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  #1  
Alt 12.06.2021, 21:08
Benutzerbild von Sbriglione
Sbriglione Sbriglione ist offline männlich
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Registriert seit: 16.10.2004
Beiträge: 1.147
Standard Nur mal aus Interesse: unterschiedliche Lebensbedingungen des "ritterbürtigen" Adels je nach Region

Hallo allerseits,

gibt es hier Forscher, die - wie ich selbst - "ritterbürtige" Vorfahren in unterschiedlichen Regionen hatten, deren Lebensbedingungen auch sehr unterschiedlich waren?

Ich habe sowohl in Nordthüringen, Hessen und Niedersachsen (sowie von diesen Regionen aus weit streuend) "ritterbürtigen" Adel, als auch im Gebiet der später kurbrandenburgischen "Herrschaft Ruppin".

Meine Ruppiner Vorfahren waren allem Anschein nach im engeren Sinne der Bedeutung "arme Ritter", die nur eher geringen Besitz in Orten hatten, in denen auch andere Familien gleichen Standes Besitz hatten. Mehrere der Familien mussten im Kriegsfall gemeinsam mit anderen ähnlich armen Familien nur einen einzigen Reiter stellen (mussten sich also die Kosten für diesen Reiter teilen); eine der Sippen konnte sogar nur jeweils einem ihrer Söhne zur gleichen Zeit erlauben, zu heiraten, da ihre beiden Rittergüter nur zur Versorgung eines einzigen Ehepaares inclusive dessen Kindern und gegebenenfalls der Eltern und einzelner unverheirateter Geschwister ausreichten. Darüber hinaus haben sie zwar regelmäßig ihre Vertreter zu Landtagen geschickt, hatten aber ansonsten keinerlei erkennbare politische Macht.

Meine "jüngeren" thüringischen Adelsfamilien waren auch nicht sonderlich reich, hatten aber aufs Ganze gesehen mehr Rittergüter, die auch für sich genommen besser ausgestattet waren. Eine ganze Reihe der Söhne war verheiratet und die meisten von ihnen kümmerten sich um ihre Bildung und um ihre Karriere (als Militärs, Fürstenerzieher, Geheimräte, Richter, Amtmänner und vereinzelt sogar als Mitglieder von Gremien, die für ihre noch minderjährigen Grafen die Regierung leiteten). Sofern sie ihr Auskommen nicht im eigenen Lande finden konnten, begaben sie sich in fremde Dienste und erwarben auch dort Grund und Boden.

Mein Eindruck ist, dass die von mir geschilderten Unterschiede nicht nur ein "Ding" einzelner Familien bzw. Sippen waren, sondern durchaus in ihren Regionen verbreitete Phänomene (wobei es natürlich auch im Ruppinischen einflussreiche und wohlhabende ritterbürtige Familien gegeben haben wird und im Thüringischen eventuell welche, die ohne Bildung und politischen Einfluss einfach nur arm vor sich hin vegtiert haben).

Für die Unterschiede habe ich mal als mögliche Erklärung gehört, dass es im Brandenburgischen im zahlenmäßigen Vergleich zur Gesamtbevölkerung (und bei gleichzeitig deutlich schlechteren Bodenerträgen) deutlich mehr "Ritterbürtige" gegeben habe, als in den Gebieten, die keine slawische Vorgeschichte hatten: die Ritter seien als Eroberer und (Zwangs-)Kolonisatoren eingewandert und hätten den dort schon vorhandenen einheimischen Adel teils ersetzt, teils aber auch nur ergänzt. Dadurch sei das zahlenmäßige Verhältnis zwischen "Herren" und "Untertanen" so ungünstig gewesen, dass erstere letztere in größerem Ausmaße ausbeuten mussten, um ihren Stand halten zu können. In den "älteren" deutschen Gebieten sei das Zahlenverhältnis deutlich besser gewesen (und die Bodenerträge in vielen Fällen ebenfalls).

Gibt es bei euch ähnliche Erfahrungen?

Mein "Beobachtungszeitraum" endet bei meinen Ruppiner Familien in den 1650er Jahren und bei der übrigen Sippschaft im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts - wobei die Unterschiede aber auch schon VOR dem 30jährigen Krieg deutlich zutage traten...


Grüße
Giacomo
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  #2  
Alt 14.06.2021, 11:16
Benutzerbild von Alter Mansfelder
Alter Mansfelder Alter Mansfelder ist offline
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Registriert seit: 21.12.2013
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Beiträge: 4.613
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Hallo Giacomo,

das ist eine spannende Frage, die mich auch interessiert. Allerdings verfüge ich über nur wenig, zeitlich früher liegendes Vergleichsmaterial, das hauptsächlich aus dem Spätmittelalter bis zum Ende des 16. Jh. reicht (meine wenigen Niederadelsfamilien Stand 2017 siehe hier).

Meine oberschwäbischen Familien scheinen vermögender und einflussreicher gewesen zu sein als die thüringischen. Das mag aber täuschen, da man ja in der Regel weder die wirtschaftlichen Grundlagen noch das soziale Umfeld auch nur annähernd vollständig kennt. Zudem waren wohl die sozialen Unterschiede innerhalb der Schicht des Niederadels durchaus beachtlich (vom "beschlossten" Ritter/Junker bis zum "Ehrbarmann" mit wenig Besitz).

Lies mal hier den Abschnitt "Der niedere Adel: Wirtschaftlicher Niedergang?" https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/mf17/0491

Interessant in diesem Zusammenhang sicher auch der Aufsatzband "Zwischen Nicht-Adel und Adel" http://d-nb.info/962065854

Es grüßt der Alte Mansfelder
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  #3  
Alt 14.06.2021, 15:59
Benutzerbild von Sbriglione
Sbriglione Sbriglione ist offline männlich
Erfahrener Benutzer
Themenstarter
 
Registriert seit: 16.10.2004
Beiträge: 1.147
Standard

Hallo Alter Mansfelder,

der Text zur Frage des wirtschaftlichen Niederganges scheint teilweise auch für meine Ruppiner Adelslinie Entwicklungen wiederzuspiegeln, die es da offensichtlich gab:

richtig schlimm (von einem schon sehr armseligen Ausgangspunkt her) scheint es bei mir eigentlich nur die v. SANDOW getroffen zu haben, was sicherlich nicht ausschließlich an den Plünderungen des 30jährigen Krieges lag, sondern durchaus auch daran, dass offenbar schon der Vater meines Deutschordensritters den eigentlich als Fortsetzer der Linie vorgesehenen jüngeren Sohn als verantwortungslosen "Hallodri" angesehen hat. Leider fehlen mir zu diesem Sohn weitere unmittelbare Quellen nach dessen Heirat, aber aus dem Vertrag der Eltern mit ihm und meinem Vorfahren bezüglich der Übertragung der beiden Rittergüter ist schon massives Misstrauen herauszulesen. Alles was sonst noch sicher zu sein scheint ist, dass dieser Sohn noch vor meinem Vorfahren kinderlos verstorben ist und die Rittergüter massiv verschuldet waren.

Bei der Linie der Mutter dieser Generation (eine v. FRATZ) weiß ich sicher, dass sich diese Familie tatsächlich durch die Übernahme von Offiziersstellen und gutes Wirtschaften konsolidieren konnte; von einer dritten Vorfahrenlinie aus der Region, bei der ich leider nie die konkrete Stammfolge ermitteln konnte (v. SCHÖNERMARCK), weiß ich, dass ein Zweig dieser Sippe nach Goslar gezogen, dort in den Großhandel eingestiegen und zunehmend "verbürgerlicht" ist.

Was übrigens Deine Niederadelsfamilien betrifft: an die v. WATZDORF habe ich ebenfalls eine Anbindung über eine sehr unsichere Sekundärquelle (König's "Genealogische Adels-Historie": danach soll eine v. WATZDORF angeblich die Mutter von einer v. OBERNITZ gewesen sein, die dann wiederum angeblich die Ehefrau meines immerhin gesicherten Vorfahren Adolar VITZTUM v. ECKSTEDT gewesen sein soll - leider alles nicht über seriösere Quellen zu bestätigen)...

Grüße!
Giacomo


P.S.: bei meinen thüringischen Niederadels-Vorfahren und deren weiteren Vorgängern habe ich eine ziemlich breite Streuung und zahlreiche Familien dabei, bei denen sich Phasen des Widerstandes gegen die Fürsten (bei den meisten der Familien im 14. - 15. Jh.) mit solchen Phasen abgewechselt haben bzw. durch sie vertauscht wurden, in denen Geld und Macht im Fürstendienst erworben wurde (ich habe u.a. die VITZTUM v. APOLDA, v. BERLEPSCH, v. TETTENBORN, v. MÜNCHHAUSEN, KLENCKE, v. BODENHAUSEN und v. der HUDE, um nur einige der Familien aus Thüringen, Hessen, Niedersachsen und Hamburg-Bremen zu nennen).
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