Wie wird Adel bürgerlich?

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  • Fogwitch
    Benutzer
    • 29.12.2008
    • 77

    Wie wird Adel bürgerlich?

    Hallo allerseits,

    ich habe mal zwei Fragen. Ausgelöst wurden diese Fragen durch ein Gespräch gestern abend in einer Einladung.
    Eine Dame mit der ich über die Ahnenforschung egsprochen habe, hat mir erzählt, dass ein "von" ein Rittergut (oder Burg?) hatte und diesen Besitz verspielte. Er selbst musste das Gebäude räumen, bekam den Adelstitel aberkannt und die Nachkommen waren ab da an bürgerlich und mussten ganz "normale" Berufe erlernen.

    Meine Frage:
    Kann das sein?


    Dann noch Fragen allgemeiner Natur:
    Wurde der Adelstitel nur an den ältesten Sohn weiterverebt?
    Und wenn sich der Erbe als Bruder Leichtfuss herausstellte, konnte der enterbt werden? Und was waren die Konsequenzen? War es "nur" der Verlust des Besitzes oder auch des Titels?

    Gruß
    Martina
    Lüdke in Thorn
    Gellrich in Schlesien
    Pertsdorf in Albersweiler, Hofstätten, Mosisbruch
    Wadle in Gleisweiler
  • Wildgrubin
    Erfahrener Benutzer
    • 04.01.2009
    • 399

    #2
    Hallo,

    nur weil jemand seinen Besitz verspielte, wurde ihm deswegen noch lange nicht der Adel aberkannt, es sei denn, er hätte eine Straftat begangen. Die Nachkommen vor der Aberkennung bleiben weiterhin adlig; die Nachkommen nach der Aberkennung sind es nicht mehr.
    Alle Kinder eines Adligen gelten als adlig, nicht nur der älteste Sohn. Ein Enterbter bleibt auch weiterhin adlig.

    Kommentar

    • gudrun
      Erfahrener Benutzer
      • 30.01.2006
      • 3277

      #3
      Hallo,

      das Märchen von "der Adel wurde verspielt oder der Titel wurde verkauft", taucht fast in jeder Familie auf. Stimmt aber nie, da der Titel weder verspielt noch versoffen oder verkauft werden konnte.
      Wenn eine Adlige einen bürgerlichen Mann heiratete, dann war auch der Titel weg. Aber das war halt so, damals durfte nicht unter dem Stand geheiratet werden. Und es war sowieso so, daß der Familiennamen des Mannes genommen wurde. Heute kann ja eine adlige Frau einen bürgerlichen Mann heiraten und ihren Namen behalten. Die Kinder sind dann wieder ein "von", was aber heute keine Bedeutung mehr hat.

      Viele Grüße
      Gudrun
      Zuletzt geändert von gudrun; 11.01.2009, 15:33.

      Kommentar

      • Hina
        Erfahrener Benutzer
        • 03.03.2007
        • 4661

        #4
        Hallo Martina,

        als Antwort müßte man hier ein JEIN setzen.

        Dass Adelige ihr komplettes Vermögen auf welche Art auch immer verlustig gingen, gab es nicht so selten. Dennoch war das kein Tatbestand für eine Adelsenthebung, auch wenn dieses Gerücht sich hartnäckig hält. Für eine Adelsenthebung mußte es zudem noch zu einer strafrechtlichen Verurteilung mit Kerkerhaft kommen. Das wäre der Fall, wenn derjenige nicht nur seinen Besitz verspielte, sondern auch noch andere um ihr Vermögen gebracht hätte. Abgesehen davon betraf das außerdem noch Mörder, Totschläger, Vergewaltiger usw. Hierbei gab es dann Adelsenthebungsverfahren, die natürlich aktenkundig gemacht wurden. Die Preußischen Adelsenthebungen sind sogar im Internet veröffentlicht, die aus anderen Regionen müssten dann in den Archiven eingesehen werden. Ein Märchen ist allerdings, dass die Nachkommen dann bürgerlich waren. Sie wurden, sofern sie zum Zeitpunkt der Straftat bereits geboren wurden, nicht in Sippenhaft genommen, sondern behielten ihren Adelstitel. Später geborene Nachkommen, wurden aber gar nicht erst adelig geboren, da sie Kinder eines zu dem Zeitpunkt Bürgerlichen waren. Bei derart schweren Straftaten, wäre jedoch die Frage zu stellen, ob es nach der Verurteilung und meist langjähriger Kerkerhaft überhaupt noch weitere Nachkommen gab. Aber auch das kann man in den Archiven und Kirchenbüchern ausfindig machen. Da die meisten Adelsgeschlechter auch recht gut erforscht sind, vor allem die, die größere Besitzungen hatten, wie z.B. Schlösser oder Burgen, ist das nicht schwer festzustellen.

        Hier ein Beispiel, eines adelsenthobenen Landesfürsten. Alle seine Nachkommen behielten selbstverständlich weiter ihre Titel.

        Adelstitel wurden in deutschen Landen an ALLE ehelich geborenen Nachkömmlinge vererbt, zumindest beim erblichen Adelsstand. Es gab auch persönlichen, also nicht vererbbaren Adelsstand, das jedoch wesentlich häufiger in Österreich.

        Eine Enterbung wegen vielleicht nicht gerade standesgemäßem Lebenswandel begründete zwar reichlichen Familienzorn, ein Grund für ein Adelsenthebungsverfahren war das jedoch nicht. Dazu s.o. mußte ein schwerwiegender Straftatbestand vorliegen und das war Lodderleben nun nicht. Zum Erbrecht gibt es keine Pauschale. Das war auch überall anders geregelt, zudem gab es auch z.B. Fideikommisse.

        Viele Grüße
        Hina

        Edit: Oh sorry, hier hat sich einiges überkreuzt.
        "Der Mensch kennt sich selbst nicht genügend, wenn er nichts von seiner Vergangenheit weiß." Karl Hörmann

        Kommentar

        • Ela_75
          Erfahrener Benutzer
          • 26.09.2007
          • 288

          #5
          Interessant hierzu sicher auch der Link den Billet in seinen Heraldik-FAQs eingebunden hat.

          Grüße, Ela


          Interessengemeinschaft Saarland
          Interessengemeinschaft Hunsrück

          Man weiss erst daß man ist, wenn man sich in andern wiederfindet.


          Kommentar


          • #6
            Der Verlust des Adels

            Nun, adeliger Schuft, Verbrecher,
            Der frech betrogen und geraubt,
            Nun ist's, den Unsern dich zu nennen,
            Uns bürgerlichem Pack erlaubt.
            Dem Beispiel deiner Ahnen folgend,
            Traf dich so hartes Mißgeschick!
            Jetzt nimmt man Räubern ihren Adel –
            So geht die schöne Zeit zurück!
            Nun, Schurke, bist du unser worden,
            Da Schmach an deinem Namen klebt;
            Denn wir sind die gebornen Schurken,
            Von denen Staat und König lebt.
            Doch tröste dich und strebe weiter,
            Verfolge deinen Galgenlauf!
            Dann, aus der bürgerlichen Sphäre,
            Zieht man dich wiederum hinauf
            [Adolph Glaßbrenner; aus Projekt Gutenberg]


            Informationen zum Verlust des Adels gibt es auch im

            Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon
            von 1837

            WS

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            • Fogwitch
              Benutzer
              • 29.12.2008
              • 77

              #7
              Hallo allerseits,

              danke für die vielen Infos.

              Jetzt sehe ich durchaus einige Möglichkeiten wie Adel bürgerlich wird oder werden kann.

              Ein kleiner Exkurs sei mir noch erlaubt:
              Das Duell.
              In früheren Zeiten durchaus angesehen und erlaubt, wurde es irgendwann gesetzlich verboten. Wie war dann die Rechtslage?
              Galt der Duellant als Verbrecher bzw. Mörder?

              Gruß
              Fog
              Lüdke in Thorn
              Gellrich in Schlesien
              Pertsdorf in Albersweiler, Hofstätten, Mosisbruch
              Wadle in Gleisweiler

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              • Hina
                Erfahrener Benutzer
                • 03.03.2007
                • 4661

                #8
                Hallo Martina,

                kurze Antwort: Nein

                Wenn es zum Tod eines Duellanten kam, dann erfüllte es dennoch nicht den Tatbestand des Mordes, denn der würde Heimtücke voraussetzen. Die Duellanten verabredeten aber freiwillig ihren Zweikampf. Verließen beide lebend das Duell aber verletzt, wäre es Körperverletzung und da ist dann die Frage, ob es überhaupt angezeigt wurde. Ich denke in so einem Falle bestimmt nicht, da ja beide sich zu einer unerlaubten Handlung verabredeten.

                Allerdings waren Duelle ein Sonderstraftatbestand und wurden grundsätzlich nicht mit Gefängnis- oder Zuchthausstrafen, sondern je nach schwere des Tatbestandes maximal mit 5 Jahren Festungshaft geahndet. Der große Unterschied zu anderen Straftatbeständen war der, dass ein zu Festungshaft verurteilter, nicht seiner adeligen Titel enthoben werden konnte.

                Viele Grüße
                Hina
                "Der Mensch kennt sich selbst nicht genügend, wenn er nichts von seiner Vergangenheit weiß." Karl Hörmann

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                • Billet
                  Erfahrener Benutzer
                  • 21.01.2007
                  • 1985

                  #9
                  Alles zum ADEL
                  Wappen-Billet.de
                  M.d.WL.
                  M.d.MWH.

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                  • Hina
                    Erfahrener Benutzer
                    • 03.03.2007
                    • 4661

                    #10
                    Strafmaß beim Duell

                    Im Jahre 1837 hat der Staat Mississippi ein Gesetz erlassen, wonach jeder, der einen anderen im Duell tötet, als Bestrafung für seine Tat, die Schulden des Getöteten zu bezahlen hat.

                    In Frankreich stand die Todesstrafe auf ein ausgeführtes Duell, selbst wenn beide unverletzt aus dem Zweikampf hervorgingen. Die Sekundanten verloren ihre Adelstitel, die Besitzungen aller Beteilgten wurden eingezogen.

                    Viele Grüße
                    Hina
                    "Der Mensch kennt sich selbst nicht genügend, wenn er nichts von seiner Vergangenheit weiß." Karl Hörmann

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