kleiner Reisebericht nach Böhmen (Dauba)

[LutzM]

Hallo Ihr Lieben,
ich war übers WE mit meiner Mutter (81 J.) und einer meiner Schwestern in Dauba um die Wurzeln der Familie zu suchen und zu finden.

Auf Grund der Kirchenbücher hatte ich bis ca. 1750 alle Hausnummern meiner direkten Vorfahren und konnte im Vorfeld alles im Navi eintragen.

Geschlafen haben wir in Pablitschka in der Pension, auf deren Grundstück mein 8facher Uropa 1644 geboren wurde. Dieser Zufall war auch der eigentliche Auslöser für die Fahrt, ich wollte bei Opa pennen. Okay, ein paar Abstriche an das Niveau muss man hinnehmen, aber dafür war die Chefin absolut liebenswert! In den folgenden zwei Tagen haben wir div. Geburtshäuser der Ahnen gesucht und gefunden. Einige waren natürlich inzwischen renoviert, andere abgerissen und durch einen Neubau ersetzt, aber einige (wohl) noch in dem Zustand von 17xx.

Es war ein riesen Erlebnis, ich bin auch zwei Tage später noch aufgewühlt. Man kann, oder glaubt es wenigstens, sich jetzt viel besser in die Vergangenheit hineindenken. Meine Mutter hat mehrfach vor Rührung geweint, da sie sich immer ihre Mutter hergewünscht hat, welche Vollwaise war und nicht mal ihre Großeltern kannte, geschweige ihre Herkunft.

Ich kann Euch allen empfehlen, das auch mal zu machen. Noch kann man viele Grundstücke im "Original"zustand bewundern und so die Vergangenheit aufleben lassen. Wenn in Tschechien erstmal soviel Geld wie in D in die Sanierung und Neubau gesteckt wurde, ist Schluss mit Nostalgie. Dann sieht zwar alles viel schöner und sauberer aus, aber die Vergangenheit ist quasi ausgelöscht.

Der absolute Höhepunkt war das Grundstück in Beschkaben Nr. 15 auf dem mein Ururopa 1813 geboren wurde. Es ist gefühlsmäßig noch im Originalzustand! Ich möchte unter solchen Umständen sicher heute nicht mehr leben, aber es war eine tolle Lokation. Wir haben dort bestimmt eine Stunde zugebracht, weil wir so beeindruckt waren. Es sah aus, als wenn sie extra für uns ein Museum aufgebaut hätten! Wir glaubten fast, die Stimmen von den Ururgroßeltern hören zu können!

Hier habe ich mal ein paar Bilder eingestellt. In echt ist es natürlich noch viel beeindruckender!

[Bienenkönigin]

Hallo Lutz,

vielen Dank für die Schilderung und die tollen Fotos! Das sieht ja wirklich aus wie in einem Freilichtmuseum, Wahnsinn.

Ich habe die Corona-Lage die letzten Zeit nicht mehr verfolgt, ich hatte noch im Hinterkopf, dass es so schlimm war und deshalb habe ich nicht mal in Erwägung gezogen, diesen Sommer dorthin zu fahren.

Ich fürchte aber, so malerisch sind die Stätten meiner Ahnen nicht.
Was ich bisher online gesehen habe, ist da kaum was von den alten Häusern, aber ich habe ja viele Ahnen und viele Linien in Böhmen. Alle habe ich gar nicht auf dem Schirm, da müsste ich eine Vorauswahl (Namenslinie z.B.) treffen.

Freu mich jedenfalls für Dich!
Viele Grüße
Bienenkönigin

[LutzM]

Klar, ohne Vorauswahl wird es nichts. Man kann sich ja vor Ort nicht wirklich orientieren, da man ja alles nur aus googlemaps "kennt". Ich habe mir nur meine direkten Ahnen als Stammbaum ausgedruckt und dann durchnummeriert. So hatte ich 31 Adressen (eine xxxOma unehelich). Davon haben wir auch nicht alles geschafft, denn wir wollten es genießen und nicht in Stress verfallen. Das haben wir geschafft. Meine Mutter rief gerade an und hat sich nochmal bedankt wie schön es war.

Zu Corona: Davon merkt man dort gar nichts, wir haben genau eine Frau gesehen, die eine Maske trug als sie aus 'nem Laden kam. Ansonsten weder im Geschäft, Restaurant, Pension... Keiner wollte Kontaktdaten o.ä. Das ganze Gegenteil zu D.

Wir hatten uns vorher, wie verlangt, online registriert u. sind alle durchgeimpft. Hatten also deswegen keine Angst, aber komisch war's schon, im Vergleich zu D.

[Katrin78]

Hallo Lutz, ich finde das so toll und auch für deine Mutti sicher ein unbeschreibliches Gefühl. Seit meine Mutti ("erst" Anfang 70 ) mitbekommt, was ich über ihre Familie so raus finde, fragt sie auch immer ganz sehnsuchtsvoll "ob wir da mal hinfahren können" und ich möchte ihr diesen Wunsch eigentlich auch erfüllen. Gestern sind wir in der Heimat meiner Großeltern im Sudetenland unterwegs gewesen, das ist zum Glück nicht weit zu fahren. Ich habe allerdings das Problem dass die alten Hausnummern nicht mehr stimmen und Dörfer eingemeindet wurden und ich mich da allgemein etwas dumm anstelle Und wie haben die Leute da so reagiert, wenn ihr Fotos von den Häusern gemacht hat, man hört ja immer wieder dass da die Reaktionen sehr unterschiedlich sind.
Ich finde deinen Bericht jedenfalls sehr spannend und nehme mir fest vor meine Mutti auch mal ins Auto zu packen
Liebe Grüße Katrin

[LutzM]

Hallo Katrin,
hab vielen Dank für Deine nette Antwort!

Ja! Mache es unbedingt! Meine Mutter hat es immer noch nicht ganz verarbeitet. Sie sagt selbst, dass sie den ganzen Tag meinen Vater zutextet, der sich für das Thema überhaupt nicht interessiert und trotzdem geduldig zuhört.

Es war mir persönlich auch sehr wichtig, dass ich die Reise noch schaffe, bevor meine Mutter es nicht mehr miterleben kann. Und es war wirklich gut so. Für sie war es emotional wirklich ein Erlebnis, von dem sie noch lange zehren wird.

Selbst ich wünschte mir, die Zeit zurückdrehen zu können und es alles meiner Oma zeigen zu können. Denn von ihr kenne ich die ganzen Geschichten und den Dialekt. Ich hatte ein sehr enges Verhältnis zu meiner Oma und habe nur die besten Erinnerungen und das kommt dann alles wieder hoch und macht es sehr emotional.

Von den Tschechen kann ich übrigens nur bestes berichten. Ich hatte im Vorfeld auch so ein bisschen Angst, dass es falsch aufgefasst werden könnte, wenn man da "um die Häuser schleicht". Aber ganz im Gegenteil! Alle die uns "bemerkten" reagierten ausgesprochen freundlich und hilfsbereit. Dabei konnten wir alle nicht ein Wort Tschechisch und auch unser English ist mehr als rudimentär. Ich hatte immer die Rolle mit dem Ahnenbaum in der Jacke und wenn ich dann versuchte zu erklären, dass hier die und die (ur)Oma geboren wurde, kamen nur positive, teils ungläubige, Reaktionen. Alle versuchten uns auf Deutsch zu helfen oder holten die Nachbarn, welche Deutsch o. Englisch konnten. Für mich oft peinlich, dass ich da ankomme und nicht mal die einfachsten Wörter in Tschechisch sagen konnte. Fast jeder lud uns zum Kaffee oder sonstigen Getränken ein, auch sollten wir mehrfach ins Haus kommen. Das haben wir aber dankend abgelehnt, weil ich nicht auch noch stören wollte.
Ein älteres Ehepaar holte die s/w-Fotos vom ursprünglichen Grundstück aus der Kiste, sowie ein Buch mit historischen Postkarten aus der Region. Alle freuten sich mit uns mit, manche wussten auch die Namen unserer Ahnen, die früher in ihrem Haus gewohnt haben. Alles ohne Groll oder sonstige (denkbaren) negativen Reaktionen.

Es war wirklich eins der eindrucksvollsten Erlebnisse in meinem Leben, von dem ich noch eine Weile für die Verarbeitung brauchen werde!

Selbst meine kleine Schwester, die sagte, dass es sie nicht interessiere und nur mitkommt, um mal was anderes zu sehen, konnte es nicht fassen und ist immer noch beeindruckt!

[sternap]

dein bericht beeindruckt mich sehr.


kannst du zu dem wunderbaren und einzigartigen haus am fels mehr erzählen?
eine öffnung mit rundem deckel scheint der kühlschrank zu sein. rechts, vom betrachter aus gesehen, meine ich einen kamin zu erkennen.
insgesamt ist es wohl die sommerküche.


welcher stein ist das überhaupt?

[LutzM]

Hallo sternap,

nein, leider kann ich nicht viel zu dem Haus sagen. Wir waren auch vollkommen überrascht. Und bis heute kann ich mir keinen Reim darauf machen.

Das Haus liegt ja schon etwas einsam, darum hatte ich im Vorfeld etwas Angst, dass dort ein einsamer "Waldschrat" wohnt, der aggressiv reagieren könnte, wenn da plötzlich Fremde auftauchen.

Es war eine sehr eigenartige Stelle. Sowohl die Zufahrt, als auch das Gras auf dem Grundstück waren seit mind. 1 Woche nicht betreten worden. Unsere Gehspuren waren ja deutlich zu erkennen, aber sonst war es total unberührt. Hinterm Zaun war allerdings ein Sandkasten mit div. Spielformen, selbst ein Sandkuchen (mit dem Eimerchen gemacht) stand dort noch. Der war zwar etwas "verwittert", so als wenn es über Nacht geregnet hätte, aber er war noch sehr gut zu erkennen. Auch sonst sind ja in den Gefäßen noch die Pflanzen zu sehen, die noch blüten, also eine gewisse Pflege genossen haben müssen.

Das zweiflüglige Tor war allerdings so im Gras eingewachsen, dass es aussah, als wenn es seit Wochen nicht bewegt wurde.

Wir standen da mind. 'ne halbe Stunde und diskutierten, ob man da raufgehen könnte oder nicht. Meine Mutter und Schwester waren strikt dagegen, da sie Angst hatten, dass dort jemand mit der Schrotflinte lauert . Ich habe es dann aber nicht mehr ausgehalten und habe quasi Hausfriedensbruch begangen´-ich wollte doch alles ganz genau sehen, denn diese Gelegenheit würde sich nie wieder bieten.

Es ging alles gut, kein Mensch war weit und breit zu sehen und ich habe auch nichts angefasst oder geöffnet, wirklich nur fotografiert.

Der Fels ist m.M.n. Sandstein (so wie in der Gegend üblich). Zu den einzelnen Höhlen und Löchern kann ich nichts konkretes sagen, nur dass die Kellerhöhlen voller Unrat und Müll waren.

Das gemauerte Ding vor den Felsen war wohl die Toilette. Jedenfalls konnte ich das durch die Lücken in der Tür erkennen. Ein Dach hatte der Verschlag aber nicht.

Die Haustür hatte oben ein Vorhängeschloss davor, ich denke, dass das normale Schloss nicht mehr funktionsfähig war.

Wie gesagt, alles sehr mysteriös und unwirklich. Evtl. waren die Bewohner 4 Wochen im Urlaub oder waren vor kurzem ausgezogen (dafür schien es aber alles zu bewohnt zu wirken). Ich habe bis heute keine Ahnung, was das Ganze auch im Nachhinein noch sehr mystisch und märchenhaft wirken lässt. Wenn ich Tschechisch könnte, würde ich im dort Meldeamt anrufen um das Rätsel zu lösen. Aber so wird es für immer eine schöne, einzigartige Erinnerung bleiben.

[LutzM]

Für alle Interessenten, habe ich mal alle Bilder die ich gemacht habe, hinzugefügt. (Link ganz oben)

[acim]

Wenn ich Tschechisch könnte, würde ich im dort Meldeamt anrufen um das Rätsel zu lösen. Aber so wird es für immer eine schöne, einzigartige Erinnerung bleiben.

Hallo Lutz,
das Haus dient höchstwahrscheinlich als ein Wochenendhaus, Inhaber ist ein Ehepaar aus Prag, sie sind 35 bzw. 32 Jahre alt, er ist Inhaber einer Installateurfirma. Das kann alles aus dem tschechischen Liegenschaftskataster und Handelsregister ermittelt werden, einschließlich Namen, Adressen etc. (Wenn du willst schreibe ich dir mehr per PN.) Alles nur als eine mysteriöse Erinnerung zu lassen finde ich aber auch schön. Aber möglicherweise würden die jetzigen Inhaber gern jemenden kennenlernen, wer ein Nachkommen eines einstmaligen Inhaber ist.
Schöne Grüße
Aleš

P.S. Für mich war dein Bericht auch sehr eindrucksvoll, da ich mehrmals in einem ähnlichen Haus (nur ca. 10 km von Beškov entfernt) war. Meine Freunde, die es als ein Wochenendhaus benutzen, wissen nur, dass ihre Großeltern das Haus irgendwie nach der Austreibung erworben haben, alles zuvor ist jedoch unklar und geheimnisvoll.

[LutzM]

Hallo Aleš,
hab vielen Dank für Deine Info! Das scheint gut zu passen und würde den Eindruck erklären!

Ich habe ja auch eine Webseite auf der ich die Haus-Nr. immer überprüft habe (und wo man wohl auch nach Registrierung?) die Eigentümer ermitteln konnte. Die Seite brachte bei mir aber seit Wochen nur noch Fehler, wg. irgendeinem Zertifikat. Hab jetzt mal nachgesehen und da geht's wieder . Aber weiter komme ich nicht.

Ich würde mich freuen, wenn Du mir per PM Einzelheiten nennen würdest. Ich würde die Besitzer gern kontaktieren. Erstens möchte ich mich fürs Betreten entschuldigen (hab nämlich immernoch ein schlechtes Gewissen) und außerdem gibt's ja auch ein Grundbucheintrag (welcher noch zu transkribieren wäre). Das alles könnte die jetzigen Besitzer interessieren (vielleicht auch nicht, aber hier im Forum glauben wir bestimmt alle, dass es so ist ).

Für Interessenten: Hier der Kauf des Grundstücks durch den Vater Wenzel Hieke von seinem Schwager Anton Bauer 1818

[sternap]

die mama hat, ohne zu wissen was sie erwartet, die farben des steines angezogen.

die eigentümer haben vielleicht angst, dass ein deutscher ansprüche an das haus anmeldet. die kannst du ihnen nehmen.

[LutzM]

Es gibt Neuigkeiten! Dank Aleš habe ich die Kontaktdaten des Besitzers bekommen. Daraufhin habe ich ihn angemailt und eben kam seine Antwort.

Es ist eine junge Familie aus Prag mit drei Kindern, welche das Grundstück erst dieses Jahr als Erholungsort gekauft haben. Das Haus selbst steht unter Denkmalschutz. Schön!

Sie haben Interesse an der Geschichte des Hauses und haben ein Treffen angeboten, bei dem sie uns auch gern das Haus von innen zeigen wollen.

Auch sagte er, dass es kein Problem darstellt, dass ich auf dem Grundstück war.

Ja, ich bin wieder begeistert und kann nur wiederholen, dass ich dort nur nette, hilfsbereite Menschen kennengelernt habe.

Da im kommenden Jahr eine erneute Reise geplant ist, denn meiner anderen Schwester habe ich das versprochen, denn sie bekam keinen Urlaub und geht nächstes Jahr in Rente, hoffe ich, dass es mit dem Treffen klappt.

Nun brauch ich erstmal wieder Zeit um diesen Eindruck zu verdauen. Ich bin so happy!

Da soll noch einer sagen, Ahnenforschung sei trockene Theorie...

[LutzM]

Jetzt habe ich endlich das Buch mit den alten Postkarten von Dauba bekommen. Absolut empfehlenswert! 220 Seiten alte Fotos und ein bisschen was zur Geschichte der Orte.
Es ist sogar dieses Haus drin!
Falls Interesse besteht: Das Buch habe ich nach ewiger Sucherei nur noch im Daubaer Rathaus bekommen, überall sonst ist es vergriffen. Die Kollegin dort habe ich angemailt (in Deutsch, Tschechisch und Englisch (google-translater). Hab gut 20 EUR bezahlt.

[Bienenkönigin]

Hallo Lutz,

toll, so etwas in den Händen zu halten, wenn man das Haus mit eigenen Augen gesehen hat und die Vorfahren darin gewohnt haben!

Ich liebäugele mit zwei Büchern: Wscherau ist Heimat und Die Gemeinden des Bezirks Mies (so heißt es glaub ich), aber die sind wohl nur antiquarisch und zu hohen Summen zu haben, da muss ich mal ein Budget zur Seite legen...

Viele Grüße
Bienenkönigin

[LutzM]

Hallo Bienenkönigin,
ja es ist schon toll und wer hätte das am Beginn der Forschungen gedacht. Gehofft habe ich es aber immer. Die Vergangenheit erkunden und ein bisschen verstehen woher man kommt.

Dir wünsche ich dann noch einen effizienten Sparplan und das Glück, die Bücher überhaupt zu bekommen.