Das Jahrhunderthaus

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  • vinzenta
    Erfahrener Benutzer
    • 06.09.2009
    • 300

    #16
    Vielen Dank für deinen Beitrag, gucke das gerade in der Mediathek und finde es so lustig, das Badezimmer aus den 50igern sieht exakt so aus, wie das meiner Großeltern heute noch
    FN Sdunek/Zdunek
    FN Bergmann (Kr. Höxter)
    FN Wittmann (Kr. Höxter)
    FN Volkhausen (Kr. Höxter)
    FN Marcus (Kr. Höxter)
    FN Barnick (Pommern/Posen)
    FN Pechmann (Berlin)

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    • OmaMali

      #17
      Guten Abend,
      ich musste grad heftig grinsen.
      Geboren wurde ich in einém Mietshaus mit Hofklo und Bullerofen.
      In OWL wohnten wir in einer Art Barakke( Schuppen) mit Klo auf dem Hof,
      Baden im Spülstein. Als ich vier war baute mein Papa ein richtiges Haus mit
      Strom und Klo im Haus, aber Badezimmer gab es noch nicht´. Gebadet wurde Samstagsábend im Wäschezuber. Dazu wurden mehrere Eimer heißes Wasser
      vom Kohleofen zum Zuber gebracht, Dann wurde nach alter gebadet. Erst die kleinen, dann die Größeren und mit dem Wasser wurde dann nachher wenn wir Kinder vorm Radio saßen und die Krimies von Durbridgh und Wallace hörten das Haus gewischt.
      Ich erinnere mich auch noch daran, das die Windeln(nicht Pampers) im Brüggepot
      (Brautopf) gewaschen wurden und dann überm Kohleofen getrocknet wurden.
      Sonntags zwischen den Kirchengängen musste dieser dann mit Schmiergelpaste geschrubbt werden und alles mit der Radiomusik der 50er und 60er Jahre.
      Eine schwere aber auch schöne glückliche Kinderzeit.

      Einen schönen Abend wünscht Euch
      OmaMali

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      • Artsch
        Erfahrener Benutzer
        • 14.07.2013
        • 1933

        #18
        Hallo,

        meine Mutter wurde in Leipzig in einem Mietshaus geboren, in welchem meine Großeltern ein Eckzimmer, direkt über einer Gastwirtschaft bewohnten. Nicht weit davon lebten beide Urgroßelternpaare in größeren Wohnungen, wo meine Großeltern Gelegenheit zum waschen und essen hatten.
        Als meine Mutter 3 Jahre alt war, zogen ihre Eltern mit ihr von der Stadt auf das Land in ein 2-Familienhaus, welches erst vor 3 Jahren gebaut worden war. 1933 gebaut, hatte dieses Haus noch kein fließend Wasser, aber je eine Toilette pro Familie eine halbe Treppe tiefer. Draußen auf dem Hof stand eine Plumpe. Hier wurde Wasser in die Eimer gepumpt und ins Haus eine Treppe hoch transportiert. Die Mieter oben hatten 2 Treppen zu bewältigen. Eine Treppe tiefer hinterm Haus war das Waschhaus mit rotem Ziegelsteinboden. Hier wurde gebadet und die Wäsche, auch die vom Fußballverein gewaschen.
        So fand auch ich 1964 im Alter von 3 Jahren dieses Haus vor, als ich das erste Mal meine Großeltern mit meiner Mutter besuchte. Hier wuchs auch mein 9 Jahre älterer Bruder auf, den ich vorher noch nie gesehen hatte.
        Mein Opa besaß ein Fahrrad mit Hänger, auf welchem er eine Sense und das Futter für die Karnickel transportierte. Ich rannte nebenher. Meinen Bruder, der für die Müllentsorgung zu ständig war, begleitete ich auch zu Fuß. Es gab nur eine Müllsorte und das war Asche.
        Draußen auf dem Hof an der Seite, war der Ascheplatz. Da hatte man wohl ein großes Loch gebuddelt, da hinein wurde die Asche gekippt. Darüber befand sich eine 2-seitige eiserne Klapptüre, damit die Asche bei Wind nicht herumgeweht wurde. Wenn der Ascheplatz voll war, nahm mein Bruder je einen Ascheeimer rechts und links an den Lenker seines Fahrrades und fuhr damit mehrmals an die Bahnschienen. Während der Fahrt stöhnte er ein ums andere Mal: "Immer ich, faules Schwein!" Dort angekommen, schüttete er die Eimer an die Seite der Bahnschiene. Ob dies so im Sinne des Erfinders war, bezweifle ich bis heute. Man kann sich vorstellen, wenn der Zug kam, wie die Asche aufwirbelte.
        Mein Onkel (21), der 11 Jahre jüngere Bruder meiner Mutter, heiratete ein Jahr später eine kleine Frau, diese trug einen unglaublichen hohen Dutt und toupierte ihr Haar. Ich war begeistert, hatte ich selbst doch eher einen Jungenhaarschnitt. Zu dieser Hochzeit war ich mit 2 meiner Cousinen Blumenmädchen mit Körbchen. Der vierte im Bunde war mein 2 Jahre älterer Bruder, der trug ein geflochtenes Horn ebenfalls mit Blumen gefüllt. Anläßlich dieser Heirat hatte mein Onkel die Konfession gewechselt.
        Er, seine Frau und der spätere Nachwuchs bewohnten ein Schlafzimmer im Ort, waschen konnten sie sich in der Küche ihrer Vermieterin, ein Stockwerk tiefer. (Wohnungsknappheit) Ansonsten hielten sie sich mit in der Wohnung meines Opas auf.
        Meine Oma starb 1970 mit kaum 60 Jahren. Die letzten 12 Jahre hatte sie die Wohnung nicht mehr verlassen, da sie sich durch eine Stoffwechselerkrankung nur noch durch die Wohnung schleppen konnte.
        Die große Wäsche war also Opas Aufgabe. Auch mein Onkel übernahm die Wäsche in seiner Familie und auch die Fußballkleidung, als mein Opa 1974 mit meinem Bruder in eine kleinere Wohnung zog. Im Hof wurden Wäschestangen aufgestellt, dünne Seile von Stange zu Stange gebunden, und die Wäsche mit Holzklammern (solche zum über die Wäsche schieben) eingequetscht. Wenn es stark windete, kam auch mal eine Stange zu fall und die Wäsche landete (im Dominostil) im Dreck. Also wurden wir Kinder zum Halten abkommandiert, jedes Kind an eine Stange. In den 80-er Jahren kaufte mein Onkel eine Waschmaschine, die Ihn aber nicht zufrieden stellte, so wurde weiter mit Waschbrett gewaschen. Bei ihm kann ich mich an keine Schleuder erinnern. Selbst war der Mann. Heute mit über 70 Jahren überläßt er sicherlich inzwischen einer motorisierten Kraft diese Arbeit.
        Die Schwester meiner Mutter, ist die einzige in dieser Familie, die Auto fahren kann. Alle Nachkömmlinge meiner Generation haben den Führerschein gemacht.
        Opa hat in den 80-er Jahren seine kleine Wohnung aufgegeben, weil er ein steifes Knie hatte und dadurch die Toilettentür auf der Treppe aus Platzmangel nicht schließen konnte. So knapp bemessen waren dort die Toiletten. Er hatte dann nur noch ein Zimmer auf einem Bauernhof im Ort.
        2 Töchter meines Opas heirateten und verließen mit spätestens 20 bzw. 21 Jahren ihre Heimat und machten in den Westen.
        (Fortsetzung folgt)

        Beste Grüße
        Artsch

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        • Artsch
          Erfahrener Benutzer
          • 14.07.2013
          • 1933

          #19
          Hallo,

          meine Tante (4 Jahre jüngere Schwester meiner Mutter) und Mann landeten in Nordrhein-Westfalen (1957), bekamen aber auch nach einiger Zeit keine zumutbare Unterkunft. Deshalb entschlossen sie sich, in ihre Heimat zurückzukehren. So reisten sie mit ihrem VW-Käfer zur Leipziger Messe wieder ein, weil man da kein Visum brauchte. Die Auflage, die ein Messebesucher hatte war, man durfte den Leipziger Kreis nicht verlassen. Da mein angeheirateter Onkel mit seiner Frau, seine Mutter 3 km außerhalb dieses Kreises besuchte, wurden sie in kürzester Zeit verhaftet. Sie waren verraten worden. Nach langwierigen Verhör und gepfefferten Geldstrafe wurden sie wie Verbrecher bis an die DDR-Staatsgrenze begleitet und ihrer Heimat verwiesen.
          Neuer Versuch bei Köln, nach einiger Zeit ein Zimmer bekommen, in welchem 2 Töchter geboren wurden. Mitte der 60-er Jahre hatten sie eine Wohnung. Ende der 70-er Jahre kauften sie eine Doppelhaushälfte.
          Mein Onkel verdiente als Zimmermann gutes Geld, meine Tante putzte eine Arztpraxis und manchmal die Wohnung des Arztes. Hier sah sie, was es an Annehmlichkeiten so alles gab. Viele Jahre früher als meine Eltern kauften sie sich Waschmaschine, Farbfernseher usw... Mein Onkel hatte eine große Eisenbahnanlage (Anfang der 70-iger), die man aus einem Schrank herausklappen konnte. Insgesamt war die Familie moderner eingestellt als meine Herkunftsfamilie. Eben richtige Städter.
          (Fortsetzung folgt)

          Beste Grüße
          Artsch

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          • Artsch
            Erfahrener Benutzer
            • 14.07.2013
            • 1933

            #20
            Hallo,

            mein Vater geb. 1929, ein Arbeitersohn wurde als 6. und letztes Kind seines Vaters in 2. Ehe geboren. Er selbst bezeichnete sein zuhause als Armenhaus. Seine Eltern und Geschwister waren sehr fleißig. Die 2 Mädchen arbeiteten ab dem 6. Lebensjahr beim Bauern, sein Bruder hatte schon 2 Berufsausbildungen und war eine Sportskanone, als er mit 18 Jahren in den Krieg zog und nicht wiederkehrte. Er war die große Hoffnung der Familie gewesen. 2 weitere Kinder waren schon früher verstorben. Mein Vater war bestimmt traumatisiert. Er absolvierte eine ungeliebte Lehre und war auch vorher in der Schule nicht lernbereit gewesen. Er verstand sich weder mit dem Lehrer, noch mit dem Meister oder mit seinem Vater, der ein Bücherwurm war.
            Seine Welt waren die Motorräder, mit 19 baute er sich eine französische Rennmaschine auf. (Bauzeit 2 Jahre) Ein Motorrad war noch vom Bruder da. Dann besaß noch eine weitere alte Maschine. Für seinen Vater war das Teufelszeug. Die Mutter unterstützte ihren Sohn nach Kräften sowohl finanziell als auch gegen ihren Mann. Sie war eine durchsetzungsfähige Frau.
            Einen Führerschein hatte mein Vater nicht. Aber für die Rennmaschine hatte er Papiere anfertigen lassen. Eines Tages wollten die Behörden seine Maschinen in Staatseigentum überführen. Ältere Leute im Ort hatten ihn gewarnt und so konnte er noch rechtzeitig seine Lieblinge untauglich schrauben. Und er hatte der Staatsgewalt noch mit auf den Weg gegeben, sie sollten für eine Maschine arbeiten gehen und sie nicht bei ehrlichen Leuten stehlen.
            (Fortsetzung folgt später)

            Beste Grüße
            Artsch

            Kommentar

            • Wolfg. G. Fischer
              Erfahrener Benutzer
              • 18.06.2007
              • 4919

              #21
              Zitat von Silke Schieske Beitrag anzeigen
              Also, ich kann mich noch ans Waschbrett erinnern, mit dem unsere Omi oder Mama gewaschen haben. Später kam die WM 66 ins Haus. Die konnte zwar nicht schleudern, aber man konnte u.a. darin Würstchen kochen. Zum Wäscheschleudern gabs eine Schleuder, die bei uns noch vor ein paar Jahren im Keller stand. Einen Halbautomaten hatte ich auch mal, war von deren Waschleistung aber nie begeistert. Die WM 66 konnten die nie toppen.

              LG Silke
              Bei uns stand schon eine "Miele" im Bad, aber ich glaube, meine Lengerser Oma hatte noch ein Waschbrett. Im Alten Haus, neben der "Waschküche", in der ehemaligen Waschküche stand die Schleuder. Eine Nachbarin hatte sogar noch eine Mangel, um die Wäsche auszuwringen.

              1965 bekamen wir einen Fernseher, 1972 das erste Auto und 1975/76 Telefon.

              Mit besten Grüßen
              Wolfgang

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              • OmaMali

                #22
                Guten Morgen,
                Hallo Wolf.G.Fischer,

                hui, da ward ihr aber früh dran mit E-Geräten.
                Ich hab 1970 geheiratet und meine erste Waschmaschiene 1974 bekommen.
                Fernseher erst 1976 und Telefon 1981.

                Aber so eine alte Schleuder kenn ich auch noch. Erst wurd gewaschen, dann das Wasser ablassen und dann ordentlich kurbeln zum Schleudern.

                Ein Auto haben meine Eltern auch nie besessen.
                Als wir 1969 standesamtlich geheiratet haben( 11.30Uhr) mein Mann und mein
                Schwager mindestens 10 mal von seinem zu Hause bis zu meinen Eltern gefahren
                die ganze Verwandschaf( Eltern, Geschwister(10) Tanten und Onkel) ab zu holen.
                Damals konnte man im Auto(VW Käfer) ja noch stapeln. Im Standesamt war er dann fix und alle und das ganze dann Abends zurück. Da durfte mein Mann dann bei uns schlafen. Wohlgemerkt auf dem Sofa. Wir waren ja noch nicht richtig verheiratet.

                Gruß
                OmaMali

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                • elwetritsche
                  Erfahrener Benutzer
                  • 23.03.2013
                  • 917

                  #23
                  Hallo Artsch!

                  Vielen Dank für Deine tolle Familiengeschichte!

                  Und auch allen Anderen vielen Dank!


                  So selten sind meine Eltern ja doch nicht, so ganz ohne Führrschein und Auto, wie ich hier lesen konnte.
                  Und trotzdem haben sie mehr von Deutschland gesehen als ich mit Auto.
                  Sie haben viele Jahre lang Urlaubsreisen und Ausflüge mit dem Bus und mit der Bahn unternommen. Meine Kinder durften sie auf viele Reisen begleiten.
                  Da mein Vater mit den Heimatforschern und mit den Geologen viele Exkursionen unternommen hat, hat er danach seiner Frau und den Enkelkindern per Bus und Bahn gezeigt was er dort gesehen und gelernt hat.
                  Liebe Grüße
                  Elwe

                  Mit ihren Feld- (Rheinhessen), Wald- (Westerwald) und Wiesen- (Kreis Groß-Gerau) Ahnen.

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                  • Wolfg. G. Fischer
                    Erfahrener Benutzer
                    • 18.06.2007
                    • 4919

                    #24
                    Zitat von Artsch Beitrag anzeigen
                    Hallo,

                    meine Oma starb 1970 mit kaum 60 Jahren. Die letzten 12 Jahre hatte sie die Wohnung nicht mehr verlassen, da sie sich durch eine Stoffwechselerkrankung nur noch durch die Wohnung schleppen konnte.

                    Die große Wäsche war also Opas Aufgabe. Auch mein Onkel übernahm die Wäsche in seiner Familie und auch die Fußballkleidung, als mein Opa 1974 mit meinem Bruder in eine kleinere Wohnung zog.

                    Beste Grüße
                    Artsch
                    Meine Urgroßeltern Reinhardt heirateten im Jahre 1900. Uroma Elisabeth kam aus der Landwirtschaft, der Vater und die vier Brüder meines Uropas waren Schmiede.

                    Mein Uropa Heinrich hatte einen Klumpfuß und wurde daher Schneider. Er saß zu Hause, schneiderte und versorgte die sieben Kinder.

                    Uroma machte die kleine Landwirtschaft, ging auf's Feld, etc.

                    Mit besten Grüßen
                    Wolfgang


                    Zuletzt geändert von Wolfg. G. Fischer; 19.05.2016, 10:43.

                    Kommentar

                    • Artsch
                      Erfahrener Benutzer
                      • 14.07.2013
                      • 1933

                      #25
                      Zitat von Artsch Beitrag anzeigen
                      Hallo,

                      mein Vater geb. 1929, ein Arbeitersohn wurde als 6. und letztes Kind seines Vaters in 2. Ehe geboren. Er selbst bezeichnete sein zuhause als Armenhaus. Seine Eltern und Geschwister waren sehr fleißig. Die 2 Mädchen arbeiteten ab dem 6. Lebensjahr beim Bauern, sein Bruder hatte schon 2 Berufsausbildungen und war eine Sportskanone, als er mit 18 Jahren in den Krieg zog und nicht wiederkehrte. Er war die große Hoffnung der Familie gewesen. 2 weitere Kinder waren schon früher verstorben. Mein Vater war bestimmt traumatisiert. Er absolvierte eine ungeliebte Lehre und war auch vorher in der Schule nicht lernbereit gewesen. Er verstand sich weder mit dem Lehrer, noch mit dem Meister oder mit seinem Vater, der ein Bücherwurm war.
                      Seine Welt waren die Motorräder, mit 19 baute er sich eine französische Rennmaschine auf. (Bauzeit 2 Jahre) Ein Motorrad war noch vom Bruder da. Dann besaß noch eine weitere alte Maschine. Für seinen Vater war das Teufelszeug. Die Mutter unterstützte ihren Sohn nach Kräften sowohl finanziell als auch gegen ihren Mann. Sie war eine durchsetzungsfähige Frau.
                      Einen Führerschein hatte mein Vater nicht. Aber für die Rennmaschine hatte er Papiere anfertigen lassen. Eines Tages wollten die Behörden seine Maschinen in Staatseigentum überführen. Ältere Leute im Ort hatten ihn gewarnt und so konnte er noch rechtzeitig seine Lieblinge untauglich schrauben. Und er hatte der Staatsgewalt noch mit auf den Weg gegeben, sie sollten für eine Maschine arbeiten gehen und sie nicht bei ehrlichen Leuten stehlen.
                      (Fortsetzung folgt später)

                      Beste Grüße
                      Artsch
                      Hallo,

                      Meine Oma stammte aus einer Landarbeiterfamilie mit 9 Kindern, die aber im Nachbarort in einem Drescherhaus seßhaft geworden war. In einem Drescherhaus wurde oben das Getreide verarbeitet und verstaut. Unten war der Wohnraum für mehrere Familien. Den Staub in diesem Haus können wir uns wahrscheinlich gar nicht vorstellen.
                      Oma war die jüngste und hatte im 1. Weltkrieg in Leipzig im Krankenhaus (Lehre?) gearbeitet. Da ihr Vater, inzwischen Wittwer, krank wurde, blieb sie zu hause und pflegte ihren Vater bis er starb. Danach arbeitete sie im Nachbarort bei einem Gutsbesitzer und wohnte auch auf dem Gut.
                      In diesem Ort lernte sie meinen Opa kennen, der eine zerbrochene Ehe hinter sich hatte. Noch in Friedenszeiten hatte er (Vollwaise mit 4 Jahren) mit 19 Jahren die erste Ehe geschlossen. Seine erste Frau war eine Gutsbesitzertochter, die während er im Krieg war, in die Stadt zog um ihre Tochter zu ernähren. Mein Opa und Ihre Brüder waren auch im Krieg, die Landwirtschaft wurde unzureichend oder kaum bestellt. Als Opa vom Krieg zurück kam, war die Ehefrau verzogen, die Tochter bei der kranken Schwiegermutter auf dem Gut. Opa brachte das Gut wieder in Schwung, er erfuhr, dass in der Zwischenzeit auch ein nicht von ihm gezeugter, geistig- und körperlichbehinderter Sohn geboren war, welcher aber in einem Heim lebte. Ohne die Ehe wieder aufgenommen zu haben, verließ er das Gut, als endlich die Brüder seiner Frau aus der Gefangenschaft zurück kamen.
                      So kam er aus dem Anhaltinischen nach Leipzig, brachte dort seine Tochter beim Thomaskantor in Pflege. Er selbst arbeitete dann als Kutscher bei einem Gutsbesitzer in dem winzigen Dorf in dem meine Oma inzwischen zur Großmagd aufgestiegen war.
                      Das Dorf hatte einen Einwohnerschwund erlebt. Man versuchte junge Leute zu halten. Deshalb bot man meinen Großeltern an, im Falle einer Eheschließung, das Gemeindehaus bewohnen zu können. Nur durch meine Forschung erfuhr ich, dass die ersten Jahre eine weitere 5- köpfige Familie darinnen wohnte. (Meine 1925 geborene Tante erinnerte sich noch auf Nachfrage meinerseits.)
                      Für Leistungen gegenüber der Einwohnerschaft erhielten meine Großeltern eine Mietminderung. Dazu gehörte Botendienste und Schreibarbeiten für die Gemeinde und der Nachtwächterposten. Auch die 300 Gänse im Ort wurden morgens von meinen Großeltern aus den Ställen auf den Teich und abends wieder in ihre Ställe in den verschiedenen Gutshöfen getrieben. Später war es eine stetige Aufgabe meines Vaters und seiner Geschwister. Zum Nachtwächterposten, den sich Oma und Opa teilten, gehörte auch Sorge zu tragen, dass die Beschäftigten im Ort ihre Quartiere zu gegebener Zeit aufsuchten.
                      Reisende wurden zur Übernachtung im Gefängnis untergebracht, welches sich auch im Gemeindehaus, aber mit eigenem Eingang, befand. Ob Reisender oder Übeltäter, sie wurden mit Speis und Trank von meinen Großeltern versorgt. Manchmal hat meine Oma deren Kleidung gewaschen oder sonst wie in Ordnung gebracht.
                      Dabei arbeitete meine Oma weiter für die Gutbesitzer und in einem Nachbarort auch mal als Amme. Mein Vater verfolgte bis zu einem Alter von 4 Jahren, mit einer Hitsche (Fußbank) bewaffnet seine Mutter bis aufs Feld, um von ihr gestillt zu werden. Mein Opa lief jeden Tag 17 km auf Arbeit in die Leuna-werke und 17 km zurück. Auf diesen Wegen sammelte er Stein für Stein um den Teich nach seiner Schlämmung zu pflastern.
                      Das Dorf konnte mit seiner Wahl zu frieden sein.
                      Das Haus war sehr klein, winzige Küche, Schlafzimmer und ein Büroraum, welcher auch als gute Stube und Bibliothek diente. Mein Vater erinnerte sich nicht mal da drin gewesen zu sein. Möglicherweise war dies erst der Wohnraum für die andere 5- köpfige Familie gewesen. Auch betrieb mein Opa ein kleines Gewerbe (20/30/40-iger Jahre) und verkaufte Wein, Kaffee, Schokolade, Kakao, Lebkuchen, Zigarren usw.... Nach oben führte eine altersschwache Treppe, die als nicht mehr betretbar galt, als ich 1975 mich heimlich nach oben schlich. Dort waren türkisfarbene Wände mit goldenem Muster aus Pappe aufgestellt, begehbar durch einen Türstock, darinnen stand ein uralter Schrank und das ausrangierte Doppelbett meiner Großeltern, ohne Beine, weil die wegen Nässe im Schlafzimmer weggefault waren. Meine Großeltern verwendeten nach 10 Jahren das Schlafzimmer meiner Eltern, das mein Vater für sich selbst gekauft hatte und dann flüchten mußte. Die Küche, die meine Mutter zusammengespart hatte, nahmen meine anderen Großeltern, die nur Behelfsmöbel besaßen, nachdem sie ausgebombt worden waren. Die andere Seite des Dachstuhles war ohne solche Wände und man sah ringsum die Dachziegel. In dem professorischen Zimmer waren nach oben auch die Dachziegel sichtbar. Hier oben hatte mein Vater mit seiner Schwester und seinem Bruder genächtigt, als sie klein waren. Statt Heizung oder Bettflasche hatten sie warme Ziegelsteine zum Wärmen in die Betten mit hoch genommen. Als Lichtquelle diente eine Taschenlampe. Hier oben waren einige Hartkartons voll beschriebenes Papier von meinen Großvater, der sich auch als Schriftsteller betätigt hatte und einen Stammbaum bis 1503 erstellt hatte. Damals war er bereits seit 7 Jahren verstorben und die Oma erst kürzlich (1975). Hier hatte mein Vater 2 Jahre an seinem Motorrad gebaut und es dann an Seilen die Treppe herunter gelassen, bevor er die Maschine unten antrat und auf dieses Kommando erklang ein "Pupp-Pupp, Pupp-Pupp, Pupp-Pupp....." Diese Rennmaschine wohnte mit im Schlafzimmer meiner Großeltern, auch viele Jahre nachdem mein Vater entschwunden war.
                      Als er 1970 das erste Mal nach 16 Jahren sein Elternhaus wieder betrat, beantwortete ihm niemand seine Frage nach dem Motorrad.
                      Mein Vater hatte als politisch Verfolgter seine Heimat verlassen müssen. Zu mir sagte er, als ich ein kleines Kind war: "Wenn die Grenze nicht wäre, ich würde zu Fuß in die Heimat laufen!" oder: "Irgendwann wird die Grenze weg sein, ich erlebe es nicht mehr, aber vielleicht Du!" Er hat noch 25 Jahre lang die Grenzöffnung erlebt. Mit 80 Jahren ist er das letzte mal selbst mit dem Auto in seine Heimat gefahren. Mit 82 Jahren hat ihn das Heimweh verlassen, nach einem Schlaganfall konnte er sich nicht mehr an seinen Geburtsort erinnern.
                      (Fortsetzung folgt)

                      Beste Grüße
                      Artsch

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                      • Wolfg. G. Fischer
                        Erfahrener Benutzer
                        • 18.06.2007
                        • 4919

                        #26
                        Zitat von elwetritsche Beitrag anzeigen
                        2. Einrichtung

                        Bis zum Umzug in das selbstgebaute Haus im Jahr 1970 kochte meine Mutter noch auf einem Kohleherd.
                        Meine Mutter hatte bis zuletzt (2004) einen Kohleherd in der Küche, daneben natürlich auch, seit ich denken kann, einen elektrischen.

                        Trotz Zentralheizung machte sie gern mal ein Feuerchen an, gerade in der "Übergangszeit".

                        LG Wolfgang

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                        • Artsch
                          Erfahrener Benutzer
                          • 14.07.2013
                          • 1933

                          #27
                          Hallo,

                          Fortsetzung;
                          Mitte der 60-iger Jahre kaufte meine unverheiratete Tante dieses Haus auf den Namen ihres Vaters. Sie selbst wohnte und arbeitete 30 km entfernt, bei der Familie bei der sie schon im Alter von 6 Jahren gearbeitet hatte und mit denen sie weggezogen war. Dort bewohnte sie ein Zimmer. Bei der LPG verdiente sie gutes Geld für sehr schwere Arbeit, und fühlte sich wohl.
                          Opa unterkellerte einen Teil des Hauses, aus einem Seiteneingang mauerte er einen Anbau mit Fronteingang und hinter dem Haus baute er ein Zimmer hinter der Küche an. Trocken bekam er das Haus nicht. Vor und neben dem Haus verlief ein Wassergraben. Das Haus war nur über einen Steg erreichbar. Es stand etwas abseits vom Dorf.
                          Jedes Jahr wenn wir kamen war ich gespannt, welche Farbe es diesmal hatte. Oma malte die Fensterummauerung weiß an. Das Haus selbst blau, einmal grün, dann wieder rosa. Heute weiß ich, die Farbe hielt an dem Lehmhaus nicht. Es blätterte immer wieder ab. Vielleicht verwendete sie auch nicht die richtige Farbe. Meine Mutter nannte dies ein Gespinne und mokierte sich. Ich habe es geliebt. Für mich war dort alles voller Leben.
                          Die erste Badewanne im Dorf stand bei meinen Großeltern. Die Tante hatte ins Gefängnis ein Bad einbauen lassen. Im nächsten Jahr war die Küche neu, danach die Diele möbiliert und so fort. Schon in den 50-igern kam immer ein neuer Fernseher her wenn es einen größeren Bildschirm zu kaufen gab. Das Dorf versammelte sich bei meinen Großeltern, ließ sich verköstigen. Wenn die Tante alle 14 Tage heim kam, hatte sie mit Kuchen backen, Brötchen oder Brote belegen, Würste grillen sehr viel zu tun. Bis ihr der Kragen platzte, sie nahm den Fernseher und stellte ihn ins Schlafzimmer. Damit war dann das Dorf-Kino beendet. Das wird die Wirtschaft angekurbelt haben, ich denke in den 60-igern haben die Bewohner des Ortes sich selbst einen Fernseher gekauft. Die Tante hatte schon sehr früh den Traktorführerschein beruflich gemacht, privat fuhr sie eine Schwalbe, (Moped) damit kam sie die 30 km immer angerollt. Vor meinem 7. Geburtstag nahm sie mich auf der Schwalbe in ihren Wohnort für ein paar Tage mit. Keiner hatte an den Geburtstag gedacht. Das war aber egal. Die Tante und ich knüpften ein Band zu einander, das nie mehr zerreißen sollte.
                          Vielleicht sollte ich zwischendurch mal erwähnen, daß ich in Baden-Württemberg geboren und aufgewachsen bin. Sachsen erlebte ich nur im Urlaub. Auch dieses Haus besuchte ich bis 1974 nur stundenweise. Nach dem Tod meiner Oma, die mich nie wahrgenommen hatte, übernachtete ich mit meinem ältesten Bruder dort während meines Besuches.
                          1975 brach eine Wand am Haus ein. Die Ratten hatten sich des Hauses bemächtigt, weil es nicht mehr bewohnt war. Mein im Nachbarort lebender Bruder, der einen Teil seines Lohnes in Naturalien (Getreide) ausbezahlt bekam, hatte damit die Ratten angelockt. Vor und neben des Hauses war ein Teich und 50 Meter entfernt 3 Schweineställe mit ein paar tausend Schweinen, die meine Oma bis ins Alter von 73 Jahren mit gefüttert hat. Die Fliegen und der Gestank waren unbeschreibbar. Trotzdem nahm man die Mahlzeiten vor dem Haus im Hof ein. Die Toilette war hinter dem Haus in einem Holzverschlag. Also so richtig eine Bank zum Sitzen in einem ausgeschnittenen Loch, welches mit einem Deckel zu verschließen war. Natürlich versenkte mein 2 Jahre älterer Bruder mehrmals diesen Deckel in dem Loch. Eben unbelehrbar. Einen Fehler zu gestehen, war nicht sein Ding. So werden die Großeltern jedesmal froh gewesen sein, wenn unser Besuch beendet war. Oder fiel der Putz von der frischgestrichen Wand, weil sie unter Ballbeschuß geraten war. Ich fühlte mich mitverantwortlich, weil ich es nicht schaffte, meinen Bruder von sowas abzuhalten. Heute weiß ich, daß er es nicht ertragen konnte, wenn meine Mutter sich mit was anderem beschäftigte, als mit ihm. Während ich aufblühte, wenn meine Mutter mal abgelenkt war, litt er furchtbare Qualen. Meine Mutter ließ auf ihren Sohn nichts kommen, so blieb der Ärger an mir hängen.
                          Meine Großeltern hatten eine beleuchtbare Kirche aus Streichhölzern gebastelt. Von diesem Opa bekamen wir eine Kinderschreibmaschine geschickt. An einem Knauf zum Drehen wurde der Buchstabe ausgewählt, Groß- und Kleinschreibung war durch einen Hebel zum Senken und Heben einstellbar.
                          Ich hatte keine Zeit etwas Dummes anzustellen, viel zu sehr war ich mit zu hören beschäftigt, deshalb lernte ich früh, das eine Geschichte verschiedene Gesichtspunkte haben kann.
                          Im Nachbarort bei den Eltern meiner Mutter waren wir mehrere Wochen. In dieser Zeit besuchten wir die anderen Großeltern bei der Ankunft und vor der Abreise.
                          Heute glaube ich, daß meine Mutter sich ärgerte, weil trotz geringerer Rente es ihren Schwiegereltern besser ging als ihren eigenen Eltern.
                          Bei beiden Großeltern erinnere ich mich nur an 2-flammige Gasherde, an die eine Gasflasche angeschlossen war. Geheizt wurde mit Kohle. Auch an das Hin- und Hertragen von Glut aus der Küche in die Stube kann ich mich aus Erzählungen erinnern. Also hatten sie auch Beistellöfen.
                          (Fortsetzung folgt später mal)

                          Beste Grüße
                          Artsch

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                          • Lola38
                            Erfahrener Benutzer
                            • 20.01.2013
                            • 484

                            #28
                            Gibt nix zu lachen über den Einwecktopf. Das war ein wichtiges Utensil den Krieg zu überleben. Ich habe für meine Familie bis vor 8 Jahren noch damit eingeweckt. Nicht Gelee und Marmelade sondern Obst und Gemüse in großen 2,1/2 Lltr Gläsern, denn ich hatte eine große Familie. Liebe grüße Lola38

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                            • OmaMali

                              #29
                              Hallo Ihr Lieben,
                              wenn ich das alles hiier so lese, fühle ich mich so ein bißchen in die Kindheit und Jugend versetzt. Aber ich lese auch zwischen den Zeilen. ich glaube, das unsre
                              Eltern, Großeltern und einige Nachkriegskinder zwar ein schweres, entberungsreiches, aber auch zufriedenes und glücklicheres Leben hatten.
                              Man wußte Abends schon, was der neue Tag bringt. Es gab keine großartigen Terminzwänge, das Leben war strukturierter. Man war mit dem zufrieden was man hatte. Mann/Frau konnten noch aus nichts etwas machen.
                              Welch junger Mensch kann das heute noch??
                              Ich wunsch Euch einen schönen Abend
                              OmaMali

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                              • Rieke
                                Erfahrener Benutzer
                                • 13.02.2012
                                • 1285

                                #30
                                Zitat von OmaMali Beitrag anzeigen
                                Welch junger Mensch kann das heute noch??
                                Hallo OmaMali,

                                Es ist schoen, sich an die "gute alte Zeit" zu erinnern, aber ehrlich gesagt, bin ich froh, dass ich nicht mehr meine Waesche in der Mangel auswringen, meine angewachsenen Geschirrberge nicht mehr per Hand spuelen, meine Fussboeden nicht mehr auf Knien und mit Schrupperbuerste bearbeiten muss usw, usw....

                                Diese schon fast feindliche Gegenueberstellung von "Wir [alten/aelteren] und Die [jungen]" finde ich ein bisschen unfair.
                                Das ist wohl so etwas, was jede Generation gegenueber der nachfolgenden empfindet, egal, in welchem Jahrhundert.
                                Die Alten sind nostalgisch, die Jungen belaecheln die Alten, die z.B.Probleme mit der fortschreitenden Technik und Technologie haben, die es vor 30, 40 Jahren nicht mal als Konzept gab.

                                Ich lebe in einem EU Einwanderungsland, wo gerade im letzten Jahrzehnt immer mehr junge Leute ankamen auf der Suche nach einem besseren Leben. Ich kenne so viele, die noch mit genau demselben Pioniergeist und Durchhaltevermoegen ihre Existenz aus dem Nichts aufbauen wollen und koennen. Ich bin voller Bewunderung fuer sie.
                                Und eines Tages gehoeren die Jungen zu den Alten und singen das gleiche Lied - so war es schon immer

                                Liebe Gruesse
                                Rieke, die froh ist, dass sie noch Kopfrechnen kann, aber trotzdem lieber den Taschenrechner benutzt
                                Meine Spitzenahnen....
                                waren arm aber reinlich. Ihr Motto? Lieber leere Taschen als volle Hosen.

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