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Suche einen erschossenen Offizier
Hallo zusammen,
dies ist mein erster Beitrag. Ich bitte ggf. um Nachsicht, da mir kein anderer Thread passender erscheint, leg ich die folgende Frage mal hier rein. Darf ich mich vorstellen. Seit 2018 forsche ich die Geschichte meines Ururgroßvaters Heinrich* Carl Christian Carsten (*21.1.1853, Rostock). Er wanderte am 6.12.1880 an Bord des Dampfers „Rio“ der Hamburg-Südamerikanische-Dampfschifffahrts-Gesellschaft nach Brasilien aus und legte sich in Lages, Santa Catarina, eine Stadt im Land Südbrasiliens, wo er als Steuerbeamter, Agent und Privatlehrer arbeitete. Die mündliche Überlieferung in meiner Familie (mein Großvater hat mir das auch immer erzählen) ist wie folgt. In Deutschland diente er in der Armee und war einst Leiter eines Sprengstofflagers. Dort hatte er auf ausdrücklichen Befehl ein Protokoll erhalten, das wie folgt lautete: Wer sich unmarkiert näherte, sollte abgeschossen werden. Einmal stand er Wache und plötzlich tauchte eine Gestalt auf. Ein Mann, der mit einer brennenden Zigarette kam. Prompt fragte er „Wer kommt da?“ und es kam keine Antwort. Wieder fragte er und nichts. Schließlich rief er „Wenn Sie sich nicht ausweisen schieße ich!“. Dann erschoss er ihn. Als er sich der Leiche näherte, um zu sehen, wer es war, stellte er fest, dass es sein leitender Offizier war (man sagt ein General). Folglich war er erschüttert. Verzweifelt und aus Angst vor einer Verurteilung floh er vom Tatort und tauchte unter. Er soll einen Bekannten gehabt haben, der im Hafen arbeitete und ihm half, Deutschland zu verlassen. Das dort verfügbare Schiff stammte aus Brasilien, daher bestieg er dieses und deshalb ging er dorthin. Es gibt ein paar kleine Unterschiede in der Geschichte, die jeder erzählt, aber das ist das große Ganze. Eine gültige Klammer ist, dass nach dem, was mir von einer Cousine meines Großvaters erzählt wurde, er nicht weggelaufen, sondern einfach gegangen wäre. Das liegt daran, dass er nur Befehlen (dem Protokoll) gehorcht hat. Daher konnte er nicht dafür beurteilt werden. Einige sagen, der von ihm getötete Offizier sei ein Bekannter von ihm gewesen. Diejenigen, die mir diese Geschichte erzählt haben, haben mir nie gesagt, wo sie stattgefunden hat. Ich glaube, es war in Hamburg. Denn ich habe aus dem Rostocker Stadtarchiv eine Urkunde von 1876 (also 4 Jahre vor der Auswanderung) erhalten (beigefügt), in der er sich als in Hamburg ansässiger Handlungsgehilfe vorstellte und sein Unterstützungswohnsitz beantragte. Der Beruf, der im Bordbuch steht, ist übrigens genau dieser: „Commis” (d.h. Handlungsgehilfe). Ich würde sehr gerne Beweise, Belege oder Bestätigungen für diese Geschichte finden. Wo konnte ich Nachrichten über den Tod dieses Offiziers finden? Ich finde es schwer zu glauben, dass ein solches Ereignis unbemerkt bleiben würde. Einige Berichten wurden möglicherweise von der Presse veröffentlicht oder sogar in einem Militärarchiv bzw. Militärgericht. Ich wäre sehr dankbar, wenn mir jemand bei dieser Suche helfen könnte. |
#2
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Hallo!
Ich kann mir kaum vorstellen, daß Dir hier jemand zu Deiner Frage nach dem angeblich erschossenen Offizier helfen kann. Zu Heinrich Carsten: Er wurde also 1853 als Sohn des Bäckers Fritz C. in Rostock geboren. Die Carstens waren eine alte Bäckersippe. Sein Vater starb früh. Am 3.12.1867 finden wir Heinrich bei seiner Mutter als Schulkind zusammen mit seinem Bruder Fritz junior in Rostock wohnend. 1868 finden wir Heinrich in einer Liste von jungen Bäckerlehrlingen, die von der vorschriftsmäßigen Lehrzeit befreit waren. Anscheinend gab er seine Lehre bald wieder auf, denn 1876 wird er als Handlungsgehilfe in Rostock erwähnt, der eine Condition, Dienst oder Anstellung in Hamburg in Aussicht hatte. Es bleibt aber fraglich, ob er jemals nach Hamburg verzogen ist. Im Paßregister der Stadt Rostock der Jahre 1874 bis 1880 fehlt er nämlich. Schließlich wird er am 6.12.1880 als in Rostock wohnend bezeichnet, als er sich in die Passagierliste des Dampfschiffs "Rio" als Auswanderer eintrug. Ich würde - falls nicht bereits geschehen - im Stadtarchiv Rostock in den Auswanderungsunterlagen forschen lassen. 1867 war er ja Mecklenburg-Schweriner Untertan. Also müßte er aus diesem Verhältnis entlassen worden sein bzw. eine Zustimmung zur Auswanderung vorgelegen haben. MfG Manni Geändert von Manni1970 (16.05.2022 um 23:42 Uhr) |
#3
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Die Militärgeschichte ist eine echte Räuberpistole.
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#4
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Hallo, Manni,
vielen Dank für Ihre Antwort. Zitat:
Wenn ja, ich glaube, dieser Heinrich ist der Onkel Heinrichs, der Bäckermeister war. Aus der Beschreibung des Inhalts gehe ich hervor, dass die Namen chronologisch verfügbar sind. Da Heinrich Carsten der erste Name auf der Liste ist, kann es sich nur um seinen gleichnamigen Onkel handeln, d.h. Heinrich* Carl David Carsten (*29.9.1815). 1838 war er somit 23 Jahre alt, ein beständiges Alter für eine Bäckerlehrling. Das Zweifel ist berechtigt. Doch ein Urgroßonkel von mir sagte, dass sein Vater dort gelebt oder sei dort gewesen. Zitat:
Das ist eine berechtigte Frage. Alle Rostocker Adressbücher sind auf der Website der Universität Rostock verfügbar. Leider habe ich dort nie seinen Namen gefunden. Von der Mutter, Brüdern und Onkeln, ja. Ich vermute also, dass er nicht mehr dort lebte. Zitat:
Ja, ich behaupte mit Sicherheit, dass er bis mindestens 1868 in Rostock gelebt hat, denn ich habe die Urkunde seiner Konfirmation in der evangelischen Gemeinde in diesem Jahr. Danach nichts. Zitat:
Mit freundlichen Grüßen, —MCA |
#5
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Hallo MCA,
ich denke nicht, daß der Leiter eines Sprengstofflagers selbst den Wachdienst versieht. Die Geschichte erscheint mir überhaupt sehr seltsam. Viele Grüße consanguineus |
#6
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Hallo!
Ich hatte nur den einen Heinrich C. zur fraglichen Zeit ausgemacht. Aber gut, wenn es da noch einen zweiten gab, könnte auch der Onkel gemeint sein. Letztlich ließe sich das ja mit wenig Aufwand überprüfen. In den Adressbüchern aus dieser Zeit (1870er Jahre) steht jeweils nur der Haushaltsvorstand, die Angehörigen und Untermieter fehlen. Nur weil Heinrich nicht enthalten ist, heißt es nicht, daß er sich nicht bei seiner Mutter oder als Untermieter sonstwo in Rostock aufhielt. Die Mormonen haben reichlich Material aus dem Rostocker Stadtarchiv online gestellt. Hier bspw. das Paßregister, Melde-, Personenakten 1818-1915. Für den Jg. 1876 sind alleine zwei Rostocker erwähnt, die für die Reise nach Hamburg einen Paß erhielten. Man müßte den Sachverhalt mit einem Stadtarchivar abklären, aber ich gehe davon aus, daß Heinrich nicht ohne Paß nach Hamburg reisen durfte. Wäre er aber als Auswanderer anerkannt worden, brauchte er keinen mecklenburg-schweriner Paß mehr, sondern eben die Entlassung aus dem Untertanenverhältnis. Vl. doch noch zum Militärischen. Mecklenburg-Schwerin war Norddeutscher Bund bzw. Deutsches Reich, also Wehrpflicht, Militärpflicht ab 20 u. drei Jahre Dienstzeit. 1853 in Rostock geboren, 1873-1876 Dienstzeit (wo?), 1876 nach dem Abgang vom Militär in Rostock den Wunsch geäußert, eine Stelle in Hamburg anzutreten. Damit wäre er 1880 Zivilist gewesen. 1880 war er 27, hätte als Offizier damit Kommandant eines Munitionsdepots sein können. Dazu paßt aber nicht, daß er mit 23 Jahren (1876) noch Handlungsgehilfe in Rostock war. Als Wehrpflichtiger wird er demnach ein einfacher Wachsoldat gewesen sein. Wer den Zuruf eines Wachsoldaten ignoriert, muß damit rechnen, daß auf ihn geschossen wird. Wenn der Wachsoldat nach der Schußabgabe flieht, ist es Fahnenflucht. Er wäre also nach ihm gefahndet worden. Ich weiß nicht, inwieweit die Hamburger Hafenpolizei um 1880 aktiv war, aber daß man als gesuchte Person sich unter seinem richtigen Namen ohne Auswanderdokumente auf ein Schiff nach Brasilien begeben konnte, halte ich doch für unwahrscheinlich. Zitat:
Auf dem beigefügten Zettel steht doch, daß er im Juni 1876 seinen Wohnsitz in Rostock hatte ("... um Ertheilung einer Bescheinigung über seinen zur Zeit hier bestehenden Unterstützungswohnsitz"). MfG Manni Geändert von Manni1970 (17.05.2022 um 15:17 Uhr) |
#7
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Hallo,
das hier beschriebene verhalten als Wachposten war sicherlich nach den damals geltenden Dienstvorschriften richtig. Gilt auch heute noch oder so ähnlich. Eine Erlaubnis zur Auswanderung benötigte er, weil nach Beendigung des Wehrdienstes noch eine Reserve- bzw. Landwehrpflicht bestand. Er unterlag somit noch der Wehrüberwachung durch die Militärbehörden. Gruß Moselaaner |
#8
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Moin zusammen,
ein Versuch, den mutmaßlich erschossenen Offizier zu finden. Angenommen, der Vorfall ereignete sich nur Tage oder Wochen vor der Abfahrt am 6. Dez. 1880. Im Militär-Wochenblatt gibt es die angehängte Auflistung der zwischen 1. Okt. und Ende Dez. 1880 verstorbenen Offiziere, die auch zwei Generäle enthält. General d. Kav. v. Rheinbaben und General d. Inf. v. Goeben starben eines natürlichen Todes. Vielleicht war es ein weniger hochrangiger Offizier! Für den norddeutschen Raum um Hamburg und Mecklenburg kommen das IX. Armeekorps mit zwei Todesfällen und das X. Armeekorps mit einem Todesfall in Frage. Der 29. Apr. ist wohl zu früh. Am 8. Dez., also 2 Tage nach der Abfahrt, starb der Reserveoffizier Oppenheimer, mutmaßlich der Lübecker Jurist Richard Heinrich Oppenheimer. Der erst 19-jährige Secondelieutenant Hans v. Knobelsdorff starb am 27. Nov. in Königsberg/Preußen an akuter Lungentuberkulose. Ich bin also nicht fündig geworden, die Überprüfung der weiteren Todesfälle erscheint mir fraglich. Grüße Basil |
#9
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Hallo Basil,
gute Idee von Dir mit den Todesanzeigen der Offiziere im Mil.-Wochenblatt! Die ganze Geschichte, die Horst eine Räuberpistole nennt, kann jedoch unmöglich stimmen, wenn man Heinrichs Auswanderdokumente findet. Er wird ja nicht jemand auf Wache erschossenen, Fahnenflucht begangen haben und anschließend beim Rostocker Bürgermeister einen Antrag auf Auswanderung stellen, der von dort weitergeleitet ans Schweriner Innnenministerium, geprüft, genehmigt wurde und er letztlich mit der Rio davongeschippert ist. Die Passagierliste der Rio aus dem Hamburger Staatsarchiv, hier Auswanderer-Datenbank findet man ja bei Ancestry. Hier hat jemand die Auswanderer aus Mecklenburg-Strelitz in einer Datenbank erfaßt. Es muß demnach entspr. Archivmaterial vorliegen. Im Landesarchiv Schwerin finden sich dann tatsächlich innerhalb des Bestands "Mecklenburg-Schwerinsches Ministerium des Inneren", H.9 Auswanderungen, Spezialakten, H.9.4.2.4 Serie VIII, die Bände 11053 bis 11056, darin enthalten "Die seit Neujahr 1873 eingegangenen Gesuche um Entlassung aus der Staatsangehörigkeit zwecks Auswanderung nach außerdeutschen Ländern", hier Nr. 2908-3299 von 1879 bis 1881. Leider mit dem Vermerk "mit Lücken". Ich weiß jetzt nicht, ob MCA aus Brasilien schreibt, dann kann er natürlich nicht mal so eben im Stadtarchiv Rostock oder im Landesarchiv Schwerin vorbeischauen. Ggf. müßte man über eine Auftragsrecherche nachdenken. Es gibt ja diesen Verein für mecklenburgische Familien- und Personengeschichte - vl. können die eine solche Recherche vermitteln. MfG Manni |
#10
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Hallo,
Zitat:
Allerdings dürfte er dann "beim Rostocker Bürgermeister" kaum "einen Antrag auf Auswanderung" gestellt haben. VG Silvio |
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befehl , carsten , commis , erschossen , flucht , hamburg , offizier , protokoll , rostock |
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