"Begräbnisrituale" in der Neumark (Brandenburg)

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  • renatehelene
    • 16.01.2010
    • 1983

    "Begräbnisrituale" in der Neumark (Brandenburg)

    Hallo,

    ich "baggere" gerade die ev. KB von Liebenau (Lubrza) ab 1794 durch und es fällt mir auf, daß bei den Verstorbenen sehr oft erwähnt wird, daß der/die Verstorben von "allen/vielen hiesigen Einwohner im Sarg gesehen worden" ist.
    Ich kenne das aber nur bei der katholischen Kirche. Wollte der Pfarrer sicher gehen, daß der/die Verstorbene auch der/die
    richtige Person ist?
  • scheuck
    Erfahrener Benutzer
    • 23.10.2011
    • 4383

    #2
    Hallo, Renate!

    Wunderst Du Dich über die Tatsache, dass das in den KBs ausdrücklich erwähnt wird, oder meinst Du, der "offene Sarg" sei ein Ritual, das nur in der kath. Kirche üblich war?

    Ob katholisch oder evangelisch, es gab früher doch "festgelegte Rituale", für alle möglichen Anlässe. Da war genau beschrieben, auf welche Weise etwas abzulaufen hatte; das kenne ich auch aus dem niedersächsischen Raum.

    In kleineren Orten wurde das offenbar auch peinlichst eingehalten; der "erste Nachbar" hatte besondere Aufgaben und Pflichten. Eine Aufbahrung des Verstorbenen im eigenen Haus war meiner Ansicht nach durchaus üblich, wobei natürlich jeder die Möglichkeit hatte, dem Verstorbenen die letzte Ehre zu erweisen.

    Ich habe eine "Abhandlung" zu diesem Thema aus dem Osnabrücker-Raum, darin wird zum Thema "Aufbahrung" sogar geraten, eine Tür auszuhängen, um den Toten dann darauf entsprechend in der Stube zu "zeigen"; es ist sogar "vorgeschrieben", wie viele Kerzen zu brennen haben und wo die zu stehen haben . Offenbar hat ein solches Zeremoniell mehrere Tage gedauert ...
    Herzliche Grüße
    Scheuck

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    • Verano
      Erfahrener Benutzer
      • 22.06.2016
      • 7819

      #3
      Hallo Renate und Scheuck,

      Noch ein Ritual: der Spiegel musste verhangen werden.

      Ich kenne von Erzählungen meiner Großeltern, dass ein schwarzes Tuch an die Haustür gehängt wurde.
      Viele Grüße August

      Die Vergangenheit ist ein fremdes Land, dort gelten andere Regeln.

      Kommentar

      • scheuck
        Erfahrener Benutzer
        • 23.10.2011
        • 4383

        #4
        JA, Verano, auch das!

        Nach heutiger Ansicht gab es da die "kuriosesten" Ansichten:

        als "bester" Sterbe-Tag galt der Freitag; wer an einem Freitag stirbt, "kommt gut hin"

        hat der Verstorbene den Mund offen, ist das ein Zeichen dafür, dass er eben nicht "gut hingekommen" ist

        Miauten Katzen nachdem jemand gestorben war, hatte der Verstorbene "Not gehabt, gut hinzukommen"

        Sofort nach dem Tode wurden das Fenster im Sterbe-Zimmer geöffnet, und die Vorhänge wurden zugezogen. Dann zündete man eine Öl-Lampe an, die Tag und Nacht brannte (bis zum Hinaustragen des Toten aus dem Haus).

        Der erste Nachbar hatte die Todesnachricht zu "verbreiten"; die Nachbarsfrauen hatten für "Speis und Trank" zu sorgen. - Es war auch Aufgabe der Nachbarn, den Verstorbenen zu waschen.

        Am Abend vor der Beerdigung kam aus jedem Haus mindestens eine Person, um zu wachen, wobei die Angehörigen dabei nicht anwesend waren


        (Quelle: August Suerbaum, "Sitte und Brauch unserer Heimat")
        Herzliche Grüße
        Scheuck

        Kommentar

        • renatehelene
          • 16.01.2010
          • 1983

          #5
          Hallo "Scheck" und Verano,

          ich hatte mich explizit über den "offenen Sarg" gewundert; jetzt bin ich
          durch Eure Beiträge schlauer geworden

          Kommentar

          • Araminta
            Erfahrener Benutzer
            • 12.11.2016
            • 599

            #6
            Zitat von scheuck Beitrag anzeigen

            Sofort nach dem Tode wurden das Fenster im Sterbe-Zimmer geöffnet, und die Vorhänge wurden zugezogen.
            Diesen Brauch kenne ich auch und wird hier, wenn möglich auch noch so vollzogen.

            Kommentar

            • scheuck
              Erfahrener Benutzer
              • 23.10.2011
              • 4383

              #7
              Zitat von Araminta Beitrag anzeigen
              Diesen Brauch kenne ich auch und wird hier, wenn möglich auch noch so vollzogen.
              Ja, damals war nichts mit "in aller Stille" und "im engsten Familien- und Freundeskreis" ....

              Man kann über die damaligen "Ansichten" denken wie man will; natürlich hat der Tod eines Menschen nichts damit zu tun, ob eine Katze miaut oder nicht.

              Man hat sich damals sicherlich mehr "Mühe" gegeben als heute oftmals in manchen Fällen, und in vieler Hinsicht finde ich persönlich es auch heute noch absolut "passend", sich solcher Rituale und Traditionen zu erinnern (und auch danach zu handeln).
              Herzliche Grüße
              Scheuck

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              • Mia
                Erfahrener Benutzer
                • 15.07.2013
                • 472

                #8
                Zitat:
                Zitat von scheuck

                Sofort nach dem Tode wurden das Fenster im Sterbe-Zimmer geöffnet, und die Vorhänge wurden zugezogen.


                Diesen Brauch kenne ich auch und wird hier, wenn möglich auch noch so vollzogen.
                Den Brauch kenne ich auch, allerdings mit gekipptem Fenster. Auf meine Frage nach dem Warum wurde gesagt, dass die Seele ungehindert entweichen kann.
                Ist das bei Euch auch der Grund?

                Viele Grüße
                Mia

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                • scheuck
                  Erfahrener Benutzer
                  • 23.10.2011
                  • 4383

                  #9
                  JA, Mia, diese Begründung kenne ich auch ...
                  Herzliche Grüße
                  Scheuck

                  Kommentar

                  • Araminta
                    Erfahrener Benutzer
                    • 12.11.2016
                    • 599

                    #10
                    Ja, so kenne ich dieses Ritual auch, eben mit geöffnetem Fenstern damit die Seele des Verstorbenen ungehindert entweichen kann.

                    @scheuck heute versterben die Menschen ja oft in Krankenhäusern oder Altenheimen, der Tod ist ein Tabu.
                    Warum eigentlich? Es wird jeden treffen.

                    Ich denke, man hat sich damals mehr Mühe mit diesen Dingen gemacht, weil man sich dessen allgegenwärtig war, und weil man sicher früher mehr abergläubisch war. Die Seelen der Verstorbenen konnten den Menschen nach ihrem Glauben noch helfen.

                    Das ist doch derselbe Grund, weshalb heute die Toten in anonymen Gräbern oder bestenfalls Urnenwänden beigesetzt werden.

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