Binnenmigration im 18. Jahrhundert

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  • Light_speed
    Benutzer
    • 12.04.2017
    • 31

    Binnenmigration im 18. Jahrhundert

    Bei unserer Ahnenforschung stoßen wir auf Fragen. Unsere Vorfahren lebten eine Zeit lang in Dittwar (Stadtteil von Tauberbischofsheim) etwa von 1780 bis mindestens 1824.

    Ursprünglich stammt unser Vorahne aus Reichenbach bei Aschaffenburg, eine arme Gegend, in der überwiegend Waldbauer lebten. Das ist eine Distanz von gut 100 km.

    Meine Fragen:

    - Wie kam ein junger Mann Ende des 18. Jahrhunderts nach Dittwar, zumal es kein ausgebautes Verkehrsnetz gab?

    - Welche Strecke konnte man denn wählen? Entlang des Mains, und dann?

    - Deutschland war zu dieser Zeit noch ein Flickenteppich aus Herzog- und Fürstentümern und Bistümern. Konnte man problemlos die Grenzen passieren?

    - Waren junge Männer meist Tagelöhner und zogen von Ort zu Ort weiter?

    - Warum entschieden sich junge Männer auf Arbeitssuche nicht für größere Städte?



    Vielleicht habt ihr ähnliche Fälle in eurer Forschung und eine Idee.

    LG, Tom
    Toter Punkt Familienname Noll Reichenberg/Mömbris, Rückersbach, Oberafferbach zwischen 1700 und 1755.

    Geburt des Sohnes: Johann Georg Noll
    Reichenbach bei Mömbris
    Taufe 17. Juni 1755
  • Gastonian
    Moderator
    • 20.09.2021
    • 3324

    #2
    Hallo Tom:


    Welchen Beruf hatte der erste in Dittwar ansässige Vorfahre? D.h., war er in irgendeinem Handwerk und ist als Wandergeselle nach Dittwar gelangt? Als Wandergeselle hatte man oft die Erlaubnis, über Ländergrenzen hinweg zu wandern, und man suchte dann nach Gelegenheiten - sei es gar in einem Kaff - wo ein Meister einen Nachfolger brauchte.


    VG


    --Carl-Henry
    Meine Ahnentafel: https://gw.geneanet.org/schwind1_w?iz=2&n=schwind1&oc=0&p=privat

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    • consanguineus
      Erfahrener Benutzer
      • 15.05.2018
      • 5535

      #3
      Zitat von Light_speed Beitrag anzeigen
      Deutschland war zu dieser Zeit noch ein Flickenteppich aus Herzog- und Fürstentümern und Bistümern. Konnte man problemlos die Grenzen passieren?
      Hallo Tom,

      ja, man konnte ganz offensichtlich ohne Probleme die Grenzen der deutschen Staaten passieren. Man konnte dem Anschein nach seinen Wohnsitz frei wählen. Man konnte über die Grenzen heiraten.

      Meine hiesigen Vorfahren, die das weitaus größte Kontingent unter meinen Vorfahren stellen, lebten in vier verschiedenen deutschen Staaten, welche alle von hier aus nur einen Steinwurf entfernt lagen. Ich habe dutzende von Ehen zwischen Menschen erfasst und hunderte "im Vorbeigehen" wahrgenommen, die nicht in demselben Staat lebten. Ich warte bis heute auf ein zeitgenössisches Dokument, in dem das thematisiert wird. Es wird im KB etwa gesagt, der Bräutigam stamme aus dem Dorf xy. Vielleicht, aber äußerst selten, wird hinzugefügt, zu welchem Territorium der Herkunftsort des Bräutigams gehört. Aber eigentlich auch nur dann, wenn der Ort weit entfernt lag und der Pastor davon ausgehen durfte, daß kaum jemand wußte, wo genau. NOCH NIE ist mir begegnet, daß jemand seinen Fürsten um Erlaubnis fragen mußte, wenn er in den Nachbarstadt zu heiraten oder umzuziehen beabsichtigte. Das kam erst viel später, ich würde sagen gegen Mitte des 19. Jahrhunderts, als der Auswanderer nachzuweisen hatte, daß er im Heimatland seinen Militärdienst geleistet hatte und auch keine Schulden hinterließ.

      Ich glaube, die deutsche Kleinstaaterei stellte in gewissen Bereichen nicht ein so großes Problem dar, wie es heutzutage gerne dargestellt wird.

      Viele Grüße
      consanguineus
      Suche:

      Joh. Christian KROHNFUSS, Jäger, * um 1790
      Carl KRÜGER, Amtmann in Bredenfelde, * um 1700
      Georg Melchior SUDHOFF, Pächter in Calvörde, * um 1680
      Ludolph ZUR MÜHLEN, Kaufmann in Bielefeld, * um 1650
      Dorothea v. NETTELHORST a. d. H. Kapsehden, * um 1600
      Thomas SCHÜTZE, Bürgermeister in Wernigerode 1561

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      • Light_speed
        Benutzer
        • 12.04.2017
        • 31

        #4
        Wandergeselle

        Vielen Dank für eure Antworten und den Tipp.
        Wandergeselle klingt plausibel.
        Nichtsdestotrotz wundere ich mich, wie solche große Distanzen bewältigt wurden, wenn das Wegnetz nicht ausgebaut war. Wählte man den Weg entlang des Mains und dann? Mir fehlt ehrlich gesagt die Vorstellungskraft, wie früher Menschen lange Distanzen zurücklegten. Man brauchte die passende Schuhe, die Wege mussten halbwegs sicher sein, wo übernachtete man? das war doch alles mit Kosten verbunden.



        Ich habe keine Unterlagen gefunden, welchen Beruf mein Vorfahr ausübte. Ich weiß lediglich, dass die Gegend in Reichenbach bei Aschaffenburg bitterarm war und dass die Bewohner als Waldbauer lebten. Hinzu kamen Kriege, die dort auch die Orte um 1745 verwüsteten.
        Dittwar und TBB in Tauberfranken sind für ihren Weinanbau bekannt, allerdings weiß ich nicht, wie relevant Weinbau um 1780 war.



        Liebe Grüße
        Tom
        Toter Punkt Familienname Noll Reichenberg/Mömbris, Rückersbach, Oberafferbach zwischen 1700 und 1755.

        Geburt des Sohnes: Johann Georg Noll
        Reichenbach bei Mömbris
        Taufe 17. Juni 1755

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        • Pommerellen
          Erfahrener Benutzer
          • 28.08.2018
          • 1600

          #5
          Hallo,

          so eine Binnenwanderung ist ganz normal. Die Menschen zogen der Arbeit nach. Die Distanzen sind für uns ohne Bahn oder Auto manchmal nicht vorstellbar, doch sollte man die Connections der Leute untereinander nicht unterschätzen. Die Personen liefen ja nicht ins Blaue sondern hatten einen Plan oder eine gewisse Hoffnung. Vielleicht gab es schon jemanden der die Strecke gemacht hatte. Ein Obdach bei einem Bauer im Stroh und so war wohl auch ohne Geld oder mit einer Mithilfe zu bekommen. Den Weg erfragen. Ich glaube uns sind solche Fähigkeiten abhanden gekommen.

          Viele Grüße

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          • fps
            Erfahrener Benutzer
            • 07.01.2010
            • 2161

            #6
            Nur mal zum Thema Entfernung:
            Meine Vorfahren aus der Eifel gingen mit ihren Waren zu Fuß nach Köln, um sie dort zum Verkauf anzubieten. Sie gingen auch zu Fuß wieder zurück. Vielleicht nahm sie ein Ochsenkarren mal eine Strecke des Wegs mit.
            Entfernung: gute 80 km. Mappen-Gugel gibt für den Zeitbedarf per pedes 19 Stunden an - einfache Strecke.

            P.S. Das wurde noch Anfang des 20. Jh. so gehandhabt.
            Zuletzt geändert von fps; 04.01.2024, 18:20. Grund: P.S.
            Gruß, fps
            Fahndung nach: Riphan, Rheinland (vor 1700); Scheer / Schier, Rheinland (vor 1750); Bartolain / Bertulin, Nickoleit (und Schreibvarianten), Kammerowski / Kamerowski, Atrott /Atroth, Obrikat - alle Ostpreußen, Region Gumbinnen

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            • Light_speed
              Benutzer
              • 12.04.2017
              • 31

              #7
              Distanzen

              danke für deine Antwort. Du hast recht, die Kommunikation untereinander in früheren Zeiten sollte man nicht unterschätzen. auch Vitamin B. Außerdem war ja die Zeit um 1780 auch nicht mehr so rückständig. Wegschilder und Wege gab es sicherlich genug.


              VG
              Tom





              Zitat von Pommerellen Beitrag anzeigen
              Hallo,

              so eine Binnenwanderung ist ganz normal. Die Menschen zogen der Arbeit nach. Die Distanzen sind für uns ohne Bahn oder Auto manchmal nicht vorstellbar, doch sollte man die Connections der Leute untereinander nicht unterschätzen. Die Personen liefen ja nicht ins Blaue sondern hatten einen Plan oder eine gewisse Hoffnung. Vielleicht gab es schon jemanden der die Strecke gemacht hatte. Ein Obdach bei einem Bauer im Stroh und so war wohl auch ohne Geld oder mit einer Mithilfe zu bekommen. Den Weg erfragen. Ich glaube uns sind solche Fähigkeiten abhanden gekommen.

              Viele Grüße
              Toter Punkt Familienname Noll Reichenberg/Mömbris, Rückersbach, Oberafferbach zwischen 1700 und 1755.

              Geburt des Sohnes: Johann Georg Noll
              Reichenbach bei Mömbris
              Taufe 17. Juni 1755

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              • biba
                Benutzer
                • 23.07.2019
                • 96

                #8
                Und es gab durchaus Handelswege, mehr oder weniger gut ausgebaut. Hier ging die Handelsstraße Nürnberg - Leipzig durch. 80 % der Bevölkerung waren Tuchmacher, Gerber und Färber. Die Erzeugnisse musste ja in die großen Städte gebracht werden. Da ergab sich bestimmt auch eine Transportmöglichkeit .
                ___________________________
                Viele Grüße Birgit

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                • Balle
                  Erfahrener Benutzer
                  • 22.11.2017
                  • 2356

                  #9
                  Einer meiner Vorfahren war ein sogenannter Hollandgänger. Er wohnte am Ufer der Weser nördlich von Bremen. Im Frühjahr wanderte er nach Amsterdam um dort zu arbeiten. Es gab regelrechte Wanderrouten wo sich die Männer trafen um gemeinsam auf diesen Strecken an die Arbeitsplätze in der Heuernte oder anderen Tätigkeiten zu gelangen.
                  Für ihn war die einfache Strecke über 300 km weit und im Herbst ging es dann zurück ins heimische Moor.
                  Ich weiß nicht wieviele Jahre er das gemacht hat, er ist mit 44 Jahren während einer dieser Arbeitseinsätze im April 1784 in Amsterdam verstorben. So ist es im heimischen Kirchenbuch und in Amsterdam vermerkt.
                  Hollandgänger
                  Lieber Gruß
                  Manfred


                  Gesucht: Herkunft von Johann Christoph Bresel (Brösel, Prehel, Brahel),
                  ehem. Dragoner im Churfürstlich Sächsischem ehemaligen Herzog Churländischen Regiment Chevaux Legers in Zittau.
                  Eheschließung 1781 in Zittau

                  Kommentar

                  • Severus
                    Benutzer
                    • 14.11.2023
                    • 52

                    #10
                    Zitat von Light_speed Beitrag anzeigen
                    .
                    Dittwar und TBB in Tauberfranken sind für ihren Weinanbau bekannt, allerdings weiß ich nicht, wie relevant Weinbau um 1780 war.

                    Liebe Grüße
                    Tom
                    Hallo Tom,
                    die Vorfahren meiner Frau waren nicht ganz unbedeutende Weinhändler in Gerlachsheim (heute zu Lauda-Königshofen), keine 10 km von Dittwar. Das ganze 18. Jhd über florierte in dieser Gegend nicht nur der Weinanbau, sondern auch der Weinhandel. Die Vorfahren hatten Niederlassungen u.a. in Frankfurt, Würzburg und Augsburg. Entsprechend muss es auch Straßen und Wege gegeben haben. Die Gegend war zu dieser Zeit schon regional zersplittert (Kurmainz, Amt Würzburg), dennoch schien der Handel über die Grenzen hinweg mehr oder weniger unproblematisch. Erst nach der Neuordnung durch Napoleon und der neuen Zugehörigkeit 1806 zu Baden wurde der Handel massiv erschwert: die Gegend um TBB war nun äußerstes badisches Grenzgebiet und abgelegen. Die Verbindung nach Würzburg wurde gekappt. Das war einer der Hauptgründe, warum es dann mit dem Weinhandel massiv bergab ging...

                    Vielleicht ist ja dein Vorfahr über diese Handelsrouten nach TBB gekommen.

                    Viele Grüße
                    Ralf
                    Zuletzt geändert von Severus; 24.02.2024, 02:40.

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