Eigenartiger Leibrechtsbrief

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  • gki
    Erfahrener Benutzer
    • 18.01.2012
    • 4851

    Eigenartiger Leibrechtsbrief

    Hallo,

    ich blättere zur Zeit in Urkunden des Domkapitels Passau, die man online einsehen kann.

    Viele davon sind Reverse für Leibrechte an einem Gut oder einem Zehnt. Oft ist es so, daß dabeisteht, daß der gegenwärtige Inhaber des Leibrechts die Ausstellung eines solchen Briefes für jemand anders erbeten hat. Eltern für ihre Kinder, Männer für ihre Frauen, Frauen für ihre Männer, etc.

    Hier hab ich allerdings ein Exemplar gefunden, das etwas merkwürdig ist:

    Simon Mayr zu Gadham in der Pfarre Höhenstadt hat die Ausstellung dieses Briefes 1624 veranlaßt. Begünstigte sind seine Frau Ursula und die gemeinsame Tochter Rosina (* 1622). Soweit so gewöhnlich.

    Es sind allerdings einige Bedingungen für das Wirksamwerden des Briefes eingetragen:

    1) Simons eigener Tod. Sowas hab ich auch schon anderswo gesehen und das läßt sich auch nachvollziehen. Simon ist 1626 gestorben.

    2) Der Tod des Martin Schindl von Rottersham.

    3) Der Tod des Sohnes Stephan des Gregor Urlhard.

    Über Martin Schindl weiß ich nichts, aber Stephan Urlhard war 1624 maximal 15 Jahre alt. Er lebte bis 1684, dieser Brief dürfte also nie Rechtskraft erlangt haben.

    Ich versteh die Absicht des ganzen nicht.

    Das einzige was mir einfallen will ist, daß das eine vorgezogene Heiratsabsprache der beiden Kinder werden sollte. Stephan Urlhard heiratete allerdings eine andere, Rosina ebenfalls einen anderen. Dazu würde allerdings der Tod des Martin Schindl nicht passen.

    Hier der Link zum Original falls wer nachlesen will:



    Ich würde mich über eine lebhafte Diskussion freuen.
    Zuletzt geändert von gki; 24.09.2012, 19:22. Grund: Änderung Status Rosina
    Gruß
    gki
  • Brigitte Bernstein
    Erfahrener Benutzer
    • 02.08.2010
    • 590

    #2
    Hallo!.
    Das Einzige was mir dazu einfällt könnte so eine Art Absicherung für seine Frau und die Tochter sein. Es war ja in der damaligen Zeit oft so, dass im Falle des Todes des Ehemannes die Frau seine Arbeiten mit ünernehmen - und falls sie es nicht konnte sogar eine bestimmte Summe an den Lehnsherren zahlen musste.
    Schöne Grüße Brigitte
    Suche im Raum Trautenau, Parschnitz, Alt Rognitz, Deutsch Prausnitz, Bausnitz und Lampersdorf. Meine Namen Rasch, Staude, Reichelt, Letzel,

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    • gki
      Erfahrener Benutzer
      • 18.01.2012
      • 4851

      #3
      Danke für Deinen Beitrag! Die Absicherung ist sicher der richtige Gedanke, aber was dazu nicht recht paßt sind die eigenartigen Nebenbedingungen. Warum sollte diese Absicherung erst dann wirksam werden wenn ein Bauer aus einem Nachbardorf und ein Nachbarsjunge verstorben war? Hatten die ältere Rechte an diesem Zehnt? Und wenn ja: warum?
      Gruß
      gki

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      • karin-oö
        Erfahrener Benutzer
        • 01.04.2009
        • 2633

        #4
        Hallo!

        Gibt es denn eine Verlassenschaftsabhandlung zum Tod von Simon Mayr?
        Vielleicht ist ja daraus näheres über die Beziehung zu den beiden anderen genannten Personen zu erfahren.

        Wie ich das sehe, handelt es sich ja nicht um die Übergabe eines Gutes, sondern nur um die Rechte an einem Zehent. Möglicherweise wurden mit diesem Zehent Forderungen von Martin Schindl und Stephan Urlhard abgedeckt, sodass die Frau und Tochter erst abwarten mussten, dass diese Forderungen beglichen waren.

        War vielleicht Rosina die zweite Frau des Simon, sodass noch Forderungen von der Verwandtschaft der ersten Frau vorhanden waren?

        Stephan könnte auch der Sohn der verstorbenen Schwester des Simon gewesen sein, der noch Anspruch auf ein mütterliches Erbe hatte.

        Möglichkeiten gibt es viele, über die man spekulieren könnte.

        Ich muss aber gestehen, dass ich das Schriftstück nicht im Detail gelesen habe, ob es noch nähere Informationen darin gibt.

        Schöne Grüße
        Karin

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        • gki
          Erfahrener Benutzer
          • 18.01.2012
          • 4851

          #5
          Hallo Karin!

          Zitat von karin-oö Beitrag anzeigen
          Gibt es denn eine Verlassenschaftsabhandlung zum Tod von Simon Mayr?
          Das weiß ich leider nicht.

          Vielleicht ist ja daraus näheres über die Beziehung zu den beiden anderen genannten Personen zu erfahren.
          Das wäre möglich. Insbesondere da er ja sehr bald nach Aufsetzen des Briefes verstarb und die anderen vermutlich noch alle lebten.

          Wie ich das sehe, handelt es sich ja nicht um die Übergabe eines Gutes, sondern nur um die Rechte an einem Zehent.
          Ja. Das Gut gehörte eigentlich der Herrschaft Tettenweiß aber der Zehent offenbar dem Domkapitel.

          Möglicherweise wurden mit diesem Zehent Forderungen von Martin Schindl und Stephan Urlhard abgedeckt, sodass die Frau und Tochter erst abwarten mussten, dass diese Forderungen beglichen waren.
          Das wäre möglich.

          War vielleicht Rosina die zweite Frau des Simon, sodass noch Forderungen von der Verwandtschaft der ersten Frau vorhanden waren?
          Ursula war die Ehefrau, Rosina die Tochter.

          Es ist recht wahrscheinlich, daß Ursula Simons zweite Frau war:

          1) Bei der Hochzeit 1619 fehlt bei ihm der Hinweis auf seinen Vater, er war also vermutlich Wittwer. Gregor Urlhard war Trauzeuge.

          2) Ein Simon, Sohn des Mayr zu Gadham, heiratet auch 1619. Das könnte ein Sohn aus erster Ehe gewesen sein, wohl eher kein Bruder.

          3) Er starb deutlich vor ihr (ich vermute, daß Ursula wieder heiratete, aber mir fehlt der passende Eintrag).

          Aber welcher Art sollten diese Forderungen gewesen sein?

          Ich habe mal Regelungen für den Fall daß ein Paar ohne Kinder blieb gesehen (das Brautgeld ging hälftig an die Verwandten der Braut zurück), aber in diesem Fall wäre ja wohl ein Kind da gewesen.


          Stephan könnte auch der Sohn der verstorbenen Schwester des Simon gewesen sein, der noch Anspruch auf ein mütterliches Erbe hatte.
          Ich weiß nicht, ob Stephans Mutter noch lebte, habe aber eigentlich keinen Grund zur Annahme daß sie tot war. Jedenfalls hab ich für seinen Vater keine zweite Frau gefunden.

          Möglichkeiten gibt es viele, über die man spekulieren könnte.

          Ich muss gestehen, dass ich das Schriftstück auch nicht im Detail gelesen habe, ob es noch nähere Informationen darin gibt.
          Vielleicht ist die zweite Seite interessant:

          ,,sula und dochter Rosina auf Ir baider ainiches Leibs,,
          lebenlang, doch erst nach ableiben vorgemelt Ires
          Haußwürths und Vatters Simon Mayrs, wie
          auch des Martin Schindls zu Rotolzhaim, dan
          Gregori Udlhardts Sohn Namens Stephan, ver,,
          lichen und verlassen haben, verlassen und ver,,
          laichen Ines auch solches hiermit wissentlich und in
          eraff? diß briefs, Alskem? dergestalt, doch Sie
          Jezt genannten Zehent in leibgedingeweis woll mag
          Inhaben, nuzen, müssen und gebrauchen, nichts davon
          verkhommen, verkhauffen, sch... oder halbs? wenig
          noch vill alß solches leibgedings recht und ....

          So, mir langt's. Ich schau lieber ob ich noch einen früheren Brief finde, der Klarkeit bringt...
          Gruß
          gki

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          • karin-oö
            Erfahrener Benutzer
            • 01.04.2009
            • 2633

            #6
            Ja, die Rosina und Ursula sind mir durcheinander gekommen.

            Falls Ursula wirklich die zweite Frau war, kann es ja auch sein, dass Simon in den Hof der ersten Frau eingeheiratet hat. Wenn bei dieser Übernahme noch nicht alle Geschwister der Frau ausbezahlt und versorgt waren, könnten diese Forderungen weiter bestanden haben.
            Ich habe oft gesehen, dass Erbteile von Geschwistern über Generationen hinweg immer wieder weiter geschrieben wurden, wenn sie nie komplett zur Auszahlung kamen. Das kann soweit gehen, dass auf einem Hof Leute Forderungen im Grundbuch stehen haben, die durch mehrmalige Wiederverheiratung der Hofbesitzer mit diesen gar nicht mehr verwandt sind.

            Schöne Grüße
            Karin

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            • gki
              Erfahrener Benutzer
              • 18.01.2012
              • 4851

              #7
              Zitat von karin-oö Beitrag anzeigen
              Falls Ursula wirklich die zweite Frau war, kann es ja auch sein, dass Simon in den Hof der ersten Frau eingeheiratet hat.
              Gute Idee!



              Hier bekommt Simon 1611 für seinen Stiefsohn Martin einen ähnlichen Leibrechtsbrief auf den Zehent. Ich vermute, daß Martin der Martin Schindl aus Rottersham ist.

              Das erklärt warum dieser auf dem späteren Brief erscheint und wo seine Ansprüche herstammen.

              Simon war also der zweite Mann seiner ersten Frau und er heiratete in der Tat in den Hof ein.

              Nur die Ansprüche des Stephan Urlhard sind noch unklar. Und warum sein Bruder Thomas nicht bedacht wurde. Thomas war allerdings deutlich älter (∞ 1622) und hätte aus einer früheren Ehe stammen können, die Mütter stehen bei den Hochzeitseinträgen zu dieser Zeit noch nicht dabei.

              Dann wäre die Mutter des Stephan vielleicht eine Schwester der ersten Frau des Simon.

              Vielleicht finde ich ja noch was...
              Gruß
              gki

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              • karin-oö
                Erfahrener Benutzer
                • 01.04.2009
                • 2633

                #8
                Zitat von gki Beitrag anzeigen
                Nur die Ansprüche des Stephan Urlhard sind noch unklar. Und warum sein Bruder Thomas nicht bedacht wurde. Thomas war allerdings deutlich älter (∞ 1622) und hätte aus einer früheren Ehe stammen können, die Mütter stehen bei den Hochzeitseinträgen zu dieser Zeit noch nicht dabei.
                Wenn dieser Thomas 1622 geheiraet hat, wurde ihm sein Erbteil wahrscheinlich anlässlich der Hochzeit ausbezahlt, und er hatte weiterhin keine Ansprüche mehr.

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                • gki
                  Erfahrener Benutzer
                  • 18.01.2012
                  • 4851

                  #9
                  Zitat von karin-oö Beitrag anzeigen
                  Wenn dieser Thomas 1622 geheiraet hat, wurde ihm sein Erbteil wahrscheinlich anlässlich der Hochzeit ausbezahlt, und er hatte weiterhin keine Ansprüche mehr.
                  Aber warum wurde das dann bei Martin nicht auch so gemacht?
                  Gruß
                  gki

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                  • karin-oö
                    Erfahrener Benutzer
                    • 01.04.2009
                    • 2633

                    #10
                    Ja, warum, das weiß ich leider auch nicht, sind ja alles nur Vermutungen.

                    Jedenfalls konnte eine Ausfertigung oder ein Erbteil in verschiedener Form abgegolten werden: entweder als Bargeld, in Form eines Grundstückes, oder durch eine regelmäßige Einnahmequelle wie einen Zehent. Anspruch hatte man meist anlässlich der Verheiratung, bei unverheirateten Geschwistern fiel das Erbteil oft an den Hofübernehmer zurück.

                    Solche Verträge waren meist eine ziemlich komplexe Angelegenheit, und man kann nicht immer auf Anhieb zurück verfolgen, wie die Besitz-, Anspruchs- und Verwandtschaftsverhältnisse genau waren.

                    Schöne Grüße
                    Karin

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                    • gki
                      Erfahrener Benutzer
                      • 18.01.2012
                      • 4851

                      #11
                      Hallo Karin,

                      danke für die Erläuterungen. Aus den vorhandenen Urkunden konnte ich leider nichts weiteres zu diesem Fall entnehmen.

                      Vielleicht finden sich ja irgendwann noch Akten dazu.

                      Der Mayer-Hof zu Gadham gehörte wohl vom Grund her zur Herrschaft Tettenweis, der Urlhard-Hof zum Domkapitel. Zumindest von Tettenweis weiß ich daß es Akten auch noch aus dieser Zeit gibt. Nur weiß ich nicht wo. ;(
                      Gruß
                      gki

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                      • gki
                        Erfahrener Benutzer
                        • 18.01.2012
                        • 4851

                        #12
                        Zitat von gki Beitrag anzeigen



                        Hier bekommt Simon 1611 für seinen Stiefsohn Martin einen ähnlichen Leibrechtsbrief auf den Zehent. Ich vermute, daß Martin der Martin Schindl aus Rottersham ist.
                        Da die Bücher in Ruhstorf 1610 anfangen, konnte ich das validieren: Martin heiratete 1619 die Witwe des vorherigen Besitzers. Er starb 1628 an der Pest.
                        Gruß
                        gki

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                        • gki
                          Erfahrener Benutzer
                          • 18.01.2012
                          • 4851

                          #13
                          So richtig versteh ich das noch nicht mit diesen Zehenten.

                          Der Zehent stand ursprünglich der Kirche zu, wohl geteilt dem Bischof und dem Ortspfarrer. In diesem Fall besaß das Domkapitel den Zehenten, also das Recht auf einen Teil der Ernte dieses Gutes.

                          Offenbar war es für das Kapitel günstiger, diesen Zehent zu verkaufen. Erfolgte das gegen eine einmale Geldzahlung? Oder waren das jährliche Zahlungen die anstelle der Naturalien vereinnahmt wurden? Eine Einmalzahlung wäre aufgrund der unklaren Laufzeit wohl nicht sinnvoll gewesen...


                          Im diesem Fall haben wir mehrere tatsächliche oder potentielle "Besitzer" dieses Zehent:

                          1) Simon Mayer, der auch gleichzeitig das Gut bewirtschaftet.

                          2) Martin Schindl, der den Zehent wohl nach Simons Tod bis zu seinem eigenen Tod bezog. Das waren nur zwei Jahre.

                          3) Stephan Urlhard, der diesen Zehent bis zu seinem Tod 1684, also fast 60 Jahre lang, bezogen haben sollte.

                          4) Rosina Mayer und ihre Mutter die vermutlich beide vor 1684 starben (wäre für Rosina noch zu prüfen).

                          Später hat diesen Zehent ein Passauer Bürger inne.

                          Da diese Zehenten ja offenbar als Leibgeding vergeben wurden, ist mir nicht klar, wie die Wiedervergabe erfolgte. Wurden die ausgeschrieben und Gebote angefordert?

                          Offenbar war es ja möglich, den Zehent innerhalb der Familie weiterzugeben.

                          War das nur aufgrund des Wohlwollens des Eigentümers möglich oder gab es da ein Gewohnheitsrecht?

                          Fragen über Fragen...
                          Gibt es da Literatur zu?
                          Gruß
                          gki

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                          • karin-oö
                            Erfahrener Benutzer
                            • 01.04.2009
                            • 2633

                            #14
                            Vielleicht findest du hier brauchbare Erklärungen:


                            Schöne Grüße
                            Karin

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                            • gki
                              Erfahrener Benutzer
                              • 18.01.2012
                              • 4851

                              #15
                              Danke! Das Inhaltsverzeichnis liest sich schonmal sehr vielversprechend!
                              Gruß
                              gki

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