdem ich gerade im Thread Nottaufe eines noch ungeborenen Kindes einige "merk-würdige" Geschichten erzählt habe, hier noch eine zum Thema "was geschah mit Frauen, die mehrmals uneheliche Kinder gebaren, die dann noch dazu auffällig früh verstarben". Diese Geschichte stammt aus der gleichen Quelle und spielte sich in meinem Heimatort Oberägeri im Kanton Zug in der Schweiz ab. Die Hauptperson Verena Letter könnte eine Schwester oder eine Cousine eines meiner Vorfahren gewesen sein.
1810 gebar die 24jährige, ledige Verena Letter aus Oberägeri ihr erstes Kind. Der Kindsvater Josef Remigi Iten, ein grober Kerl, dem auch Vergewaltigungen vorgehalten wurden, trat in französische Kriegsdienste. Das Kind kam in seine Familie und starb nach vier Monaten. Verena musste beichten und zur Strafe ein Jahr lang an bestimmter Stelle stehend die Messe besuchen. Als sie ein Jahr später wieder ein Kind erwartete, hatte sie zusätzlich eine Stunde lang im Busskleid bei der Kirche zu stehen.
Im Sommer 1819 merkte sie, dass sie erneut schwanger war. Sie schämte sich, verbarg die Schwangerschaft und versuchte das Kind abzutreiben. Der Kindsvater, der Gerber Domini Iten, bedrängte sie, seine Vaterschaft zu verschweigen. Verena entschloss sich daher, die Geburt zu verheimlichen und das Kind sterben zu lassen. In der Nacht aurf Aschermittwoch 1820 gebar Verena einen Knaben. Neben ihr lag ihre Schwester, die nichts bemerkte. Verena hielt das Kind unter ihren Beinen und hoffte, dass es sterbe. Am Morgen war es tot. Verena wickelte es in Lumpen und legte es in die Lorze (Anmerkung: die Lorze ist ein Fluss in Unterägeri).
Die Tat wurde entdeckt, die Mutter verhaftet und in den Turm geworfen (Anmerkung: Wo dieser Turm stand ist mir nicht bekannt). Sie beteuerte, sie wolle in ihrem "ganzen Leben nichts mehr mit dem Mannenvolk zu thun haben", und bat um Gnade. Nach scharfen Verhören kam sie vor das Malefizgericht, das ihr die erflehte Gnade auf zwiespältige Art gewärte. Es erkannte auf schuldig, da sie unmoralisch gelebt, eine Abtreibung versucht und das Neugeborene an Leib und Seele vernachlässigt habe. Da ihre direkte Schuld am Kindstod nicht nachzuweisen war, entschieden die Richter aber, "es sey besser, sie lebe als dass sie sterbe".
Verena wurde ans Halseisen gestellt, mit Ruten gezüchtigt und dem Oberägerer Gemeinderat zur lebenslänglichen Ankettung übergeben. Sie kam zu ihrem Bruder, der für seine angekettete Schwester zu sorgen hatte. 1830 war wegen der zeigemäss üblichen harten Strafe, die sie "in folgsamer Duldung" erlitt, "ihre Gesundheit gänzlich ruiniert". Da sie "ihrer Auflösung nahe" war, wurde sie von der Kette befreit, damit sie sich wieder in der frischen Luft bewegen konnte. Wenige Monate später starb sie "in summa miseria", in grösstem Elend.
Quelle: Ägerital - Seine Geschichte, von Renato Morosoli und Roger Sablonier, Kapitel Bevölkerung und Gesundheit, Band 1, Seite 325
Bin gespannt ob ihr auch auf eine solche Geschichte gestossen seid.
Gruss
Svenja
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