Eheannulierung 1937

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  • heike_b
    Erfahrener Benutzer
    • 15.07.2007
    • 382

    Eheannulierung 1937

    Liebe Mitforscher,

    ich bin vor kurzem zum ersten Mal auf eine für nichtig erklärte Ehe gestoßen, auf deren möglichen Hintergrund ich mir keinen wirklichen Reim machen kann:

    Herr A heiratet im Herbst 1936 Frau B. Er ist "freireligiös", sie evangelisch. Sie heiraten sowohl standesamtlich als auch evangelisch. Ungewöhnlich: die Mütter der beiden sind bei der standesamtlichen Trauung die Trauzeugen. Im Herbst 1937 wird die Ehe für nichtig erklärt, was ich aus einem Randvermerk im standesamtlichen Heiratseintrag erfahren habe (der Kirchenbucheintrag enthält keinen Hinweis auf die Annulierung). Der Nichtigkeitsbeschluss ist weder in der Sammelakte noch in den Unterlagen des Landgerichts erhalten (diese haben laut Auskunft des Archivs größere Lücken wegen eines Bombentreffers). Die Meldekarten der beiden sind unvollständig (Grund unbekannt), es ist dadurch nicht zu klären, wie lange die beiden zusammen gelebt haben. Hinweise auf gemeinsame Kinder gibt es ebenfalls nicht auf den Meldekarten.

    Vorgeschichte: Herr A hatte 1926 eine Frau aus Holland geheiratet und hatte mit ihr zwei Kinder. Aus der Sammelakte zur zweiten Ehe geht hervor, dass die Ehe 1932 geschieden wurde, nachdem die Frau schon vor einiger Zeit mit dem einzigen noch lebenden Kind zu ihrer Mutter nach Holland zurückgekehrt war. Die Scheidung hatte die Frau beantragt, Begründung: Ehebruch des Mannes mit Frau C. Unklar ist, ob der Ehebruch vor oder nach ihrer Rückkehr nach Holland stattfand.

    In den 1950er Jahren hat Herr A noch einmal geheiratet, die Ehe endete mit dem Tod der Frau. Das Standesamt will mir keine Auskunft aus der Sammelakte zu dieser Ehe geben, obwohl beide Ehepartner seit mehr als 30 Jahren tot sind. Begründung: die Interessen des Ehemannes würden meine Interessen überwiegen, auch bezüglich möglicherweise darin enthaltenen Informationen zur Ehe mit Frau B. Erst wenn die Unterlagen in mehr als 10 Jahren ins Archiv gehen, darf ich Auskunft bekommen. (Wobei ich vermute, dass die Angaben zur zweiten Ehe wegen des Bombentreffers sowieso nur nach Auskunft von Herrn A aufgenommen worden sein dürften.)

    Ich habe keine Hinweise darauf, dass aus der dritten Ehe von Herrn A ein Kind hervorgegangen ist (die Sammelakte zu seinem Sterbeeintrag ist nicht mehr erhalten).

    Frau B hat 1940 erneut geheiratet, die Ehe endete mit dem Tod ihres Mannes in den 1990ern. Aus dieser Ehe gingen zwei Kinder hervor. Die Unterlagen zur Ehe wurden im Krieg zerstört.

    Welchen Reim würdet ihr euch darauf machen? Aus welchen Gründen kann die Ehe für nichtig erklärt worden sein? Und wie lange haben die beiden vermutlich zusammengelebt, sprich wie lang dauerte damals ein Verfahren zur Feststellung der Nichtigkeit einer Ehe?

    (Offensichtliche Verstöße gegen die "Nürnberger Gesetze" habe ich nicht gefunden. Allerdings hatten sowohl Herr A als auch Frau B jeweils einen unbekannten Großvater, und nicht alle Taufeinträge der Großeltern von Herrn A sind online verfügbar. Die Heiratsurkunde der Eltern von Herrn A mit Angaben zu den Großeltern ist aber in den Aufgebotsunterlagen enthalten. Zum unbekannten Großvater wurde jeweils in den Aufgebotsunterlagen versichert, er sei "deutschblütig" und "evangelisch" - wie auch immer man das bei einem unbekannten Großvater wissen will...)

    Vielen Dank,

    Heike
  • Silke Schieske
    Erfahrener Benutzer
    • 02.11.2009
    • 4400

    #2
    Halllo Heike.


    Die vorangegangene Ehe meines Urgroßvaters wurde aauch als nichtig erklärt. Komisch nur, das dieses erst 1Jahr nach der letzten Eheschließung geschah. Ich gehe mal davon aus, dass ihn seine vorangegangene Ehefrau betrogen haben könnte, ihm also ein Kind unterschummeln wollte.


    Bei deinem Herrn A. kann die Religion eine Rolle für die Nichtigerklärung ein Grund gewesen sein. Es war zwar noch kein Krieg aber Hitler war bereits an der Macht. Das kam zu dieser Zeit auch unter Berühmtheiten vor. Oder die Väter, Großväter des Brautpaares hatten jüdische Wurzeln.


    LG Silke
    Zuletzt geändert von Silke Schieske; 13.07.2020, 19:02.
    Wir haben alle was gemeinsam.
    Wir sind hier alle auf der Suche, können nicht hellsehen und müssen zwischendurch auch mal Essen und Schlafen.

    Kommentar

    • Kai M
      Erfahrener Benutzer
      • 06.07.2017
      • 232

      #3
      Hallo Heike,

      ich habe einen Fall, da wurde eine Ehe für nichtig erklärt, weil der Ehemann seiner Frau verschwiegen hatte, dass er ein uneheliches Kind hat für das er Unterhalt zahlt. Die Frau führte aus, dass sie die Ehe nicht eingegangen wäre, hätte sie dies gewusst.

      Viele Grüße
      Kai

      Kommentar

      • heike_b
        Erfahrener Benutzer
        • 15.07.2007
        • 382

        #4
        Vielen Dank Euch beiden für Eure Antworten!

        Wisst Ihr, wie lange bei Euren Eheannulierungen der Prozeß gedauert hat (von Antrag bis Urteil)? Und in welchem Jahr fanden Eure Eheannulierungen statt?

        Ich frage, weil ich am Überlegen bin, wie lange die beiden zusammen gelebt haben, und damit wie wahrscheinlich die beiden ein Kind bekommen haben, das nach der Annulierung möglicherweise zur Adoption freigegeben worden sein könnte. Diese Frage könnte die beiden späteren Kinder von Frau B sehr interessieren.

        Ich frage mich auch, ob die Tatsache, dass die Trauzeugen die Mütter der beiden waren (eine in derselben Stadt wohnend, die andere weit entfernt), irgendeine besondere Bedeutung hat. Könnte es ein Hinweis auf eine überstürzte Hochzeit sein, weil die Braut schwanger war? Ich hatte sonst noch nie Mütter als Trauzeugen gesehen.

        Ansonsten frage ich mich:

        1. Was könnten die beiden vor dem Staat verschwiegen haben?

        1.1. Jüdische Großeltern (nur relevant, falls insgesamt mindestens zwei jüdische Großelternteile)
        Frau B könnte höchstens einen jüdischen Großvater gehabt haben, und auch das ist unwahrscheinlich. Ihre Mutter war ein uneheliches Kind, der Vater ist nirgends angegeben. Und ohne Angabe keine Probleme - oder?
        Herr A hatte ebenfalls einen unbekannten unehelichen Großvater. Taufeinträge der restlichen Großeltern sind teilweise nicht online. Aber die Angaben in der Heiratsurkunde der Eltern von Herrn A deuten nicht auf irgendwelche jüdischen Großeltern hin. Zudem war Herr A von 1933 bis 1935 Mitglied der NSDAP (danach nicht mehr, weil keine Beiträge mehr bezahlt => "wegen Interesselosigkeit ausgeschlossen").
        Insgesamt also unwahrscheinlich.

        1.2. Erbkrankheit
        Frau B hat 1940 noch einmal geheiratet. Das hätte sie vermutlich nicht können, wenn ihre erste Ehe annuliert worden wäre, weil sie eine Erbkrankheit verschwiegen hätte.
        Herr A war später in der Wehrmacht. Das macht eine Erbkrankheit auch unwahrscheinlich.

        1.3. Was könnte sonst noch für den Staat so wichtig gewesen sein, dass er eine Annulierung der Ehe beantragt hätte?

        2. Was könnte Herr A vor Frau B verschwiegen haben?
        - Seine erste Ehe, dass sie geschieden wurde und dass er ein Kind aus dieser Ehe hat, hat er auf dem Fragebogen zum Aufgebot angegeben. Diesen Fragebogen musste auch Frau B unterschreiben, und hätte sich damit später nicht mehr auf Unwissen berufen können. Was ich nicht weiß ist, ob sie auch das in der Sammelakte enthaltene Scheidungsurteil zu Gesicht bekommen hat, sprich über den Scheidungsgrund richtig informiert war.
        - Auf dem Fragebogen zu seiner Entnazifizierung hat Herr A nur ein Kind angegeben (ohne Namensnennung). Ich sehe nicht, warum er dabei ein weiteres uneheliches Kind hätte verschweigen sollen. Natürlich ist es möglich, dass ein uneheliches Kind zwischen 1936 und 1945 gestorben ist, und deshalb nicht mehr erwähnt wurde (oder das eheliche Kind aus diesem Grund nicht mehr erwähnt wurde).
        - Was könnte er sonst verschwiegen haben?

        3. Was könnte Frau B vor Herrn A verschwiegen haben?
        Ich habe Frau B noch kennen gelernt, und ihrem Mann ein Kind unterzuschieben traue ich ihr eigentlich nicht zu.

        Dass Herr A "freireligiös" war, hat er angegeben, kann also eigentlich kein Problem gewesen sein.

        Weitere Ideen sind willkommen
        Zuletzt geändert von heike_b; 14.07.2020, 03:24.

        Kommentar

        • Kai M
          Erfahrener Benutzer
          • 06.07.2017
          • 232

          #5
          Hallo Heike,

          zu meinem genannten Fall:

          Die Eheschließung war am 20.01.1913.
          1914 wurde ein Kind der beiden geboren.
          Sie haben bis zum 04.02.1919 zusammen gelebt.
          Die ersten Gerichtstermine waren im Mai 1920.
          Am 30.10.1920 wurde das Urteil gesprochen.

          Wie kommst du darauf, dass der Staat die Ehe annullieren wollte? Das geschieht in der Regel auf Antrag eines Beteiligten. Der Staat würde sicher nur eingreifen, wenn die Ehe gar nicht hätte geschlossen werden dürfen. Z.B. wenn einer der Ehepartner noch rechtskräftig verheiratet war.

          So oder so können wir hier lange spekulieren. Ohne die Abschrift des Urteils, wirst du die genauen Gründe kaum in Erfahrung bringen können.

          Viele Grüße
          Kai

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          • heike_b
            Erfahrener Benutzer
            • 15.07.2007
            • 382

            #6
            Hallo Kai,

            vielen Dank für Deine Daten.

            Natürlich hast Du recht, dass nur eine Abschrift des Urteils wirkliche Gewissheit über die Gründe bringen würde. Weil ich die aber aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr bekomme, denke ich über mögliche und wahrscheinliche Gründe nach. Vielleicht komme ich so auf einen Gedanken, wo ich noch suchen könnte.

            Beispiel für einen solchen Grund: Die beiden hätten falsche Angaben über ihre Vorfahren machen können, um trotz der "Nürnberger Gesetze" heiraten zu können. Also suche ich selbst nach ihren Vorfahren. Stellt sich dabei heraus, dass sie nach den "Nürnberger Gesetzen" eigentlich nicht hätten heiraten dürfen, war das wahrscheinlich der Grund für die Annulierung ihrer Ehe. (Die bisherige Recherche hat allerdings ergeben, dass das nicht der Grund gewesen sein dürfte.)

            Weiteres Beispiel für einen solchen Grund: Herr A hätte (wie in Deinem Fall) ein uneheliches Kind vor Frau B verschweigen können. Also versuche ich herauszufinden, ob er ein uneheliches Kind hatte, das er beim Aufgebot verschwiegen hat. Wenn ich ein solches Kind finde, war das wahrscheinlich der Grund. (Er hat allerdings in seinem Entnazifizierungsfragebogen angegeben, nur ein Kind zu haben. Meiner Meinung nach hätte er hier keinen Grund gehabt, ein uneheliches Kind zu verschweigen.)

            Ich weiß natürlich nicht, ob mich das weiterbringt.

            Ideen Eurerseits, auch zu den Müttern als Trauzeugen, weiter sehr willkommen

            Viele Grüße,

            Heike

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