Wie rekonstruiere ich das Leben einer Frau von 1938 bis 1945?

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  • jens12
    Erfahrener Benutzer
    • 03.03.2009
    • 110

    Wie rekonstruiere ich das Leben einer Frau von 1938 bis 1945?

    Hallo,

    mein Titel ist genau meine Frage.

    Die Frau ist meine Großmutter, die ich als kleines Kind nur wenige Male gesehen habe und die 'verrückt' gewesen sein soll.

    Ich habe sämtliche Urkunden, also Geburts- (1916), Ehe- (1938) und Sterbeurkunde (1993). Nur leider ergibt sich daraus keinerlei persönliches Bild.

    Eine Anfrage bei der WAST gab eine Nullauskunft zu der Frau.

    Gelebt hat sie in einem Arbeiterhaushalt in der Nähe von Hamburg. Wahrscheinlich ohne richtige Berufsausbildung als Hausfrau/einfache Beschäftigte.

    Wie kann ich etwas zu ihrem persönlichen Leben herausfinden? Ich würde gern nachvollziehen, was für ein Mensch sie gewesen ist und warum sie in letzten Drittel ihres Lebens 'verrückt' gewesen sein soll. Gestorben ist sie 1993, aus der Todesurkunde geht leider nicht hervor woran und ob es in der Psychiatrie gewesen ist.

    Hat die Frau eines Arbeiters in den 1930er Jahren im Durchschnitt auch gearbeitet? Oder war sie dadurch prinzipiell Hausfrau? Ich würde zunächst versuchen über den Beruf an weitere Informationen zu kommen, wenn es denn einen Beruf gegeben hat.

    Wie würde ich weiter vorgehen, wenn ich nicht einen Ahnenforscher gegen viel Geld ins Blaue hinein forschen lassen will?
  • Siwit
    Benutzer
    • 11.10.2011
    • 90

    #2
    Hallo Jens12,
    hast Du schon nachgefragt, ob es eine Beiakte zur Sterbeurkunde gibt?
    Eventuell sind dort weitere Unterlagen, wie z.B. ein Totenschein, enthalten, aus dem mehr hervorgeht.
    Forschungsgebiete:
    Ostpreußen, Kreis Niederung - Tawe und Hohenberge
    Namen - Wittke und Brauer
    Oberschlesien, Kreis Kreuzburg, Kreis Namslau, Kreis Oppeln, Kreis Rosenberg - Bischdorf, Bodland, (Neu-, Alt- )Budkowitz, Dammer, Jakobsdorf, Laskowitz, Nassadel, Schollendorf, Skalung, Wierschy, (Neu-, Alt)Wundschütz
    Namen - Borth, Gatzmanga, Klimek, Miosga, Molek, Poka, Putzalla, Skzypek, Smyrek, Spahn, Werner, Zielonka

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    • Claqueur
      Erfahrener Benutzer
      • 03.12.2010
      • 522

      #3
      Hallo Jens,

      ich bin bei der Schwester (1902-1945) meines Großvaters über den Friedhof fündig geworden. Das Grab gab es schon lange nicht mehr, aber in den Friedhofsunterlagen fand sich, wo sie verstorben war. Das war zuvor aus keinerlei Urkunden oder Unterlagen ersichtlich.

      Also kontaktierte ich daraufhin die Einrichtung (krankenhausähnlich) und siehe da: ich bekam die Aufenthaltszeiten, den Einlieferungsgrund, die Todesursache, die Überstellung an den Friedhof usw. usf.

      Vielleicht kommst Du über die Friedhofsverwaltung weiter.
      Viel Glück,
      Martina

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      • Grapelli
        Erfahrener Benutzer
        • 12.04.2011
        • 2223

        #4
        Zitat von jens12 Beitrag anzeigen
        Wie kann ich etwas zu ihrem persönlichen Leben herausfinden? Ich würde gern nachvollziehen, was für ein Mensch sie gewesen ist und warum sie in letzten Drittel ihres Lebens 'verrückt' gewesen sein soll.
        Ich würde nach Leuten suchen, die sie gekannt haben. Urkunden und administrative Unterlagen geben über deine Fragen doch im Allgemeinen keine Auskunft - selbst wenn man welche findet.
        Herzliche Grße
        Grapelli

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        • DerChemser
          Erfahrener Benutzer
          • 24.07.2013
          • 1823

          #5
          Wie gesagt, wenn du die Vermutung hast, mit Psychatrie oder ähnlichem, dann kontaktiere doch das Institut was es am Sterbeort möglicherweise gibt.
          Die Heben Ihre Unterlagen in der Regel 30 Jahre auf (Die Erfahrung habe ich mit Krankenhäusern gemacht, kann aber je nach Größe der Einrichtung auch abweichen).

          Viele Grüße
          Tom
          Sachsen: BRENNER DÖHLER FREUDENBERG GUTSCHE HENZSCHEL KRAMER PETRICH PINKAU RICHTER WÄCHTLER
          Böhmen: DIESL EICHLER FISCHER HALLO/HOLLA/HÖLLE PSCHERA WÜNSCH
          Thüringen: DASSLER FUNK THON
          Schlesien: ARLT HERZOG KNOBLICH LINKE NISSEL SCHLAUSCH WAGNER WOINECK
          Pommern: BRANDT RIEGMANN SCHÜNEMANN STEINERT WEGNER WITTIG
          Ostpreußen: GIESE/GIESA MARKLEIN NETT/NETH/NÄTH SEMLING
          Neumark: GRUNZKE
          Meck-Pomm: BEIER SCHÜNEMANN STEINERT
          Brandenburg: HOLZ RICHTER
          Bayern: BESENECKER GEIGER REISS/RIES

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          • zimba123
            Erfahrener Benutzer
            • 01.02.2011
            • 735

            #6
            Hallo Jens,
            Zitat von jens12 Beitrag anzeigen
            und warum sie in letzten Drittel ihres Lebens 'verrückt' gewesen sein soll
            Bei dieser Aussage musste ich spontan an eine Nachbarin denken, der ich als 10 bis 12-jähriges Mädchen monatlich ein 'Kirchenblättchen' überbringen musste. Beim ersten Mal hielt sie mir z. B. einen 45-minütigen Vortrag, warum ich als Mädchen auch im Sommer meine Schultern und Arme zu bedecken hätte (ich hatte ein T-Shirt an). Mein Mutter erzählte dann, dass diese Frau erst während der Wechseljahre so geworden ist und bis dahin ganz normal gewesen war.

            Möglich wäre auch ein Fall von Schizophrenie, welche durch ein individuell und subjektiv sehr belastendes (traumatisches) Ereignis ausgelöst worden sein könnte.

            Also, ich würde auch im Umfeld Deiner Großmutter recherchieren (Scheidung, Tod von Ehemann, Kindern usw.). Und wie Grapelli schon schrieb: Vielleicht hast Du die Möglichkeit, ehemalige Nachbarn aufzusuchen und von ihnen mehr zu erfahren.

            Viele Grüße
            Simone
            Viele Grüße
            Simone

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            • uwe-tbb
              Erfahrener Benutzer
              • 06.07.2010
              • 2645

              #7
              Hallo Jens12,

              die Anfrage bei der WAST verwirrt mich etwas. War Deine Großmutter bei einer Einrichtung der Wehrmacht? Macht ja eigentlich sonst keinen Sinn dort eine Anfrage über Personen aus dieser Zeit zu stellen.

              Ein persönliches Bild zu einer Person kann man sich am Besten über noch lebende Verwandte machen. Die Verwandten können etwas über den Lebensweg erzählen. In den Akten befinden sich nur Fakten zu einer Person.

              Daten zu den Eltern der Oma usw. findest Du in den Standesämtern und davor in den Kirchenbüchern. Das kann man auch alles selbst herausfinden und dazu braucht es keine teuren gewerblichen Forscher. Meine ersten Quellen bei der Familienforschung waren die Verwandten - dabei kommen sehr viele Daten und Infomationen über die Familie zusammen. Fotos sagen auch viel aus.

              Eine gute Informationsquelle sind auch die alten Meldebücher und Meldekarten der Einwohnermeldeämter - diese Erfahrung habe ich auch schon gemacht.

              Viele Grüße

              Uwe
              Zuletzt geändert von uwe-tbb; 06.02.2015, 11:22.

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              • Forschi
                Erfahrener Benutzer
                • 06.03.2011
                • 527

                #8
                Hallo Jens,

                ich würde die nicht belegte Aussage, deine Großmutter wäre "verrückt" gewesen, vielleicht ein wenig anders bewerten. Die Generation Frauen, die als Erwachsene den Krieg erlebten, rutschten automatisch in eine andere gesellschaftliche Position. Sie mussten in den letzten Kriegsjahren vielfach die Männer ersetzen. Deren Arbeit und Entscheidungskraft und Versorgerrolle und mit alledem hatten sie zuvor ja nichts zu tun. Nach dem Krieg sollte dann plötzlich wieder alles auf Null zurückgestellt werden. Das alte Rollenverhältnis wieder gelten. Für viele Frauen war das nicht einfach so selbstverständlich und leicht. Sie blieben unangepasst und somit schwierig, besonders für ihr Umfeld und ihre Familie. Da kam schon leicht mal der Satz: Die ist doch verrückt!
                Von dieser Art "Verrückten" gab es in den 60ern in meinem Umfeld auch einige.
                LG Forschi

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                • Gertrud Dinse
                  Erfahrener Benutzer
                  • 09.02.2013
                  • 981

                  #9
                  Sterbefall 1993- du kannst versuchen, ob die umliegenden einschlägigen Krankenhäuser nachforschen. Vielleicht hast du ähnliches Glück wie ich. Bei mir fand sich eine Krankenakte von 1917 (1919 verstorben). Dort erfuhr man nicht nur was über die Erkrankung sondern viel über das persönliche Umfeld. Besonders im psychiatrischen Bereich wird auch eine Sozialanamnese erhoben.

                  Frag deinen Hausarzt, ob er dir ggf. behilflich sein kann.

                  LG Gertrud

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                  • Oberhessin
                    Erfahrener Benutzer
                    • 14.02.2011
                    • 106

                    #10
                    1938-1945

                    Hallo Jens,

                    da hast Du ein brisantes Thema angerissen. Auf Grund meiner eigenen Forschungen, was den erwähnten Zeitraum anbelangt, konnte ich zwar einiges an Daten aus alten Kirchenbüchern etc. zusammentragen. Aber das war nicht der Punkt. Über die offenbar sehr traumatischen Lebensumstände meiner Vorfahrin in diesem Zeitraum konnte ich trotz intensiver Bemühungen nichts mehr finden. Da sie als Deutsche, in einem ehemaligen deutschen Siedlungsgebiet, von dort in ein Lager deportiert und bis 1950 gefangen gehalten wurde,habe ich auch über WAST und DRK und kirchlichen Suchdienst versucht Näheres zu erfahren. Aber es gab keine Unterlagen. Zu Lebzeiten (Tod 1973) erhielt ich von meiner Ahnin zu dieser Zeit ebenfalls keinerlei Auskünfte.

                    Ich denke, dass diese ganze Zeit furchtbare Auswirkungen auf die Menschen hatte und sie deswegen von Denen, die dies nicht wußten oder erlebt hatten, schnell als "verrückt" eingestuft wurden.

                    Mein Beitrag passt jetzt vielleicht nicht so ganz zu unserer Ahnenforschung, aber ich dachte, ich erzähl das einfach mal so.

                    Viele Grüße Oberhessin
                    Zuletzt geändert von Oberhessin; 06.02.2015, 14:23. Grund: Korrektur

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                    • Asphaltblume
                      Erfahrener Benutzer
                      • 04.09.2012
                      • 1500

                      #11
                      Ob sie in der Psychiatrie gestorben ist - du hast die Sterbeurkunde/eine Kopie des Sterbeeintrags: Dort findest du die genaue Adresse, wo sie gestorben ist, ggf. also ein Krankenhaus o. ä.

                      Eine Arbeiterfrau hat in den 1930er Jahren vermutlich auch gegen Geld gearbeitet, jedenfalls war das in meiner entsprechenden Verwandtschaft der Fall. Es gab Frauen, auch verheiratete Frauen, die in Fabriken, z. B. bei Siemens, arbeiteten. Andere gingen putzen oder halfen bei der Wäsche (Waschtag war Schwerstarbeit ohne Waschmaschine!) aus, übernahmen Näharbeiten, besorgten Botengänge und ähnliches. Von großen, noch bestehenden Firmen wie Siemens gibt es möglicherweise noch Personalakten, Betriebszeitungen und andere Unterlagen, über die Gelegenheitsarbeiterinnen im privaten Bereich existieren aller Wahrscheinlichkeit nach keine Unterlagen. Was steht denn als Stand/Beschäftigung in ihrem Heiratseintrag? Vielleicht hat sie ähnliches weiterhin gemacht.
                      Bei einem noch nicht so lange zurückliegenden Todesfall würde ich aber auch die Suche nach und Befragung von Nachbarn und Angehörigen für besonders vielversprechend halten.
                      Gruß Asphaltblume

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                      • jens12
                        Erfahrener Benutzer
                        • 03.03.2009
                        • 110

                        #12
                        Ich beschäftige mich schon seit sechs (!) Jahren mit der Sache.

                        Das alles habe ich unternommen:

                        1. Anfrage DRK, WAST (Reichsarbeitsdienst?) kirchlicher Suchdienst: keine Daten.

                        2. Sammelakte (Beiakte) von Standesamt angefordert: "Geben wir nicht heraus, Ihnen bleibt lediglich die Herausgabe mittels 'Anweisung durch ein Gericht' nach PStG". Klage vor dem Familiengericht Hamburg, Richter zitiert im Beschluss meine Argumentation. Sammel-"Akte" erhalten: zwei nutzlose Seiten ohne jede persönliche Information bis auf Meldung des Totesfalls an die Bezirksregierung zwecks "Erfassung" und Ausschluss Fremdverursachung des Todes. Von dort Akte angefordert: Nur zehn Jahre aufbewahrt, Akte schon vernichtet.

                        3. Über ancestry.com alle Bewohner der letzten bekannten Adresse von 1993 mittels Telefonbucheinträgen herausgesucht. ALLE Bewohner mittels Anschriftenkarte prüfen lassen. Diejenigen die nach zwanzig Jahren immer noch dort wohnten mit persönlichem, handschriftlichen Brief angeschrieben und nach Erinnerungen/Fotos gefragt. Nach zwei Wochen nochmal höflich angeschrieben: nie eine Antwort erhalten.

                        4. Auf der Sterbeurkunde steht das Krankenhaus: angeschrieben, Akte ist vorhanden. Aber nur Erben erhalten Kopie, ich habe keinen Erbschein: zwei Stunden von Fachanwältin für Medizinrecht beraten lassen: im Grunde keine Chance auf Erfolg bei Klage auf Akteneinsicht.

                        5. Auf Sterbeurkunde steht ebenfalls letzte Tätigkeit: "Postarbeiterin". Post Hamburg angeschrieben, verweist auf Post-Personalarchiv in Nürnberg. Archiv Nürnberg: keine Unterlagen.


                        Habe ich noch irgeneinen konventionellen Weg nicht beachtet?

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                        • jens12
                          Erfahrener Benutzer
                          • 03.03.2009
                          • 110

                          #13
                          Zitat von Forschi Beitrag anzeigen
                          Hallo Jens,

                          ich würde die nicht belegte Aussage, deine Großmutter wäre "verrückt" gewesen, vielleicht ein wenig anders bewerten. Die Generation Frauen, die als Erwachsene den Krieg erlebten, rutschten automatisch in eine andere gesellschaftliche Position. Sie mussten in den letzten Kriegsjahren vielfach die Männer ersetzen. Deren Arbeit und Entscheidungskraft und Versorgerrolle und mit alledem hatten sie zuvor ja nichts zu tun. Nach dem Krieg sollte dann plötzlich wieder alles auf Null zurückgestellt werden. Das alte Rollenverhältnis wieder gelten. Für viele Frauen war das nicht einfach so selbstverständlich und leicht. Sie blieben unangepasst und somit schwierig, besonders für ihr Umfeld und ihre Familie. Da kam schon leicht mal der Satz: Die ist doch verrückt!
                          Von dieser Art "Verrückten" gab es in den 60ern in meinem Umfeld auch einige.
                          Vielleicht trifft diese soziale Interpretation die Sache mehr auf den Kopf als alle anderen Quellen es je können.
                          Zuletzt geändert von jens12; 15.04.2015, 23:47.

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                          • Rieke
                            Erfahrener Benutzer
                            • 13.02.2012
                            • 1285

                            #14
                            Zitat von jens12 Beitrag anzeigen
                            Ich beschäftige mich schon seit sechs (!) Jahren mit der Sache.

                            ...
                            4. Auf der Sterbeurkunde steht das Krankenhaus: angeschrieben, Akte ist vorhanden. Aber nur Erben erhalten Kopie, ich habe keinen Erbschein: zwei Stunden von Fachanwältin für Medizinrecht beraten lassen: im Grunde keine Chance auf Erfolg bei Klage auf Akteneinsicht.
                            Hallo Jens,

                            Handelt es sich da um ein Allgemeinkrankenhaus oder um ein sogenanntes Landeskrankenhaus fuer seelisch Erkrankte?

                            Wer waren denn die Erben Deiner Grossmutter? Besteht da nicht eine Moeglichkeit, dass diese die Akte einsehen koennen?
                            Koenntest Du selber in Person bei der Archivabteilung des Krankenhauses vorsprechen? Manchmal hat man ja Glueck und findet einen Mitarbeiter, der zuhoert, versteht und vielleicht wenigstens bereit ist, fuer Dich die Akte einzusehen und Dir muendlich Auskunft zu geben.

                            Noch etwas; unter "verrueckt" koennte man auch eine schwere klinische Depression verstehen oder auch Demenz.

                            Liebe Gruesse
                            Rieke
                            Meine Spitzenahnen....
                            waren arm aber reinlich. Ihr Motto? Lieber leere Taschen als volle Hosen.

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