Armut im Alter?

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  • MarthaLU
    Erfahrener Benutzer
    • 13.02.2013
    • 509

    Armut im Alter?

    Hallo,
    Ich habe gerade mit einem Thema zu tun, das ganz banal erscheint, aber ich bin doch leider ahnungslos. Wie haben alte Menschen früher gelebt, als es noch keine Rente gab ? Konkret geht es hier um einen Vorfahren, der 1887 in Weimar starb im Alter von 82 Jahren. Bismarck führte die Rente erst 1889 ein.

    Ich würde gern wissen, wie die Leute damals durchkamen. In der Regel, so vermute ich, waren die Kinder verantwortlich? Aber wenn keine da waren, in diesem Fall gab es nur einen Sohn, der früh in Kriegsdiensten umgekommen war? Vielleicht bin ich einfach naiv, aber bisher hatte ich nicht gedacht, man wäre in Deutschland damals noch verhungert? Oder Armenhaus? Wobei ich in diesem Fall weiß, der Mann war verheiratet, und sie lebten durchaus nicht so ärmlich. Kann ich daraus schließen, er hat irgendwie selber Geld verdient bis zum Lebensende?



    Wäre gespannt, ob jemand etwas berichten kann.



    Herzlichen Dank!
  • consanguineus
    Erfahrener Benutzer
    • 15.05.2018
    • 5533

    #2
    Hallo MarthaLU,

    eine Vorfahrin, ihr Mann war Tischlermeister in einem brandenburgischen Dorf und starb bereits mit Anfang 60, lebte von Almosen und aus irgendeiner im Dorf organisierten Armenkasse. Sie starb schließlich in der Wohnung ihrer Tochter in Berlin, die vermutlich zuletzt für sie aufkam. Das war im 19. Jahrhundert.

    Viele Grüße
    consanguineus
    Suche:

    Joh. Christian KROHNFUSS, Jäger, * um 1790
    Carl KRÜGER, Amtmann in Bredenfelde, * um 1700
    Georg Melchior SUDHOFF, Pächter in Calvörde, * um 1680
    Ludolph ZUR MÜHLEN, Kaufmann in Bielefeld, * um 1650
    Dorothea v. NETTELHORST a. d. H. Kapsehden, * um 1600
    Thomas SCHÜTZE, Bürgermeister in Wernigerode 1561

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    • susanth051062
      Erfahrener Benutzer
      • 23.04.2019
      • 147

      #3
      Hallo MarthaLu,
      Auf der Suche nach meinen Ahnen begegnen unterschiedliche Lebensformen. Manche lebten auf den Höfen der Kinder.
      Leider gab es auch den Fall, dass eine Witwe so verarmte, dass sie einige Jahre später im örtlichen Armenhaus starb.
      Gruß
      Susan
      suche

      Friedrichs, Hans Hinrich, geb. 1671 in Rotenkirchen
      Hassepass, Friedrich Ernst, gest. vor 1731 in Wispenstein
      Schade Georg, Kutscher, gest. vor 1824 in Friedrichsaue

      Kommentar

      • Araminta
        Erfahrener Benutzer
        • 12.11.2016
        • 599

        #4
        Das war der Grund weshalb zwischen Tod des Gatten oder Gattin und des neuen Partners oft nur wenige Monate lagen. Oder weshalb "Kinderlosigkeit" als Scheidungsgrund bei den Protestanten offenbar eine Möglichkeit war.
        Bismarcks Rente galt oder gilt ja nur für Angestellte, dass heißt selbständige Bauern und besonders ihre Ehefrauen haben nie etwas eingezahlt und bekamen auch nichts oder nur sehr wenig. Also mussten sie auch nach 1890 und eigentlich bis heute auf ihre Kinder hoffen. Denn welcher selbständiger Bauer oder sonstiger Handwerker hat in den 50ger Jahren seine Frau als Mitarbeiterin eintragen lassen?
        Meine Omas und auch Uromas haben alle von Witwenrente gelebt und natürlich von den Kindern.

        Vor Bismarck gab es sogenannte Armenhäuser. Dort herrschten aller schlimmste Zustände.

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        • consanguineus
          Erfahrener Benutzer
          • 15.05.2018
          • 5533

          #5
          Zitat von Araminta Beitrag anzeigen
          selbständige Bauern und besonders ihre Ehefrauen haben nie etwas eingezahlt und bekamen auch nichts oder nur sehr wenig. Also mussten sie auch nach 1890 und eigentlich bis heute auf ihre Kinder hoffen.
          Das verstehe ich nicht. Wieso müssen Bauern auf ihre Kinder hoffen? Wenn sie keine Kinder haben und den Hof im Alter verpachten, dann haben sie doch viel mehr im Portemonnaie als bei einer Schenkung zu Lebzeiten, bei der das Altenteil deutlich unter der ortsüblichen Pacht liegen muß. Und wenn keine Kinder da sind, dann ist man ohnehin niemandem Rechenschaft schuldig und kann den Hof verkaufen. Dann hat man wirklich keine finanziellen Sorgen mehr. Vom rein finanziellen Standpunkt gesehen, aus Sicht der Alten, ist eine Hofübergabe an ein Kind die finanziell weitaus ungünstigste Lösung.

          Viele Grüße
          consanguineus
          Suche:

          Joh. Christian KROHNFUSS, Jäger, * um 1790
          Carl KRÜGER, Amtmann in Bredenfelde, * um 1700
          Georg Melchior SUDHOFF, Pächter in Calvörde, * um 1680
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          • Araminta
            Erfahrener Benutzer
            • 12.11.2016
            • 599

            #6
            Interessanter Standpunkt.
            Spontan würde ich sagen, ja aber ich habe eher auf die Frauen angespielt, die zwar viel gearbeitet haben aber nie in das Rentensystem eingezahlt haben.
            Ich muss noch darüber nachdenken aber spontan würde ich sagen, dass das Lebenswerk nicht zerstört werden soll und nicht jeder ein kleiner Großkapitalist ist.
            Oder meinst du, wenn der Bauer seinen Grund verkaufen würde?
            Dann hat er zwar Geld aber wer kümmert sich um ihn? Das Problem der schlechten Pflege gab es schon früher.
            Habe ich dich richtig verstanden?

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            • consanguineus
              Erfahrener Benutzer
              • 15.05.2018
              • 5533

              #7
              Hallo Araminta,

              also, zunächst einmal ist die Ehefrau erbberechtigt. Wenn ein Kind den Hof übernehmen möchte, dann verzichtet sie auf ihren Erbteil und der Überlasser läßt sich und, falls er vorverstirbt, seiner Ehefrau ein Altenteil an ranghöchster Stelle im Grundbuch eintragen. So einfach ist das. Nicht erst seit heute.

              Zum Thema "Lebenswerk": selten ist ein Hof das Lebenswerk eines Landwirtsehepaars. Sie haben den Hof ja auch mal geerbt. Allerhöchstens ist der Zuwachs das Lebenswerk. Und wenn keine Kinder da sind, dann stellt sich doch die Frage, ob man wirklich diesen Hof für den eventuellen Preis der Altersarmut einer fremden Person übergeben muß. Das meine ich, wenn ich sage, die Hofeigentümer sind bei Kinderlosigkeit niemandem verpflichtet. Bevor ich da Hunger leide, verkaufe ich den Kotten lieber. Für Geld kümmert sich gerne jemand um einen.

              Von "Großkapitalist" war auch keine Rede. Nehmen wir mal an, der Hof hat 10 ha Eigenland, was wirklich wenig ist. Und nehmen wir weiterhin an, diese 10 ha werden verkauft. Dann kann man damit schon eine Weile klarkommen. Konnte man früher übrigens auch. Ganz früher allerdings, vor der Allodifizierung, also etwa vor Anfang bis Mitte des 19. Jahrhunderts, war es mit dem Verkauf etwas schwierig.

              Viele Grüße
              consanguineus
              Suche:

              Joh. Christian KROHNFUSS, Jäger, * um 1790
              Carl KRÜGER, Amtmann in Bredenfelde, * um 1700
              Georg Melchior SUDHOFF, Pächter in Calvörde, * um 1680
              Ludolph ZUR MÜHLEN, Kaufmann in Bielefeld, * um 1650
              Dorothea v. NETTELHORST a. d. H. Kapsehden, * um 1600
              Thomas SCHÜTZE, Bürgermeister in Wernigerode 1561

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              • susanth051062
                Erfahrener Benutzer
                • 23.04.2019
                • 147

                #8
                Ich könnte mir vorstellen, dass es schwierig für Frauen war, das Land ohne Mann zu bewirtschaften. Im Bereich Neustadt am Rbg sind im 17. und 18. Jahrhundert viele Höfe als „verwüstet“ bezeichnet. Häufig fehlten hier die Männer bei der Zählung. Die Frauen versuchten irgendwie den Hof weiter zu bewirtschaften. Ohne erwachsene Söhne oder Knechte ein Problem.
                Also war eine schnelle Wiederheirat der Frau oft der einzige Ausweg. Bei den verwitweten Männern war es wohl eher das Problem der Kinderversorgung und Hausarbeit, die zur schnellen Wiederheirat führte.
                Im Alter lebten viele als Altmutter oder Altvater auf den Höfen bei den Kindern. Wer das nicht hatte und kein eigenes Land besaß, fiel durch alle Raster und war auf Almosen und einen Platz im Armenhaus angewiesen. Wie es dort ausgesehen haben muss will ich mir gar nicht vorstellen.
                suche

                Friedrichs, Hans Hinrich, geb. 1671 in Rotenkirchen
                Hassepass, Friedrich Ernst, gest. vor 1731 in Wispenstein
                Schade Georg, Kutscher, gest. vor 1824 in Friedrichsaue

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                • schulkindel
                  Erfahrener Benutzer
                  • 28.02.2018
                  • 872

                  #9
                  Armenhaus bzw. Armenkaten

                  Wie es dort ausgesehen haben muss will ich mir gar nicht vorstellen.
                  Nach dem Buch von Ehm Welk Die Heiden von Kummerow gibt es eine köstliche Verfilmung aus den 1960er Jahren. Ich sehe den Film immer wieder gern, meistens kommt er Ostern oder Weihnachten nachmittags im Fernsehen. Das Buch habe ich auch gelesen.

                  Die Handlung spielt etwa um 1900.
                  Das Armenhaus ist hier thematisiert.
                  Martin Grambauer ist mit Johannes aus dem Armenhaus befreundet.
                  Johannes, seine ledige Mutter und deren Vater, dem trinkfreudigen Nachtwächter des Dorfes, leben im Armenhaus in einem Zimmer..


                  Im Census Mecklenburg Schwerin 1867
                  stieß ich auf eine Haushaltsliste in einem mecklenburgischen Dorf mit der Bezeichnung des Hauses als „Armenkaten“. Traurig!

                  Renate

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                  • schulkindel
                    Erfahrener Benutzer
                    • 28.02.2018
                    • 872

                    #10
                    Armenhaus bzw. Armenkaten

                    Ich habe ergänzend dazu noch etwas gefunden.

                    Auf der Seite des Freilichtmuseum für Volkskunde Schwerin-Mueß
                    Alte Crivitzer Landstraße 13, 19063 Schwerin
                    findet sich dazu folgendes:

                    Hirtenkaten

                    Unmittelbar am Dorfanger befindet sich der im Kern aus dem 18. Jahrhundert stammende Hirtenkaten. Das rohrgedeckte Fachwerkgebäude besitzt keinen Schornstein. Es bot zwei Angehörigen der Dorfarmut – dem Kuh- und dem Schweinehirten – mit ihren Familien in je zwei kleinen, mit Lehmfußboden versehenen Räumen Unterkunft. Jeder Familie stand auf der Diele ein offener Herd zur Verfügung.

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                    • LutzM
                      Erfahrener Benutzer
                      • 22.02.2019
                      • 3028

                      #11
                      Zitat von schulkindel Beitrag anzeigen
                      Martin Grambauer ist mit Johannes aus dem Armenhaus befreundet.
                      OT: Der Junge der den Johannes Bärensprung gespielt hat, ist mein Kumpel und wohnt ein paar Häuser weiter.
                      Lieben Gruß

                      Lutz

                      --------------
                      mein Stammbaum
                      suche Eising * um 1880 aus/bei Creuzburg/Ostpreußen, sowie (August & Hellmut) Wegner und (Friederike) Lampe * um 1840 aus/bei Kleinzerlang/Prignitz

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                      • Matthias Möser
                        Erfahrener Benutzer
                        • 14.08.2011
                        • 2264

                        #12
                        Der Titel des Themas könnte auch sehr gut unsere heutige Zeit passen, ich sage nur "Altersarmut" in Deutschland trotz jahrelangem Malochen (mehr wie 40 Jahre) und späteres Abfallen auf Hartz-4 - Niveau oder klägliche Rente, trauriges Kapitel mit all den Bemühungen des Staates die Leute in guten Zeiten in Arbeit zu kriegen. Habe heute gelesen, daß seit der Einführung von Hartz 4 vor 15 Jahren mehr als 500.000 Personen dauerhaft diese Stütze beziehen, in Ost mehr wie West, Tendenz steigend...jahrelang wird diese Problematik vor sich hergeschoben....


                        Gruß
                        Matthias
                        Suche nach:
                        Gernoth in Adelnau, Krotoschin, Sulmierschütz (Posen)
                        und Neumittelwalde/Kruppa (Schlesien)
                        Spaer/Speer in Maliers, Peisterwitz, Festenberg, Gräditz u. Schweidnitz (Schlesien)
                        Benke in Reichenbach, Dreissighuben, Breslau (Schlesien)
                        Aust in Ernsdorf, Peterswaldau, Bebiolka in Langenbielau (Schlesien)
                        Burkhardt in Nieder-Peterswaldau (Schlesien)
                        Schmidt in Nesselwitz u. Wirschkowitz im Kreis Militsch (Schlesien)

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                        • knauth
                          Erfahrener Benutzer
                          • 10.09.2012
                          • 296

                          #13
                          Hier habe ich auch noch ein Beispiel aus einem sterbeeintrag von 1760 zur Altersarmut:

                          "...des Marktmeisters nachgelaßene Wittwe eine arme alte Frau von 68 Jahren, die von Allmosen gelebet, aber solche zum saufen größtenteils genießbrauchet u. dadurch ein anstößig Leben geführt"

                          Aber in der Regel war es in den Dörfern so, dass ein Bauer, der seinen Hof nicht mehr bewirtschaften konnte, diesen an einen Sohn oder Schwiegersohn weiter gab. Er und seine Frau lebten dann weiter auf dem Hof und wurden mit versorgt. Meist wird der Bauer dann als „Auszügler“ oder „alter Gutsbesitzer“ genannt, wobei es immer regionale Unterschiede in den Bezeichnungen gibt.
                          Die Versorgungsleistung wurde meist auch im einzelnen geregelt.
                          Es gab nicht einfach eine Schenkung an die nächste Generation. Oft wurde vertraglich in einem Erbkauf geregelt, wie die anderen Geschwister ausgezahlt werden und was die Eltern, oder ein verbliebener Elternteil zur Versorgung zusteht.

                          Im Grunde bildete der Besitz immer die Absicherung des Alters. Und natürlich auch die Kinder sicherten die Versorgung der Eltern.

                          In den Städten wurde es ähnlich gehalten. Hier ist dann das Haus und das Gewerbe weitergegeben worden, wenn man selbst nicht mehr weiter wirtschaften konnte.

                          Wenn ein Partner starb, findet man auch im höheren Alter des Verblieben eine zweite oder dritte Ehe. Dies diente auch zur gegenseitigen Versorgung und Pflege im Alter.

                          Ein seltenes Beispiel sind hinterbliebene Frauen im „gutsituierten“ Bürgertum aber auch im vermögenden Bauernstand, die nicht wieder heirateten. Weil ihre Versorgung gesichert war. Dies sind dann die seltenen Fälle, in denen Frauen schon vor vielen hundert Jahren als Witwe ein sehr unabhängiges Leben führen konnten und auch einem Haushalt vorstanden. Nur für einzelne Amtsakte (z.B. Güterkauf/-verkauf) brauchten sie noch einen männlichen Vormund.

                          Aber natürlich finden sich in der Vergangenheit unzählige Fälle von bitterer Armut im Alter (und nicht nur da).

                          Viele Grüße
                          Christian

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                          • OlliL
                            Erfahrener Benutzer
                            • 11.02.2017
                            • 4598

                            #14
                            Moin

                            Von 1939 - Überlassungsvertrag des Erbhofes der Urgroßeltern meiner Frau an einen ihrer Söhne. Kreus Kreuzburg, Schlesien:


                            1.JPG
                            2.JPG


                            Viele Grüße,
                            OlliL
                            Mein Ortsfamilienbuch Güstow, Kr. Randow: https://ofb.genealogy.net/guestow/
                            Website zum Familienname Vollus: http://www.familie-vollus.de/

                            Kommentar

                            • Lock
                              Erfahrener Benutzer
                              • 07.04.2016
                              • 452

                              #15
                              Guten Morgen
                              @Ollil
                              das ist interessant, würde mich glatt interessieren ob so eine detaillierte Vereinbarung üblich war oder einen Einzelfall darstellt.

                              Ich hab ein ähnliches Dokument wo eine Erbschaft und damit die Versorgung geregelt wurde.
                              @consanguineus die Frau ist nicht immer die Haupterbberechtigte.

                              Es dreht sich hier um Erträge einer Salzsiedehütte in Halle/Saale

                              Der Erblasser ist der verstorbene Bürgermeister (in Seelow)
                              Die Frau Collins, die Henriette und der August sind die Kinder

                              v.G. Gerhardt
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